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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 651/10
vom
8. Februar 2011
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
AO § 370 Abs. 1
EStG § 41a
StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1
Treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede, nach der für
das gesamte dem Arbeitnehmer gezahlte Gehalt weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden sollen, bedarf es im Falle der Verurteilung des Arbeitgebers wegen Hinterziehung von Lohnsteuer weder Feststellungen zu den individuellen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer, noch ist die Höhe der von den Arbeitnehmern hinterzogenen Einkommensteuer im Urteil zu quantifizieren. Die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzten Einkommensteuer ist bei der Verurteilung des Arbeitgebers weder für den
Schuldspruch, noch für den Strafausspruch relevant.
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10 - LG Münster
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 12. April 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 66 Fällen, wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit
mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen sowie wegen Vereitelung
der Zwangsvollstreckung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht
Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass der
Angeklagte aus den Untreuetaten 205.927,39 Euro sowie die Verfallsbeteiligte
A.
aus der Vereitelung der Zwangsvollstreckung weitere
- im Tenor des angefochtenen Urteils näher aufgeführte - Vermögenswerte erlangt hat und lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werden
kann, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB).
2
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision; er rügt
die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist erfolglos
i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
-3-
3
Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
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1. In den Fällen B. I. der Urteilsgründe (Beihilfe zum Vorenthalten und
Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen) hat das Landgericht der Strafzumessung im Ergebnis den
zutreffenden Strafrahmen zu Grunde gelegt.
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a) Zwar führt die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung bezüglich
dieser Taten zur Strafrahmenwahl aus, dass hinsichtlich der tateinheitlich begangenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung einerseits und zum Vorenthalten und
Veruntreuen von Arbeitsentgelt andererseits der identische, sich sowohl aus §
370 Abs. 1 AO, als auch aus § 266a Abs. 1 StGB ergebende Strafrahmen zu
Grunde zu legen und dieser nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1
StGB zu mildern sei. Insoweit hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht,
dass hier hinsichtlich der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt neben der Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB
i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB an sich eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß
§ 28 Abs. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen war. Hiervon hätte nur
dann abgesehen werden können, wenn das Landgericht die Täterschaft des
Angeklagten allein schon wegen Fehlens eines besonderen persönlichen
Merkmals verneint hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 1975
- 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54; BGH, Beschluss vom 22. April 1988 - 2 StR
111/88, wistra 1988, 303; BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - 2 StR 507/04,
NStZ-RR 2006, 109). Den Urteilsgründen lässt sich - auch in der Gesamtschau
- nicht entnehmen, dass das Landgericht sich bei der Strafrahmenwahl von diesem Gesichtspunkt leiten ließ.
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b) Allerdings war hier nach § 52 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB der Strafzu-
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messung der allein nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zu Grunde zu legen. Denn die in
§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO angesprochene Pflicht, die vorliegend für die Haupttäter
als Arbeitgeber aus § 41a EStG folgte, ist kein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94,
BGHSt 41, 1). Weder insoweit, noch in anderem Zusammenhang hat sich damit
die rechtsfehlerhafte Bestimmung des Strafrahmens für die Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt zum Nachteil des Angeklagten
ausgewirkt.
2. Das Landgericht hat auch die Höhe der Lohnsteuer, zu deren Hinter-
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ziehung der Angeklagte durch seine Tatbeiträge Hilfe geleistet hat, zutreffend
bestimmt. Mit der sachlich-rechtlichen Beanstandung, die Strafkammer hätte
auf der Grundlage der ihr bekannten Anzahl der auf den Baustellen eingesetzten Arbeiter und der von diesen erbrachten Arbeitsstunden den jeweils an die
illegal beschäftigten Arbeitnehmer konkret gezahlten Lohn und - davon ausgehend - die von jedem einzelnen Arbeitnehmer hinterzogene Einkommensteuer
bestimmen können und den Betrag der Strafzumessung zu Grunde legen müssen, deckt die Revision keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler
auf.
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In Fällen der vorliegenden Art, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
eine Schwarzlohnabrede dergestalt treffen, dass für das gesamte dem Arbeitnehmer gezahlte Gehalt weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge
abgeführt werden sollen, ist im Falle der Verurteilung des Arbeitgebers wegen
Hinterziehung von Lohnsteuer die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzte
Einkommensteuer weder für den Schuldspruch, noch für den Strafausspruch
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bedeutsam. Es bedarf daher keiner Feststellungen zu den individuellen Besteuerungsmerkmalen der einzelnen Arbeitnehmer. Die Höhe der von den Arbeitnehmern hinterzogenen Einkommensteuer ist im Urteil nicht zu quantifizieren.
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a) Insoweit gilt Folgendes:
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aa) Die Lohnsteuer entspricht der Höhe nach der Einkommensteuer, die
der Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (vgl. § 38a Abs. 2 EStG). Bei der Lohnsteuer handelt es sich
um eine Abzugssteuer i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, die gemäß § 38 Abs. 1
EStG durch Steuerabzug vom Lohn erhoben wird. Die nach § 36 Abs. 2 Nr. 2
EStG vorgesehene Anrechnung der vom Arbeitgeber einbehaltenen Lohnsteuer
ist dabei nicht der materiell-rechtlichen Bestimmung des festzusetzenden Steueranspruchs des Staates gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern dem verfahrensrechtlichen Bereich des Erhebungsverfahrens nach Festsetzung der vom
Arbeitnehmer geschuldeten Einkommensteuer zuzuordnen (vgl. Brenner in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG [Stand: Juli 2002], § 36 Rn. A 2, A 232 mwN).
Dabei tilgt die nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Lohnsteuer die
Steuerschuld, mindert aber nicht die festgesetzte Einkommensteuerschuld
(Heuermann in Blümich EStG [Stand: Oktober 2010], § 46 Rn. 19). Nach § 36
Abs. 2 Nr. 2 EStG wird zudem nur die erhobene Abzugssteuer, d.h. die vom
Arbeitgeber einbehaltene Lohnsteuer (vgl. Brenner aaO Rn. D 80 mwN), angerechnet. Wurde die Lohnsteuer einbehalten, aber nicht an das Finanzamt abgeführt, besteht die Möglichkeit der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur,
wenn der Arbeitnehmer davon keine Kenntnis hatte (BFH, DStRE 1999, 864).
Die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG setzt zudem eine Veranlagung
des Arbeitnehmers voraus, die die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, für
die die Lohnsteuer einbehalten wurde, erfasst.
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Diese systemimmanente Trennung von Lohnsteuerabzug und Einkommensteuerveranlagung setzt sich auch im Haftungsverfahren nach § 42d EStG
fort. Während des laufenden Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) haftet der
Arbeitgeber für die Lohnsteuer des einzelnen Lohnzahlungszeitraums, selbst
wenn zu vermuten ist, dass eine entsprechende Jahreslohnsteuerschuld des
Arbeitnehmers nicht oder nicht in dieser Höhe bestehen wird (BFHE 74, 97 ff.).
Wegen des Prinzips der Maßgeblichkeit der vom Arbeitgeber zu verwendenden
Lohnsteuer-Abzugsmerkmale, das in § 39b EStG (Lohnsteuerkarte) und § 39e
EStG (elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale) zum Ausdruck kommt, sind
während des Abzugsjahres der Haftungsanspruch gegen den Arbeitgeber und
der Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer dem Umfang nach grundsätzlich
identisch (BFHE 113, 157; vgl. auch Wagner in Blümich EStG [Stand: Oktober
2010], § 42d Rn. 31). Nach Ablauf des Kalenderjahres haftet der Arbeitgeber für
die Jahreslohnsteuerschuld (§ 38a Abs. 1 Satz 1 EStG). Das ist die Lohnsteuer,
die sich nach den Besteuerungsmerkmalen für den Jahresarbeitslohn ergibt (§
38a Abs. 2 EStG). Steuermindernde Faktoren, die erst im Rahmen einer Veranlagung des Arbeitnehmers zu Tage treten, können insoweit bei einer Haftungsinanspruchnahme zugunsten des Arbeitgebers frühestens nach Abschluss des
Veranlagungszeitraums berücksichtigt werden (im Einzelnen str.; vgl. Wagner
aaO Rn. 32 ff.).
12
bb) In steuerstrafrechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass der Arbeitgeber,
wenn er der ihm nach § 41a EStG obliegenden Pflicht zur Anmeldung der
Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß nachkommt, eine Steuerhinterziehung nach §
370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO begeht. An diesen jeweils eigenständigen Taten
im materiell-rechtlichen Sinn kann sich der Arbeitnehmer als Täter oder Gehilfe
beteiligen. Nach den Umständen des Einzelfalls kommt auch allein eine
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- dann in mittelbarer Täterschaft begangene - Steuerhinterziehung durch den
Arbeitnehmer in Betracht (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,
7. Aufl., § 370 AO Rn. 201). Je nach dem, welche Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume nach § 41a Abs. 2 EStG betroffen sind, kann es in einem Veranlagungszeitraum zu bis zu zwölf Hinterziehungstaten kommen.
13
Daneben tritt als weitere eigenständige Tat die Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer, wenn eine Veranlagung des Arbeitnehmers nach dem Einkommensteuergesetz durchzuführen ist und der Arbeitnehmer insoweit unrichtige Erklärungen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO abgibt
oder die Abgabe einer Steuererklärung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO unterlässt.
An dieser Tat kann sich der Arbeitgeber gegebenenfalls als Täter, regelmäßig
aber als Gehilfe beteiligen.
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cc) Das Nebeneinander von Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber
und dem Bestehen einer Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers führt in
steuerstrafrechtlicher Hinsicht weiter dazu, dass die Hinterziehung der
Lohnsteuer grundsätzlich eine „auf Zeit“ angelegte Tat ist, wenn aufgrund der
konkreten Umstände des Einzelfalles damit zu rechnen ist, dass nach der Vorstellung der Tatbeteiligten eine Veranlagung des Arbeitnehmers und daran anschließend eine Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfolgen sollte (vgl.
Joecks aaO § 370 AO Rn. 201, 204). Der Umfang der tatbestandlich verkürzten
Lohnsteuern bemisst sich gleichwohl nach deren Nominalbetrag (vgl. zu dem
ähnlich gelagerten Fall der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe unrichtiger Unsatzsteuervoranmeldungen BGH, Urteil vom 17. März 2009
- 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 Rn. 21 ff.), der bei vollumfänglich illegalen Beschäftigungsverhältnissen auf der Grundlage des tatsächlich gezahlten
Schwarzlohns nach den Steuersätzen der Lohnsteuerklasse VI (BGH, Urteil
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vom 13. Mai 1992 - 5 StR 38/92, BGHSt 38, 285 ff.; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 Rn. 16, 18; vgl. auch BFH/NV 2009,
1809 mwN), im Übrigen nach der jeweiligen Steuerklasse des betroffenen Arbeitnehmers zu berechnen ist. Dem Umstand, dass die lohnsteuerrechtlichen
Pflichten des Arbeitgebers im Ergebnis der Durchsetzung der einkommensteuerrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers dienen und insoweit derselbe Steueranspruch betroffen ist, ist allein bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
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(1) In Fällen der Hinterziehung von Lohnsteuer „auf Zeit“, die tatsächlich
freilich selten gegeben sein dürften, ist bei der Strafzumessung grundsätzlich zu
beachten, dass sich die dem Fiskus auf Dauer entzogenen Steuern nach den
tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitnehmer bemessen. Das Tatgericht muss
sich hierüber erkennbar bewusst sein; es ist indes nicht gehalten, hierzu umfangreiche Beweiserhebungen und Darlegungen anzustellen. Ist die genaue
Berechnung der endgültig geschuldeten Einkommensteuern nicht ohne weiteres
möglich, kann das Tatgericht von geschätzten, niedrigeren Durchschnittssteuersätzen ausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1985 - 1 StR 284/85, NStZ
1986, 79; BGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - 5 StR 38/92, NJW 1992, 2240). Wird
sowohl die Hinterziehung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber als auch dessen Beteiligung an der Hinterziehung von Einkommensteuer durch den Arbeitnehmer geahndet, muss das Tatgericht zudem erkennbar zum Ausdruck bringen, dass es sich dem Verhältnis von Lohn- und Einkommensteuer bewusst
war; die Höhe der durch die einzelnen Hinterziehungstaten verkürzten Steuern
darf namentlich nicht addiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2002
- 5 StR 448/01, NStZ 2002, 485, 487). Nämliches gilt, soweit die Beteiligung
des Arbeitnehmers an der Hinterziehung von Lohnsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits geahndet wird.
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(2) Ist die Hinterziehung der Lohnsteuer demgegenüber „auf Dauer“ angelegt, ist die Höhe der durch die Arbeitnehmer verkürzten Einkommensteuer
auch für den Strafausspruch nicht relevant. Denn dann besteht für die ordnungsgemäße Besteuerung eine besondere Gefahrenlage, der durch die Ausgestaltung der Lohnsteuer als Abzugssteuer gerade entgegengewirkt werden
soll. Diese Gefahrenlage soll bei der auf Dauer angelegten Lohnsteuerhinterziehung nach dem Tatplan der an ihr Beteiligten auch nicht nachträglich wieder
beseitigt werden.
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(a) Eine solche Hinterziehung der Lohnsteuer „auf Dauer“ ist regelmäßig
dann gegeben, wenn der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Schwarzlohnabrede treffen, sie sich mithin darüber einig sind, dass der Arbeitgeber für den
gezahlten Barlohn weder Lohnsteuer, noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen
soll. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG
nicht gegeben. Insoweit wird weder Lohnsteuer durch den Arbeitgeber einbehalten, noch wird - was dem Arbeitnehmer bekannt ist - Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt. Der Arbeitnehmer wird die Einkünfte aus dem illegalen Beschäftigungsverhältnis auch nicht gegenüber den Finanzbehörden (sei es nach
§ 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, sei es nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) erklären. Eine
Anrechnung der Lohnsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG scheidet demnach
aus. Die grundsätzlich für eine Hinterziehung auf Zeit sprechenden Gesichtspunkte des Lohnsteuerverfahrens, namentlich die Anrechung der einbehaltenen
Lohnsteuer auf die vom Arbeitnehmer geschuldete Einkommensteuer, sind in
diesen Fällen nicht gegeben (vgl. bereits BGH, Urteil vom 24. September 1986 3 StR 336/86, NStZ 1987, 78).
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Der Umstand, dass nach Bekanntwerden der Taten ein Haftungsbescheid nach § 42d EStG gegenüber dem Arbeitgeber unter Umständen auf die
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Höhe der vom Arbeitnehmer geschuldeten Einkommensteuer begrenzt wäre,
steht dem nicht entgegen. Denn diese zwangsläufig nach Beendigung der einzelnen Hinterziehung von Lohnsteuer eintretende Reduzierung der Lohnsteuerhaftung und der im Vergleich zum Arbeitgeber unter Umständen geringere
Schuldumfang der Einkommensteuerhinterziehung des Arbeitnehmers ergeben
sich in Fällen der Schwarzlohnabrede regelmäßig allein aus der Entdeckung der
Tat. Vor diesem Hintergrund stellen diese Umstände keinen bestimmenden
Strafzumessungsgrund dar. Der möglicherweise geringere Umfang der vom
Arbeitnehmer hinterzogenen Einkommensteuer ist daher in Fällen der Schwarzlohnabrede regelmäßig nicht zu quantifizieren, wenn allein die Hinterziehung
der Lohnsteuer geahndet wird.
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(b) Gleiches gilt regelmäßig in Fällen sog. Teilschwarzlohnabreden, bei
denen einvernehmlich nur ein Teil des Lohns beim zuständigen Finanzamt angemeldet wird, während ein weiterer Teil des tatsächlich - regelmäßig bar ausgezahlten Lohns nicht angemeldet wird. Auch hier ist eine Hinterziehung auf
Dauer beabsichtigt. Freilich ist in diesen Fällen diejenige Lohnsteuerklasse bei
der Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer zu Grunde zu legen, die sich
aus der vorgelegten Lohnsteuerkarte ergibt. Das wird in den meisten Fällen
nicht die Lohnsteuerklasse VI sein.
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(c) Als eine „auf Dauer“ angelegte Hinterziehung von Lohnsteuer wird regelmäßig auch der Fall anzusehen sein, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer
vom Bruttoarbeitsentgelt des Arbeitnehmers einbehält, diese aber ohne Wissen
des Arbeitnehmers nicht abführt.
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Auch hier wird nach der Vorstellung des Arbeitgebers eine Gefahrenlage
für die ordnungsgemäße Besteuerung des Einkommens des Arbeitnehmers
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geschaffen, die - auch durch steuerehrliches Verhalten des Arbeitnehmers - in
der überwiegenden Zahl dieser Fälle nicht nachträglich wieder beseitigt wird. Da
der Arbeitnehmer auch in diesen Fällen die einbehaltene, aber nicht angemeldete und nicht abgeführte Lohnsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechnen
kann - was u.U. gar zu einer Erstattung von Einkommensteuer führt, obwohl der
Fiskus die zu erstattende Steuer überhaupt nicht vereinnahmt hat (vgl. BFH
DStRE 1999, 864) - verbleibt es bei der Haftung des Arbeitgebers nach § 42d
EStG. Nur wenn der Arbeitgeber diese Haftungsschuld erfüllt, wird der bereits
eingetretene Hinterziehungsschaden nachträglich beseitigt. Allein dieser Umstand ist dann - als nachträgliche Schadenswiedergutmachung - auch strafzumessungsrelevant.
b) Den vorgenannten Grundsätzen wird das landgerichtliche Urteil ge-
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recht:
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aa) Bei der Ermittlung des tatbestandlichen Hinterziehungsumfangs hat
das Landgericht die tatsächlich gezahlten Schwarzlöhne, deren Höhe sich aus
den sichergestellten Lohnaufzeichnungen des Haupttäters ergab, zu Grunde
gelegt und davon ausgehend unter Anwendung des Eingangssteuersatzes der
Steuerklasse VI die hinterzogene Lohnsteuer, die der Arbeitgeber nach § 41a
EStG anzumelden hatte, berechnet.
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Dieses Vorgehen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Aufgrund der
Tatsache, dass das Landgericht bei der Ermittlung der hinterzogenen
Lohnsteuer den Eingangssteuersatz der Steuerklasse VI zu Grunde gelegt hat,
war die Höhe der den einzelnen Arbeitnehmern ausgezahlten Schwarzlöhne für
die Bestimmung des Steuerschadens ohne Bedeutung.
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bb) Auch den der Strafzumessung zu Grunde zu legenden Steuerschaden hat das Landgericht zutreffend bestimmt.
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(1) Da vorliegend zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine
Schwarzlohnabrede getroffen worden war, sollte die Lohnsteuer auf Dauer hinterzogen werden. Das Tatgericht war daher - wie oben dargelegt - nicht gehalten, bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten die Höhe der tatsächlich von den Arbeitnehmern geschuldeten Einkommensteuer zu berücksichtigen.
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(2) Dessen ungeachtet hat das Landgericht - ohne dass dies erforderlich
gewesen wäre - die auf der genannten Grundlage berechnete Lohnsteuerverkürzung dem dauerhaft dem Fiskus verbleibenden Steuerschaden gegenüber
gestellt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerbelastung für die zu
Grunde zulegenden Monatseinkommen der einzelnen Arbeitnehmer den Eingangssteuersatz der Lohnsteuerklasse VI übersteigt. Die insoweit maßgeblichen Monatseinkommen der Arbeitnehmer hat das Landgericht dabei - wie sich
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aus der Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt - im Wege der Schätzung gewonnen. Die diesbezüglichen Angriffe der Revision erschöpfen sich in dem im
Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die - bei der Schätzung vorzunehmende - Beweiswürdigung des Tatgerichts durch eine eigene zu ersetzen.
Rechtsfehler werden insoweit nicht aufgezeigt.
Herr RiBGH Dr. Wahl ist
wegen Urlaubsabwesenheit
an der Unterschrift gehindert.
Nack
Nack
Jäger
Hebenstreit
Sander