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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 205/18
vom
21. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210818B3STR205.18.0
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
21. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 30. August 2017, soweit es ihn betrifft,
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er im Fall II. 4. der Urteilsgründe verurteilt worden
ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen sowie versuchten Betruges in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung und
mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei
Monaten verurteilt und bestimmt, dass zwei Monate der verhängten Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Weiterhin hat es gegen ihn die Einziehung des Werts des Taterlangten in Höhe von
272.925 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts ge-
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stützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des
§ 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen dreier Fälle des Betruges in
den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerfrei. Auch
die Nachprüfung der auf der Grundlage dieser Taten angeordneten Einziehung
des Werts von Taterträgen sowie der Kompensationsentscheidung aufgrund
rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
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2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung und mit Urkundenfälschung im
Fall II. 4. der Urteilsgründe hat hingegen keinen Bestand.
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a) Zu dieser Tat hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte
den Entschluss fasste, ein Kreditinstitut zur Gewährung und Auszahlung eines
Darlehens über mindestens 399.000 € an eine nicht existente Person namens
"
S.
" zu veranlassen, um sodann selbst über das Geld zu verfügen. In
Umsetzung dieses Entschlusses ging er wie folgt vor:
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Auf Veranlassung des Angeklagten schloss die gesondert Verfolgte
W.
unter den Scheinpersonalien "
S.
" am 2. Juli 2013 einen nota-
riellen Vertrag mit dem Mitangeklagten Sascha B.
über den Kauf des
in dessen Eigentum stehenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks zu
einem Kaufpreis von 380.000 €, der dem Verkehrswert entsprach. Vor dem
Notar trat der Angeklagte als Bevollmächtigter des - nicht eingeweihten - Mitangeklagten auf. Eine Woche später wurde, wie vom Angeklagten beabsichtigt,
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eine Auflassungsvormerkung zugunsten der nicht existenten Person in das
Grundbuch eingetragen.
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Ebenfalls Anfang Juli 2013 erstellte der Angeklagte für das Kaufobjekt
fiktive schriftliche Mietverträge sowie auf "
scheinigungen der Firma C.
S.
" lautende Gehaltsbe-
GmbH, um später dem Sachbearbei-
ter des angefragten Kreditinstituts vorzuspiegeln, die erworbene Immobilie werfe Erträge aus Vermietung ab und die um einen Kredit ersuchende Person sei
finanzkräftig.
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Im August 2013 beauftragte der Angeklagte unter dem Namen "
S.
" den Kreditvermittler D.
schriftlich, ein Darlehen zur Immobili-
enfinanzierung zu vermitteln. Er bevollmächtigte ihn, Unterlagen an ein für die
Finanzierung vorgesehenes Kreditinstitut weiterzuleiten und dessen Darlehensvertragsangebot entgegenzunehmen. Der Angeklagte sandte eine von W.
unterschriebene und von ihm ausgefüllte Selbstauskunft für "
S.
" an
den Kreditvermittler, in der wahrheitswidrig ein Betrag von 580.000 € als Kaufpreis für das Grundstück eingetragen war; überdies machte der Angeklagte
(den fingierten Mietverträgen entsprechende) falsche Angaben zu Mieteinnahmen. Er beabsichtigte, auf diese Weise das vom Kreditvermittler noch auszuwählende Kreditinstitut glauben zu machen, das Kaufobjekt sei werthaltiger und
biete mehr Sicherheiten, als dies tatsächlich der Fall war. Hierdurch wollte er
das Kreditinstitut zum Abschluss eines Darlehensvertrages und zur Überweisung der vereinbarten Darlehenssumme von mindestens 399.000 € auf ein von
ihm auf den Namen "
S.
" eröffnetes Bankkonto bewegen. Der Ange-
klagte nahm dabei billigend in Kauf, dass dem Darlehensgeber ein Vermögensschaden von jedenfalls 19.000 € (Darlehenssumme abzüglich realisierbarem
Verwertungserlös aus dinglichen Sicherheiten) entsteht.
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Zwischen dem 19. und dem 25. September 2013 übermittelte der Kreditvermittler ein Darlehensangebot an die
frage an die A.
L-Bank sowie eine Finanzierungsan-
AG über jeweils 400.000 €. Beide lehnten indes den be-
gehrten Kredit ab. Zum Abschluss eines Darlehensvertrages und zur Auszahlung von Darlehensbeträgen kam es in der Folgezeit nicht.
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b) Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hat die Strafkammer den Angeklagten zu Recht der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB)
schuldig gesprochen; denn jedenfalls durch das Erstellen der auf "
S.
" lautenden Gehaltsbescheinigungen stellte er unechte Urkunden her.
Die Feststellungen tragen aber nicht seine Verurteilung wegen versuchten Betruges und wegen mittelbarer Falschbeurkundung:
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aa) Im Hinblick auf einen versuchten Betrug (§ 263 Abs. 1, 2, §§ 22, 23
Abs. 1 StGB) hat die Strafkammer zwar zutreffend aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen angenommen, der Angeklagte habe bereits
unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt. Durch seine ausschließlich gegenüber dem undolos handelnden Kreditvermittler vorgenommenen Tätigkeiten beging er - mangels entgegenstehender Feststellungen tateinheitlich einen Betrugsversuch sowohl zum Nachteil der
L-Bank als auch der A.
AG. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass der Angeklagte mit strafbefreiender Wirkung freiwillig vom unbeendeten Versuch zurückgetreten ist. Dem
Urteil ist nicht zu entnehmen, dass, als der Angeklagte seine Aktivitäten einstellte, der Versuch fehlgeschlagen oder beendet war; Feststellungen zu seinem
Vorstellungsbild fehlen.
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(1) Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Täter erkennt, dass der
Taterfolg mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht
mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und
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Kausalkette in Gang gesetzt werden muss. Die subjektive Sicht des Täters ist
auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der
Täter dies aber nicht erfasst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. November 2004
- 5 StR 239/04, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Rücktritt 10; vom 23. Februar 2016 - 3 StR 5/16, juris Rn. 5). Daher sind zur Annahme eines Fehlschlags
regelmäßig Feststellungen zum entsprechenden Vorstellungsbild des Angeklagten im Zeitpunkt des Nichtweiterhandelns (sog. Rücktrittshorizont) erforderlich
(vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - 3 StR 451/17, juris Rn. 10 mwN).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die festgestellte objektive Sachlage sichere
Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Angeklagten gestattet (vgl. BGH,
Beschluss vom 23. Juni 1988 - 4 StR 266/88, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1
Freiwilligkeit 7).
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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe keinen fehlgeschlagenen Versuch. Dass der Angeklagte nach der Korrespondenz mit dem Kreditvermittler erkannt hätte, dessen konkrete Bemühungen seien gescheitert, ist
nicht festgestellt. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob der Angeklagte
über die endgültigen Ablehnungserklärungen der
L-Bank und der A.
AG
informiert war; hinsichtlich Letztgenannter bleibt auch unklar, ob er überhaupt
von der Finanzierungsanfrage benachrichtigt worden war. Möglich ist auch,
dass er von diesen Umständen keine Kenntnis erhielt.
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(2) Für die Frage, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt,
kommt es ebenfalls maßgebend darauf an, welche Vorstellung der Täter nach
seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (s. nur BGH, Urteil vom
19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein
unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter aus seiner Sicht noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann
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er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender
Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs weiterhin für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus,
dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1
Satz 1 Alternative 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2
StGB; s. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227
mwN; vom 23. Februar 2016 - 3 StR 5/16, juris Rn. 7).
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Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe ebenso wenig einen
beendeten Versuch. Vielmehr ist mit dem Generalbundesanwalt davon auszugehen, dass für einen wirksamen Darlehensvertragsschluss noch die Unterschrift der "Darlehensnehmerin" auf dem von dem betreffenden Kreditinstitut zu
erstellenden und zu übersendenden schriftlichen Darlehensvertrag erforderlich
gewesen wäre. Für die Finanzierungsfrage an die A.
von selbst; aber auch hinsichtlich des an die
AG versteht sich dies
L-Bank gerichteten Darlehens-
angebots kann nach den üblichen Gepflogenheiten in der Praxis nicht unterstellt
werden, für den Vertragsschluss hätte es nur noch der vom Darlehensgeber
erklärten Annahme dieses Angebots bedurft. Dass sich der Angeklagte im Anschluss an die Korrespondenz mit dem Kreditvermittler dennoch vorgestellt hätte, ein Darlehensvertrag komme ohne weiteres zustande, ist nicht festgestellt
und liegt im Übrigen auch fern.
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bb) In den Urteilsfeststellungen wird kein tatsächliches Geschehen geschildert, aufgrund dessen sich der Angeklagte wegen mittelbarer Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hätte. Soweit der Generalbundesanwalt angenommen hat, die abgeurteilte Straftat liege in der Veranlassung
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des gutgläubigen Notars, beim Grundbuchamt eine Auflassungsvormerkung
zugunsten einer nicht existenten Person im Grundbuch zu erwirken, vermag
ihm der Senat darin nicht zu folgen. Dieses Verhalten erfüllt den Tatbestand
des § 271 Abs. 1 StGB nicht:
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Zwar handelt es sich bei dem Grundbuch um ein öffentliches Buch im
Sinne des § 271 Abs. 1 StGB; dies ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 891,
892 BGB (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. März 1985 - 3 Ss (14) 823/84,
NStZ 1985, 365; S/S-Heine/Schuster, StGB, 29. Aufl., § 271 Rn. 13). Auch war
die eingetragene Auflassungsvormerkung unrichtig. Indes wird nicht durch jede
in einem öffentlichen Buch enthaltene unrichtige Angabe, die ein Außenstehender durch Täuschung des gutgläubigen Amtsträgers bewirkt, der Tatbestand
des § 271 Abs. 1 StGB verwirklicht. Strafbewehrt beurkundet im Sinne der
Strafnorm sind vielmehr nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, das heißt die "volle Beweiswirkung
für und gegen jedermann" erstreckt. Für die inhaltliche Reichweite dieser erhöhten Beweiskraft ist, soweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Beweiswirkung besteht, diese ausschlaggebend. Fehlt eine solche, kann sich die
erhöhte Beweiskraft mittelbar - unter Beachtung der Anschauung des Rechtsverkehrs - aus den Rechtsvorschriften ergeben, die für die Errichtung und den
Zweck der Urkunde maßgeblich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016
- 3 StR 128/16, BGHR StGB § 271 Abs. 1 Öffentlicher Glaube 5; Urteil vom
11. Januar 2018 - 3 StR 378/17, NStZ 2018, 406, 407, jeweils mwN).
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Gemessen daran, besteht hinsichtlich der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten einer nicht existenten Person im Grundbuch kein öffentlicher Glauben. Die erhöhte Beweiskraft des Grundbuchs nach §§ 891, 892
BGB erstreckt sich nicht auf die Existenz (und Rechtsfähigkeit) des Eingetrage-
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nen. Die Grundbuchfähigkeit ist zwar Voraussetzung der Eintragung; als vom
Grundbuchamt lediglich übernommene Erklärung wird sie aber nicht selbst zur
Rechtsbehauptung des Grundbuchs. Daher ist das für einen nicht existierenden
(bzw. nicht rechtsfähigen) Berechtigten eingetragene Recht nicht gutglaubensschutzfähig (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Juni 2003 - 20 W 274/02,
ZfIR 2005, 254, 255; MüKoBGB/Kohler, 7. Aufl., § 891 Rn. 10 aE; ferner Jauernig/Berger, BGB, 17. Aufl., § 891 Rn. 3, § 892 Rn. 7).
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3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe einschließlich der hierfür verhängten Einzelstrafe bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Kompensationsentscheidung aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung wird dagegen von der Teilaufhebung des Strafausspruchs
nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, NStZ 2010,
531, 532; Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 39).
RiBGH Gericke befindet sich im
Urlaub und ist daher an der Unterschrift gehindert.
Becker
Spaniol
Berg
Leplow
Spaniol