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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 485/10
vom
28. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 28. Juni
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 8. Juli 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte verurteilt worden ist in den Fällen
- II. 2. bis 7. der Urteilsgründe wegen sechs Fällen des
Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge,
- II. 17. bis 25. der Urteilsgründe wegen neun Fällen der
Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer
Menge,
- II. 26. der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
- II. 30. der Urteilsgründe wegen Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigten in Tateinheit mit Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
-3-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
- bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe),
- bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge (Fall II. 26. der Urteilsgründe),
- Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in zwölf Fällen (Fälle
II. 14. bis 25. der Urteilsgründe),
- Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur
Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei
Fällen (Fälle II. 8. bis 10. der Urteilsgründe),
-4-
- zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit
Einfuhr von Betäubungsmitteln oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge (Fälle II. 11. und 12. der
Urteilsgründe),
- Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in drei
Fällen (Fälle II. 27. bis 29. der Urteilsgründe),
- zweier Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge (Fälle II. 1. und 13. der Urteilsgründe) sowie
- Erwerbs einer Schusswaffe zum Zwecke der Überlassung an einen
Nichtberechtigen in Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (Fall II. 30. der Urteilsgründe)
zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Ferner hat es zu seinen Lasten 10.000 € für verfallen erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des
Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel
ersichtlichen Teilerfolg.
I.
2
1. Der Schuldspruch wegen sechs Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) in
den Fällen II. 2. bis 7. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
-5-
3
a) Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte ab September 2008
zusammen mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und zwei weiteren Personen insgesamt drei Indoor-Plantagen zur Erzeugung von Marihuana für den gewinnbringenden Verkauf. In der von Ende September 2008 bis Ende März 2009 bestehenden Plantage in H.
fanden insgesamt drei Ernten statt, und zwar im
Dezember 2008 sowie im Februar und im März 2009; der Gesamtertrag belief
sich auf 5,1 kg. Die Pflanzen in der ab Dezember 2008 unterhaltenen Plantage
in N.
waren zum Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten am
28. April 2009 noch nicht erntereif. In der ab Januar 2009 betriebenen Plantage
in Ha.
fand bis 28. April 2009 eine Ernte statt, die 4,5 kg erbrachte;
weitere 3 kg abgeerntete Pflanzenteile nebst einer Generation noch nicht abgeernteter Pflanzen wurden dort sichergestellt. Wie das Landgericht weiter
feststellt, hat der Angeklagte aus dem Gesamtertrag - ca. 13 kg - 6 kg am
13. April 2009 an den Zeugen W.
verkauft (vgl. Fall II. 30. der Urteils-
gründe); 7 kg hat er in mehreren Einzelmengen an den Zeugen We.
ver-
äußert.
4
b) Ungeachtet dessen, dass ein Verkauf der insgesamt geernteten ca.
13 kg Marihuana nicht mit einer Sicherstellung von 3 kg hiervon in Einklang gebracht werden kann, erschließt sich aus dem Gesamtzusammenhang, dass die
dem Zeugen W.
am 13. April 2009 verkaufte Menge aus mehreren Ern-
ten herrührte.
5
Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind
-6-
(vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2005 - 3 StR 106/05, NStZ 2005, 650; Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 516; § 29 Rn. 109). Anderes gilt indes,
soweit der Täter - wie hier hinsichtlich des Verkaufs an den Zeugen W.
festgestellt - mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge
in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert. Dies führt jedenfalls zu einer
Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zur Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 2003 - 4 StR 130/03; Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 521, 563).
Sammelt der Täter darüber hinaus mehrere Ernten zu einem Gesamtvorrat an,
bevor er mit dem Verkauf beginnt, so verbindet dies alle hierauf bezogenen
Einzelakte des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit mit der Folge einer
materiellrechtlich einheitlichen, auch die zu Grunde liegenden Anbauvorgänge
umfassenden Tat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, NJW
2003, 300; Beschluss vom 25. Juni 1998 - 1 StR 68/98, NStZ-RR 1999, 250;
Weber aaO vor §§ 29 ff. Rn. 514 f.).
6
c) Eine Berichtigung des Schuldspruchs ist dem Senat schon wegen der
aufgezeigten Widersprüche nicht möglich. Der neue Tatrichter wird deshalb
insgesamt neue Feststellungen zu den jeweiligen Erntemengen und ihrer Verwendung zu treffen haben.
7
2. Auch der Schuldspruch wegen neun Fällen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in
nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), in den Fällen II. 17. bis 25. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte zwischen Ende
Oktober 2008 und Ende April 2009 insgesamt 18 kg Marihuana an den Zeugen
-7-
We.
. Es stammte "aus Einfuhren", die der Angeklagte entweder selbst tätig-
te oder durch den Zeugen R.
tätigen ließ. Die Veräußerung geschah "in
Portionen" von 1 bis 2 kg, also in mindestens neun Fällen.
9
b) Die Zahl der Einfuhren lässt das Landgericht offen. Hierzu nähere
Feststellungen zu treffen wäre es indes gehalten gewesen, denn allein der Umstand, dass der Angeklagte das eingeführte Marihuana in neun Einzelakten
verkauft hat, trägt noch nicht die Annahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in neun Fällen. Beschafft sich der Täter eine einheitliche Rauschgiftmenge zur gewinnbringenden Weiterveräußerung, so verwirklicht er den
Tatbestand des Handeltreibens vielmehr auch dann nur einmal, wenn er sie in
mehreren Teilmengen absetzt, denn Akte des Handeltreibens, die sich auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen, bilden eine Bewertungseinheit (BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 3 StR 91/06, NStZ 2007, 102; Weber aaO vor §§ 29
ff. Rn. 487, 489, 492). Dass der Angeklagte die verkauften "Portionen" jeweils
gesondert eingeführt hätte, legen die Feststellungen nicht nahe.
10
3. Im Fall II. 26. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die
Annahme der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
11
a) Danach führte der Angeklagte am 3. November 2008 in seinem Pkw
995 g Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf und 336 Cannabispflanzen für seine Plantage in H.
aus den Niederlanden nach Deutschland
ein. Dabei führte er im leeren Airbag-Fach des Pkw einen ohne weiteres erreichbaren Schlagring mit.
-8-
12
b) Bewaffnetes Handeltreiben nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter die Schusswaffe oder den Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen
kann (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - 4 StR 435/07, BGHSt 52, 89; Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ausreichend, aber
auch erforderlich ist das aktuelle Bewusstsein des Bewaffnetseins (BGH, Urteil
vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Weber aaO § 30a Rn.
128). Zu dieser subjektiven Tatseite ist indes nichts festgestellt. Vielmehr lassen die weiteren Darlegungen darauf schließen, dass sich das Landgericht
außerstande gesehen hat, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen, er
habe den Schlagring als Geschenk für den Lieferanten in die Niederlande mitgenommen, ihn dann aber vergessen und auf der Rückfahrt nicht mehr an ihn
gedacht.
13
c) Nicht tragfähig ist die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte sei
sich jedenfalls bei seiner Anfahrt aus Deutschland zum Zwecke des Erwerbs
der Betäubungsmittel der Zugriffsmöglichkeit auf den Schlagring bewusst gewesen. Handelt der Täter in mehreren Einzelakten, so reicht es zwar aus, wenn
er die Tatbestandsmerkmale der Qualifikation nur bei einem Einzelakt verwirklicht (BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433; Urteil
vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8). Ein dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz vorgelagertes Handeln des Täters ist Teilakt des Handeltreibens jedoch erst dann, wenn die Tat damit wenigstens in das Versuchsstadium eingetreten ist; die Bewaffnung nur während einer Vorbereitungshandlung
genügt für § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht (Weber aaO § 30a Rn. 152). Allein
mit dem Antritt einer Fahrt in der Absicht, am Zielort Betäubungsmittel zu erwerben, setzt der Täter aber grundsätzlich noch nicht zu einem konkretisierbaren Umsatzgeschäft an. Etwas anderes kann etwa dann gelten, wenn dem
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Täter dort ein zuverlässiger Händler bekannt ist (Weber aaO § 29 Rn. 351, 541;
vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 1996 - 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507).
Solche besonderen Umstände des Einzelfalles hat das Landgericht indes nicht
festgestellt.
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4. Auch der Schuldspruch wegen Erwerbs einer Schusswaffe zwecks
Überlassung an einen Nichtberechtigen (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG) in
Tateinheit mit "Erwerb und Besitz von halbautomatischen Kurzwaffen" (§ 52
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG) im Fall II. 30. der Urteilsgründe wird von den
Feststellungen nicht getragen.
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a) Danach bat der Angeklagte Anfang April 2009 den Zeugen We.
ihm eine Schusswaffe zu besorgen. We.
,
erwarb hierauf eine Pistole
Walther P1, einen Revolver HS Kal. 22 Single Action und einen Revolver ME
33 Magnum und veräußerte diese Waffen an den Angeklagten. Die Pistole verkaufte der Angeklagte an den Zeugen W.
weiter, als dieser am 13. April
2009 die erworbenen 6 kg Marihuana (Fälle II. 2. bis 7. der Urteilsgründe) mit
der Bahn nach Hause bringen wollte. Die beiden Revolver verwahrte er in einem Hohlraum in der Decke seiner Wohnung.
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b) Der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG setzt voraus,
dass der Täter bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs der Waffe die Absicht hat,
sie an einen Nichtberechtigten weiterzugeben (MünchKommStGB/Heinrich,
§ 52 WaffG Rn. 15). Dies ist hinsichtlich der Pistole Walther P1 nicht festgestellt und kann nach dem dargelegten Geschehensablauf auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden. Danach käme insoweit - tateinheitlich zu Erwerb und Besitz gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffG - lediglich Überlassen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe nach § 52
- 10 -
Abs. 3 Nr. 7 WaffG in Betracht (MünchKommStGB/Heinrich aaO Rn. 83 f.,
145).
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Desweiteren handelt es sich bei den Revolvern nicht um halbautomatische Kurzwaffen im Sinne von § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG, denn diese
werden nach Abgabe eines Schusses nicht selbsttätig, sondern nur durch Einsatz körperlicher Kraft erneut schussbereit. Anlage 1 zum WaffG Abschnitt 1
Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 stellt dies auch für den Typ Double Action wie den Revolver ME 33 Magnum klar. In Betracht kommt damit insoweit nur Erwerb einer
Schusswaffe tateinheitlich in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit deren Besitz
(§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG; vgl. MünchKommStGB/Heinrich aaO
Rn. 147, 159 mwN).
18
c) In Anbetracht der ausgesprochenen - im Verhältnis zum Strafrahmen
des § 52 Abs. 1 WaffG erheblichen - Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs
Monaten kann das Urteil auf den Rechtsfehlern beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer milderen Strafe gelangt wäre, hätte
es hinsichtlich der Pistole nur § 52 Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 7 WaffG und hinsichtlich der Revolver tateinheitlich hierzu nur § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a
WaffG angewandt.
II.
19
Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Rüge des Beschwerdeführers,
ihm sei entgegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO weder das letzte Wort gewährt worden noch sei er befragt worden, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung
anzuführen habe.
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1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
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a) In der Hauptverhandlung am 8. Juli 2010 wurde die Beweisaufnahme
zunächst im allseitigen Einverständnis geschlossen. Nach den Schlussanträgen
der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin hatte der Angeklagte das letzte
Wort. Der Angeklagte wurde befragt, ob er selbst noch etwas zur Verteidigung
anzuführen habe; "er erklärte sich". Nach Unterbrechung trat die Strafkammer
nochmals in die Beweisaufnahme ein. Sie beschloss eine Teileinstellung nach
§ 154 Abs. 2 StPO und gab einen rechtlichen Hinweis zu zwei der später abgeurteilten Taten. Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Zum weiteren Verfahrensgang ist in dem am 24. August 2010 fertiggestellten - vom Beschwerdeführer zur Grundlage seiner Rüge genommenen Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt: "Die Staatsanwältin, die Verteidigerin
und der Angeklagte wiederholten ihre Anträge." Nach Beratung verkündete die
Strafkammer sodann das Urteil.
22
b) Nach Eingang der Revisionsbegründung gaben der Vorsitzende und
die Urkundsbeamtin am 5. November 2010 zu der Rüge dienstliche Äußerungen dahingehend ab, der Angeklagte sei nach der erneuten Schließung der
Beweisaufnahme ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er nochmals
das letzte Wort habe. Er habe jedoch ebenso wie die Staatsanwältin und die
Verteidigerin keine weiteren Ausführungen gemacht, weshalb im Protokoll
missverständlich festgehalten worden sei, dass alle Genannten ihre Anträge
wiederholt hätten. Mit Beschluss vom gleichen Tag berichtigten der Vorsitzende
und die Urkundsbeamtin das Protokoll ohne Anhörung des Beschwerdeführers
insoweit wie folgt:
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"Die Beweisaufnahme wurde wieder geschlossen. Die Staatsanwältin
und die Verteidigerin wiederholten ihre Anträge. Der Angeklagte hatte erneut
das letzte Wort. Er machte keine weiteren Ausführungen."
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2. Die Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
25
a) Allerdings sieht sich der Senat anders als der Generalbundesanwalt
nicht in der Lage, den Wortlaut des Protokolls in der am 24. August 2010 fertig
gestellten Fassung dahin auszulegen, der Angeklagte habe nach der erneuten
Schließung der Beweisaufnahme nochmals das letzte Wort gehabt. Zwar sind
auch diesbezügliche Protokollvermerke auslegungsfähig, weshalb es nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Verfasser dem Gesetzeswortlaut entsprechend den Begriff "letztes Wort" verwendet hat (BGH, Urteil vom 20. März 1959
- 4 StR 416/58, BGHSt 13, 53, 59 f.). Stets muss der Vermerk jedoch hinreichend deutlich machen, dass das Gericht den Angeklagten befragt und ihm
Gelegenheit gegeben hat, sich als letzter der Beteiligten zu äußern. Aus der
vom Landgericht hier gewählten Formulierung kann der Senat dies nicht ableiten.
26
b) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Generalbundesanwalts, das Verfahrensgeschehen könne jedenfalls im Freibeweis anhand der
dienstlichen Äußerungen ermittelt werden, weil das (unberichtigte) Protokoll
insoweit widersprüchlich sei, als es einerseits festhalte, der Angeklagte habe
"sich erklärt", andererseits bekunde, er habe seinen "Antrag" wiederholt. Dabei
kann offen bleiben, ob hierin überhaupt eine die Frage der Erteilung des letzten
Wortes berührende Widersprüchlichkeit des Protokolls zu sehen ist. Denn nach
der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 14. Juli
2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675; Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 StR
- 13 -
169/09, NJW 2010, 2068), der sich der Senat anschließt, ist es dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt, den tatgerichtlichen Verfahrensablauf anhand
dienstlicher Erklärungen im Wege des Freibeweises darauf zu überprüfen, ob
die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten
beobachtet worden sind. Diese können nach § 274 Satz 1 StPO allein durch
das Protokoll bewiesen werden; als Gegenbeweis lässt § 274 Satz 2 StPO nur
den Nachweis der Fälschung zu. Insbesondere angesichts der nunmehr durch
die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (Beschluss vom 23. April
2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298) bestätigten Möglichkeit, auch noch nach
Erhebung einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge das Protokoll zu berichtigen, selbst wenn dieser dadurch die Tatsachengrundlage entzogen wird, besteht grundsätzlich kein Raum mehr dafür, zum Nachteil des Angeklagten freibeweislich über die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten zu befinden.
Denn gegenüber einem den Maßstäben des Großen Senats (aaO Rn. 61 ff.)
genügenden förmlichen Berichtigungsverfahren bietet das Freibeweisverfahren
nur geringere verfahrensrechtliche Sicherungen für die Ermittlung des wahren
Sachverhalts (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010,
675).
27
c) Indes ergibt sich aus dem nunmehr berichtigten Protokoll, dass der
vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensverstoß nicht vorgelegen hat.
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Unbeachtlich ist allerdings der Berichtigungsbeschluss des Landgerichts
vom 5. November 2010, denn mangels Anhörung des Beschwerdeführers ist er
nicht in einem Verfahren ergangen, das den im Beschluss des Großen Senats
(aaO) niedergelegten Grundsätzen genügt. Dasselbe gilt für die vom Landgericht am 21. März 2011 - nach Rückgabe der Sache durch den Senat - beschlossene gleichlautende Protokollberichtigung, die unberücksichtigt ließ, dass
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der Beschwerdeführer der Maßnahme am 15. März 2011 widersprochen hatte.
Indes hat das Landgericht schließlich am 17. Mai 2011, wiederum mit demselben Wortlaut, einen weiteren Berichtigungsbeschluss gefasst, der nach Überprüfung durch den Senat auf einem den genannten Vorgaben entsprechenden
Verfahren beruht.
29
Angesichts der sich aus den dienstlichen Äußerungen vom 5. November
2010 ergebenden sicheren Erinnerung der Urkundspersonen bedurfte es der
vom Beschwerdeführer vermissten Erklärungen des beisitzenden Richters und
des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht mehr. Insbesondere hat der
Beschwerdeführer auch in seinem erneuten Widerspruch vom 11. Mai 2011
nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen er sich im Gegensatz zu
den Urkundspersonen der Richtigkeit des zunächst gefertigten Protokolls sicher
ist (vgl. BGH - GSSt - aaO Rn. 63). Hierzu hätte er den ihm erinnerlichen Verfahrensablauf näher schildern und sich auch dazu erklären müssen, auf welchen tatsächlichen Vorgängen der von ihm für richtig gehaltene Vermerk, er sei
bei seinem Antrag geblieben, beruht.
30
d) Die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der
Wiederholung eines zunächst wegen eines Verfahrensfehlers ohne Wirkung
gebliebenen Berichtigungsverfahrens teilt der Senat nicht. Der von der Rechtsprechung und der Literatur vereinzelt vertretenen, aber nicht näher begründeten Auffassung, eine solche Vorgehensweise verstoße gegen das Recht des
Angeklagten auf ein faires Verfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 10. März
2009 - 5 Ss 506/08, StV 2009, 349; Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 3 RVs
49/10, StV 2011, 272; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 271 Rn. 26a), kann
sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Rechtsfehlerhaft und damit nach den Maßstäben der genannten Entscheidung des
- 15 -
Großen Senats unbeachtlich waren die Berichtigungsbeschlüsse des Landgerichts vom 5. November 2010 und vom 21. März 2011 wegen eines Verstoßes
gegen das Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers auf Gewährung des
rechtlichen Gehörs. Die ordnungsgemäße Neuvornahme einer an einem solchen Mangel leidenden, aber im Übrigen statthaften strafprozessualen Maßnahme führt für sich allein weder zu einer unangemessenen Benachteiligung
des Beschuldigten noch zu einer unzumutbaren Erschwerung seiner Möglichkeiten, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen. Die allgemeine Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise ergibt sich nicht zuletzt aus der gesetzlichen Regelung der Anhörungsrüge. Dafür, dass das Tatgericht bei einer Protokollberichtigung, die einer
Verfahrensrüge nachträglich die tatsächliche Grundlage entzieht, abweichend
auf insgesamt nur einen "Versuch" beschränkt bleiben sollte, findet sich keine
überzeugende Begründung. Die Schranken für eine erfolgreiche revisionsrechtliche Verfahrensrüge erhöhen sich nicht dadurch, dass nicht schon das erste,
sondern erst ein weiteres Protokollberichtigungsverfahren zur Rügeverkümmerung führt.
31
Zwar hat auch der Bundesgerichtshof in einem Einzelfall von der Rücksendung der Akten an das Tatgericht zum Zwecke der Einleitung eines Protokollberichtigungsverfahrens mit der Begründung abgesehen, dies käme einer
Verletzung des Rechts des Angeklagten auf ein faires Verfahren gleich (Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 158/10, StV 2010, 675). Dies betraf jedoch
nicht wie hier die Wiederholung eines wegen Nichtgewährung des rechtlichen
Gehörs wirkungslosen Berichtigungsverfahrens, sondern die abweichende Fallgestaltung, dass das Tatgericht bereits von der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zur Protokollberichtigung erhalten, hiervon aber abgesehen hatte. In
einer solchen Situation liegt es nahe, dass der Angeklagte die nochmalige
- 16 -
Rückgabe der Sache als unzulässigen Druck auf die allein verantwortlichen
Urkundspersonen missverstehen könnte, das Protokoll doch noch zu seinem
Nachteil zu ändern.
III.
32
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
33
Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht die festgestellte Aufklärungshilfe des Angeklagten in der Weise strafmildernd berücksichtigt,
dass es die Untergrenze des Strafrahmens nach § 31 Nr. 1 BtMG aF, § 49
Abs. 2 StGB und dessen Obergrenze nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG in der ab
1. September 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2
Satz 1 StGB bestimmt hat. Damit hat es gegen § 2 Abs. 3 StGB verstoßen,
denn diese Vorschrift gestattet es nicht, dem Täter günstige Elemente aus Gesetzen verschiedener Gültigkeit zu kombinieren, sondern verlangt einen Gesamtvergleich der jeweiligen Fassungen anhand des konkreten Falles (Fischer,
StGB, 58. Aufl., § 2 Rn. 9). Das Landgericht hätte deshalb im Einzelfall entscheiden müssen, ob die neue oder die alte Regelung der Rechtsfolgen einer
Aufklärungs- bzw. Präventionshilfe in ihrer Gesamtheit die für den Angeklagten
günstigere Gesetzeslage darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2010 3 StR 65/10, NStZ 2010, 523).
- 17 -
34
Soweit die Einzelstrafen nicht ohnehin in Wegfall kommen, schließt der
Senat allerdings aus, dass das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten auf diesem Rechtsfehler beruht.
Becker
Pfister
Mayer
Schäfer
Menges