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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 367/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 20. September 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung
in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung
verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision
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des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im
Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung hält
sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte, nachdem er in einem
Drogeriemarkt eine Plastikbox mit Rasierklingen entwendet hatte, von dem Ladendetektiv des Geschäfts verfolgt und schließlich gestellt. Da er sich der Festnahme entziehen wollte, griff der Angeklagte den Detektiv mit Schlägen und
Tritten an, der indes nicht zurückschlug, sondern versuchte, den Angeklagten
durch Haltegriffe zu fixieren. Es entwickelte sich ein Handgemenge, in dessen
Verlauf der Angeklagte mehrfach mit einer von ihm mitgeführten, handelsüblichen Nagelfeile mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern nach dem Detektiv stach - einer der Stiche kam dem Gesicht sehr nahe -, ohne diesen jedoch zu treffen. Im weiteren Verlauf gingen beide zu Boden; dem Angeklagten
gelang es, sich aus dem Haltegriff zu befreien und er floh, bevor er von der
zwischenzeitlich verständigten Polizei festgenommen wurde.
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2. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob der Angeklagte vom Versuch der
gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist, obwohl sich diese Prüfung
nach den Umständen des Falles aufdrängte. Dies ist rechtsfehlerhaft.
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Nach den bisherigen Feststellungen bleibt insbesondere die Möglichkeit
offen, dass ein unbeendeter Versuch der gefährlichen Körperverletzung vorlag
mit der möglichen Folge, dass der Angeklagte davon ohne weiteres Tätigwerden mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sein könnte (§ 24 Abs. 1 Satz
1 StGB). Die Urteilsgründe verhalten sich bereits nicht zu der Frage, ob der Angeklagte im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung im Besitz der Nagelfeile
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verblieb; die Strafkammer hat lediglich ausgeführt, dass er sie trotz der Aufforderung des Ladendetektivs nicht freiwillig fallen ließ. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Nagelfeile bis zu seiner Festnahme in der
Hand behielt und jederzeit wieder damit hätte zustechen können. Für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, der vorliegt, wenn der Zurücktretende den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nicht mehr für möglich hält (SSW StGB/Kudlich/Schuhr, 1. Aufl., § 24 Rn. 16 mwN), ist unter dieser Voraussetzung kein Raum. Ebensowenig zwingt der Umstand, dass der Angeklagte die
Nagelfeile nicht freiwillig fallen ließ, zu dem Schluss, er habe nicht freiwillig von
weiteren Stichen gegen den Ladendetektiv abgesehen. Schließlich ist ein strafbefreiender Rücktritt auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte
zwischenzeitlich sein außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Ladendetektivs zu lösen, erreicht hatte (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993
- GSSt 1/93, BGHSt 39, 221).
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3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung bedingt auch die Aufhebung der von dem Rechtsfehler nicht
betroffenen Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen (einfachen)
Körperverletzung. Die damit verbundene Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage.
Um dem neuen Tatrichter eine Beurteilung auf widerspruchsfreier Grundlage zu
ermöglichen, hat der Senat auch die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
aufgehoben.
Becker
Schäfer
Gericke
Mayer
Spaniol