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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 87/04
vom
1. April 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. April 2004 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Dezember 2003 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung in Tateinheit mit Vornahme sexueller Handlungen an einer Person unter 14 Jahren sowie wegen versuchter Vornahme sexueller Handlungen an einer Person unter
14 Jahren und wegen Vornahme sexueller Handlungen an einer Person unter
14 Jahren in 3 Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts BerlinTiergarten vom 26.01.2001" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Außerdem beanstandet er das Verfahren.
Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung von § 52 Abs. 3 StPO
Erfolg.
-3-
Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, daß das Landgericht die
drei Tatopfer vernommen hat, ohne sie gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über
ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren. Als Töchter der damaligen Ehefrau des Angeklagten sind sie mit dem Angeklagten entgegen der Auffassung
der Strafkammer ("nicht verwandt und nicht verschwägert") - auch nach Beendigung der Ehe - in gerader Linie verschwägert (§ 1590 BGB) und daher nach
§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt.
Auf dem Rechtsfehler kann das angefochtene Urteil beruhen:
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vornehmlich auf die Angaben der Stieftöchter gestützt. Ein Beruhen
des Urteils auf dem Unterbleiben der gebotenen Belehrung kann - entgegen
der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht mit der Überlegung
ausgeschlossen werden, die Zeuginnen hätten auch nach ordnungsgemäßer
Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgesagt (vgl. BGHR StPO §
52 Abs. 3 Satz 1 Verletzung 3). Insbesondere sind Anhaltspunkte dafür, daß
den Zeuginnen ihr Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung vor
dem Landgericht trotz fehlender Belehrung ohnehin bekannt gewesen ist, nicht
ersichtlich. Eine ermittlungsrichterliche Vernehmung der Zeuginnen nach ordnungsgemäßer Belehrung, aus der sich eine solche Kenntnis ergeben könnte,
war nicht vorausgegangen. Der Umstand, daß die Zeuginnen bei der Polizei
nach ordnungsgemäßer Belehrung ausgesagt haben, läßt weder den Schluß
zu, daß ihnen ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses auch in der Hauptverhandlung bekannt war, noch rechtfertigt er die Annahme, daß sie nach einer
Belehrung erneut zur Aussage bereit gewesen wären.
-4-
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung. In ihr wird der Tatrichter
auch Gelegenheit haben, die vor dem Hintergrund der familiären Situation des
Angeklagten für die Beweiswürdigung möglicherweise nicht unerheblichen näheren Umstände der Aufdeckung der Taten sowie die Entstehungsgeschichte
der Aussagen festzustellen und im Urteil mitzuteilen. Das aufgehobene Urteil
gibt im übrigen Anlaß zu dem Hinweis, daß die Urteilsformel gemäß § 260
Abs. 3 StPO die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben hat und daß bei
der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StPO keine früheren
Urteile, sondern "Strafen" einbezogen werden.
Tolksdorf
Die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister
Dr. Miebach und Becker sind infolge
Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf
Winkler