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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 6/15
Verkündet am:
4. November 2015
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1573, 1578
Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen unterbricht die
"Unterhaltskette" beim Aufstockungsunterhalt auch dann nicht, wenn die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen infolge der Arbeitslosigkeit so weit absinken,
dass sich zeitweilig kein Unterschiedsbetrag mehr zwischen dem - durch den
Einkommensrückgang beeinflussten - vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den anrechenbaren Einkünften des Unterhaltsberechtigten ergibt.
BGH, Urteil vom 4. November 2015 - XII ZR 6/15 - OLG Bamberg
AG Kulmbach
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats - Familiensenat des Oberlandesgerichts Bamberg vom 18. Dezember 2014 wird
auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Abänderung eines Prozessvergleichs zum nachehelichen Unterhalt für die Zeit seit Januar
2013.
2
Die Parteien haben im Jahr 1979 die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe
sind zwei, in den Jahren 1981 und 1984 geborene Söhne hervorgegangen. Der
ältere Sohn ist aufgrund einer Behinderung auswärtig untergebracht; der jüngere Sohn ist wirtschaftlich selbständig.
3
Die Ehe der Parteien wurde im Jahr 1987 rechtskräftig geschieden. Im
Rahmen eines Scheidungsfolgenvergleichs verpflichtete sich der Kläger, an die
seinerzeit nicht erwerbstätige Beklagte einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.080 DM (entspricht 552,20 €) zu zahlen. Dieser Vergleich
-3-
wurde im Rahmen eines im Jahre 1998 eingeleiteten Abänderungsverfahrens
durch einen am 27. Oktober 1998 geschlossenen Vergleich abgeändert. Dabei
verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen monatlichen Ehegattenunterhalt von noch 685 DM (entspricht 350,23 €) zu zahlen. Zu dieser Zeit betreute
die Beklagte die beiden noch minderjährigen Kinder und ging einer Halbtagsbeschäftigung als Pflegekraft nach.
4
Mit einer weiteren, im Jahre 2005 erhobenen Abänderungsklage verfolgte der Kläger das Ziel, in Abänderung des am 27. Oktober 1998 geschlossenen
Vergleichs für die Zeit ab dem 1. September 2005 keinen Ehegattenunterhalt
mehr zahlen zu müssen. Zu dieser Zeit übte die Beklagte bereits wieder eine
Vollzeittätigkeit aus. Das Amtsgericht wies die Klage aufgrund einer am 29. November 2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung durch Urteil vom 10. Januar 2007 ab. Zur Begründung führte das Amtsgericht unter anderem aus, dass
sich der ungedeckte Unterhaltsbedarf der Beklagten gegenüber den Verhältnissen bei Vergleichsschluss nur unwesentlich geändert habe und von einer Befristung des Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 5 BGB aF) wegen der langen
Ehe- und Kinderbetreuungszeit nicht ausgegangen werden könne; zudem sei
der Kläger mit dem Befristungseinwand "präkludiert", weil dieser im Erstverfahren hätte geltend gemacht werden müssen. Das Urteil des Amtsgerichts wurde
rechtskräftig, nachdem der Kläger seine dagegen gerichtete Berufung im Juli
2007 zurückgenommen hatte.
5
Der Kläger arbeitete seit 2004 als Betriebsleiter bei einem Unternehmen
in der Tschechischen Republik. Dieses Arbeitsverhältnis beendete er Ende
2010 aus gesundheitlichen Gründen. Zwischen Januar 2011 und September
2012 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I und anschließend zwischen Oktober
2012 und Dezember 2012 Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
SGB II. Seit Januar 2013 ist er wieder als kaufmännischer Angestellter erwerbs-
-4-
tätig und bezieht monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von zuletzt rund 2.650 €.
Die Beklagte arbeitet weiterhin vollschichtig als Pflegekraft und hat ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.850 €.
6
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger mit seiner im Juli 2009 erhobenen Abänderungsklage erneut auf einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht,
diesmal für die Zeit ab dem 1. April 2009, angetragen. Das Amtsgericht hat der
Klage teilweise stattgegeben. Es hat den Unterhalt für die Zeit zwischen dem
1. Januar 2011 und dem 30. September 2012 auf monatlich 133 € (2011) bzw.
94 € (2012) herabgesetzt und ausgesprochen, dass seit dem 1. Oktober 2012
kein Unterhalt mehr geschuldet werde. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht das angefochtene Urteil - unter Aufrechterhaltung der amtsgerichtlichen Entscheidung im Übrigen - für die Zeit seit dem 1. Januar 2013
abgeändert und den Kläger weiterhin zur Zahlung eines unbefristeten Ehegattenunterhalts in Höhe von monatlich 43 € (2013) bzw. 188 € (seit Januar 2014)
für verpflichtet gehalten.
7
Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, der eine
vollständige Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
Entscheidungsgründe:
8
Die Revision hat keinen Erfolg.
9
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis zum
31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor
diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9 f.).
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I.
10
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von
Bedeutung - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
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Mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit durch den Kläger im Januar 2013 bestehe aufseiten der Beklagten wieder ein ungedeckter monatlicher Bedarf in
Höhe von 43 € zwischen Januar und Dezember 2013 und in Höhe von 188 €
seit Januar 2014. Die kurzzeitige Einkommensverschlechterung aufseiten des
Klägers durch den Bezug von Arbeitslosengeld II in den Monaten Oktober bis
Dezember 2012 und die deshalb in diesem Zeitraum fehlende Bedürftigkeit der
Beklagten habe die Unterhaltskette nicht unterbrochen. Der Beklagten habe
zunächst seit Rechtskraft der Scheidung ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt
- in Kombination mit Aufstockungsunterhalt - und unmittelbar daran anschließend ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zugestanden. Der fortdauernde
Anspruch auf Aufstockungsunterhalt habe nicht zur Voraussetzung, dass auch
eine Bedürftigkeit seitens des Unterhaltsgläubigers bestehe. Voraussetzung sei
vielmehr das Bestehen eines Einkommensgefälles. Ein solches sei hier durchgehend für den Zeitraum bis September 2012 und erneut seit Januar 2013 gegeben. Der kurzfristige Wegfall des Einkommensgefälles in den Monaten Oktober bis Dezember 2012 bringe den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht zum
Erlöschen. Denn wenn der Unterhaltsberechtigte sein Erwerbseinkommen erhöhe und mit diesen Einkünften dann den vollen Unterhalt decken könne, erlösche sein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nur dann, wenn der volle Unterhalt durch seine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert sei. Nichts anderes könne
im umgekehrten Fall gelten. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt erlösche
bei einer Verringerung des Einkommens aufseiten des Unterhaltspflichtigen
daher nur dann, wenn diese Einkommensverringerung auf nachhaltig eingetre-
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tenen Umständen beruhe. Solche Umstände lägen hier nicht vor, weil der Kläger bereits nach drei Monaten wieder ein als eheprägend anzusehendes Erwerbseinkommen in ausreichender Höhe erzielt habe. Eine Begrenzung des
Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b BGB sei nicht vorzunehmen, weil der Kläger mit diesem Einwand ausgeschlossen sei. Die mündliche Verhandlung im
Vorprozess sei am 19. November 2006 und damit nach Veröffentlichung der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2006 geschlossen worden.
II.
12
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
13
1. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573
Abs. 2 BGB) auch für den Unterhaltszeitraum seit Januar 2013 zu.
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a) Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte als
Aufstockungsunterhalt den Unterschiedsbetrag zwischen den anrechenbaren
Eigeneinkünften und dem vollen Unterhalt gemäß § 1578 BGB verlangen, wenn
die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt
nicht ausreichen. Der Wortlaut des Gesetzes bezeichnet - anders als in den
Fällen der §§ 1571, 1572, 1573 Abs. 1 BGB - keine konkreten Einsatzzeiten.
Der Senat hat indessen mehrfach betont, dass auch der Anspruch nach § 1573
Abs. 2 BGB gesetzessystematisch an die Wahrung von Einsatzzeiten geknüpft
sein muss, weil die in § 1573 Abs. 3 und Abs. 4 BGB enthaltenen Regelungen
nicht verständlich wären, wenn für den Anspruch auf (originären) Aufstockungsunterhalt nicht ein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung bestehen müsste (vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 84 = FamRZ 2005, 1817, 1819 und
vom 1. Juni 1983 - IVb ZR 389/81 - FamRZ 1983, 886). Auch der Anspruch auf
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Aufstockungsunterhalt setzt somit einen zeitlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der geschiedenen Ehe und der aufseiten des
Unterhaltsberechtigten eingetretenen Bedürftigkeitslage voraus; insoweit spiegelt sich in den Einsatzzeitpunkten auch der Grundsatz der unterhaltsrechtlichen Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) wider.
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Damit der Anspruch auf (originären) Aufstockungsunterhalt später weiter
besteht, müssen dessen tatbestandsspezifische Voraussetzungen seit der
Scheidung grundsätzlich ohne zeitliche Lücke gegeben sein. Ist dies der Fall,
kommt es nicht darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte seinen Anspruch sofort
zur Zeit der Scheidung oder erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend macht
(vgl. Senatsurteil BGHZ 163, 84 = FamRZ 2005, 1817, 1819). Soll Aufstockungsunterhalt als Anschlussunterhalt (§ 1573 Abs. 3 BGB) geltend gemacht
werden, müssen zuvor die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen des weggefallenen Unterhaltstatbestandes (§§ 1570 bis 1572, 1575 BGB) durchgehend
vorgelegen haben.
16
b) Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass der Beklagten auch unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt der Wahrung von Einsatzzeiten ein Anspruch auf
Aufstockungsunterhalt bis einschließlich September 2012 zugestanden hat.
Ohne Erfolg macht sie indessen geltend, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten wegen Unterbrechung der "Unterhaltskette" dauerhaft erloschen sei,
nachdem das (Sozial-)Einkommen des Klägers in den Monaten Oktober bis
Dezember 2012 unter das Einkommen der Beklagten gesunken war.
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aa) Das Erfordernis der lückenlosen Unterhaltskette gebietet im Ausgangspunkt nur, dass die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen der jeweiligen Unterhaltsnorm ohne Unterbrechung vorgelegen haben müssen. Ist dies
der Fall und wird Unterhalt vorübergehend nur deshalb nicht geschuldet, weil
der Unterhaltsberechtigte nicht bedürftig oder der Unterhaltspflichtige nicht leis-
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tungsfähig war, steht dies Unterhaltsansprüchen in der Zeit nach der Wiederherstellung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit nicht zwingend entgegen
(vgl. Johannsen/Henrich/Hammermann Familienrecht 6. Aufl. § 1569 BGB
Rn. 7; Wendl/Bömelburg Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
9. Aufl. § 4 Rn. 112).
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bb) Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen und
die damit einhergehende Reduzierung seiner Einkünfte unterbricht die Unterhaltskette auch beim Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB nicht.
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(1) Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass
sowohl ein nicht vorwerfbarer nachehelicher Einkommensrückgang als auch
eine nicht vorwerfbare nacheheliche Arbeitslosigkeit aufseiten des Unterhaltspflichtigen für die ehelichen Lebensverhältnisse prägend sind und daher bereits
auf das Maß des Unterhalts durchschlagen (vgl. Senatsurteile BGHZ 192, 45
= FamRZ 2012, 281 Rn. 24 und BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590, 591 f.).
Weil der Tatbestand des § 1573 Abs. 2 BGB explizit auf § 1578 BGB Bezug
nimmt, scheidet ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt an sich bereits auf der
Tatbestandsebene aus, wenn die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen infolge
seiner Arbeitslosigkeit - wie es hier in den Monaten zwischen Oktober und Dezember 2012 der Fall gewesen ist - so weit absinken, dass sich kein Unterschiedsbetrag mehr zwischen dem durch den Einkommensrückgang beeinflussten vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den anrechenbaren Eigeneinkünften des Unterhaltsberechtigten ergibt. Andererseits
kann es aber nicht in Frage stehen, dass auch die erneute Aufnahme einer Berufstätigkeit durch den zuvor arbeitslos gewesenen Unterhaltspflichtigen bei
Fortbestand der Ehe deren Verhältnisse geprägt hätte, zumal ein voll erwerbsfähiger Unterhaltspflichtiger dadurch seiner Erwerbsobliegenheit gegenüber
dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nachkommt (vgl. dazu auch Senatsurteil
-9-
vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255). Dies rechtfertigt die Annahme, dass der Anspruch des Berechtigten auf Aufstockungsunterhalt auch während einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit des Pflichtigen zumindest latent weiterhin vorhanden und die Unterhaltskette deshalb nicht unterbrochen worden ist.
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(2) Diese Sichtweise steht auch mit der Wertung des § 1573 Abs. 4 BGB
in Einklang. Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt
verlangen, wenn die zunächst erzielten Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen
war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu
sichern. Dieser Regelung liegt der Gedanke zu Grunde, dass derjenige Ehegatte, dessen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert ist, auf
eine nachwirkende eheliche Solidarität später nicht mehr zurückgreifen können,
sondern alle Folgen der noch ungewissen künftigen Entwicklung - insbesondere
das Arbeitsmarktrisiko - allein tragen soll (vgl. Senatsurteil vom 17. September
2003 - XII ZR 184/01 - FamRZ 2003, 1734, 1736). Das Gesetz belässt es indessen dabei, dem Unterhaltsberechtigten sein eigenes Arbeitsmarktrisiko zuzuweisen, sobald eine nachhaltige Unterhaltssicherung eingetreten ist. Soweit
sich das Gesetz demgegenüber nicht zum Arbeitsmarktrisiko des Unterhaltspflichtigen verhält, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass
auch dieses in die alleinige Sphäre des Unterhaltsberechtigten fallen soll (vgl.
auch Büttner FamRZ 2005, 1899 f.).
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(3) Schließlich hat der Senat in seiner Rechtsprechung zur Wahrung der
maßgeblichen Einsatzzeitpunkte beim Aufstockungsunterhalt (nur) auf das Vorliegen eines Einkommensgefälles zwischen den Ehegatten, nicht aber darauf
abgestellt, ob sich dieses Einkommensgefälle bereits im maßgebenden Einsatzzeitpunkt in einem Anspruch auf Aufstockungsunterhalt niedergeschlagen
- 10 -
hat. Ließ sich im Einsatzzeitpunkt rechnerisch kein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt darstellen, weil der mehrverdienende Ehegatte von seinem höheren
Einkommen eheprägende Verbindlichkeiten bedient hat, hindert dies eine nachträgliche Geltendmachung von Aufstockungsunterhalt durch den anderen Ehegatten nicht, wenn der Schuldendienst zu einem späteren Zeitpunkt infolge der
Kredittilgung entfällt (Senatsurteil vom 2. Juni 2010 - XII ZR 138/08 - FamRZ
2010, 1311 Rn. 36). Nichts anderes gilt, wenn der mehrverdienende Ehegatte
im Einsatzzeitpunkt wegen eines von ihm geleisteten Kindesunterhalts rechnerisch keinen Aufstockungsunterhalt schuldet und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind später wegfällt (ebenso Johannsen/Henrich/Hammermann Familienrecht 6. Aufl. § 1573 BGB Rn. 42; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 7. Aufl. Teil IV Rn. 332). Schon im maßgebenden Einsatzzeitpunkt
muss daher der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt im Hinblick auf das Einkommensgefälle zwischen den Ehegatten nur latent vorhanden sein; er kann
bei einer Veränderung eheprägender Umstände auch nach dem Einsatzzeitpunkt noch entstehen.
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2. Auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Befristung des nachehelichen Unterhalts abgelehnt hat, begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Wurde ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2
BGB nach der Veröffentlichung des Senatsurteils vom 12. April 2006
(XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006) durch Urteil - gegebenenfalls auch in Abänderung eines zuvor geschlossenen Prozessvergleichs - festgelegt, so ergibt
sich weder aus der anschließenden Senatsrechtsprechung noch aus dem Inkrafttreten des § 1578 b BGB am 1. Januar 2008 eine wesentliche Änderung
der rechtlichen Verhältnisse. Das gilt auch dann, wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten betreut wur-
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den (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - FamRZ 2012,
288 Rn. 39 und vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - FamRZ 2010, 1884
Rn. 30 ff.).
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b) Dies verkennt auch die Revision nicht. Sie meint aber, dass diese
Grundsätze dann nicht zur Anwendung kommen, wenn es im ersten Abänderungsverfahren nicht zu einer (Neu-)Festsetzung des Unterhalts, sondern (nur)
zu einer vollständigen Abweisung des Abänderungsbegehrens des Unterhaltspflichtigen gekommen ist. Dies trifft so nicht zu. Wird bei einem durch Vergleich
titulierten Unterhalt ein erstes Abänderungsbegehren des Unterhaltspflichtigen
in vollem Umfange zurückgewiesen, ist der Unterhaltspflichtige mit seinem erneuten Abänderungsbegehren der Beschränkung durch die Präklusionsvorschriften ausgesetzt, deren Reichweite sich aus der Wirkung der Rechtskraft
der ersten Abänderungsentscheidung ergibt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Mai
2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 16 ff.; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 10 Rn. 254). Die
Rechtskraft einer im ersten Abänderungsverfahren ergangenen ablehnenden
gerichtlichen Entscheidung gebietet es, die im zweiten Abänderungsverfahren
vorgebrachten Gründe, mit denen der Unterhaltsverpflichtete eine erneute Entscheidung über denselben Verfahrensgegenstand anstrebt, zunächst daran zu
messen, ob veränderte Umstände vorliegen (Senatsbeschluss vom 29. Mai
2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 18).
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c) Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht die im Jahr 2005 erhobene
Abänderungsklage durch sein am 10. Januar 2007 verkündetes Urteil mit der
Begründung abgewiesen, dass sich der Unterhaltsbedarf der Beklagten gegenüber den Verhältnissen bei Vergleichsschluss im Jahre 1998 nicht verringert
habe; dabei hat es aufseiten der Beklagten Einkünfte aus einer vollschichtigen
Erwerbstätigkeit in die Unterhaltsbemessung eingestellt. Das Amtsgericht hat
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sich in den Entscheidungsgründen mit dem vom Kläger geltend gemachten
Einwand der Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB aF auseinandergesetzt und
eine Befristung ausdrücklich abgelehnt. Soweit das Amtsgericht damit in Bezug
auf die Unterhaltsbefristung eine Billigkeitsentscheidung getroffen hat, wird diese von der Rechtskraft seiner Entscheidung erfasst. Da sich die für die Billigkeitsentscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse - insbesondere im
Hinblick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen ehebedingter Nachteile der Beklagten - nach den getroffenen Feststellungen seither nicht geändert haben,
kommt es allein darauf an, ob eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse zur Unterhaltsbefristung eingetreten ist. Dies ist mit Blick darauf, dass
die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am 29. November 2006 geschlossen worden ist, nicht der Fall.
Dose
Weber-Monecke
Günter
Klinkhammer
Botur
Vorinstanzen:
AG Kulmbach, Entscheidung vom 11.12.2013 - 1 F 286/09 OLG Bamberg, Entscheidung vom 18.12.2014 - 2 UF 15/14 -