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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 344/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:081216U1STR344.16.0
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 6. Dezember 2016 in der Sitzung am 8. Dezember 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bär,
Staatsanwältin
– in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 –,
Staatsanwalt
– bei der Verkündung am 8. Dezember 2016 –
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
– in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 –
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
– in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 –
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
– in der Verhandlung vom 6. Dezember 2016 –,
Justizobersekretärin
– bei der Verkündung am 8. Dezember 2016 –
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft
und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 16. Februar 2016 werden als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft
und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
3. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu
tragen. Eine Erstattung der dem Angeklagten durch die
Revision der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen findet nicht statt.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels
und die der Nebenklägerin hierdurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren und fünf Monaten verurteilt.
-4-
2
Die Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie das vom
Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben
keinen Erfolg.
I.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war für den Angeklagten
die Ehe mit der Nebenklägerin der „zentrale Dreh- und Angelpunkt seines Lebens und wesentlicher Quell seines Selbstwertgefühls“. Als ihm die Nebenklägerin eine außereheliche Beziehung gestand, wollte der Angeklagte das Scheitern der Ehe verhindern und bemühte sich sehr um seine Ehefrau. Am Abend
des 5. September 2015 erklärte ihm die Nebenklägerin jedoch, an diesem Tag
wieder mit ihrem Liebhaber zusammen gewesen zu sein und legte sich schlafen. Im Schlaf sprach sie beglückt vom Sex mit ihrem Liebhaber. Der Angeklagte erkannte, dass seine Bemühungen, seine Frau zurückzugewinnen und die
Ehe fortzuführen, erfolglos gewesen waren. Mit der nun als akut erachteten
Gefährdung seiner Ehe war der Angeklagte aufgrund seiner niedrigen Intelligenz und seiner wenig ausgeprägten emotionalen Entwicklung überfordert. Er
sah die Ausübung von Gewalt als einzige Möglichkeit an, „dem Reden seiner
Ehefrau ein Ende zu setzen, sie ‚festzuhalten‘ und weitere (sexuelle) Kontakte
mit ihrem Liebhaber zu verhindern“. Um diese Ziele zu erreichen, kniete er sich
seitlich neben die schlafende Nebenklägerin, packte sie mit beiden Händen „mit
festem Griff“ am Hals und drückte mit den Daumen in die Kehlkopfgegend, ohne seine ganze ihm mögliche Kraft auszuüben und ohne sein ganzes Gewicht
von über 140 kg in den Griff hineinzulegen. Gleichzeitig rief er wiederholt lautstark: „Du gehst mir nicht mehr fremd“. Er erkannte, dass das Würgen die Nebenklägerin erheblich verletzen könnte und mit der von ihm ausgeübten Intensität „potentiell“ lebensgefährlich war. Dies nahm er billigend in Kauf. In dem kräf-
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tigen Griff an ihren Hals sah er jetzt die einzige Möglichkeit, das für ihn unerträgliche Schwärmen vom Sex mit dem Liebhaber zu beenden und weitere derartige Kontakte zu verhindern.
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Die Nebenklägerin wachte unmittelbar nach dem Beginn des Würgevorgangs auf. Ihre Atemwege waren durch das Zudrücken teilweise verlegt und sie
hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Sie röchelte, rang nach Luft und
wand sich auf dem Bett hin und her, um dem Griff des Angeklagten zu entkommen.
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Die drei Kinder des Angeklagten und deren Freunde hörten das laute
Rufen des Angeklagten aus dem elterlichen Schlafzimmer und das nach Luft
Schnappen der Nebenklägerin. Der Sohn B.
betrat bereits fünf Sekun-
den nach Beginn des Würgevorgangs das Zimmer, schrie seinen Vater an,
„lass sie los“ und versuchte, ihn von der Nebenklägerin wegzuziehen. Der Angeklagte lockerte deswegen seinen Griff, so dass die Nebenklägerin atmen
konnte. Dann festigte er seinen Griff wieder, da er sich in seinem verzweifelten
psychischen Zustand nicht anders als durch das Würgen seiner Frau zu helfen
wusste. Sekunden danach betraten auch die beiden anderen Kinder das
Schlafzimmer. Zu dritt versuchten sie, den Angeklagten zurückzuziehen. Der
Angeklagte lockerte deshalb erneut den Griff um den Hals der Nebenklägerin,
den er insgesamt etwa zehn Sekunden aufrechterhalten hatte. Die Nebenklägerin verließ das Schlafzimmer.
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Als die Kinder den Angeklagten schließlich losließen, nahm er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von etwa 20 cm an sich und machte sich
auf die Suche nach der Nebenklägerin. Er wollte sie daran hindern, ihn zu verlassen und ihn weiter mit anderen Männern zu betrügen. Dabei nahm er billigend in Kauf, das Messer gegebenenfalls einzusetzen, wobei er sich über die
-6-
Art des Messereinsatzes noch keine Gedanken machte. Der Angeklagte rannte
um den Wohnblock, fand die Nebenklägerin jedoch nicht. Schließlich ließ er
sich von seinem Sohn D.
7
das Messer abnehmen.
2. Das Landgericht hat das Würgen als gefährliche Körperverletzung
gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gewertet.
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Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nicht angenommen. Im Rahmen
einer Gesamtwürdigung hat es sich nicht mit hinreichender Sicherheit von dem
kognitiven und voluntativen Element dieser Vorsatzform überzeugen können.
Dabei hat die Strafkammer insbesondere die „affektiven Elemente der Tatausübung“, den spontanen Tatentschluss aufgrund der von der Nebenklägerin im
Schlaf geäußerten Worte, die fehlende maximale Kraftentfaltung, die niedrige
Intelligenz verbunden mit der emotionalen Überforderung, die Ehe mit der Nebenklägerin als „zentralen Dreh- und Angelpunkt seines Lebens und wesentlichen Quell seines Selbstwertgefühls“ und die nachfolgende Bewaffnung mit
dem Messer berücksichtigt und sich mit der Gefährlichkeit der Tathandlung
auseinandergesetzt.
II.
9
Die zunächst mit der nicht ausgeführten Sachrüge begründete und einen
umfassenden Aufhebungsantrag enthaltende Revision des Angeklagten beanstandet in ihrer Stellungnahme zu den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage nur den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Eine teilweise Rücknahme der
unbeschränkt eingelegten Revision liegt darin nicht, weil die Voraussetzungen
des § 302 Abs. 2 StPO nicht dargetan sind.
-7-
10
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
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1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in der Tatbestandsvariante der
lebensgefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
12
Nicht jeder Angriff auf den Hals des Opfers in der Form des Würgens ist
eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5
StGB. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen müssen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das
Leben des Opfers zu gefährden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005
– 4 StR 185/05, NStZ-RR 2006, 11, 12 mwN).
13
Der Angeklagte hielt die Nebenklägerin etwa zehn Sekunden mit festem
Griff mit beiden Händen am Hals gepackt, drückte mit den Daumen in die Kehlkopfgegend, wodurch die Atemwege teilweise verlegt wurden. Angesichts der
als glaubhaft angesehenen Bekundungen der Geschädigten – Todesangst und
das Gefühl, ein Schleier bilde sich vor ihr, verspürt und gedacht zu haben, sie
stehe kurz vor der Bewusstlosigkeit – ist es rechtlich nicht zu beanstanden,
dass das Landgericht eine abstrakt lebensgefährdende Tathandlung angenommen hat. Der rechtsmedizinische Sachverständige, dem sich die Strafkammer angeschlossen hat, hatte ausgeführt, es hänge bei einem Angriff auf
den Hals mit der festgestellten Dauer und Intensität weitgehend vom Zufall ab,
nämlich vom Druckpunkt des Würgegriffs und der körperlichen Konstitution des
Angegriffenen, ob lebenswichtige Funktionen zerstört werden, insbesondere die
für die Sauerstoffversorgung des Gehirns wichtige Blutzufuhr bzw. Blutabfuhr
beeinträchtigt oder der Kehlkopf eingedrückt wird. Hätte der Druckpunkt geringfügig anders gelegen, hätte sich das Verletzungsbild ganz anders darstellen
-8-
können. Für den Täter sei nicht kontrollierbar, ob durch das kräftige Zudrücken
des Halses eine kreislaufrelevante Vene, empfindliche Teile des Kehlkopfs
oder der Stimmlippen getroffen werden.
14
2. Im Strafausspruch enthält das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht
trotz des Vorliegens des vertypten Milderungsgrunds des § 21 StGB infolge der
erheblich verminderten Affektkontrolle als Folge einer Anpassungsstörung keinen minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224
Abs. 1 letzter Halbsatz StGB angenommen hat. Die Strafkammer hat in die gebotene Gesamtwürdigung zu Lasten des Angeklagten insbesondere dessen
vielfache und einschlägige Vorstrafen, den Angriff auf die arglos eingeschlafene und schlafende Nebenklägerin und die psychologischen Folgen bei ihr eingestellt und deshalb einen minder schweren Fall auch bei Berücksichtigung des
§ 21 StGB abgelehnt.
III.
15
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft und die in der Sache ebenfalls darauf beschränkte Revision der
Nebenklägerin beanstanden die Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit
als dieses einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten und damit eine
Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts verneint hat.
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Die Revisionen bleiben ohne Erfolg. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält in diesem Punkt revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
-9-
17
1. Die Beweiswürdigung ist dann rechtsfehlerhaft, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember
2014 – 5 StR 136/14 Rn. 20 mwN und vom 15. Dezember 2015 – 1 StR 236/15
Rn. 18). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nähergelegen
hätte oder überzeugender gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom
5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; vom 15. Dezember
2015 – 1 StR 236/15 Rn. 18 und vom 12. Mai 2016 – 4 StR 569/15, StraFo
2016, 347, 348).
18
2. Bedingter Tötungsvorsatz setzt voraus, dass der Täter den Tod als
mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch
gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Beide Elemente
des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und
gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH,
Urteile vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25, 26; vom
5. Juni 2014 – 4 StR 439/13 Rn. 7, insoweit in NStZ 2014, 477 nicht abgedruckt; vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, StraFo 2013, 467 und vom
27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Ihre Bejahung oder
Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom
13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216; Beschluss vom 9. Oktober
2013 – 4 StR 364/13, StV 2014, 345, 346; Urteil vom 22. März 2012
– 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 187), in welche insbesondere die objektive
- 10 -
Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine
psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013,
581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der
Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Urteil vom
5. Juni
2014
– 4 StR 439/13
aaO;
Beschluss
vom
9. Oktober
2013
– 4 StR 364/13 aaO; Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13 aaO und vom
23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 mwN). Hat der Täter
eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es
– vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände des Einzelfalls – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln
begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11,
NStZ 2012, 207, 208 mwN).
19
3. Diesen Anforderungen genügen die Erwägungen, mit denen das
Landgericht das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes verneint hat. Die
Beweiswürdigung des Landgerichts ist weder widersprüchlich noch in einer
Weise lückenhaft, dass dies den Bestand des Urteils gefährden könnte.
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a) Die Strafkammer ist für die Beurteilung des bedingten Tötungsvorsatzes von der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände der Tat und des Täters ausgegangen. Im Rahmen dieser Gesamtschau hat
sie die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung beleuchtet und deren Bedeutung als gewichtigen Indikator (für beide Vorsatzelemente) eines bedingten Tö-
- 11 -
tungsvorsatzes gesehen. Sie hat ihr aber nur eine begrenzte Aussagekraft beigemessen, da durch das Eingreifen Dritter die Tathandlung bereits kurz nach
deren Beginn unterbrochen wurde. Hierbei hat die Strafkammer dargelegt, dass
ein Würgen mit tödlichem Ausgang regelmäßig einen deutlich längeren Würgevorgang erfordere, um die Blutversorgung des Gehirns nicht nur vorübergehend
mit der Folge einer Bewusstlosigkeit zu unterbrechen, sondern dauerhaft. Auch
eine vollständige Verlegung der Atemwege sei im Gegensatz zu der hier eingetretenen teilweisen Verlegung kaum denkbar, ohne gleichzeitig die Blutversorgung des Gehirns abzuschneiden.
21
Damit hat die Strafkammer bereits das Vorliegen des Wissenselements
des (bedingten) Tötungsvorsatzes in Frage gestellt und dessen Fehlen nachfolgend mit der subjektiven Befindlichkeit des Angeklagten belegt.
22
Sie hat insoweit ausgeführt, auch die psychische Ausnahmesituation
spreche dagegen, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation tatsächlich
mit der Möglichkeit rechnete, die Nebenklägerin könnte durch seinen Griff an
den Hals zu Tode kommen. Es sei durchaus möglich, dass der Angeklagte
zwar die potentielle Lebensgefährlichkeit seines Handelns erkannt hatte, ohne
sich aber in der konkreten Situation bewusst gewesen zu sein, dass sein Vorgehen zum Tod des Opfers führen könnte. Diese Überlegung enthält keinen
Widerspruch.
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Auch wenn dem Angeklagten bewusst gewesen ist, dass man durch
Würgen einen Menschen töten könne, belegt dies nur das Wissen um die allgemeine Gefährlichkeit eines solchen Angriffs gegen den Hals eines Menschen
(vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 7. September 2015 – 2 StR 194/15, BGHR
StGB § 15 Vorsatz, bedingter 13 und vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, BGHR
StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 41 mwN). Daraus lässt sich indes nicht
- 12 -
ohne weiteres herleiten, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation
auch tatsächlich mit der Möglichkeit rechnete, die Nebenklägerin könne zu Tode kommen, und er dies in seine Überlegungen mit einbezog. Es ist durchaus
möglich, dass der Angeklagte zwar alle Umstände kannte, ohne sich indes in
der konkreten Situation bewusst zu sein, dass sein Vorgehen zum Tode des
Opfers führen könne (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 – 4 StR
539/87, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 10; Beschluss vom
19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 41).
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Das Landgericht hat sich insoweit auch mit den besonderen Tatumständen auseinandergesetzt, die zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit führten:
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Aufgrund der niedrigen Intelligenz, der emotionalen Überforderung und
des aggressiven Impulsdurchbruchs als Reaktion auf seine im Schlaf von ihrem
Liebhaber schwärmende Ehefrau kann dem Angeklagten das Bewusstsein gefehlt haben, dass seine spontane Tathandlung ihren Tod zur Folge haben
könnte.
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Die Strafkammer hat hierzu dargelegt, dass es die affektiven Elemente
der Tatausübung (der plötzliche aggressive Impulsdurchbruch, der spontane
Tatentschluss, seine lauten Rufe „Du gehst mir nicht mehr fremd“ während der
Tatausführung trotz der in der gleichen Wohnung anwesenden Kinder) und die
„deutliche Erosion seiner psychischen Stabilität“ verbunden mit seiner niedrigen
Intelligenz eher wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Angeklagte einen
möglichen tödlichen Ausgang seines Handelns nicht in den Blick genommen
hat. Er sei bei emotionalen Herausforderungen schnell überfordert, was – wie
die Vorverurteilungen zeigten – zu Gewaltdurchbrüchen als Handlungsalternativen führe.
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Dass sich das Landgericht nicht von dem Vorliegen des Wissenselements des Tötungsvorsatzes hat überzeugen können, ist angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs bei der tatrichterlichen Beweiswürdigung nicht rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012
– 4 StR 499/11 mwN).
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b) Auch das Vorliegen des voluntativen Elements des Tötungsvorsatzes
hat die Strafkammer geprüft. Dafür sprach aus Sicht des Landgerichts, dass
der Angeklagte trotz des hörbaren Luftschnappens der Nebenklägerin und dem
Eintreffen seiner Kinder das Würgen fortsetzte; dagegen sprach, dass er es
nicht mit der vollen, ihm möglichen Kraftentfaltung ausgeführt hatte und er sich
gegen das Einschreiten der Kinder nicht – z.B. durch Schläge – gewehrt und
zuvor auch nicht versucht hatte, die Nebenklägerin mit seinem Körpergewicht
zu fixieren oder ihre Gegenwehr mit Schlägen oder auf andere Weise zu unterbinden. Auch Äußerungen des Angeklagten, die auf einen Tötungsvorsatz hindeuten könnten, konnte die Strafkammer nicht feststellen. Fest standen lediglich die von der Strafkammer nicht näher hinterfragten Worte des Angeklagten
„Du gehst mir nicht mehr fremd“, die verschiedene Interpretationen zulassen.
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Auch bei Prüfung dieses Elements hat die Strafkammer die psychische
Befindlichkeit des Angeklagten, seine Persönlichkeit und seine niedrige Intelligenz herangezogen. Sie hat erwogen, dass der Angeklagte für sich keine andere Möglichkeit mehr sah, als die Nebenklägerin mit Gewalt festzuhalten und so
weitere sexuelle Kontakte mit ihrem Liebhaber zu verhindern. Sein Ziel sei es
nicht gewesen, die Nebenklägerin zu beseitigen, sondern mit allen Mitteln als
seine Partnerin zu behalten. Dies verdeutliche seine spontane Äußerung gegenüber dem Ermittlungsbeamten zwei Stunden nach der Tat. Diesem erklärte
er spontan und ungefragt, er habe die Nebenklägerin nicht töten wollen, er liebe
- 14 -
sie, er habe sie „nur am Hals packen und ein bisschen halten wollen, so als ob
sie zu ihm gehöre und nicht wegsolle“.
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Dem Nachtatverhalten vermochte die Strafkammer keine objektiven Anhaltspunkte zu entnehmen, dass der Angeklagte das Messer ergriffen hat, um
seinen Vorsatz, die Nebenklägerin zu töten, nun umzusetzen. Sie hielt es vielmehr für möglich, dass der Angeklagte das Messer nur dazu einsetzen wollte
die Nebenklägerin zu nötigen, bei ihm zu bleiben bzw. mit ihm zu reden. Über
die Art des Messereinsatzes hatte er sich noch keine Gedanken gemacht.
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Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass
bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen auch aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden
Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende
Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden kann (siehe nur BGH, Urteile vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f. und vom
3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, StraFo 2016, 110 f.). Die Einordnung und
Würdigung eines spontanen oder in affektiver Erregung erfolgenden Handelns
obliegt dabei dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR
387/15, StraFo 2016, 110 f.).
32
Das Landgericht hat tragfähige Anhaltspunkte dafür benannt, warum bei
dem Angeklagten selbst bei der erkannten Möglichkeit des Todeseintritts die
Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gegeben ist.
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4. Auch die Milderung des Strafrahmens aus § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Prüfung stand. Bei Tatbegehung unterlag er einer erheblich verminderten Affektkontrolle als Folge
einer Anpassungsstörung.
IV.
34
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO. Danach trägt bei erfolglosem Rechtsmittel des Angeklagten und des Nebenklägers
jeder seine notwendigen Auslagen selbst, so dass hier eine Erstattung der dem
Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen durch
die Nebenklägerin nicht stattfindet, da auch die Revision des Angeklagten verworfen worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473 Rn. 10a).
Raum
Radtke
Fischer
Mosbacher
Bär