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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 423/17
vom
21. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Bankrott u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210318B1STR423.17.0
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am
21. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20. März 2017, soweit es den Angeklagten betrifft, im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur vorsätzlichen
Pflichtverletzung bei Zahlungsunfähigkeit (Insolvenzverschleppung), Anstiftung
zum Bankrott sowie Beihilfe zum Bankrott in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
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Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat auf die
Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4
StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Im Fall II. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung verurteilt und den Strafrahmen des
§ 15a Abs. 4 InsO gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Im Fall III.
der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen Anstiftung zum
Bankrott schuldig gesprochen und ist von dem nicht gemilderten Strafrahmen
des § 283 Abs. 1 StGB ausgegangen. In den unter IV. der Urteilsgründe zusammengefassten zwei Fällen (Beiseiteschaffen von Fahrzeugen und Gerätschaften aus dem Vermögen der M.
nicht revidierenden Mitangeklagten Ma.
GmbH und aus dem Vermögen des
) hat das Landgericht den Ange-
klagten jeweils wegen Beihilfe zum Bankrott verurteilt und den Strafrahmen des
§ 283 Abs. 1 StGB jeweils gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert.
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2. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens in allen Fällen die (weitere) Strafrahmenverschiebung nach § 28
Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen. Dies begegnet durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken.
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a) Die Vorschrift des § 15a Abs. 4, Abs. 1 Satz 1 InsO enthält ein echtes
Sonderdelikt. Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher nur die Person
sein, die die Sondereigenschaft als Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person oder als deren Abwickler besitzt (BGH, Urteile vom 6. Mai
1960 – 2 StR 65/60, BGHSt 14, 280, 281 f. zu § 84 Abs. 1 GmbHG aF und vom
10. Mai 2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 zu § 82 Abs. 1 Nr. 1 und 3
GmbHG; Hohmann in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 15a InsO
Rn. 96 f.). Bei dieser Pflichtenstellung handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB (Reinhart in Graf/Jäger/Wittig,
Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 15a InsO Rn. 8; Klöhn in Münchener Kommentar, InsO, 3. Aufl., § 15a Rn. 337; siehe auch BGH aaO, BGHSt
46, 62, 64 zu § 82 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GmbHG).
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b) Auch bei der gemäß § 283 Abs. 1 StGB für die täterschaftliche Begehung erforderlichen Pflichtenstellung als Schuldner handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f. Rn. 9
und vom 8. September 1994 – 1 StR 169/94 Rn. 11; Radtke/Petermann in
Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 80; Reinhart in Graf/Jäger/
Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 283 StGB Rn. 75; Fischer,
StGB, 65. Aufl., § 283 Rn. 38; a.A. Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl.,
§ 283 Rn. 25 mwN).
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c) Hinsichtlich Fall III. der Urteilsgründe (Anstiftung zum Bankrott) war für
den Angeklagten, der die Pflichtenstellung als Schuldner nicht innehatte, der
Strafrahmen zwingend gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.
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d) Aber auch in den Fällen II. und IV. der Urteilsgründe (Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und Beihilfe zum Bankrott) war vorliegend die weitere, in
§ 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht
zu ziehen. Bei einem Gehilfen, der – wie der Angeklagte – im Zeitpunkt der
Gehilfenhandlung nicht selbst die Sondereigenschaft als Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person (Fall II. der Urteilsgründe) und die besondere Pflichtenstellung als Schuldner innehatte (Fall IV. der Urteilsgründe),
ist die Strafe nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, es sei denn, das
Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Sondereigenschaft Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 1975
– 2 StR 567/74, BGHSt 26, 53, 54 f.; vom 22. April 1988 – 2 StR 111/88, BGHR
StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 2; vom 1. März 2005 – 2 StR 507/04, NStZ-RR
2006, 109; vom 26. November 2008 – 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102 und
vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146). Hier belegen die Urteilsausführungen hinsichtlich der Fälle II. und IV. der Urteilsgründe, dass das
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Landgericht die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den
Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen (UA S. 55, 59). Die weitere
Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB hätte daher erörtert werden
müssen.
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3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen, auf die
das Landgericht erkannt hat, auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruhen.
Aufgrund des Wegfalls der Einzelstrafen hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand. Die Strafzumessungstatsachen, die das Landgericht festgestellt hat,
werden allerdings von den dargelegten Rechtsfehlern, die bloße Wertungsfehler sind, nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.
Raum
Jäger
Radtke
Cirener
Hohoff