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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 2/15
vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
14. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 7. Juli 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Ausspruch über die im Fall II. 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe,
b) soweit ein Betrag von 1.700 € für verfallen erklärt worden ist,
c) soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie unter anderem den Verfall von 1.700 € angeordnet. Hiergegen richtet
sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des
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Angeklagten. Während sich die Verfahrensrügen aus den in der Antragsschrift
des Generalbundesanwalt dargelegten Gründen als jedenfalls unbegründet
erweisen, hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
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1. Die im Fall II. 3 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe kann keinen
Bestand haben. Insoweit sind die Strafzumessungserwägungen, die bereits bei
der Strafrahmenwahl Berücksichtigung finden müssen, in einem wesentlichen
Punkt lückenhaft. Zwar braucht der Tatrichter im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend gewesen sind
(§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (BGH, Beschluss
vom 27. September 2011 - 3 StR 296/11, NStZ-RR 2011, 370; st. Rspr.). Hier
hat das Landgericht aber den gewichtigen strafmildernden Umstand, dass das
gesamte für den Absatz bestimmte Kokain sichergestellt und aus dem Verkehr
gezogen wurde, so dass es nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten kommen konnte, unberücksichtigt gelassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
19. Januar 1990 - 2 StR 588/89, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 10; vom
28. März 2006 - 4 StR 42/06, NStZ-RR 2006, 220 <LS>; vom 27. September
2011 - 3 StR 296/11, NStZ-RR 2011, 370). Der Senat kann nicht ausschließen,
dass der Tatrichter bei Beachtung dieses Strafmilderungsgrundes die Strafe
niedriger bemessen hätte. Die Aufhebung dieser Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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2. Auch die Anordnung des Verfalls eines Betrages von 1.700 € hält der
rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte das Geld bereits erlangt hatte.
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4
Beim Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen
tatsächlichen Vorgang. Ein Gegenstand ist wirtschaftlich erlangt, sobald dieser
unmittelbar aus der Tat in die eigene Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68). Vorliegend wurde der Angeklagte auf dem Weg zu seinem Depot, aus dem er Betäubungsmittel holen wollte, festgenommen. In seiner Wohnung, in der sein
Abnehmer wartete, lagen 1.700 € auf dem Tisch. Ob das Geld zu diesem Zeitpunkt bereits in die Verfügungsmacht des Angeklagten gelangt war oder ihm
erst Zug um Zug gegen die Übergabe der Betäubungsmittel zufließen sollte, ist
nach diesen Feststellungen offen. Danach ist nicht festgestellt, dass der Abnehmer dem Angeklagten den Betrag von 1.700 € bereits übergeben hatte.
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3. Schließlich hat das Urteil auch keinen Bestand, soweit das Landgericht von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
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Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte 2005 erstmals gelegentlich Haschisch und Kokain. In den Jahren 2009/2010 gab er sich dann
einem exzessiven Rauschmittelkonsum hin. Er schnupfte fast täglich zwischen
sechs und zehn Linien Kokain. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft unterzog er sich von 2011 bis 2013 einer ambulanten Therapiemaßnahme, während der er abstinent blieb. Ab Januar 2013 steigerte sich
aber sein Konsum wieder auf zuletzt drei Gramm Cannabis täglich und zwei bis
vier Gramm Kokain im Monat. Beim Angeklagten wurde deshalb auch ein
missbräuchlicher Konsum von Cannabis und Kokain diagnostiziert, allerdings
kein Abhängigkeitssyndrom. Diesen Feststellungen widerspricht es, dass das
Landgericht einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB mit der Begründung
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verneint hat, dass der Angeklagte nur sporadisch und gelegentlich Betäubungsmittel konsumiere. Dieser offenkundige Widerspruch nötigt zur Aufhebung auch der Entscheidung über den Maßregelvollzug. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der
Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Becker
RiBGH Hubert befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Mayer
Schäfer
Spaniol