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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 348/12
vom
18. September 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1. bis 4.: erpresserischen Menschenraubes u.a.
zu 5.: Geiselnahme u.a.
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
18. September 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1a StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten T.
K.
und K.
K.
, S.
, Ö.
wird das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 18. November 2011
a) im diese Angeklagten betreffenden Schuldspruch dahin neu
gefasst, dass sie des erpresserischen Menschenraubs in
Tateinheit mit besonders schwerem Raub und gefährlicher
Körperverletzung schuldig sind;
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Nebenklägers
wird abgesehen.
2. Die weitergehenden Revisionen und die Revision des Angeklagten A.
werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die dem Nebenkläger dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das
Adhäsionsverfahren
entstandenen
gerichtlichen
Auslagen
werden der Staatskasse auferlegt. Die dem Nebenkläger insoweit entstandenen Auslagen haben die Beschwerdeführer
T.
gen.
, S.
, Ö.
K.
und K.
K.
zu tra-
-3-
Gründe:
1
Das Landgericht hat die Angeklagten T.
und K.
K.
, S.
, Ö.
K.
des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwe-
rem Raub und gefährlicher Körperverletzung sowie den Angeklagten A.
der Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagten T.
Angeklagten Ö.
K.
und A.
und K.
zu Freiheitsstrafen, die
K.
unter Einbeziehung eines
früheren Urteils zu Einheitsjugendstrafen sowie den Angeklagten S.
einer Jugendstrafe verurteilt. Zudem hat es die Angeklagten T.
Ö.
K.
und K.
K.
, S.
zu
,
im Adhäsionsausspruch dazu verurteilt, an
den Nebenkläger als Gesamtschuldner 10.000 € nebst Zinsen zu zahlen.
2
Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten T.
K.
, S.
, Ö.
K.
und K.
erheben überdies Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel dieser Angeklagten
sind lediglich im Hinblick auf den Adhäsionsausspruch erfolgreich und führen
zudem zu einer Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen sind ihre Revisionen ebenso wie diejenige des Angeklagten A.
3
unbegründet.
1. Der Schuldspruch war neu zu fassen, damit auch in der Urteilsformel
zum Ausdruck kommt, dass die Angeklagten T.
K.
und K.
K.
, S.
, Ö.
den - vom Landgericht zutreffend angenommenen -
besonderen Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB
verwirklichten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 260 Rn. 25a mwN).
4
2. Der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand, da er nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Die Kammer hat dazu lediglich ausgeführt, sie halte "es für
angemessen, aber auch ausreichend, dem Nebenkläger ein Schmerzensgeld in
Höhe von 10.000 € zuzubilligen". Eine solche floskelhafte Begründung ist hier
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keine tragfähige Grundlage für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom
30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, NStZ 1993, 145). Es wird nicht deutlich, in
welchem Zusammenhang die konkrete Tat zu dem ausgeurteilten Betrag steht
und welche Gesichtspunkte die Kammer bei der Bemessung berücksichtigt hat.
Der Erlass eines Grundurteils (dazu BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998
- 2 StR 436/98, BGHSt 44, 202) oder die Zurückverweisung allein zur erneuten
Entscheidung über den Adhäsionsantrag kommt hier nicht in Betracht (vgl.
Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 406a Rn. 5).
5
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
6
a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der gegen den Angeklagten
A.
verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten einen
minder schweren Fall nach § 239a Abs. 2, § 239b Abs. 2 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nach einer - nicht
näher ausgeführten - Gesamtwürdigung nicht "unangemessen hart" sei. Sodann hat es den Strafrahmen des § 239b Abs. 1 StGB nach § 46a Nr. 1, § 49
Abs. 1 StGB gemildert. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht zunächst
hätte prüfen müssen, ob die allgemeinen Milderungsgründe gegebenenfalls
unter Heranziehung des vertypten Milderungsgrundes zur Annahme eines minder schweren Falles führen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011
- 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272 mwN). Der Senat kann hier nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer solchen Prüfung einen minder
schweren Fall angenommen hätte, so dass der Strafrahmen ein Jahr bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe statt zwei Jahre bis elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe betragen hätte. Indes ist die Freiheitsstrafe von drei Jahren und
-5-
sechs Monaten angemessen (§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO). Dabei hat der Senat
zugunsten des Angeklagten A.
insbesondere sein Geständnis, seine bis-
herige Straflosigkeit und seine außergerichtliche Einigung mit dem Nebenkläger
über die Zahlung eines Schmerzensgeldes bedacht. Dem stehen aber vor allem die Dauer und die Intensität des Geschehens sowie die daraus resultierenden Schäden des Nebenklägers gegenüber.
7
b) Soweit die Angeklagten Ö.
K.
und K.
K.
mit ihren
Revisionen eine unzulässige Beschränkung ihrer Verteidigung rügen (§ 338
Nr. 8 StPO), ist die Rüge jedenfalls unbegründet.
8
Der Rüge liegt der folgende Verfahrensablauf zugrunde: Der Vorsitzende
der Strafkammer lehnte es ab, dass die Verteidiger an Stelle der mündlichen
Einlassungen der Angeklagten schriftlich vorformulierte Erklärungen für diese
abgaben. Diese Anordnung bestätigte die Kammer später durch Beschluss
(§ 238 Abs. 2 StPO). Der Verteidiger des Angeklagten Ö.
K.
wollte
dem Vorsitzenden eine schriftlich vorbereitete Stellungnahme des Angeklagten
übergeben, deren Annahme der Vorsitzende jedoch verweigerte. Der Verteidiger beantragte die Verlesung der Erklärung und reichte den auf deren Rückseite niedergeschriebenen Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss. Die
Kammer wies den - auf einem separaten Blatt erneut eingereichten - Antrag,
dem sich der Verteidiger des Angeklagten K.
K.
für diesen entspre-
chend anschloss, zurück und begründete dies damit, dass sie diesen als Antrag
auf Verlesung einer Urkunde verstehe und der Antrag keine Beweistatsache
enthalte.
9
Die Revisionen der betroffenen Angeklagten beanstanden im Wesentlichen, dass der Antrag auf Verlesung ohne jegliche Prüfung des Erklärungsinhalts abgelehnt worden sei, dass auch ein schriftliches Geständnis unter dem
-6-
Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht zum Gegenstand des Urteils gemacht
werden müsse und dass der Anspruch auf rechtliches Gehör zumindest erfordert hätte, die Stellungnahme zum Aktenbestandteil zu machen oder inhaltlich
zur Kenntnis nehmen.
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Es trifft zu, dass das Gericht verpflichtet ist, eine schriftliche Stellungnahme des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, Beschluss vom
27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 178). Insofern war die Verfahrensweise, eine Entgegennahme der Erklärung abzulehnen und diese gar zu
zerreißen, fehlerhaft. Jedoch führt dies nicht zur Begründetheit der Rügen, da
die Verteidigung nicht in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt (§ 338
Nr. 8 StPO) beschränkt ist. Denn eine kausale Beziehung zwischen der fehlerhaft unterbliebenen Kenntnisnahme und dem Urteil ergibt sich bei der konkreten Sachlage nicht (s. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR
299/03, BGHSt 49, 317, 327 f.; Urteil vom 24. November 1999 - 3 StR 390/99,
BGHR StPO § 338 Nr. 8 Beschränkung 6). Aus den mit den Revisionen vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen der Angeklagten Ö.
K.
K.
K.
und
drängen sich keine Beweistatsachen oder Beweismittel auf, de-
nen die Kammer hätte nachgehen müssen. Auch die Revisionen machen solche nicht geltend. Im Übrigen gebot die Pflicht zur Amtsaufklärung auch nicht,
die Schreiben der beiden Angeklagten, die sich später selbst noch in der
Hauptverhandlung eingelassen haben, zu verlesen (vgl. BGH, Beschluss vom
27. März 2008 - 3 StR 6/08, BGHSt 52, 175, 180 f.).
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c) Die vom Angeklagten S.
habe ihn sowie den Angeklagten A.
erhobene Verfahrensrüge, die Kammer
durch Täuschung und unzulässigen
Zwang (§ 136a Abs. 1 StPO) zu Einlassungen veranlasst, hat im Ergebnis
ebenfalls keinen Erfolg.
-7-
12
Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass aus sich heraus nicht ohne
Weiteres die Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Vorsitzende nach einer
Einlassung des Angeklagten A.
alle vier anderen zu diesem Zeitpunkt von
ihrem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten während einer Sitzungsunterbrechung in Gewahrsam nehmen ließ. Eine allein in Betracht kommende Ingewahrsamnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO setzt voraus, dass
Anhaltspunkte dafür bestehen, der Angeklagte werde sich aus der Verhandlung
entfernen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2003 - 3 Ws 498/03,
NStZ-RR 2003, 329, 330; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 231 Rn. 3;
LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 231 Rn. 2, 4). Es erscheint zweifelhaft, ob allein
die geständige Einlassung des Angeklagten A.
eine entsprechende Prog-
nose begründen konnte, nachdem die in Freiheit befindlichen Angeklagten zu
den vorangegangenen Hauptverhandlungsterminen erschienen waren und der
Nebenkläger die Tatvorwürfe in seiner Zeugenaussage bereits bestätigt hatte.
Jedoch lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass der Gewahrsam gezielt zur
Herbeiführung einer Einlassung angeordnet wurde und diese damit unverwertbar war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 - 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933,
2936 mwN). Zudem liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gewahrsam und der Einlassung des Angeklagten S.
deshalb nicht nahe, weil
dieser erst sechs Tage nach dem - knapp eine Stunde dauernden - Gewahrsam Angaben machte.
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d) Der Senat sieht Anlass zu der Bemerkung, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung
wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. Mai 1997
- 3 StR 193/97, NStZ-RR 1997, 270).
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4. Soweit die Rechtsmittel Erfolg haben, ist es angesichts dessen Geringfügigkeit nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und
Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4, § 472 Abs. 1 StPO). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 472a Abs. 2 StPO.
Becker
RiBGH Hubert befindet sich
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker
Gericke
Schäfer
Spaniol