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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 300/09
vom
4. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2009 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 29. Januar 2009 im Ausspruch über die
Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen,
dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung in
den Fällen III. 1., III. 2. und III. 8. entfällt und der Angeklagte im
Komplex III. 7. wegen besonders schwerer Vergewaltigung in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist.
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Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Unterschlagung, sowie wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Raubes in Tateinheit
mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.
Zudem wurden die Sicherungsverwahrung angeordnet, ein Pkw eingezogen,
die Fahrerlaubnis entzogen - unter Bestimmung einer Sperrfrist von fünf Jahren
für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis - und der Führerschein eingezogen.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten unter Erhebung einer Formal- und der Sachrüge. Entscheidenden Erfolg hat die Revision allein hinsichtlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung.
I.
2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte hatte regelmäßig Kontakt zu Prostituierten auf dem Straßenstrich in der tschechischen Republik. Ab dem Jahre
2000 entschloss er sich, sexuelle Handlungen gewaltsam zu erzwingen. Mit
zehn Prostituierten schloss er in der Zeit von Mai 2000 bis April 2007 zum
Schein Vereinbarungen über entgeltliche Dienstleistungen, um die Prostituierten
dann an geeigneter Stelle mit Gewalt und mit entsprechenden Drohungen zur
Duldung oder zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu zwingen ohne zu
bezahlen, meist - ebenfalls gegen deren Willen - ohne Benutzung eines Kondoms. Um die Prostituierten gefügig zu machen, drohte er mit Messern, schlug
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die Prostituierten meist mit den Fäusten und würgte einmal. In manchen Fällen
nahm er zudem - unter Ausnutzung der Gewalt - Gegenstände an sich, wie eine
Handtasche und Kleidungsstücke. Die Geschädigten erlitten Verletzungen, ein
Faustschlag führte zu einem Kieferbruch. Zur Tarnung verwendete er verschiedene entstempelte Autokennzeichen.
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Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen bestritten.
Kontakte zu Prostituierten in Tschechien hat er zwar bestätigt. Er habe Nähe,
Wärme und Zärtlichkeit gesucht, wie etwa in dem Film „Pretty Woman“. Hinsichtlich der einzelnen Tatvorwürfe hat er in drei Fällen entsprechende Begegnungen überhaupt in Abrede gestellt („hat es nicht gegeben“). Zu vier Prostituierten gab er an, sich an ein Zusammentreffen erinnern zu können. Von seiner
Seite aus sei aber nichts Strafbares geschehen. In zwei weiteren Fällen hat er
das Vorzeigen eines Messers zugegeben. Nur in einem Fall hat er einen Schlag
ins Gesicht, allerdings nur mit der flachen Hand (tatsächlich Würgen und mehrere Faustschläge mit Kieferbruch) und die Wegnahme - lediglich - einer Hose
(tatsächlich auch die Handtasche) eingeräumt. Bei dieser Geschädigten entschuldigte er sich in der Hauptverhandlung - was diese allerdings nicht annahm - und überwies ihr 5.000,-- € als Schadensersatz. Messer und verschiedene Kennzeichen habe er nur zum Selbstschutz gegen Überfälle und unberechtigte Anzeigen bei sich geführt. Er sei mit Anzeigen bedroht worden - einmal habe er ein Bußgeld bezahlen müssen, nachdem er von einem Polizeibeamten im Auto mit einer Prostituierten erwischt worden sei. Prostituierte seien
mehrfach nach Entgegennahme der Vorkasse einfach weggelaufen. Einmal sei
er unter Bedrohung mit Stock und Messer zur Doppelzahlung gezwungen worden. Er habe den Straßenstrich als rechtsfreien Raum angesehen und dies entsprechend ausgenutzt.
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II.
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1. a) Wegen Verjährung entfallen in den Fällen III. 1. und III. 2. die jeweiligen tateinheitlichen Verurteilungen wegen Körperverletzung.
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b) Bei den Taten zum Nachteil von
C.
(III. 7.) hat sich
der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen und der zutreffenden
rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und (tatmehrheitlich)
des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht. Die Strafkammer hat hierfür Einzelstrafen in Höhe von
vier Jahren acht Monaten und von sechs Jahren (Einsatzstrafe) festgesetzt. Im
Schuldspruch der Urteilsformel hat sich dies jedoch als „besonders schwere
Vergewaltigung mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung“, also
als tateinheitlicher Vorgang, niedergeschlagen. Der Senat hat dieses Versehen
korrigiert.
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c) Im Fall III. 8. entfällt nach den Feststellungen und der rechtlichen Würdigung des Landgerichts die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung. Damit wird lediglich ein Fassungsversehen bei der Formulierung des Urteilstenors korrigiert. Die Einzelstrafe bleibt hiervon unberührt. Die Strafkammer
hat bei der Strafzumessung ausdrücklich gewürdigt, dass die Geschädigte dieser schweren Vergewaltigung durch den Angeklagten weder gewürgt worden
sei noch hierdurch Verletzungen oder Beeinträchtigungen erlitten habe.
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d) Im Übrigen sind der Schuld- und der Strafausspruch, die Einziehung
des Pkw Citroen und die Entziehung der Fahrerlaubnis mit ihren Begleitent-
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scheidungen frei von Rechtsfehlern. Insoweit verweist der Senat zur Begründung auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Juni 2009.
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e) Im Hinblick auf die Gegenerklärung des Beschwerdeführers vom
13. Juli 2009 bemerkt der Senat ergänzend:
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Die Informationen über die vergeblichen Bemühungen des Strafkammervorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung, im Ausland lebende Zeuginnen
zu laden, beziehungsweise, deren Wohn- oder Aufenthaltsort zu ermitteln, stellen keine für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten im Sinne
der §§ 273, 274 StPO dar. Dies bedarf daher nicht der Aufnahme in die Sitzungsniederschrift. Dass die Darstellung des Sachverhalts seitens des Strafkammervorsitzenden in seiner dienstlichen Erklärung zutrifft, wird auch vom
Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt.
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2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung ist dagegen nicht rechtsfehlerfrei.
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Als Grundlage für die Anordnung der Sicherungsverwahrung kam nach
der zutreffenden Auffassung des Landgerichts nur § 66 Abs. 2 StGB in Betracht. Gegen den Angeklagten wurden im angefochtenen Urteil neun Mal Freiheitsstrafen über drei Jahre (vier Jahre bis sechs Jahre) ausgesprochen, so
dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB zweifelsfrei gegeben sind. Des Weiteren bedarf es der Feststellung eines Hanges (mit der Gefährlichkeitsprognose) im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und tragfähiger
Ausführungen zur Ausübung des in § 66 Abs. 2 StGB eingeräumten Ermessens
zur Anordnung der Sicherungsverwahrung. Während die Darlegungen zum ersten der beiden genannten Punkte in den Gründen des angefochtenen Urteils
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tragen (a), werden die knappen Ausführungen, in denen die Ermessensausübung gesehen werden kann, im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB im Vergleich zur
Anordnung nach § 66 Abs. 1 StGB den hieran zu stellenden Anforderungen
nicht hinreichend gerecht (b).
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a) Zur Feststellung des Hangs:
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aa) Bei der Feststellung eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB referiert die Strafkammer zunächst die
Darlegungen der Sachverständigen.
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Diplom-Psychologin L.
prognostiziert im Ergebnis ein „mittelgradiges
Rückfallrisiko für weitere Sexualstraftaten“ beziehungsweise eine „mäßige bis
mittelgradige Rückfallgeschwindigkeit für einschlägige Delikte“. Die Sachverständige verweist auch auf „Bagatellisierung und Leugnen“ seitens des Angeklagten.
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Nach den Ausführungen des Leitenden Medizinaldirektors Dr. H.
„sei aus psychiatrischer Sicht ein Hang im Sinne von § 66 StGB möglich, könne
aber nicht mit hoher Beurteilungswahrscheinlichkeit bestätigt werden“. Eine Entlassung zum derzeitigen Zeitpunkt sei nicht zu verantworten; „die begonnene
psychiatrische Behandlung weise auch den falschen Ansatz auf, da sie in den
Mittelpunkt die ich-zentrierte Haltung des Angeklagten setze und eine Auseinandersetzung mit den dem Angeklagten vorgeworfenen Taten vermissen lasse. Auch seien in der Hauptverhandlung weiter Rechtfertigungsstrategien des
Angeklagten vorgebracht worden, wie etwa das eigene Ausgenutztwerden von
Prostituierten, selbst nach Zahlung von Vorkasse betrogen worden zu sein und
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die aufrechterhaltene Behauptung, Messer und Kennzeichen nur zum Selbstschutz mitgeführt zu haben, sowie die Bagatellisierung seiner Körperverletzungshandlungen dahingehend, er habe gar nicht so fest beziehungsweise
auch nicht mit der Faust zugeschlagen.“
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bb) Aufgrund eigener Bewertung kommt die Strafkammer dann zu einem
eindeutigen Ergebnis: „Die Kammer ist aus rechtlicher Sicht unter Berücksichtigung der Hauptverhandlung und der Ausführungen der Sachverständigen davon überzeugt, dass ein Hang i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beim Angeklagten
vorliegt.“
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cc) Teile der Ausführungen der Sachverständigen begegnen - für sich
betrachtet - erheblichen Bedenken.
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Wenn der Angeklagte die Taten „leugnet oder bagatellisiert“ ist dies zulässiges Verteidigungsverhalten. Wobei unter Bagatellisierung hier ersichtlich
nicht die Verharmlosung oder Geringschätzung gestandener Maßen zugefügten
Leides, insbesondere eingeräumter schwerer Verletzungen, oder gar die Verhöhnung der Opfer zu verstehen ist - dies dürfte dem Angeklagten angelastet
werden -, sondern allein der Versuch des Angeklagten, das ihm vorgeworfene
Verhalten anders darzustellen oder in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, wie das Bestreiten von Fausthieben und der Behauptung, er habe stattdessen nur mit der flachen Hand zugeschlagen. Auch mögen seine „Rechtfertigungsstrategien“, wie die Behauptung, er sei selbst zuvor Betrugsopfer von
Prostituierten in Tschechien gewesen und er habe in diesem Bereich einen
„rechtsfreien Raum“ gesehen, nicht allzu überzeugend sein. Eine verbotene
oder auch nur die Belange der Geschädigten grob missachtende Verteidigungsstrategie stellt dies aber nicht dar. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf
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jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden (vgl. BGH,
Urt. vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 m.w.N.).
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Zu Lasten eines Angeklagten darf auch nicht herangezogen werden,
dass die Therapie vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gegen den weitgehend bestreitenden Angeklagten eine Auseinandersetzung mit
den ihm vorgeworfenen Taten vermissen lasse. Die berührt das Schweigerecht
des Angeklagten (vgl. BGH, Beschl. vom 15. Januar 2008 - 4 StR 452/07
Rdn. 9) und - bei entsprechender Ausrichtung der Therapie - den Grundsatz
nemo tenetur se ipsum accusare.
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dd) Die Strafkammer hat zwar allgemein auf die Ausführungen der Sachverständigen Bezug genommen, deren Darlegungen zur Therapie und zur Bagatellisierung aber nicht ihrer eigenständigen Feststellung eines Hangs des Angeklagten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und seiner aktuellen Gefährlichkeit zugrunde gelegt. Das Landgericht hat die entsprechenden sachverständigen Äußerungen ersichtlich nur als Hinweis darauf verstanden, dass dem
- unabhängig davon festgestellten Hang und der Gefährlichkeit des Angeklagten - derzeit in seiner Person liegenden Gründen nicht ausreichend begegnet
werden kann, und die Sachverständigen insoweit auch nur deshalb zitiert.
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b) Zur Ermessensausübung:
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Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB liegt
im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dies unterliegt zwar nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass sich der Tatrichter seiner Entscheidungsbefugnis bewusst
war; sie müssen auch nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er von
- 10 -
ihr in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschl. vom
11. September 2003 - 3 StR 481/02 m.w.N.). Die revisionsrechtliche Überprüfung erstreckt sich dann vor allem darauf, ob der Tatrichter bei der Ermessensausübung von einem zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Ansatz
ausgegangen ist.
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Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB beim Vorliegen der dort genannten
Voraussetzungen nicht als zwingend angesehen wurde, wenn auch von einer
Ermessensausübung nicht ausdrücklich gesprochen wird. Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht - ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe - allerdings einen verkürzten rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es entscheidend auf die aktuelle Gefährlichkeit des Angeklagten abgestellt hat und
gemeint hat, es könne offen bleiben, „ob und in wieweit durch die Inhaftierung
und des nach Haftverbüßung fortgeschrittenen Lebensalters und des nach Angaben des Sachverständigen damit regelmäßig verbundenen abnehmenden
Sexualtriebs eine Verhaltensänderung herbeigeführt werden kann, aufgrund
derer die Gefährlichkeit des Angeklagten künftig zu verneinen sein wird, zumal
das Tatbild nicht primär von einem übersteigerten Sexualtrieb geprägt ist, den
der Angeklagte angesichts seiner finanziellen Mittel auch in sonstiger Weise
hätte befriedigen können, sondern von dem Ansporn, Macht über die sich in
einem ‚rechtsfreien Raum’ betätigenden Prostituierten auszuüben. Zum jetzigen
Zeitpunkt ist eine solche Entwicklung beim Angeklagten alleine aufgrund des
anstehenden Strafvollzugs nicht absehbar. Die weiteren Entscheidungen werden dem Strafvollzug vorbehalten bleiben müssen“, so die Strafkammer.
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Dies wird den Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzes (§ 66 Abs. 2
StGB) nicht gerecht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Tatgericht
- 11 -
die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des
Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe
zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der
Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass Absatz 2 - im Gegensatz zu Absatz 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. BGH, Urt. vom 20. November 2007
- 1 StR 442/07 Rdn. 8 und Beschl. vom 11. September 2003 - 3 StR 481/02;
Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 66 Rdn. 232 unter Hinweis auf die Berichte
des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform BTDrucks. V/40941 S. 21).
Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten
des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind
deshalb wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Es besteht zwar keine Vermutung dahingehend, dass langjährige,
erstmalige Strafverbüßung stets zu einer Verhaltensänderung führen wird. Je
länger die verhängte Freiheitsstrafe und je geringer die bisherige Erfahrung des
Täters mit Verurteilung und Strafvollzug ist, desto mehr muss sich der Tatrichter
aber mit diesen Umständen auseinandersetzen (BGH aaO). Von vorneherein
offen lassen kann er dies jedenfalls nicht. Der Hinweis auf das Motiv der Taten
des Angeklagten besagt zur voraussichtlichen Wirkung des Strafvollzugs nichts.
Der verbleibende lapidare Satz, wonach eine solche (positive) Entwicklung derzeit nicht absehbar sei, und der bloße Verweis auf die weiteren Entscheidungen während der Strafvollstreckung werden dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 66 Abs. 2 StGB nicht gerecht.
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Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei ver-
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tiefter Auseinandersetzung mit der Kriminalprognose des Angeklagten zu einem
für diesen positiveren Ergebnis gekommen wäre und dann von der Anordnung
der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte. Dies bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Nack
Wahl
Kolz
RiBGH Prof. Dr. Sander befindet
sich in Urlaub und ist deshalb an
der Unterschrift verhindert.
Hebenstreit
Nack