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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 429/18
vom
27. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:271118B3STR429.18.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. November 2018 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 30. Mai 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in acht Fällen,
davon in sechs Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem
hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 596.000 € angeordnet,
davon in Höhe von 250.000 € als Gesamtschuldner mit dem gesondert verfolgten
S.
. Die auf die allgemeine Sachrüge und eine Verfahrensbean-
standung gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge
Erfolg.
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I. Dem Urteil liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen zugrunde:
-3-
3
1. Der Angeklagte vertrieb - teilweise gemeinsam mit dem gesondert
verfolgten S.
- verschiedene vorgeblich gewinnbringende und sichere
Geldanlagen an Privatkunden. Es handelte sich stets um Beteiligungen der
Kunden an nicht näher definierten "Handelsgeschäften" einer Gesellschaft, für
die der Angeklagte auftrat. Der Angeklagte sicherte den Kunden in allen Fällen
vertraglich zu, dass die Beteiligungssumme durch Übernahme von Garantien
Dritter abgesichert sei.
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Der Angeklagte und S.
hatten von Anfang an nicht vor, die angeleg-
ten Gelder vertragsgemäß anzulegen. Ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend betrieben sie ein sog. Schneeballsystem: Soweit sie die eingeworbenen
Gelder nicht für ihren Lebensunterhalt verwendeten, nutzten sie von neuen Anlegern eingezahltes Geld dazu, überfällige Zinszahlungen an früher geworbene
Kunden zu leisten. Von den insgesamt vom Angeklagten eingeworbenen
Geldern in Höhe von 620.000 € erhielten die Anleger auf diese Weise insgesamt 30.000 € zurück.
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Als das Schneeballsystem zusammenzubrechen drohte, veranlasste der
Angeklagte in Absprache mit S.
die Zeugin W.
zu einer Geldanlage
in Höhe von 250.000 € (Fall 8 der Urteilsgründe). Sie überwies den Betrag
auf ein als Zielkonto angegebenes Treuhandkonto des Notars T.
H.
, der S.
in
persönlich bekannt war. Der Absicht des Angeklagten
entsprechend erschien das Geschäft der Zeugin W.
durch die vereinbarte
Zahlung auf das Notaranderkonto in besonderem Maße seriös und sicher. Der
Angeklagte sicherte ihr überdies zu, dass das Kapital und dessen Rückzahlung
durch eine Grundschuld abgesichert werde. Er behauptete ihr gegenüber, dass
der Notar für die Absicherung durch die Grundschuld Sorge tragen werde. Tatsächlich hatte der Notar eine solche Anweisung nicht erhalten; der Angeklagte
-4-
und S.
hatten auch nicht die Absicht, ihm einen entsprechenden Auftrag
zu erteilen. Ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend wies der Angeklagte
den Notar vielmehr nach Zahlungseingang an, das Geld an S.
und sich
selbst auszuzahlen, um es für eigene Zwecke zu verbrauchen.
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2. Der Einlassung des Angeklagten, in allen Fällen auf eine Absicherung
der Anleger durch Garantien Dritter, insbesondere durch eine Kreditversicherung, sowie im Fall 8 der Urteilsgründe durch die Grundschuldbestellung
vertraut zu haben, ist die Strafkammer nicht gefolgt. Zur Begründung hat sie
u.a. ausgeführt, dass der Angeklagte der Geschädigten W.
gegenüber
eine Absicherung durch eine Grundschuldbestellung behauptet hatte, "die es …
nicht gab" (UA S. 15).
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II. Die Verfahrensrüge dringt durch. Ihr liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
8
In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger, den Notar T.
zum Beweis der Tatsachen zu vernehmen, dass der von der Zeugin W.
auf dessen Notaranderkonto überwiesene Betrag in Höhe von 250.000 €
"zur Ablösung einer Grundschuld auf dem Haus von
S.
bei der
NordLB verwendet werden" sollte und dass der Notar "gleichzeitig angewiesen
worden sei, auf dem dann lastenfreien Grundstück eine Grundschuld zur Absicherung der Einlage zu bestellen". Die Strafkammer lehnte den Antrag mit der
Begründung ab, dass die unter Beweis gestellte "Tatsache (nicht ausgeführte
Weisung des Angeklagten und des bereits abgeurteilten
Grundschuld zur Absicherung der Anlegerin
W.
S.
, eine
zu bestellen)"
für die Entscheidung "unerheblich" sei (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO).
Insbesondere "würde eine solche - nicht ausgeführte - Weisung nichts daran
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ändern, dass der Angeklagte der Anlegerin eine 100 % sichere und ertragreiche
Anlage zugesagt hatte, aber stattdessen - wie er selbst eingeräumt hat - den
Notar anwies", die Anlagesumme nicht im Sinne des mit der Anlegerin geschlossenen Vertrages anzulegen, sondern überwiegend zur Tilgung von
Grundschulden des bereits abgeurteilten S.
und im Übrigen nach Abzug
einer Hebegebühr zu dessen freier Verfügung auszukehren. Im Übrigen hätten
die vertraglich zugesicherten "Garantien Dritter" ohnehin nicht existiert.
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Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO). Insoweit wird auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.
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Sie ist auch begründet. Lehnt das erkennende Gericht - wie hier - einen
Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache ab, muss
es die unter Beweis gestellte Tatsache so in das bisherige Beweisergebnis einstellen, als sei sie erwiesen (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).
Das Urteil darf sich damit nicht in Widerspruch setzen und etwa einer als unerheblich bezeichneten Tatsache Bedeutung beimessen oder sich auf das
Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache stützen (vgl. BGH, Beschluss
vom 12. November 1991 - 4 StR 374/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Bedeutungslosigkeit 18; Urteile vom 1. Dezember 1993 - 2 StR 488/93,
NStZ 1994, 195; vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268;
vgl. zu allem auch LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 227 mwN). So verhält
es sich indes hier. Die Strafkammer hat im Widerspruch zu der Begründung des
Ablehnungsbeschlusses im Urteil festgestellt, dass der Notar T.
gewiesen wurde, die von der Zeugin W.
nicht an-
gezahlte Beteiligungssumme
durch die in dem Beweisantrag bezeichnete Grundschuldbestellung abzusichern. Sie hat diesem Umstand ferner im Rahmen der Beweiswürdigung
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maßgebliche Bedeutung beigemessen, indem sie die Einlassung des Angeklagten, auf eine Absicherung der Geldanlagen durch Garantien Dritter sowie im
Fall 8 der Urteilsgründe durch die Grundschuldbestellung vertraut zu haben, im
Hinblick darauf als widerlegt angesehen hat, dass dem Notar keine entsprechende Anweisung erteilt worden sei.
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Auf diesem Verfahrensverstoß beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es
kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer ohne den Rechtsfehler zumindest den Vorsatz des Angeklagten in Bezug auf den Eintritt eines
Vermögensschadens, insbesondere im Fall 8 der Urteilsgründe, verneint hätte.
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III. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung
(§ 349 Abs. 4 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer
wird Gelegenheit haben, den Wert des durch die Taten des Angeklagten
Erlangten (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) neu zu berechnen. Der bisherigen
Anordnung, insoweit unter Berücksichtigung von § 73e Abs. 1 StGB einen
Betrag in Höhe von 596.000 € einzuziehen, liegt angesichts der Summe der
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eingeworbenen Gelder in Höhe von 620.000 € sowie der zurückgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 30.000 € ersichtlich ein Rechen- oder Schreibfehler zugrunde.
Schäfer
Gericke
Tiemann
Spaniol
Berg