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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 387/13
vom
5. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Amberg vom 22. März 2013 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten
dadurch entstanden Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Die Angeklagte wurde wegen 34 Fällen des (gewerbsmäßig begangenen) Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur
Bewährung ausgesetzt wurde. Die höchste Einzelstrafe (Einsatzstrafe) beträgt
ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe, die niedrigste Einzelstrafe beträgt zwei
Monate Freiheitsstrafe.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf
die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe und die Strafaussetzung zur Bewährung
beschränkt.
3
Sie bleibt im Ergebnis erfolglos.
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1. Die Angeklagte und ihre (hier als Gehilfin rechtskräftig abgeurteilte)
Schwester waren Anteilseigner und Geschäftsführer einer GmbH. Seit 2007
hatte die GmbH mit einer Bank „einen Rahmenvertrag CB Factoring für den
-4-
Mittelstand über den Ankauf von Forderungen - Factoring aus Warenlieferungen und Dienstleistungen -“ abgeschlossen. Die Geschäftsbeziehungen zwischen GmbH - Gesamtumsatz 2008 noch 4 Mio. € - und Bank entwickelten sich
zunächst problemlos. Als die GmbH jedoch nachfolgend „infolge der Wirtschaftskrise in Schieflage geriet“, verschaffte sich die Angeklagte zwischen
Februar und Juli 2009 durch in 34 Fällen erfolgte Vorlage von insgesamt
86 Rechnungen über fingierte, verrechnete, beglichene oder einredebehaftete
Forderungen zwischen 105 € und mehr als 18.000 € „Luft“ und schädigte so die
Bank um insgesamt rund 700.000 €. Auf die Idee zu diesen Taten war die Angeklagte zunächst durch ein näher beschriebenes Versehen der Bank gekommen. Unmittelbar nachdem die Taten entdeckt waren, erfolgten Ersatzleistungen wie z.B. durch die Abtretung von Forderungen der GmbH, eines Pkws,
Lebensversicherungen, den - noch im Streit befindlichen - Ansprüchen gegen
die Brandversicherung. Nachdem diese Bemühungen (ohne etwaige Ansprüche
gegen die Brandversicherung) zwar zu einer Schadensverminderung von rund
300.000 €, aber nicht zur vollständigen Schadenswiedergutmachung geführt
hatten, erstattete die Bank nach etwa einem Jahr Strafanzeige.
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Die durch ihre Selbständigkeit erheblich verschuldete Angeklagte, die zuletzt in einem Büro tätig war, lebt seither von dem Verdienst ihres Ehemannes.
Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Landgericht stand die Geburt
ihres zweiten Kindes unmittelbar bevor.
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2. Das gegen die Gesamtstrafenbildung gerichtete Vorbringen der
Staatsanwaltschaft beschränkt sich in seinem Kern letztlich auf die Darlegung,
die aus den - nicht angefochtenen - Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe sei
unangemessen niedrig, weil die Strafkammer einige - von ihr nicht übersehene Strafzumessungsgesichtspunkte anders hätte gewichten müssen. Revisible
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Rechtsfehler zeigt die Staatsanwaltschaft, die letztlich eine eigene Wertung an
die Stelle der tatrichterlichen Beurteilung setzt, damit jedoch nicht auf. Dies hat
der Generalbundesanwalt, auch schon in seinem Terminsantrag, zutreffend
näher dargelegt.
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Ergänzend ist lediglich Folgendes zu bemerken:
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a) Die Staatsanwaltschaft bemängelt, die Strafkammer habe nicht berücksichtigt, dass die Angeklagte die Bank nicht auf deren Versehen (vgl.
oben 1.) hingewiesen, sondern stattdessen die abgeurteilten Taten begangen
hat. Damit ist verkannt, dass der Umstand, dass ein Angeklagter straffällig geworden ist, statt sich gesetzestreu zu verhalten, Voraussetzung für seine Strafbarkeit, aber kein schulderhöhender Umstand ist (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 532/10 mwN).
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b) Die Staatsanwaltschaft meint, „man (käme) nicht umhin, vergleichbare
Strafen“ - damit dürfte wohl die Höhe sonst verhängter Strafen gemeint sein „bei vergleichbar hohen Schäden und vergleichbar angewandter krimineller
Energie heranzuziehen.“ Dies verkennt, dass für Vergleiche mit der Strafzumessung in anderen Urteilen bei Tatbeteiligten - etwa den Mitgliedern derselben Bande - regelmäßig kein Raum ist (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011
- 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262, 263). Für allgemeine Vergleiche mit nur gedachten Fällen gegen unbekannte Angeklagte wegen unbekannter Taten kann
erst recht nichts anderes gelten.
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3. Dennoch ist die Gesamtstrafenbildung nicht rechtsfehlerfrei.
-6-
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a) Gegen die Angeklagte war am 4. April 2011 ein (rechtskräftig gewordener) Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 15 € ergangen. Obwohl sie spätestens seit 10. Dezember 2009 gewusst hatte, dass die oben genannte GmbH
zahlungsunfähig war, hatte sie erst am 5. März 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Die Geldstrafe war zum Zeitpunkt des vorliegenden
Urteils vollständig vollstreckt, eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung also
nicht mehr möglich. Deshalb wurde der Angeklagten bei der Gesamtstrafenbildung ein sog. Härteausgleich zugebilligt.
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b) Wäre die Geldstrafe noch nicht vollstreckt gewesen, so hätte die
Strafkammer zwei Möglichkeiten gehabt:
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(1) Sie hätte die Geldstrafe gesondert neben der hier verhängten Freiheitsstrafe bestehen lassen können (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2
Satz 2 StGB).
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Es bedarf keiner Darlegung, dass es keine Härte darstellt, dass diese
Möglichkeit nicht mehr bestand.
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(2) Andernfalls hätte die nachträgliche Einbeziehung der Geldstrafe in die
Freiheitsstrafe diese erhöht, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1
StGB und § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB. Eine Freiheitsstrafe ist jedoch gegenüber
einer Geldstrafe das schwerere Strafübel. Es ist regelmäßig keine Härte, wenn
deshalb, weil eine Geldstrafe bereits vollstreckt ist, eine Freiheitsstrafe nicht
erhöht wird (vgl. BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 - 3 StR 59/89). Anderes gilt nur
dann, wenn die Geldstrafe durch Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt
wurde (BGH aaO; BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR 587/00;
-7-
Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 27 mwN). Dies ergibt sich hier
aus den Feststellungen nicht.
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4. Ergibt eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten einen diesen begünstigenden Rechtsfehler bei der Festsetzung der
Strafhöhe, so entfällt auch eine Strafaussetzung zur Bewährung; ein neuer
Tatrichter wäre nicht an das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1
StPO) gebunden. Daher kann an sich auf sich beruhen, ob die Entscheidung
über die Strafaussetzung zur Bewährung hier auch für sich genommen die Angeklagte begünstigende Rechtsfehler aufweist. In Übereinstimmung mit den
Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat jedoch, dass die
Staatsanwaltschaft derartige Rechtsfehler weder zu § 56 Abs. 2 StGB noch zu
§ 56 Abs. 3 StGB aufzeigt.
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5. Gleichwohl (vgl. oben 3.) hat das Urteil hier gemäß § 354 Abs. 1a
Satz 1 StPO Bestand. Diese Bestimmung ist auch anwendbar, wenn eine Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten ihn begünstigende
Rechtsfehler ergibt (BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05, BGHSt 51,
18). Der Senat hält die hier ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren zur Bewährung in Übereinstimmung auch mit dem Generalbundesanwalt unter Berücksichtigung der dargelegten Feststellungen zu Taten und
Täter und aller sonst aus den Urteilsgründen ersichtlichen für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsamen Umstände trotz des aufgezeigten Fehlers (vgl.
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oben 3.) für angemessen. Sonstige Gründe, die dies in Frage stellen könnten,
sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.
VRiBGH Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an
der Unterschrift gehindert.
Wahl
Rothfuß
Wahl
Cirener
Radtke