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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 301/12
vom
10. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2012 beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten vom 25. Juni 2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Heilung der Mängel von
nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrügen wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Auswärtige Jugendkammer in Pforzheim vom 22. Februar 2012 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zum Wiedereinsetzungsantrag gemäß
§ 44 StPO:
1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.
a) Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt worden ist (§ 44 Satz 1
StPO). Eine Fristversäumung liegt hier nicht vor, weil die Revision des Angeklagten von seinem Verteidiger mit der Sachrüge und mit Verfahrensrügen in-
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nerhalb der Frist des § 345 StPO begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGHSt 1,
44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 7).
b) Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs ergibt sich auch nicht
daraus, dass geltend gemacht wird, den Angeklagten treffe an den Mängeln
kein Verschulden, er sei sich des Formerfordernisses des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO nicht einmal bewusst gewesen.
Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln von fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer zunächst vom Verteidiger nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässigen Verfahrensrüge
widerspräche im Übrigen der Systematik des Revisionsverfahrens. Könnte ein
Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist,
diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern,
würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer
Kraft gesetzt. Da den Angeklagten selbst an dem Mangel regelmäßig keine
Schuld trifft, wäre ihm auf einen entsprechenden Antrag hin stets Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; BGH wistra
1992, 28). Dies würde nicht mit dem öffentlichen Interesse in Einklang stehen,
einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung
alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen (BGHSt 1, 44, 46; BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl.
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BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; BGH, Beschluss vom 15. März 2001
- 3 StR 57/01; Beschluss vom 25. September 2007 - 1 StR 432/07; BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 44
Rn. 7 ff.). Eine solche Ausnahmesituation liegt im vorliegenden Fall ersichtlich
nicht vor.
2. Im Übrigen könnten die erhobenen Aufklärungsrügen hier auch unter
Berücksichtigung des im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags vorgebrachten neuen Sachvortrags keinen Erfolg haben. Sie benennen keine konkreten
Beweistatsachen, sondern lediglich das Beweisziel. Zudem belegen sie nicht,
aus welchen Gründen sich das Tatgericht zu den von der Verteidigung vermissten Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen müssen.
Nack
Rothfuß
Jäger
Hebenstreit
Cirener