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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 303/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. September 2005
gemäß § 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 a StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 28. April 2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Nebenkläger den Angeklagten aufgesucht, ihm Vorhalte gemacht und aufgefordert, aus der von ihm mitbenutzten Wohnung auszuziehen.
"Aufgewühlt" durch das vorangegangene Gespräch entschloss sich der Angeklagte, ihm einen Denkzettel zu verpassen. Er holte ein Messer, folgte dem die
Wohnung verlassenden Nebenkläger und stach ihm mit Wucht in den Oberbauch.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Strafausspruch kann im Ergebnis bestehen bleiben.
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1. Allerdings begegnen die zu Lasten des Angeklagten angestellten
Strafzumessungserwägungen in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken:
Die Strafkammer hat auf UA S. 59 f. u. a. folgendes ausgeführt:
"Gegen den Angeklagten sprach weiter die massive Tatausführung. Es
handelte sich um eine brutale, sinnlose und erschreckende Aggressionstat.
…handelte der Angeklagte beängstigend planvoll und kaltschnäuzig. … Er versetzte ihm einen gezielten Stich genau zwischen die Rippen … . Von Reue war
auch in der Hauptverhandlung kaum etwas zu spüren."
a) Die Strafkammer hat eine gefährliche Körperverletzung in den Tatbestandsvarianten mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben
gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB angenommen
und bereits das Vorliegen der beiden Qualifikationsmerkmale straferschwerend
gewertet. Anhaltspunkte für eine besondere, über ein durchschnittliches Geschehen eines das Leben gefährdenden Messerstiches hinausgehende Massivität, Brutalität und Sinnlosigkeit hat sie weder genannt, noch sind diese ersichtlich. Es ist daher zu besorgen, dass die Strafkammer entgegen § 46 Abs. 3
StGB dem Angeklagten gerade die Erfüllung des abgeurteilten Straftatbestandes erschwerend angelastet hat.
b) Ein besonders planvolles und "kaltschnäuziges" Verhalten des Angeklagten wird durch die Feststellungen nicht belegt. Gleiches gilt für einen "gezielten Stich genau zwischen die Rippen". Aus ihnen ergibt sich kein Anhalt,
dass der Angeklagte nicht nur grob gezielt in den Oberbauch, sondern genau
gezielt in einen Rippenzwischenraum gestochen haben könnte.
-4-
c) Fehlende Reue durfte dem Angeklagten nicht angelastet werden, da
er ein strafbares Verhalten bestritten und sich auf Notwehr gegenüber einem
vorausgegangenen Angriff des Nebenklägers berufen hat (vgl. Tröndle/Fischer,
StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 50 m. w. N.).
d) Im Übrigen gibt die Wortwahl ("erschreckende Aggressionstat", "beängstigend planvoll" u. ä.) Anlass zu dem Hinweis, dass moralisierende und
persönliches Engagement vermittelnde Formulierungen vermieden werden sollten, da sie den Eindruck erwecken könnten, als sei das Gericht nicht unbefangen und wäge die für und gegen einen Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nicht ruhig und sachlich gegeneinander ab (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
52. Aufl. § 46 Rdn. 106 a m. w. N.). Vielmehr kommt es bei der Strafzumessung
darauf an, nicht allgemeine und wenig aussagekräftige Qualifizierungen anzustellen, sondern die Strafzumessungstatsachen im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB
konkret herauszuarbeiten, die das Geschehen, orientiert am regelmäßigen Erscheinungsbild des Delikts (vgl. BGH wistra 1987, 27), milder oder schwerer
erscheinen lassen.
2. Gleichwohl kann von der Aufhebung des Strafausspruchs abgesehen
werden, da die verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren angemessen ist
(§ 354 Abs. 1 a StPO). Dabei ist neben den Folgen für das Tatopfer maßgeblich, dass sich die abgeurteilte Tat in eine ganze Reihe schwerer Angriffe des
Angeklagten gegen Leben oder körperliche Unversehrtheit seiner Mitmenschen
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einreiht, die ihn in hohem Maße gefährlich erscheinen lassen und - zumindest
bei erneuter einschlägiger Straffälligkeit - die Prüfung der Anordnung von Sicherungsverwahrung angezeigt erscheinen lassen.
Winkler
Miebach
Becker
von Lienen
Hubert