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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 226/16
vom
10. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:100816B1STR226.16.0
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. August 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. Februar 2016 im Ausspruch über den
Verfall des Wertersatzes mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Es ist zudem Verfall
des Wertersatzes in Höhe von 35.156,54 Euro angeordnet worden.
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Das auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg
(§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO.
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1. Das angefochtene Urteil weist zum Schuld- und zum Strafausspruch
keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
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2. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 35.156,54
Euro – in gesamtschuldnerischer Haftung mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten F.
– hält jedoch rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht
stand. Die Strafkammer hat das ihr bei der Anwendung von § 73c Abs. 1 Satz 2
StGB eingeräumte und von ihr an sich erkannte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt.
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a) Das Landgericht ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte F.
jeweils Mitverfügungsgewalt an dem aus den verfahrensgegen-
ständlichen Taten erzielten Gesamterlös von 180.000 Euro erlangt haben. Da
die durch die Betäubungsmittel vereinnahmten Bargeldbeträge gegenständlich
nicht mehr vorhanden waren, hat es ebenfalls ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen des Wertersatzverfalls gemäß § 73a Satz 1 StGB angenommen.
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b) Die Beschränkung des für verfallen erklärten Betrages auf 35.156,54
Euro beruht auf der Anwendung von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Zur Begründung hat das Landgericht darauf abgestellt, dass in dieser Höhe Vermögenswerte noch vorhanden und „im Rahmen des dinglichen Arrests“ (UA S. 42) gesichert sind, der Angeklagte daher insoweit tatsächlich bereichert sei. Nach
dem Gesamtzusammenhang der die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffenden Urteilsgründe (UA S. 41 und 42) hat sich die Strafkammer erkennbar
bei der Ausübung des ihr zustehenden Ermessens davon leiten lassen, ausschließlich in dem Umfang von der Vermögensabschöpfung Gebrauch zu machen, in dem der Gegenwert des ursprünglich Erlangten tatsächlich noch im
Vermögen des Angeklagten vorhanden ist.
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Diese Anwendung von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist im rechtlichen Ausgangspunkt an sich nicht zu beanstanden. Denn für die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift ist erst dann Raum, wenn der Betroffene im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils nicht (mehr) über Vermögen verfügt, das dem
Wert des Erlangten und damit grundsätzlich Abschöpfbarem entspricht (vgl.
BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 – 1 StR 615/15, NStZ-RR 2016, 108 f.;
BGH, Urteil vom 10. Januar 2016 – 3 StR 347/15 Rn. 41). Davon ist die Strafkammer ausgegangen und hat – den aus § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB resultierenden Anforderungen entsprechend (dazu BGH, Beschluss vom 13. Februar
2014 – 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16; BGH, Urteil vom 26. März
2015 – 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 177 f.; BGH, Beschluss vom
14. Januar 2016 – 1 StR 615/15, NStZ-RR 2016, 108 f.) – die Vermögensverhältnisse des Angeklagten näher festgestellt (UA S. 8) und sie dem aus den
Taten Erlangten gegenübergestellt.
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c) Allerdings hat die Strafkammer auf der Grundlage der zu den Vermögensverhältnissen getroffenen Feststellungen den von ihr selbst herangezogenen Maßstab für die Ausübung des Ermessens, nämlich lediglich noch vorhandenes Vermögen des Angeklagten dem Wertersatzverfall zu unterwerfen, nicht
rechtsfehlerfrei umgesetzt.
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aa) Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend
aufgezeigt hat, belegen die Feststellungen zu dem Wert des im hälftigen Miteigentum des Angeklagten stehenden Hausgrundstücks (nebst Tiefgaragenplatz)
nicht den von der Strafkammer angenommenen werthaltigen Rest in Höhe von
35.000 Euro. Das Landgericht hat sich insoweit offenbar am Nennwert der im
hiesigen Verfahren vorgenommenen Maßnahmen vorläufiger Vermögenssicherung in Gestalt von „Sicherungsarresthypotheken“ (Arresthypothek; vgl. § 111d
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Abs. 1 und 2 StPO, § 932 ZPO) orientiert. Ausgehend von dem festgestellten
(Verkehrs)Wert des Grundstücks verbleibt jedoch nach Abzug der noch offenen, grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeit und weiterhin
offener, aus einem früheren Strafverfahren bestehender Forderungen gegen
den Angeklagten ein rechnerisch nicht durch diese Ansprüche aufgezehrtes
Vermögen des Angeklagten von weit unterhalb 35.000 Euro. Angesichts dessen kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, auf welche tatsächlichen Umstände die Strafkammer ihre Annahme vorhandenen Vermögens in
der genannten Höhe von 35.000 Euro stützt.
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Die weiteren 156,54 Euro des für verfallen erklärten Betrags sind dagegen durch entsprechendes Guthaben auf einem Bankkonto belegt.
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bb) Zwar war das Landgericht rechtlich nicht gehalten, sein Ermessen
bei der Anwendung von § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB (ausschließlich) an der Höhe
tatsächlich noch vorhandener Vermögenswerte des Angeklagten auszurichten.
Angesichts der festgestellten Verwendung der erzielten Taterlöse vor allem für
den Einkauf weiterer Betäubungsmittel, für die Entlohnung der übrigen Tatbeteiligten, aber auch im Hinblick auf das Bedienen des für den Erwerb des
Hausgrundstücks aufgenommenen Darlehens (UA S. 42) hätte die Strafkammer nach den für die Ermessensausübung maßgeblichen Kriterien (siehe nur
BGH, Urteil vom 26. März 2015 – 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 177 f.
mwN) rechtsfehlerfrei zu dem angeordneten Verfallsbetrag oder einem höheren
gelangen können. Da sie ihr Ermessen aber allein an der Höhe noch vorhandenen verwertbaren Vermögens ausgerichtet hat, erweist es sich als ermessens- und damit rechtsfehlerhaft, wenn der Ermessensausübung anhand dieses Kriteriums nicht ausreichend belegte Anknüpfungstatsachen – hier dem
Wert des vorhandenen unbelasteten Restvermögens aus dem Hausgrundstück
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und dem Tiefgaragenplatz – zugrunde gelegt werden (Ermessensdefizit; vgl.
dazu Knauff in Gärditz, VwGO, 2013, § 114 Rn. 25 mwN). Auf Rechtsfehler, zu
denen Ermessensfehler gehören, ist die dem Tatrichter obliegende Auslegung
und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) von § 73c Abs. 1 StGB durch das Revisionsgericht zu prüfen (st.Rspr.; BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014
– 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16; BGH, Urteile vom 26. März 2015
– 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 177 f. und vom 1. Dezember 2015
– 1 StR 321/15, NStZ 2016, 279 f.).
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Wegen des von der Strafkammer ausschließlich gewählten Maßstabs
des Ermessens kann der Senat trotz der an sich vielfältigeren „Palette“ von Ermessenskriterien nicht ausschließen, dass das Tatgericht Verfall des Wertersatzes in geringerer Höhe als geschehen angeordnet hätte, wenn es in tatsächlicher Hinsicht von einem geringeren Wert vorhandenen Vermögens des Angeklagten als angenommen ausgegangen wäre. Dies bedingt die Aufhebung der
Anordnung.
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d) Der Senat hebt die der Verfallsanordnung zugehörigen Feststellungen
mit auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter zu ermöglichen, neue
und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere zur Höhe der aktuell noch existenten Belastungen auf dem Hausgrundstück und dem Tiefgaragenplatz, zu treffen.
Graf
Jäger
Radtke
Cirener
Mosbacher