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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 455/09
vom
30. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
-2-
Der
2. Strafsenat
des
Bundesgerichtshofs
hat
30. Juni 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A.
,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T.
,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
in
der
Sitzung
vom
-3-
1. Auf die Revision des Angeklagten T.
wird das Urteil
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. April 2009
mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten A.
gegen das vorgenann-
te Urteil wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten A.
wegen schweren Banden-
diebstahls in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
sechs Monaten, den Angeklagten T.
wegen schweren Bandendiebstahls in
zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Wegen
überlanger, gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßenden Verfahrensdauer hat es
jeweils ein Jahr der Freiheitsstrafen für vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten T.
klagten A.
hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; die Revision des Ange-
ist unbegründet.
-4-
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte A.
2
bis zum Jahr 2000 als Frachtabfertiger, der Angeklagte T.
2003 als Prozesssteuerer im Frachtbereich bei der D.
F.
bis zum Jahr
L.
beschäftigt. Vor dem 16. Dezember 2001 kamen die beiden Ange-
klagten, der frühere Mitangeklagte D.
sowie weitere acht überwiegend im
Frachtbereich des Flughafens beschäftigte Personen (Am.
C.
AG in
, G.
, P.
, I.
, L.
und B.
, S.
,
) überein, in der Zu-
kunft bei sich bietender Gelegenheit hochwertige Güter aus dem Frachtbereich
der L.
AG zu entwenden und an Hehler zu verkaufen, um aus dem Erlös
fortlaufend Einnahmen zu erzielen.
3
a) Die ab 16. Dezember 2001 festgestellten einzelnen Taten wurden auf
der Grundlage dieser Absprachen nach folgendem Muster begangen: Der Angeklagte T.
suchte im EDV-System der L.
nach geeigneter Ware;
hielt er eine Lieferung (vorwiegend Sendungen mit Uhren, Schmuck, hochwertiger Computer- und Unterhaltungselektronik) für geeignet, informierte er den
Angeklagten A.
. Dieser entschied, ob die Lieferung gestohlen werden sollte.
In diesem Fall erhielt der gesondert Verfolgte Am.
Informationen über Art,
Menge und Lagerart der Sendung sowie deren Identifikationsnummer entweder
vom Angeklagten T.
oder vom früheren Mitangeklagten D.
. Am.
fertigte dann einen (fingierten) Fahrauftrag über das TransporteinsatzSteuerungssystem und ermöglichte so, dass die eingeweihten VorfeldSchlepperfahrer D.
und S.
die Frachtstücke aus dem nicht öffent-
lichen Bereich des Flughafens abholen und in den halböffentlichen Bereich bringen konnten. Dort wurden sie in jeweils angemietete Lkw umgeladen und aus
dem Flughafengelände herausgebracht; hierbei wurde der Transport jeweils
von Begleitfahrzeugen der Tätergruppe abgesichert. Die Beute wurde sodann
jeweils gesichtet, gegebenenfalls nach Weisung des Angeklagten A.
schengelagert und von A.
zwi-
nach kurzer Zeit an verschiedene ihm bekannte
-5-
Großhehler verkauft. Der Erlös wurde vom Angeklagten A.
verteilt; die Zah-
lungen an die Beteiligten betrugen je nach Wert der Beute jeweils zwischen
2.000,- und 10.000,- Euro.
4
b) Im Einzelnen hat das Landgericht 13 Taten zwischen dem
16. Dezember 2001 und dem 29. Januar 2003 festgestellt. Davon war in 12 Fällen (Ausnahme: Fall 7) der Angeklagte A.
in der genannten Weise beteiligt,
in zehn Fällen (Ausnahmen: Fälle 5, 14, 15) der Angeklagte T.
. Der Wert
der Beute lag zwischen 3.000,- USD und ca. 1 Mio. Euro.
5
Das Landgericht hat die Angeklagten als Mittäter des schweren Bandendiebstahls in den ihnen jeweils zuzurechnenden Fällen angesehen und festgestellt, dass sie beide, namentlich aber der Angeklagte A.
, wichtige Positionen
in der Tätergruppierung einnahmen. Es hat gegen den Angeklagten A.
Ein-
zelstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und zwei Jahren und drei
Monaten, gegen den Angeklagten T.
zwischen einem Jahr und drei Mona-
ten und zwei Jahren festgesetzt und hieraus die genannten Gesamtfreiheitsstrafen gebildet. Zu Lasten des Angeklagten A.
hat es dessen "Führungsrol-
le" ausdrücklich strafschärfend gewertet; hinsichtlich des Angeklagten T.
hat
es ausgeführt, für diesen spreche, dass er in der Hierarchie der Tätergruppe
zwar eine wichtige, aber keine Führungsrolle inne hatte.
6
2. Die Revision des Angeklagten T.
hat mit der Rüge eines Verstoßes
gegen § 338 Nr. 3 StPO Erfolg, weil ein Befangenheitsgesuch des Angeklagten
gegen die erkennenden Richter des Landgerichts zu Unrecht zurückgewiesen
worden ist.
7
a) Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
-6-
aa) Im vorliegenden Verfahren angeklagt waren die beiden Angeklagten
8
sowie der frühere Mitangeklagte D.
. Gegen diese drei Angeklagten fand
die Hauptverhandlung ab 7. Oktober 2008 statt. In der Hauptverhandlung vom
7. Oktober 2008 gab das Gericht bekannt:
"Für den Fall eines umfassenden, glaubhaften Geständnisses des
Angeklagten D.
wird die Kammer im Falle einer Verurteilung des
Angeklagten D.
eine Strafobergrenze von zwei Jahren - die bei
Vorliegen einer positiven Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt
wird - nicht überschreiten."
In ihren Einlassungen zur Sache räumten die Angeklagten A.
9
T.
und
die Beteiligung an den ihnen zur Last gelegten Taten teilweise ein, erklär-
ten jedoch, sie seien jeweils nur Randfiguren des Geschehens und an den wesentlichen Tatplanungen und Entscheidungen nicht beteiligt gewesen; die bestimmende Rolle habe vielmehr D.
inne gehabt. Dagegen ließ sich der
Mitangeklagte D.
entgegengesetzt so ein, dass der Kopf der Tätergruppe
der Angeklagte A.
gewesen sei; der Angeklagte T.
Rolle inne gehabt; er selbst, D.
habe eine wichtige
, sei nur in untergeordneter Rolle als Fah-
rer beteiligt gewesen.
Nachdem der Mitangeklagte D.
10
bereits bei seiner polizeilichen Be-
schuldigtenvernehmung den Angeklagten T.
als Informationsgeber der
Gruppe bezeichnet und die gesondert verfolgten Mittäter Am.
Ts.
sowie der Zeuge R.
Rechtsanwalt Li.
die Angaben D.
, C.
und
s bestätigt hatten, stellte
als Verteidiger des Mitangeklagten D.
in der
Hauptverhandlung vom 20. November 2008 den Antrag, das Verfahren gegen
seinen Mandanten abzutrennen; diesen Antrag hat das Landgericht nicht beschieden.
-7-
Im Hauptverhandlungstermin am 17. Dezember 2008 wurden mit den
11
Verteidigern aller drei Angeklagten vier weitere Termine zur Fortsetzung der
Hauptverhandlung abgesprochen und diese Fortsetzungstermine festgesetzt.
Nach der Mittagspause stellte der Verteidiger des Angeklagten A.
einen An-
trag, mit dem er weitere Beweiserhebungen durch Vernehmung von 12 Zeugen,
die Beiziehung von Fallakten der Polizei, die Inaugenscheinnahme von VideoAufzeichnungen sowie das Abspielen von Aufzeichnungen einer Vielzahl abgehörter Telefongespräche beantragte. Beweisthemen dieser Anträge waren zahlreiche Einzelheiten zum Ablauf der Taten, der Organisationsstruktur des
L.
-Frachtbereichs sowie zu Ergebnissen polizeilicher Ermittlungen; Be-
weisziel der Anträge war ausdrücklich, die Unglaubhaftigkeit der Einlassungen
des Mitangeklagten D.
sowie dessen Position als führendes Mitglied der
Tätergruppe zu beweisen. Der Verteidiger des Angeklagten T.
schloss sich
diesem Antrag an. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, wegen des
Umfangs des Antrags sei ihr eine Stellungnahme zu diesem Zeitpunkt nicht
möglich. Sie beantragte, das Verfahren gegen D.
schloss sich der Verteidiger des Angeklagten D.
abzutrennen; dem
an.
Ohne sich mit diesem neuen Beweisvorbringen auch nur befasst zu ha-
12
ben, trennte das Landgericht nach Beratung am Tisch das Verfahren gegen
A.
und T.
ab; die Hauptverhandlung gegen diese Angeklagten wurde um
13.53 Uhr unterbrochen; die Angeklagten A.
und T.
sowie ihre Verteidi-
ger nahmen im Zuschauerraum Platz. Die Verhandlung gegen D.
wurde
bis 14.10 Uhr unterbrochen; danach wurde die Beweisaufnahme geschlossen.
Nach den Schlussvorträgen und übereinstimmenden Anträgen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers wurde die Verhandlung um 14.30 Uhr zur Beratung unterbrochen und um 15.30 Uhr das Urteil gegen D.
verkündet; die-
ser wurde antragsgemäß wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen zu
-8-
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.
bb) Mit Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 22. Dezember 2008 - außerhalb
13
der Hauptverhandlung - lehnte der Verteidiger des Angeklagten A.
die beiden
Berufsrichter und die beiden Schöffen der erkennenden Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Diesem Antrag schloss sich der Verteidiger des
Angeklagten T.
für seinen Mandanten an.
Mit dem Antrag wurde vorgetragen, es habe am ersten Hauptverhand-
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lungstag eine Absprache zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und
dem Verteidiger des Angeklagten D.
gegeben, wonach diesem für den
Fall eines glaubhaften Geständnisses eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei
Jahren sowie Strafaussetzung zur Bewährung angekündigt worden sei.
D.
habe sich dann zur Sache eingelassen und die Mitangeklagten
schwer belastet; diese hätten sich entgegengesetzt eingelassen.
In der Hauptverhandlung am 17. Dezember 2008 seien die oben genann-
15
ten Beweisanträge gestellt worden, die sämtlich auf den Nachweis der Unglaubhaftigkeit der Einlassung D.
s gerichtet gewesen seien. Ohne über
diese Anträge zu beraten und zu entscheiden, sei das Verfahren gegen D.
von den abgelehnten Richtern daraufhin sogleich abgetrennt und alsbald mit
dem abgesprochenen Urteil beendet worden. In der mündlichen Urteilsbegründung habe die Vorsitzende ausgeführt, der Angeklagte D.
habe nur eine
untergeordnete Rolle eingenommen. Die Kammer sei von der Glaubhaftigkeit
seiner diesbezüglichen Einlassung überzeugt; die Einlassungen der Angeklagten A.
16
und T.
seien nicht glaubhaft.
Dieses prozessuale Vorgehen begründe bei den Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit der erkennenden Richter, weil diese nicht allein an der
-9-
Vor-Entscheidung in dem abgetrennten Verfahren gegen D.
beteiligt ge-
wesen seien, sondern gerade durch die Abtrennung des Verfahrens vor einer
Beratung und Entscheidung über die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen des Angeklagten D.
die Befürchtung begründet worden sei, die er-
kennenden Richter seien insoweit schon festgelegt; dies sei durch die Ausführungen in der mündlichen Urteilsbegründung gegen D.
17
bestätigt worden.
Die Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben daraufhin dienstliche Erklärungen mit dem Inhalt ab, sie hätten an dem Abtrennungsbeschluss vom
17. Dezember 2008 mitgewirkt.
18
Mit Beschluss vom 12. Januar 2009, der ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter getroffen wurde, wurden die Befangenheitsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss führte aus, ein Ablehnungsgesuch, das lediglich damit begründet wurde, der abgelehnte Richter sei
an einer Vorentscheidung beteiligt gewesen, könne gemäß § 26a StPO als unzulässig abgelehnt werden. Anders verhalte es sich nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung hinausgehen. Solche Umstände seien hier nicht ersichtlich. Das Ablehnungsgesuch stütze sich
allein auf "mit einer Vorentscheidung im Zusammenhang stehende Äußerungen, welche die bei der Verurteilung eines Teilnehmers zwingend notwendige
Überzeugung des Gerichts von der Begehung der Taten belegen". Dass die
Abtrennung des Verfahrens auf sachfremden Erwägungen beruht habe, sei
nicht ersichtlich.
19
In der nachfolgenden, bis zum 29. April 2009 fortgesetzten Hauptverhandlung gegen die Angeklagten wurden zahlreiche Beweiserhebungen durchgeführt, die mit dem Antrag vom 17. Dezember 2008 - vor der Verfahrenstrennung - beantragt worden waren; insbesondere wurden mehrere der benannten
- 10 -
Zeugen vernommen und eine Vielzahl von Protokollen der Telefonüberwachung
eingeführt. Weitere Beweisverlangen des Antrags vom 17. Dezember 2008
- insbesondere auf Vernehmung von Zeugen - wurden wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweisergebnisse abgelehnt.
20
cc) In den Urteilsgründen hat das Landgericht ausgeführt, der frühere
Mitangeklagte D.
habe sich umfangreich und ausführlich so wie festge-
stellt eingelassen. Er habe in zehn Beschuldigtenvernehmungen vor der Polizei
sowie in der Hauptverhandlung ausgesagt, ein außergewöhnliches Bemühen
um Aufklärung und Kooperation gezeigt und mit Polizei und Sicherheitsdiensten
bei der Aufdeckung von Schwachstellen der Flughafen-Sicherung zusammengewirkt. Das Landgericht sei davon überzeugt, dass sämtliche Angaben des
früheren Mitangeklagten D.
der Wahrheit entsprechen (UA S. 18). Ein
Motiv für Falschbelastungen der Angeklagten A.
und T.
sei nicht ersicht-
lich (UA S. 20); seine Aussagen zu einzelnen Taten seien durch andere Zeugen
und weitere Beweisergebnisse bestätigt worden (UA S. 21 ff.).
21
b) Die Verfahrensrüge des Angeklagten T.
ist zulässig erhoben; ins-
besondere erfüllt sie die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Soweit die auf das Befangenheitsgesuch abgegebenen dienstlichen Erklärungen
der abgelehnten Richter nur in indirekter Rede wiedergegeben werden (RB
S. 70), steht das der Zulässigkeit dieser Revision nicht entgegen. Die Erklärungen aller vier abgelehnten Richter erschöpften sich in der Feststellung, sie hätten an dem Abtrennungsbeschluss mitgewirkt.
22
c) Die Rüge ist auch begründet. Auf der Grundlage der gebotenen objektiven Beurteilung konnte der Angeklagte durch die Verfahrensweise des Gerichts den Eindruck gewinnen, die abgelehnten Richter stünden ihm bei der
Entscheidung über die zu entscheidenden Fragen insbesondere des Schuldum-
- 11 -
fangs nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenüber (§ 24
Abs. 2 StPO).
23
aa) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß § 23 StPO erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht
geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters i.S. von § 24 Abs. 2
StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese
Besorgnis rechtfertigen (vgl. BGHSt 21, 142; 21, 334, 341; 24, 336, 337; BGH
NJW 1996, 1355, 1357; 1997, 1334, 1336; vgl. auch EGMR NJW 2007, 3553;
Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 24 Rdn. 12 f.; Fischer in KK 6. Aufl. § 24
Rdn. 8; Siolek in LR 26. Aufl. § 24 Rdn. 38; jew. m.w.N.). Das betrifft nicht nur
die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen,
sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen
andere Beteiligte derselben Tat.
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Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist die Mitwirkung an
einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren (BGHSt 50, 216, 221). Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen und in anderen damit zusammenhängenden Verfahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich
vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die Vorbefassung als solche
- abgesehen von den in § 22 Nr. 4 und 5, § 23 und § 148a Abs. 2 Satz 1 StPO
genannten Ausschließungstatbeständen - die Besorgnis der Befangenheit aus
normativen Erwägungen grundsätzlich nicht begründen. Anders verhält es sich
lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer
Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen
Äußerungen hinausgehen. Dies wäre etwa der Fall, wenn Äußerungen in frühe-
- 12 -
ren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat
(BGHSt aaO S. 221 f.).
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Hier wurde der Befangenheitsantrag u.a. darauf gestützt, dass sich die
Strafkammer durch die abschließende Entscheidung in einem abgetrennten
Verfahren zwangsläufig eine Meinung über die Täterschaft der verbliebenen
Angeklagten gebildet habe. Eine notwendige Vorbefassung des Gerichts ist jedoch - wie ausgeführt - für sich gesehen grundsätzlich kein geeigneter Befangenheitsgrund; dies gilt auch, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur
Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und anschließend ein Schuldspruch wegen Beteiligung an später abzuurteilenden Taten erfolgt (BGH NJW
2006, 2864, 2866).
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bb) Vorliegend waren besondere Umstände gegeben. Sie hatten einen
Ursprung in der am ersten Hauptverhandlungstag bekannt gegebenen Zusicherung des Gerichts an den früheren Mitangeklagten D.
, er könne bei ei-
nem "umfassenden, glaubhaften Geständnis" mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren rechnen - eine im Hinblick
auf den gegen D.
erhobenen Anklagevorwurf von 15 Verbrechen des
schweren Bandendiebstahls ungewöhnlich milde Straferwartung. Zwar ist eine
solche auf einer Absprache beruhende Zusicherung nicht schon für sich allein
im Hinblick auf eine mögliche Befangenheit bedenklich; etwas anderes ergab
sich hier aber aus dem Zusammenhang zwischen Absprache, Beweisantrag
und Abtrennungsentscheidung, so dass in der Kumulation dieser Umstände der
Eindruck der Voreingenommenheit entstehen konnte. Die Hauptverhandlung
stand bis zur Trennung der Verfahren ersichtlich im Zeichen der Konfrontation
zwischen den Einlassungen der Angeklagten A.
und T.
, die D.
eine
- 13 -
führende Rolle in der Bande zuwiesen und die eigene Tatbeteiligung, soweit sie
eingeräumt wurde, eher als randständig beschrieben, und der Einlassung des
Mitangeklagten D.
, der den Angeklagten A.
der Bande und den Angeklagten T.
als den führenden Kopf
als für das Gelingen der Taten überaus
wichtigen Mittäter bezeichnete, seine eigene Rolle aber eher als die einer Randfigur beschrieb. Zumindest für die Bestimmung des Schuldumfangs und die
Entscheidung über die Rechtsfolgenfrage musste es daher, für alle Verfahrensbeteiligten offenkundig, um die Frage gehen, welcher der gegensätzlichen Einlassungen zu folgen war.
In dieser Verfahrenslage wurden am 17. Dezember 2008 die Beweisan-
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träge gestellt, die durchweg ausdrücklich auf einen Nachweis der Unglaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten D.
abzielten. Die Sitzungs-
vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte daraufhin, sie könne zu den Anträgen
vorerst nicht Stellung nehmen. Gleichwohl beantragte sie - ebenso wie der Verteidiger
des
Mitangeklagten -
die
Abtrennung
des
Verfahrens
gegen
D.
, woraufhin das Landgericht die Verfahren alsbald antragsgemäß
trennte, ohne über die Beweisanträge verhandelt, beraten oder entschieden zu
haben. Hierzu konnte das Landgericht ersichtlich nur gelangen, wenn es den
Beweisanträgen für das Verfahren gegen D.
von vornherein keine Be-
deutung beimaß. Dies wurde dadurch bestätigt, dass die Hauptverhandlung
gegen D.
nach der Verfahrensabtrennung ohne weitere Beweisaufnahme
alsbald abgeschlossen und mit der Urteilsverkündung - entsprechend der Zusage des Gerichts - beendet wurde. Das der Zusicherung des Gerichts und den
übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidiger entsprechende Urteil gegen D.
stand unter der ausdrücklichen Bedingung, dass
die Einlassung dieses Angeklagten "umfassend und glaubhaft" sein müsse; es
handelte sich daher nicht, wie es in anderen Konstellationen der Fall sein könnte, um eine in Anwendung des Zweifelssatzes getroffene Entscheidung.
- 14 -
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Unter diesen besonderen Bedingungen musste sich aus Sicht des Beschwerdeführers der Eindruck aufdrängen, das Gericht stehe ihm selbst nicht
mehr unbefangen gegenüber, sondern habe sich bereits eine abschließende
Meinung gebildet (vgl. Meyer-Goßner aaO § 24 Rdn. 13; Siolek aaO R 24
Rdn. 49).
29
cc) Darauf, dass das Landgericht in der fortgesetzten Hauptverhandlung
gegen die Angeklagten A.
und T.
über die am 17. Dezember 2008 ge-
stellten Beweisanträge entschieden und die beantragten Beweise teilweise
noch erhoben hat, kommt es hier nicht an. Entscheidend für die Begründetheit
des Befangenheitsgesuchs war vielmehr der objektive Standpunkt des Angeklagten zum Zeitpunkt der Verfahrensabtrennung. Unter den genannten besonderen Umständen konnte sich dem Beschwerdeführer zu Recht der Eindruck
aufdrängen, das Gericht habe sich auch in seiner Sache bereits eine endgültige
Meinung gebildet und stehe ihm nicht mehr unbefangen gegenüber.
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Die vom Generalbundesanwalt in der mündlichen Hauptverhandlung angesprochene Besorgnis einer allgemeinen Erschwerung von Verfahrensabtrennungen in Verfahren gegen mehrere Tatbeteiligte ist unbegründet. Ob eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO besteht, ist eine stets
für den konkreten Einzelfall zu entscheidende Frage; weder selbständige Vorentscheidungen in Verfahren gegen einzelne von mehreren Tatbeteiligten noch
verfahrensökonomisch begründete und durch das Recht jedes Angeklagten auf
ein zügiges Verfahren legitimierte Verfahrensabtrennungen können schon für
sich allein die Besorgnis der Befangenheit begründen.
31
3. Die Revision des Angeklagten A.
ist unbegründet.
32
a) Soweit dieser Beschwerdeführer, im Wesentlichen gleich lautend,
ebenfalls die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO
- 15 -
wegen der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs vom 22. Dezember 2008 erhoben hat, ist die Rüge, wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat,
unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt.
Der Beschwerdeführer hat weder die Tatsache noch den Inhalt der
33
dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter vorgetragen. Dies war hier
auch nicht im Hinblick auf die das Befangenheitsgesuch zurückweisende Entscheidung des Landgerichts entbehrlich, denn diese Entscheidung erwähnte die
dienstlichen Erklärungen zwar, befasste sich indes nicht mit deren Inhalt.
Der Umstand, dass die Erklärungen sich auf die Bekundungen be-
34
schränkten, an der beanstandeten Entscheidung beteiligt gewesen zu sein,
machte den nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zwingend vorgeschriebenen Tatsachenvortrag des Beschwerdeführers ebenso wenig überflüssig wie die Tatsache, dass der Mitangeklagte T.
dieselbe Verfahrensrüge zulässig erhoben
hat.
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b) Auch unter sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich auf der
Grundlage der für das Revisionsgericht allein Ausschlag gebenden Urteilsgründe hier kein Anhaltspunkt für einen durchgreifenden Erörterungsmangel; eine
Verfahrensrüge nach § 261 StPO im Hinblick auf die Absprache des Gerichts
mit dem früheren Mitangeklagten ist nicht erhoben.
- 16 -
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c) Auch im Übrigen hat die Revision des Angeklagten A.
keinen
Rechtsfehler des angefochtenen Urteils aufgezeigt, so dass sein Rechtsmittel
als unbegründet zu verwerfen war.
Rissing-van Saan
Eschelbach
Fischer
Appl
Ott