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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/16
vom
1. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010217U2STR78.16.0
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 1. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Dr. Grube,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017
als Pflichtverteidiger für den Angeklagten C.
B.
,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017
als Pflichtverteidiger für den Angeklagten K.
B.
,
Rechtsanwalt
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017
als Vertreter der Nebenkläger N.
R.
und St.
K.
,
-3-
Rechtsanwältin
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017
als Vertreterin der Nebenkläger L.
F.
und S.
B.
Rechtsanwalt
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017
als Vertreter der Nebenkläger I.
Justizangestellte
Justizangestellte
B.
B.
in der Verhandlung vom 25. Januar 2017,
in der Sitzung am 1. Februar 2017
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
und A.
,
,
-4-
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
N.
R.
und St.
K.
wird das Urteil des Landge-
richts Hanau vom 5. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I.
B.
B.
und der Nebenkläger L.
B.
F.
und A.
und S.
wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten
S.
K.
betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen die-
ser Nebenkläger als unzulässig verworfen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
-5-
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten C.
B.
des Totschlags und den Angeklagten K.
B.
vom Vorwurf
vom Vorwurf des
Mordes freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die
Nebenkläger mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit sie
sich im Rahmen ihrer jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge
Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I.
der Nebenkläger L.
F.
und S.
B.
B.
sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H.
K.
und A.
B.
und
sind unzulässig, soweit
betreffen.
I.
2
Die zugelassene Anklage legt den Angeklagten folgendes zur Last:
3
Am 6. Juni 2014 habe der Angeklagte C.
„M.
“ in Ma.
B.
auf der
im Rahmen eines Streits mit anschließender
Rangelei dem Geschädigten H.
K.
ein von diesem mitgeführtes Messer
abgenommen und hiermit insgesamt 17 Mal auf den Bauch- und Rückenbereich
des Geschädigten eingestochen, bis dieser infolge der massiven Stichverletzungen verstorben sei.
4
Die Ehefrau des H.
K.
, die Geschädigte S.
K.
, habe mit
einem Beil bewaffnet die Auseinandersetzung aus unmittelbarer Nähe beobachtet, ohne in das Geschehen einzugreifen. Der Angeklagte K.
B.
sei sodann von einem hinteren Teil des Geländes zu dem Kampfgeschehen
hinzugekommen und habe erkannt, dass sein Sohn C.
den Geschä-
-6-
digten H.
K.
schädigte S.
getötet habe. Daraufhin habe er sich entschlossen, die GeK.
durch gezielte Kopfschüsse aus einer von ihm mitge-
führten Pistole zu töten, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern. In
Ausführung seines Tatplans habe der Angeklagte K.
B.
darauf-
hin der Geschädigten aus kurzer Distanz zweimal hintereinander in deren Arm/Schulter-/Kopfbereich geschossen, wodurch S.
Angeklagten K.
B.
K.
sofort, wie vom
beabsichtigt, verstorben sei. Die Angeklag-
ten hätten anschließend die Kampfspuren zu verwischen gesucht, die Tatwerkzeuge beiseite geschafft und das getötete Ehepaar zunächst unter einem
Sandhaufen, in der Nacht darauf in einer Jauchegrube vor der Ranch vergraben. Das Auto der Getöteten habe der Angeklagte K.
einem Supermarktparkplatz in Ma.
B.
auf
abgestellt.
II.
5
Zu den den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im
Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte H
Pächter der „M.
Ma.
K.
und seine Tochter waren seit Mai 2007
“, eines sich außerhalb des Stadtrands von
befindlichen Grundstücks mit direktem Zugang zum Mainufer. Im März
2012 schlossen der Geschädigte und seine Ehefrau, die Geschädigte S.
K.
, mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen
einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumen sollte, ein
auf dem Anwesen befindliches Gebäude zu Wohnzwecken und Teile des
Grundstücks für Tierhaltung zu nutzen. Den Geschädigten war bekannt, dass
sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und das Grundstück zu
Wohnzwecken nicht genutzt werden durfte.
-7-
7
Ab dem Jahr 2013 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Geschädigten zunehmend. Grund hierfür war zum einen,
dass die Angeklagten aufgrund ihrer äußerst angespannten finanziellen Situation den vereinbarten Mietzins nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang an die Geschädigten zahlen konnten. Die Geschädigten, die nur über geringe Einkünfte verfügten, waren auf diese Zahlungen dringend angewiesen,
um ihren Lebensunterhalt bestreiten und den Mietzins für eine von ihnen auf
Mallorca angemietete Wohnung entrichten zu können. Infolge der unregelmäßigen Zahlung der Miete kam es daher immer wieder zu verbalen Streitigkeiten
zwischen den ihre Forderungen vehement einfordernden Geschädigten und
den Angeklagten. Zu Konflikten zwischen den Angeklagten und Geschädigten
trug zum anderen bei, dass Letztere nicht mit der Haltung der auf dem Hof lebenden Ziegen durch den Angeklagten C.
B.
einverstanden
waren und deshalb mehrfach das staatliche Veterinäramt zu Kontrollen veranlassten. Dass sich die Angeklagten und Geschädigten täglich auf dem Gelände
der Ranch begegneten, verschärfte das vorhandene Konfliktpotential zusätzlich.
Auf die häufigen aggressiven Anwürfe der Geschädigten, die in Beleidigungen
und Drohungen gipfelten, reagierten die Angeklagten passiv, demütig und verängstigt. Aufgrund der stetig zunehmenden Angst vor etwaigen Übergriffen der
Geschädigten bewahrten die Angeklagten spätestens seit Dezember 2013 eine
Pistole griffbereit hinter der Eingangstür des von ihnen bewohnten Gebäudes
der Ranch auf.
8
In den letzten Wochen vor der Tat kam es beinahe täglich zu immer lautstärkeren – und seitens der Geschädigten sehr emotional und aggressiv geführten – Auseinandersetzungen zwischen den Geschädigten und den Angeklagten. Nachdem der Eigentümer des Grundstücks Ende April 2014 erstmals erfahren hatte, dass das Grundstück zu Wohnzwecken untervermietet worden
war, forderte dessen Rechtsanwalt Anfang Mai 2014 die Geschädigten und An-
-8-
geklagten schriftlich auf, das illegale Untermietverhältnis zu beenden. Am
2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf, der ihnen dazu
riet, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu entrichten und ihnen zusicherte, sich mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung zu setzen, um eine
direkte Anmietung oder einen Erwerb des Grundstücks zu erreichen. Am selben
Tag zahlten die Angeklagten im Anschluss an das Beratungsgespräch für Juni
2014 dennoch einen (Teil-) Mietzins in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten. Sie waren hiernach jedoch definitiv nicht mehr bereit, weitere Zahlungen zu
leisten.
9
Am 6. Juni 2014 zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr befanden sich
die Geschädigten auf dem Grundstück der Ranch direkt vor dem Eingang des
von den Angeklagten bewohnten Gebäudes. Hierbei führte der Geschädigte
H.
K.
– wie üblich – ein Messer mit sich. Die Geschädigten hatten sich
vorgenommen – wie mit den Angeklagten zuvor am 2. Juni 2014 verabredet –
den noch offenen Mietzins für den Monat Juni 2014 zu erhalten und waren zur
Durchsetzung ihrer Forderung bereit, falls erforderlich, auch Gewalt anzuwenden.
10
Während sich der Angeklagte K.
B.
im hinteren Teil des
Grundstücks mit den Tieren beschäftigte, traf der Geschädigte H.
K.
an
der Eingangstür des bewohnten Gebäudes den Angeklagten C.
B.
an und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung des restlichen Mietzin-
ses für Juni 2014 sowie zusätzlich auch des Mietzinses für Juli 2014 auf. Als
der Angeklagte gegenüber H.
K.
und dessen Ehefrau, die ein Beil mit
sich führte, trotz Drohungen mit Gewalt jede weitere Zahlung ablehnte und von
der Einschaltung seines Anwalts berichtete, zog H.
K.
das von ihm mitge-
führte Messer und setzte es dem von ihm am Hals festgehaltenen C.
B.
auf die Brust. Als sich der Angeklagte C.
B.
zu wehren
-9-
versuchte, stach H.
K.
mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer
in Richtung des Oberkörpers des Angeklagten, der den Stich jedoch ablenken
konnte. Im weiteren Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung gelang es C.
B.
, dem Geschädigten H.
K.
das Messer abzunehmen und
sich durch einen Stich in dessen Oberkörper aus dem Griff am Hals zu lösen.
Sein anschließender Versuch, von der Ranch zu flüchten, scheiterte, weil ihm
die noch immer mit dem Beil bewaffnete Geschädigte S.
K.
Fluchtweg versperrte. Dadurch gelang es dem Geschädigten H.
den
K.
, ihn
einzuholen, in den Schwitzkasten zu nehmen und die wieder vor die Eingangstür verlagerte, zwischenzeitlich auf dem Boden geführte Auseinandersetzung
fortzusetzen.
11
Währenddessen kam der Angeklagte K.
B.
zum Ge-
schehen hinzu. Als er sah, dass sein Sohn mit dem Rücken auf dem Boden
liegend mit dem auf ihm sitzenden H.
S.
K.
K.
kämpfte, und die Geschädigte
mit einem Gegenstand in der Hand neben beiden kniete, ver-
suchte er zunächst vergeblich S.
K.
wegzustoßen. Daraufhin begab
er sich in den Vorraum des Hauses und ergriff die dort gelagerte Pistole.
12
Trotz der Fixierung seiner rechten Hand durch die linke Hand des Geschädigten H.
K.
war es dem Angeklagten C.
B.
nunmehr
unter erheblicher Kraftanstrengung möglich, mit dem in seiner rechten Hand
geführten Messer noch insgesamt drei Stiche in den oberen Brustbereich des
auf ihm sitzenden Geschädigten H.
K.
anzubringen, der ihn weiterhin mit
seiner rechten Hand am Hals festhielt und versuchte, ihm das Messer zu entwinden.
13
In der Zwischenzeit kam der Angeklagte K.
B.
mit der
Pistole zum Geschehen zurück. Als er erkannte, dass die Geschädigte S.
- 10 -
K.
C.
ein Beil in der Hand hielt und ausholend dazu ansetzte, hiermit auf
einzuhacken, schoss er – um seinen Sohn vor dem An-
B.
griff mit dem Beil zu verteidigen – aus einer Entfernung von mindestens zwei
Metern zwei Mal auf den Arm-/Schulterbereich der S.
K.
, die dadurch
am Rücken getroffen wurde und sofort verstarb.
14
Der Angeklagte K.
B.
zog nun den Geschädigten von
seinem Sohn herunter, woraufhin H.
C.
B.
K.
leblos auf dem Rücken neben
zum Liegen kam. Der Angeklagte C.
kniete sich daraufhin neben H.
K.
B.
, der – was er nicht erkannte – bereits
infolge beidseitigen Pneumothorax verstorben war, und fügte diesem mit dem
Messer weitere 12 Stiche in den Brustkorb zu.
15
Der Angeklagte K.
B.
entschied sich gegen eine Ver-
ständigung der Polizei, da er davon ausging, dass diese ihnen das Tatgeschehen nicht glauben würde. Gemeinsam mit seinem Sohn, der – noch unter dem
Einfluss des Tatgeschehens stehend – die Anweisungen seines Vaters mechanisch ausführte, beseitigten die Angeklagten die Tatspuren, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main, versteckten die Pistole und vergruben die
Leichen auf dem Gelände der Ranch. Aufgrund von Hinweisen des Angeklagten C.
B.
vom 14. Oktober 2014 konnten die Leichname der
Geschädigten später dort aufgefunden werden.
16
2. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen, der die weiteren Beweisergebnisse nicht widersprächen, als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen, das Handeln des Angeklagten C.
gerechtfertigt. Der Geschädigte H.
K.
B.
sei durch Notwehr
habe den Angeklagten C.
- 11 -
B.
rechtswidrig angegriffen, indem er mit der linken Hand an dessen Hals
griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach.
Dieser Angriff sei auch noch nach dem Entwinden des Messers nicht beendet
gewesen, da der Geschädigte den Angeklagten weiter mit seiner linken Hand
am Hals festgehalten und um das Messer gekämpft habe. Über diese fortdauernde Intensität der Kampflage hinaus habe die jederzeitige Möglichkeit eines
Eingreifens der anwesenden und mit einem Beil bewaffneten Ehefrau des Geschädigten bestanden. Als der Angeklagte C.
verstorbenen Geschädigten H.
K.
B.
auf den bereits
weiter einstach, habe er sich im Zu-
stand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.
17
Hinsichtlich der vom Angeklagten K.
digte S.
K.
B.
auf die Geschä-
abgegebenen zwei Schüsse hat das Landgericht ange-
nommen, diese seien als Nothilfe gerechtfertigt. Dadurch, dass die Geschädigte
S.
K.
B.
gerade mit dem Beil ausholte, um auf den Angeklagten C.
einzuhacken, habe sie diesen rechtswidrig angegriffen.
III.
18
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger N.
R.
und St.
K.
Nebenkläger I.
und S.
haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der
und A.
B.
B.
sowie der Nebenkläger L.
F.
haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich im
Rahmen ihrer sich aus §§ 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 401 Abs. 1 Satz 1
StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig.
Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
- 12 -
19
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das
Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft
nicht zu überwinden vermag.
20
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt
es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine
Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14,
NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht
angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte.
Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender
gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR
2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf,
ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher
Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit.
nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil
muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind,
die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht
nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt
wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW
2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich
dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen aus-
- 13 -
zugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September
2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
21
2. Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil
nicht.
22
a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass das
Landgericht die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotene nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten unterlassen
und den Zeitpunkt der jeweiligen Einlassungen in der Hauptverhandlung nicht
mitgeteilt hat.
23
Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, hat der
Tatrichter sich seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der
Einlassung des Angeklagten aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses
der Beweisaufnahme zu bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986
– 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Einlassung im
Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der
Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern
oder unter Umständen ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16. August
1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt,
ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001
– 3 StR 580/00, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 21).
- 14 -
24
Zwar hat die Kammer in den Urteilsgründen dargestellt, dass die Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger durch Verlesung von vorbereiteten,
schriftlichen Erklärungen in der Hauptverhandlung erfolgte (UA S. 57). Auch
werden inhaltliche Angaben hierzu gemacht (UA S. 27, 51 bis 56). Es bleibt jedoch offen, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung diese Einlassungen verlesen wurden und ob und insbesondere mit
welchem Inhalt sich die Angeklagten vor diesem Zeitpunkt eingelassen haben.
Dass es frühere Einlassungen der Angeklagten gegeben hat, folgt bezüglich
des Angeklagten C.
B.
aus der Erwähnung eines Hinweises
zum Fundort der Leichen (UA S. 27) und bezüglich des Angeklagten K.
B.
P.
aus der Mitteilung, dass er am 8. Juni 2014 vom Zeugen KOK
zur Sache vernommen worden ist (UA S. 35). Das Urteil teilt auch nicht
mit, wie im Einzelnen sich der Angeklagte C.
B.
im Rahmen des
letzten Wortes geäußert hat. Insoweit wird lediglich wiedergegeben, dass der
Angeklagte anschaulich geschildert habe, noch immer beinahe jede Nacht vom
Tatgeschehen zu träumen (UA S. 83).
25
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des
Zweifelssatzes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-,
sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat,
wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung
von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom
5. November 2014 – 1 StR 327/14 Rn. 44, NStZ-RR 2015, 83, 85 mwN). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom
27. Juni 2001 – 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24).
26
Nachdem das Landgericht bei der Bewertung des Kampfgeschehens und
der Interessenlage der Beteiligten zunächst zu der Annahme gelangt war, dass
- 15 -
„Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl der Geschädigte H.
auch der Angeklagte C.
B.
K.
als
am Tattag das Tatmesser mitge-
bracht und als Erstes eingesetzt haben könnten, da beide ohnehin messergewohnt waren“ (UA S. 59), ist es unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ der Einlassung der Angeklagten gefolgt und zu deren
Gunsten davon ausgegangen, dass „der Streit am Tattag von den Geschädigten begonnen wurde und der Geschädigte H.
K.
hierbei derjenige war,
der das Tatmesser mit sich führte, dieses auch zog und zuerst gegen den Angeklagten C.
B.
einsetzte“ (UA S. 62).
27
c) Die Beweiswürdigung weist zudem durchgreifende Lücken auf.
28
aa) Die Wertung des Landgerichts, es sei kein Motiv der Angeklagten ersichtlich, mit den Geschädigten am Tattag zunächst einen verbalen Streit und
sodann gar eine körperliche Auseinandersetzung zu beginnen (UA S. 61), beruht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
29
Das Landgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Angeklagten nach
dem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt wussten, dass der mit den
Geschädigten geschlossene Untermietvertrag illegal war und sie den Geschädigten deshalb künftig keine Mietzinszahlungen mehr schuldeten. Außerdem
habe ihnen der Anwalt zugesichert, mit dem Eigentümer Kontakt aufzunehmen
und zu versuchen, für die Angeklagten einen Mietvertrag über das Grundstück
direkt mit dem Eigentümer ohne Einschaltung der Geschädigten abzuschließen
(UA S. 61, 79). Das Landgericht sieht die Angeklagten daher in einer „geradezu
komfortablen Lage“, weshalb sie auch keine Veranlassung gehabt hätten, mit
den Geschädigten Streit zu beginnen (UA S. 62).
30
Bei dieser Wertung hat das Landgericht nicht hinreichend in den Blick
genommen, dass die Angeklagten bereits eine Woche zuvor ein Schreiben der
- 16 -
Stadt Ma.
erhalten hatten, aus dem sich ergab, dass die Ranch künftig an
die Angeklagten nicht mehr zu Wohnzwecken vermietet werden durfte (UA
S. 38). Der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken standen nicht nur die
Bestimmungen des Pachtvertrags, sondern auch öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (UA S. 37). Da die Zeugin Kl.
über den eingeschalteten
Rechtsanwalt die Räumung des Grundstücks von den Angeklagten verlangt
hatte (UA S. 37), hatten diese daher Anfang Juni das Ende des Mietverhältnisses über das Grundstück und die Zwangsräumung zu befürchten. Für sie bestand daher nicht nur die Gefahr, ihre Wohnung auf der Ranch, sondern vor
allem ihren Lebensmittelpunkt und die von ihnen auf dem Grundstück betreuten
Tiere zu verlieren, an denen der Angeklagte C.
B.
besonders
hing und die sein Lebensinhalt waren. Selbst in dem von ihrem Rechtsanwalt
ins Spiel gebrachten Fall der eigenen Anmietung des Grundstücks hätten die
Angeklagten ihre Wohnmöglichkeit verloren. Den drohenden Verlust der bisherigen Lebensumstände der Angeklagten hätte die Strafkammer bei der Frage,
ob die Angeklagten Anlass hatten, mit den Geschädigten einen Streit zu beginnen, mitberücksichtigen müssen.
31
bb) Die Wertung der Kammer, eine geplante Tötung der Geschädigten
seitens der Angeklagten scheide aus, blendet einen wesentlichen Aspekt des
festgestellten Geschehensablaufs aus. So erklärt das Landgericht die – gegen
den unmittelbar zuvor erteilten Rat ihres Rechtsanwalts am 2. Juni 2014 erfolgte – Zahlung der Angeklagten in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten mit
dem Ziel, „zunächst weiteren Streitigkeiten und Anfeindungen der Geschädigten
zu entgehen“ (UA S. 50). Nicht in die Wertung einbezogen hat das Landgericht
jedoch den festgestellten Umstand, dass die Angeklagten noch am selben Tag
mit den Geschädigten verabredet hatten, am 6. Juni 2014 den offenen Restbetrag zu bezahlen und sich die Geschädigten gerade aus diesem Grund am Tattag zur Ranch begaben (UA S. 10, 18). Dass die Angeklagten am 2. Juni 2014
- 17 -
mit den Geschädigten die Verabredung einer weiteren Geldübergabe trafen, ist
im Übrigen nicht mit der vom Landgericht getroffenen Annahme in Einklang zu
bringen, die Angeklagten seien nach der Teilmietzinszahlung „definitiv nicht
mehr bereit [gewesen], weiteren Mietzins an die Geschädigten zu entrichten“
(UA S. 18).
32
cc) Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Tattag zwischen 11 Uhr und
13 Uhr weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf. Wie das Landgericht aufgrund der Angaben diverser Zeugen festgestellt hat, waren die Geschädigten
regelmäßig täglich zwischen 11 und 13 Uhr auf der Ranch (UA S. 12 ff.; 28 ff.,
46 ff.). Nach ihrer (insoweit vom Landgericht nicht in Zweifel gezogenen) Aussage traf die Zeugin S.
die Geschädigte auch am 6. Juni 2014 gegen
11 Uhr nahe der Ranch, als diese mit ihren Hunden am Mainufer spazieren ging
(UA S. 68). Diese Aussage hat das Landgericht nicht zum Anlass genommen,
sich mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob sich die Geschädigten bereits etwa zwei Stunden vor der Tat auf der Ranch aufgehalten haben
und was zwischen 11 Uhr und der zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr angesetzten Tatzeit auf der Ranch geschehen ist.
33
dd) Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten C.
B.
zum Tathergang hat die Kammer nicht erörtert, dass die Einlassung
zum auslösenden Ereignis für den Messereinsatz durch den Geschädigten H.
K.
in offenkundigem Widerspruch zur Tatvorgeschichte steht. Der Ange-
klagte hat sich eingelassen, der Geschädigte habe ein Messer gezogen, nachdem er durch ihn davon erfahren habe, dass der Eigentümer der Ranch von
dem illegalen Untermietverhältnis nunmehr Kenntnis erlangt habe (UA S. 52).
Demgegenüber ist das Landgericht im Rahmen der Tatvorgeschichte davon
ausgegangen, dass die Geschädigten von dem Schreiben bereits mindestens
eine Woche vor der Tat Kenntnis erhalten hatten (UA S. 17, 37, 38, 60).
- 18 -
34
d) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für
und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der
Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes
bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum
Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine
Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl.
Senat, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR
327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
35
3. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der
Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte.
Vors.RiBGH Prof. Dr. Fischer
ist wegen Krankheit an der
Unterschrift gehindert.
Appl
Appl
Zeng
Eschelbach
Grube