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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 503/06
vom
24. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allgäu) vom 5. Juli 2006 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
1
Der zur Tatzeit fast 19 Jahre alte Angeklagte wurde wegen Mordes zu
Jugendstrafe verurteilt. Seine Revision, die auf eine Reihe von Verfahrensrügen
und die näher ausgeführte Sachrüge gestützt ist, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2
StPO).
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1. Die Revision rügt, es sei "keine ordnungsgemäße Terminsladung gegenüber der Jugendgerichtshilfe" erfolgt. Sollte damit gemeint sein, dass die
Jugendgerichtshilfe nicht zur Hauptverhandlung geladen worden sei, wäre der
Vortrag unwahr (vgl. SA Bd. III Bl. 624, SA Bd. IV Bl. 654). Sollte gemeint sein,
die Jugendgerichtshilfe sei zwar geladen worden, aber nicht ordnungsgemäß,
wäre der Vortrag mangels weiterer Darlegungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO)
aus sich heraus nicht verständlich. Die Bewertung eines Vorgangs als nicht
ordnungsgemäß kann Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung dieses Vorgangs
sein, die konkrete Angabe von Tatsachen, die diese Bewertung tragen sollen,
aber nicht ersetzen (vgl. BGH NJW 2006, 1220, 1222).
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2. Ist die Jugendgerichtshilfe geladen, ergibt sich allein daraus, dass in
der Hauptverhandlung niemand von der Jugendgerichtshilfe anwesend war,
kein Rechtsfehler (BGH StraFo 2003, 379 m. w. N.). Die auch im Übrigen unzutreffende Auffassung der Revision, Hinweise gemäß § 265 StPO müssten auch
gegenüber der Jugendgerichtshilfe erteilt werden, geht auch deshalb ins Leere.
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3. Soweit die Revision rügt, der Jugendhilfebericht sei in der Hauptverhandlung verlesen worden, trägt sie nicht vor, dass dies im allseitigen Einverständnis geschah (SA Bd. IV Bl. 678). Damit fehlt auch insoweit gemäß § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO gebotener Vortrag. Der Hinweis auf das allseitige Einverständnis zeigt nämlich die Rechtsgrundlage auf, auf die die Verlesung gestützt
wurde. Dies ist für die Prüfung der Zulässigkeit der Verlesung wesentlich. Das
Ergebnis dieser Prüfung könnte unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob die
Verlesung etwa auf § 256 StPO gestützt war (vgl. hierzu Diemer in KK 5. Aufl.
§ 256 Rdn. 5; Laubenthal, Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren 1993 S. 118 m.
w. N.), oder wie offenbar hier, auf § 251 Abs.1 Nr.1 StPO (vgl. zum inhaltlich
identischen § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO a. F. Laubenthal aaO S. 118, 119). Näher
nachzugehen braucht der Senat alledem im Hinblick auf den unzureichenden
Revisionsvortrag aber nicht. Da die Revision auch den Inhalt des Jugendhilfeberichts nicht mitteilt, könnte der Senat im Übrigen selbst dann, wenn feststünde, dass die Verlesung fehlerhaft war - was nicht der Fall ist -, ohnehin nicht
prüfen, ob sie sich zum Nachteil des Angeklagten auf das Urteil ausgewirkt haben kann.
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4. Die Revision macht geltend, es sei keine Gelegenheit zur Stellungnahme nach der Verlesung des Jugendhilfeberichts erteilt worden.
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Hinsichtlich des Angeklagten ist dies ausweislich des (von der Revision
auch insoweit nicht vorgetragenen) Hauptverhandlungsprotokolls falsch (SA Bd.
IV Bl. 678).
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Dem Verteidiger ist die Befugnis, sich nach einer Beweiserhebung zu
äußern - ebenso wie dem Staatsanwalt - nur auf Verlangen einzuräumen, § 257
Abs. 2 StPO. Dementsprechend muss derjenige, der eine Verletzung dieses
Rechts rügen will, vortragen, dass er sich zu Wort gemeldet habe, um eine solche Erklärung abzugeben, ihm dies aber verwehrt worden sei (vgl. Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 257 Rdn. 26). Schon daran fehlt es. Ebenso
wenig ist vorgetragen, dass der als Voraussetzung für eine derartige Verfahrensrüge in der Regel erforderliche Gerichtsbeschluss (§ 238 Abs. 2 StPO) eingeholt wurde (vgl. Julius in HK 3. Aufl. § 257 Rdn. 10, 12; Diemer in KK 5. Aufl.
§ 257 Rdn. 5), und warum, vor allem im Hinblick auf die Schlussausführungen
(§ 258 Abs. 1 StPO), die behauptete Verletzung von § 257 Abs. 2 StPO auf das
Urteil irgend einen Einfluss gehabt haben könnte (vgl. Julius aaO Rdn. 12; Gollwitzer aaO Rdn. 27, 28 m. w. N.).
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5. Die Revision macht geltend, es wäre möglich gewesen, einen während
der Hauptverhandlung gemäß § 265 StPO erteilten Hinweis schon in einem
früheren Stadium der Hauptverhandlung zu erteilen. Es trifft zu, dass ein
Hinweis gemäß § 265 StPO zu erteilen ist, sobald sich erstmals die Möglichkeit
einer anderen rechtlichen Beurteilung ergibt, also so früh wie möglich (vgl.
Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 265 Rdn. 32; Engelhardt in KK 5. Aufl. § 265
Rdn. 18 m. w. N.). Ob dies hier der Fall war, mag dahinstehen. Eine Verfahrensrüge, der Hinweis sei verspätet erfolgt, kann jedoch in aller Regel keinen
Erfolg haben, wenn - wie auch hier - kein Antrag auf Aussetzung des
Verfahrens gestellt worden war (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1982 - 2 StR
182/82; Engelhardt aaO). Hierauf hat auch der Vertreter der Nebenklage im
Rahmen seines Schriftsatzes vom 14. September 2006 zur Erwiderung auf das
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vom 14. September 2006 zur Erwiderung auf das Revisionsvorbringen zutreffend hingewiesen. Gründe des Einzelfalls, die vorliegend ausnahmsweise eine
andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.
6. Auch die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils
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hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, wie dies auch
der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend vorgetragen hat.
7. Der Senat bemerkt, dass es zweckmäßig gewesen wäre, wenn die
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Staatsanwaltschaft gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO von der Möglichkeit einer
Revisionsgegenerklärung Gebrauch gemacht hätte (vgl. BGH StV 2006, 286,
287 m. w. N.). Insbesondere Hinweise auf die Ladung der Jugendgerichtshilfe
(vgl. oben 1.), das allseitige Einverständnis mit der Verlesung des Jugendhilfeberichts (vgl. oben 3.) und die Beachtung von § 257 Abs.1 StPO in der Hauptverhandlung (vgl. oben 4.) hätten die Überprüfung des entsprechenden Revisionsvorbringens nicht unerheblich erleichtert (Nr. 162 Abs. 2 RiStBV). Auch
Hinweise des Vorsitzenden auf die genannten Punkte hätten hilfreich sein können (vgl. BGH StraFo 2003, 379, 380 m. w. N.).
Nack
Wahl
Kolz
Boetticher
Elf