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2 StR 163/14
Verfügung
In der Strafsache
gegen
BGHR:
BGHSt:
Nachschlagewerk:
Veröffentlichung:
ja
ja
ja
ja
StPO §§ 140 Abs. 2 Satz 1, 350 Abs. 2 Satz 1; MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. c
Die Praxis, wonach Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit des vom
Angeklagten gewählten Verteidigers durchgeführt werden, genügt den Anforderungen
des Art. 6 Absatz 3 Buchst. c MRK nicht. Erscheint ein Wahlverteidiger, dem der
Termin der Hauptverhandlung gemäß § 350 Absatz 1 StPO mitgeteilt wurde, zur
Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht, oder teilt er vorab mit, das er nicht
erscheinen werde, ist er in der Regel zum Pflichtverteidiger für die
Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um das Recht des Angeklagten auf
Verteidigung aus Art. 6 III c MRK zu wahren.
BGH, Verfügung vom 25. September 2014 - 2 StR 163/14 - LG Fulda
1.
2.
wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung u.a.
Der Termin vom 26. November 2014 wird aufgehoben.
1. Neuer Termin zur Hauptverhandlung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten C.
:
Mittwoch, 7. Januar 2015, 11.00 Uhr.
2. Für den Angeklagten C.
F.
wird Herr Rechtsanwalt
H.
zum Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung bestimmt.
aus
-2-
Gründe:
1
In der Hauptverhandlung des Senats am 20. August 2014 ist für den Angeklagten R.
der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K.
erschienen. Der Wahlverteidiger des Angeklagten C.
H.
aus B.
H.
, Herr Rechtsanwalt
, hatte mit Schreiben vom 19. August 2014 mitgeteilt, dass er zur
Hauptverhandlung nicht anreisen werde; das Schreiben lag dem Senat erst am
20. August 2014 vor.
2
Der Senat hat die Hauptverhandlung über die Revisionen der Staatsanwaltschaft ausgesetzt, weil der Angeklagte C.
3
nicht verteidigt war.
Nach dem Wortlaut des § 350 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO ist die Anwesenheit eines gewählten Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung
grundsätzlich nicht erforderlich. Nach der bisherigen Rechtsprechung und
Übung ist ein Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung nur dann zu
bestellen, wenn ein "schwerwiegender Fall" vorliegt (BVerfGE 46, 202) oder die
Rechtslage besonders schwierig ist (vgl. BGHSt 19, 258; Meyer-Goßner/
Schmitt StPO 57. Aufl. § 350 Rn. 7 f. mit weiteren Nachweisen).
4
Nach Auffassung des 2. Strafsenats genügt die bisherige Praxis, wonach
zahlreiche Revisionshauptverhandlungen ohne Anwesenheit der Angeklagten
und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden, den Anforderungen des
Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK nicht. In Anbetracht des Umstands, dass die
Revision zum Bundesgerichtshof das einzige Rechtsmittel gegen Urteile der
großen Strafkammer der Landgerichte und der erstinstanzlichen Senate der
Oberlandesgerichte ist, erscheint es nicht vertretbar, den Angeklagten in
Hauptverhandlungen, an deren Ende eine ihn beschwerende Entscheidung ergehen kann, ohne jegliche Vertretung und - bei regelmäßiger Abwesenheit des
Angeklagten selbst - jedenfalls faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen. Das
-3-
gilt vor allem bei Hauptverhandlungen über Revisionen der Staatsanwaltschaft
oder von Nebenklägern, muss aber gleichermaßen für solche über Revisionen
des Angeklagten gelten.
5
Dem steht nicht entgegen, dass es dem Angeklagten freigestellt ist, sich
in der Hauptverhandlung durch einen Wahlverteidiger vertreten zu lassen
(§ 350 Abs. 2 Satz 1 StPO) und dass dem Nichterscheinen eines Verteidigers
auch ein Kosteninteresse des Angeklagten zugrunde liegen kann.
6
Die Gründe, aus welchen ein Wahlverteidiger nicht zur Revisionshauptverhandlung erscheint, können vielfältig sein und müssen mit den Interessen
des Angeklagten nicht übereinstimmen. Auf das mögliche Interesse des Angeklagten, nicht mit Pflichtverteidigerkosten als Verfahrenskosten belastet zu werden, kommt es nach der gesetzlichen Wertung des § 140 StPO nicht an.
7
Teilt ein Wahlverteidiger mit, dass er zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, ist er daher in der Regel zum Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um die Durchführung
des Verfahrens zu sichern.
8
Das hierin möglicherweise liegende berufstypische Sonderopfer hat er
hinzunehmen.
Karlsruhe, den 25. September 2014
Bundesgerichtshof
Der Vorsitzende des 2. Strafsenats
Prof. Dr. Fischer