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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 50/04
Verkündet am:
28. Juni 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 Fa
Bietet der Autovermieter den Unfallgeschädigten ein Fahrzeug zu einem Tarif
an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und
besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen
Tarif übernimmt, muss der Vermieter den Mieter darüber aufklären.
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Es kommt nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder nur einen einheitlichen Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die (gegnerische) Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstatten werde.
BGH, Urteil vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 - LG Darmstadt
AG Lampertheim
-3-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der
7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 18. Februar 2004
aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Lampertheim vom
28. Oktober 2003 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
2
Mit Vertrag vom 26. April 2003 mietete der Sohn des Beklagten nach einem Verkehrsunfall, bei dem der von ihm geführte Pkw des Beklagten beschädigt worden war, von der Klägerin für die Zeit vom 26. April 2003 bis 10. Mai
2003 einen Ersatzwagen zum so genannten Standardtarif von 136,40 € zuzüglich Mehrwertsteuer je Tag. Die Klägerin stellte 2.137,95 € in Rechnung. Dabei
legte sie ihren "Standard-Tarif - 18 Tage" zugrunde, einen Pauschaltarif, der
-4-
insgesamt für den Beklagten etwas günstiger war als die Berechnung nach dem
Einzeltagessatz für 14 Tage. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners,
dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte nur
746,97 €. Die Differenz verlangt die Klägerin vom Beklagten, der sich darauf
beruft, die Klägerin habe vor Abschluss des Mietvertrages nicht darüber aufgeklärt, dass eine Anmietung zu einem erheblich günstigeren Tarif möglich gewesen sei, dessen Ersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht abgelehnt worden wäre. Wegen der Verletzung dieser Pflicht stehe ihm ein Schadensersatzanspruch zu, mit dem er aufrechne.
3
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von
1.390,98 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung ist, abgesehen von einer Reduzierung des Zinszeitraums um einen Tag, erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Klageabweisung.
5
1. Das Landgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Mietvertrag zustande gekommen. Dem Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch, mit dem er gegen den Mietzinsanspruch der Klägerin aufrechnen könnte, nicht zu. Eine Pflichtverletzung der Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages
sei nicht erkennbar. Die Preiskalkulation der Mietwagenunternehmer bei Unfallersatzwagen sei zwar nicht immer nachvollziehbar. Auch im vorliegenden Fall
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stimme der Vortrag der Klägerin zur Rechtfertigung des Tarifs bei Unfallersatzwagen nicht mit den tatsächlichen Umständen überein.
6
Neben dem Standardtarif bei Unfallersatzwagen gebe es noch einen
günstigeren Tarif, wenn der Kunde mit Kreditkarte zahle. Weitere Vergünstigungen gebe es nicht. Auf die Möglichkeit der Zahlung mit Kreditkarte müsse
der Vermieter nicht hinweisen. Grundsätzlich treffe die Parteien die Pflicht, sich
gegenseitig über die Umstände aufzuklären, die allein der einen Partei bekannt
und für die andere Partei sowie den Vertragsschluss erkennbar von Bedeutung
seien. Der Umfang der Aufklärungspflicht hänge dabei von den Umständen des
Einzelfalls und den Grundsätzen von Treu und Glauben ab. Zwar verhalte sich
der Vermieter vertragswidrig, wenn er trotz ausdrücklicher Frage des Geschädigten, ob eine Vergünstigung bei Bar- oder Kreditzahlung möglich sei, nicht
oder wahrheitswidrig antworte. Ungefragt müsse er den Kunden aber nicht darauf hinweisen, dass bei einer Zahlung mittels Kreditkarte der Mietpreis günstiger werde. Eine solche Hinweispflicht könne schon deshalb nicht angenommen
werden, weil bei der Anmietung eines Unfallersatzwagens der Einsatz der Kreditkarte des Geschädigten nicht die Regel sei. Die Anmietung erfolge, weil das
Fahrzeug des Anmietenden durch einen Dritten geschädigt worden sei. Der
Geschädigte gehe also davon aus, dass er einen Ersatzanspruch gegen den
Dritten habe und deshalb letztlich für die Kosten der Ersatzanmietung nicht aufkommen müsse. Bei Einsatz der Kreditkarte müsste der Geschädigte in Vorleistung treten und würde dem Mietwagenunternehmer sein Konto zum unbegrenzten Zugriff zur Verfügung stellen.
7
Dass der Beklagte die Mietwagenkosten in voller Höhe bezahlen müsse,
sei nur auf den ersten Blick unbillig. Er könne nämlich von der Haftpflichtversicherung den vollen Ersatz der von ihm zu zahlenden Mietwagenkosten verlangen. Der Preiskampf zwischen den Versicherern und den Mietwagenunterneh-
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mern könne nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der
bei einem Unfall Geschädigte könne deshalb einen Mietwagen zu dem ihm angebotenen Tarif anmieten, wenn er für ihn nicht erkennbar außerhalb des Üblichen liege. Da der Geschädigte dem Unfallgegner gegenüber nicht gegen seine
Schadensminderungspflicht verstoße, müsse die gegnerische Haftpflichtversicherung die angefallenen Mietwagenkosten als den zur Schadenswiedergutmachung erforderlichen Geldbetrag erstatten.
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Ein Hinweis auf billigere eigene Internet-Angebote müsse das Mietwagenunternehmen schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Vertriebswege und der regelmäßigen Forderung nach Kreditkartenzahlung bei einer Internet-Buchung nicht geben. Die Frage brauche aber nicht entschieden zu werden, da die Klägerin erst seit Mai 2003 über das Internet anbiete.
9
Schließlich müsse der Kunde auch nicht auf mögliche Schwierigkeiten
mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung hingewiesen werden. Abgesehen
davon, dass dem Vermieter der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz gemacht werden könne, müsse der Mieter selbst dafür sorgen,
ob und wie er den Schaden ersetzt erhalte. Ein solcher Hinweis wäre nichtssagend, weil Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung immer möglich seien
und offensichtlich auch nicht alle Haftpflichtversicherer die Bezahlung der geltend gemachten Mietwagenkosten ablehnten.
10
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
11
a) Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht
des Vermieters gegenüber dem Mieter eines Unfallersatzwagens besteht, ist in
Rechtsprechung und Literatur streitig.
-7-
12
Eine Aufklärungspflicht wird unter anderem bejaht von OLG Koblenz
(NJW-RR 1992, 820); OLG Karlsruhe (DAR 1993, 229, 230); OLG Frankfurt
(NZV 1995, 108, 109); OLG Stuttgart (NZV 1999, 169); LG Frankfurt (NZV
1996, 34); LG Regensburg (Urteil vom 7. Oktober 2003 - 2 S 191/03 - NJW-RR
2004, 455); LG Dresden (Urteil vom 15. Dezember 2005 - 8 S 122/05 -); LG
Gießen (zfs 1994, 287); LG Bonn (Urteil vom 24. Mai 2004, VersR 2004, 1284);
AG Frankfurt (NJW-RR 1999, 708); AG Düsseldorf (NJW-RR 2001, 133, 134);
AG Ettlingen (Urteil vom 11. Februar 2004 - 3 C 202/03 -); AG Hamburg-Harburg (Urteil vom 16. April 2003 - 647 C 508/02 -); AG Karlsruhe (Urteil
vom 16. September 2003 - 5 C 138/03 -); AG Heidelberg (Urteil vom 5. Februar
2004 - 23 C 504/03 -); MünchKomm/Emmerich BGB 4. Aufl. § 311 Rdn. 141
m.w.N.; Geigel/Rixecker Der Haftpflichtprozess 24. Aufl. § 3 Rdn. 67; Notthoff
VersR 1996, 1200, 1205 und 1998, 144, 146 m.w.N.; Etzel/Wagner VersR
1993, 1192, 1193, 1195; Griebenow NZV 2003, 353, 356, 357 m.w.N.; Freyberger MDR 2005, 301, 303.
13
Eine Aufklärungspflicht verneinen OLG Karlsruhe (OLG-Report 2004,
535); LG Heidelberg (Urteil vom 23. September 2004 - 1 S 7/04 -); LG Karlsruhe (Urteil vom 5. April 2004 - 5 S 203/01 -); LG Erfurt (Urteil vom 4. Juni 2004
- 2 S 3/04 -); LG Berlin (Urteil vom 17. Juli 2003 - 51 S 39/03); LG Halle (Urteil
vom 7. August 2003 - 2 S 52/03 -); LG Düsseldorf (Urteil vom 19. September
2003 - 20 S 36/03 - Schaden-Praxis 2004, 53); LG Freiburg (Urteil vom
9. Februar 2004 - 1 O 131/03 -); Körber (NZV 2000, 68 f.); Göhringer (zfs 2004,
437 f.).
14
Der Bundesgerichtshof konnte die Frage einer Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter eines Unfallersatzfahrzeuges bisher offenlassen (BGHZ 132,
373 ff.). Sie ist nunmehr zu entscheiden.
-8-
15
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom
28. April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674, 2675) obliegt dem Vermieter
grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derjenigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für
den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des
Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und
Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen der Aufklärungspflicht richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person des
Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder
Unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter
muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von
Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu
klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen.
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c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Aufklärungspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter, der nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug anmietet, im Grundsatz zu bejahen.
17
aa) Auf dem Markt für Mietwagen herrscht in Deutschland eine Tarifspaltung. Wer aus privaten oder geschäftlichen Gründen einen Pkw mietet und die
Miete selbst zahlt, hat dafür den so genannten "Normaltarif" zu entrichten. Benötigt der Geschädigte dagegen nach einem Unfall einen Ersatzwagen, wird
ihm von zahlreichen Vermietern ein so genannter "Unfallersatztarif" angeboten
(Griebenow aaO 353). Dieser übersteigt meist erheblich den für Selbstzahler
angebotenen "Normaltarif". Derzeit liegen die Unfallersatztarife durchschnittlich
um mindestens 100 % über dem örtlichen "Normaltarif" (vgl. Palandt/Heinrichs
BGB 65. Aufl. § 249 Rdn. 31; Freyberger aaO). Zuschläge bis zu 200 % über
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dem "Normaltarif" sind keine Seltenheit (vgl. Griebenow aaO 353). Selbst Überhöhungen bis zu 465 % kommen vor (Palandt/Heinrichs aaO m.w.N.).
18
bb) Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in eine Situation, einen Pkw anmieten zu müssen. Hält er den Unfallgegner für verantwortlich, geht er davon aus, dass dessen Haftpflichtversicherung die Kosten eines
Mietwagens in vollem Umfang übernimmt. Er wird in dieser Auffassung bestärkt, wenn ihm der Vermieter einen Pkw zum "Unfallersatztarif" anbietet. Diese Anmietung zum "Unfallersatztarif" kann sich nachträglich als nachteilig für
den Mieter herausstellen. Lehnt die gegnerische Haftpflichtversicherung die
Regulierung nach dem "Unfallersatztarif" ab, weil der Mieter mit der Vereinbarung dieses Tarifs gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe,
muss der Mieter die Differenz zum "Normaltarif" aus eigener Tasche bezahlen.
Ein Nachteil zu Lasten des Mieters kann auch dann entstehen, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung den Haftungsanteil des Mieters am Unfall anders
bewertet und den Schaden des Mieters nicht zu 100 % ersetzt. Der Mieter muss
in diesen Fällen die auf ihn entfallende Quote aus dem "Unfallersatztarif" selbst
tragen. Hätte er zum "Normaltarif" gemietet, hätte er nur die Quote aus dem
"Normaltarif" selbst zu tragen.
19
cc) Diese Tarifspaltung und die ihm damit drohenden Nachteile sind dem
Mieter in der Regel nicht bekannt. Er geht vielmehr davon aus, dass der "Unfallersatztarif" gerade für seine Situation entwickelt wurde, von der gegnerischen Haftpflichtversicherung akzeptiert wird und für ihn insgesamt eine günstige Regelung darstellt. Er weiß regelmäßig auch nicht, dass er, falls sein Verursachungsbeitrag nachträglich anders gewertet wird, er bei Anmietung zum
"Normaltarif" einen geringeren Nachteil hätte. Demgegenüber weiß der Vermieter, dass die Tarifspaltung zu den genannten Nachteilen führen kann, und er
- 10 -
weiß auch, dass dem Mieter weder die Tarifspaltung noch die ihm daraus drohenden Gefahren vertraut sind, sondern dieser davon ausgeht, dass die Mietwagenkosten vollständig ersetzt werden, zumindest ihm aber kein Nachteil entsteht. Mit dem Autovermieter und dem Unfallgeschädigten stehen sich somit
zwei ungleiche Vertragspartner gegenüber. Treu und Glauben gebieten es in
einem solchen Fall, dass der (wissende) Vermieter den (unwissenden) Mieter
aufklärt.
dd) Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Haftpflichtversicherer
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sei zur Erstattung der hohen Unfallersatztarife verpflichtet, so dass schon deshalb keine Aufklärungspflicht bestehen könne. Dem Vermieter könne nicht zugemutet werden, auf das rechtswidrige Verhalten der Versicherer hinzuweisen,
um sich dadurch letztlich selbst zu schaden. Dem Mieter sei kein Schaden entstanden, weil er in jedem Fall Anspruch auf Erstattung des Unfallersatztarifs
habe.
21
Diese Auffassung mag eine gewisse Berechtigung gehabt haben, weil
die Entscheidung des VI. Zivilsenats von 1996 (BGHZ 132 aaO) in der Praxis
dahin ausgelegt wurde, der Geschädigte könne einen Unfallersatztarif stets und
uneingeschränkt ersetzt verlangen (vgl. Freyberger aaO S. 302). Nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zu den Unfallersatztarifen (Urteile vom
26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - NJW 2005, 135 ff.; vom 15. Februar 2005
- VI ZR 74/04 - NJW 2005, 1041 ff.; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 NJW 2005, 1043 ff.; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - BGHZ 163, 19 ff. und
vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - NJW 2006, 1506 ff.) ist der Haftpflichtversicherer gerade nicht ohne Weiteres zur Erstattung von über dem "Normaltarif" liegenden "Unfallersatztarifen" verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte
vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten
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verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage
des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte
ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie
in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand
nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren
möglichen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das
bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem
örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen
für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH, Urteil vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - zur Veröffentlichung
bestimmt).
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Einer Aufklärungspflicht steht auch nicht das weitere Argument der Vermieter entgegen, dass die Haftpflichtversicherer bisher die "Unfallersatztarife"
beglichen hätten.
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Seit 1992 bestand zwischen Mietwagenunternehmen und Versicherungswirtschaft Streit darüber, ob die Haftpflichtversicherung den so genannten
"Unfallersatztarif" zu ersetzen hatte (Freyberger aaO S. 301). Am 7. Mai 1996
entschied der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 132, 373 f.), dass
der Geschädigte dadurch, dass er nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug zum
"Unfallersatztarif" anmietet, nicht gegen die Pflicht verstoße, den Schaden gering zu halten, vielmehr seien "im Grundsatz" die durch den Unfallersatztarif
entstandenen Kosten erforderlich im Sinne von § 249 BGB. In der Folge entwickelte sich eine Regulierungspraxis, die den Unfallersatztarif überwiegend als
erstattungsfähig ansah. Die Frage, ob der Geschädigte auch Zugriff auf preiswertere Tarife hatte, wurde häufig nicht mehr gestellt (Freyberger aaO 301).
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Gleichwohl kam es auch nach dieser Entscheidung immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Regulierung von "Unfallersatztarifen". Die Instanzgerichte haben
es oft abgelehnt, erheblich über dem "Normaltarif" liegende "Unfallersatztarife"
als erstattungsfähig anzusehen (vgl. LG Bonn, Urteil vom 24. Mai 2004, VersR
1284; LG Freiburg, Urteil vom 11. März 1997, NJW-RR 1997, 1069; LG Bonn,
Urteil vom 25. Februar 1998, NZV 1998, 417; AG Frankfurt, Urteile vom
20. November 1998, NJW-RR 1999, 708 und vom 6. September 2001, NZV
2002, 83; AG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 2000, NJW-RR 2001, 133) Nach
den Feststellungen des LG Regensburg (Urteil vom 7. Oktober 2003 aaO) wird
die Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen in der Praxis "inzwischen sehr
skeptisch bis ablehnend" beurteilt.
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2. Umstritten ist der Umfang der Aufklärungspflicht.
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a) Das Oberlandesgericht Koblenz (aaO) hat 1992 eine Pflicht des Autovermieters bejaht, potentielle Kunden über die Art des gewünschten Vertrages
zu befragen und ihnen alle für ihre Entscheidungen wesentlichen Fakten offen
zu legen. Der Kunde sei ungefragt auf mögliche Abrechnungsschwierigkeiten
gegenüber Versicherungen im Falle der Anmietung zu einem "Unfallersatztarif"
und auf im Vergleich zu diesem Tarif günstigere eigene Tarife des Autovermieters aufmerksam zu machen. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und
Literatur überwiegend Zustimmung gefunden (Nachweise bei Körber NZV 2000,
S. 68, 75). Auch der 32. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1994 hat empfohlen,
den Autovermietern eine Pflicht zur Aufklärung über ihre verschiedenen Tarife
aufzuerlegen. Zur Begründung wird angegeben, dass es dem durchschnittlichen Mietwagenkunden nur infolge einer solchen Information möglich sei,
Kenntnis über die Möglichkeiten des Autovermietungsmarktes zu erlangen
(Körber aaO). Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1996
(aaO), in der der VI. Zivilsenat die Frage, ob den Vermieter eine Aufklärungs-
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pflicht treffe, offen gelassen hat, wird der Umfang der Aufklärungspflicht von
den Instanzgerichten sehr unterschiedlich beurteilt. Es hat sich ein breites
Spektrum an Auffassungen entwickelt.
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Das Landgericht Bonn (aaO) ist der Auffassung, der gewerbliche Vermieter müsse den Mieter insbesondere darauf hinweisen, dass der angebotene
Unfallersatztarif über den Sätzen liege, die von den Haftpflichtversicherungen
übernommen würden; zugleich müsse er über seine weiteren günstigeren Tarife
informieren. Nach Meinung des Amtsgerichts Ettlingen (aaO) muss der Autovermieter darauf hinweisen, dass neben dem Unfallersatztarif ein billigerer
Normaltarif besteht. Nach Meinung des Landgerichts Regensburg (aaO) wissen
die Autovermieter aufgrund ihrer Erfahrungen mit Haftpflichtversicherungen und
Gerichten, dass die Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen inzwischen sehr
skeptisch bis ablehnend beurteilt werde. Auf bevorstehende Schwierigkeiten bei
der Durchsetzung der Mietwagenrechnung müsse der Pkw-Vermieter deshalb
vor Abschluss des Mietvertrages den Mieter hinweisen. Insbesondere müsse er
ihn auch darüber informieren, dass es "Normaltarife" gebe, die vom "Unfalltarif"
erheblich nach unten abwichen. Das Amtsgericht Frankfurt (NJW-RR 1999,
708) hat entschieden, der Vermieter müsse, wenn er wisse, dass der von ihm
konkret angebotene Mietwagentarif über den Sätzen liege, die von einer Haftpflichtversicherung ohne Abzug akzeptiert würden, den Unfallgeschädigten auf
die möglicherweise entstehenden Schwierigkeiten bei der Erstattung hinweisen
und den Kunden von sich aus über günstigere Tarife informieren, und zwar unabhängig davon, ob er selber günstigere Normal- oder Pauschaltarife anbieten
könne. Das Amtsgericht Düsseldorf (aaO) ist der Ansicht, der Vermieter müsse
den Mieter auf die Besonderheiten des gespaltenen Tarifmarkts hinweisen und
ihn darauf aufmerksam machen, dass die Versicherung des Unfallgegners möglicherweise nicht ohne Weiteres bereit sein werde, den angebotenen Unfallersatztarif zu akzeptieren.
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil
vom 28. April 2004 aaO) richtet sich nicht nur das Bestehen, sondern auch der
Umfang der Aufklärungspflicht nach der Person des Mieters und dessen für den
Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings
ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen
und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht.
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c) Das bedeutet, dass die Interessen des Vermieters gegen die des Mieters abzuwägen sind. Neben dem Bedürfnis des Unfallgeschädigten nach Information über die Angebote des Vermieters und den gespaltenen Mietmarkt
muss berücksichtigt werden, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden
kann, auf sein jeweils günstigstes Angebot aufmerksam zu machen. Müsste er
gar, wie vom Amtsgericht Frankfurt gefordert (NJW-RR 1999, 708), auf günstigere Angebote der Konkurrenz hinweisen, wäre er gezwungen, seine Preise
entsprechend anzupassen oder als Anbieter auszuscheiden. In der Marktwirtschaft hat aber derjenige, der den Vertrag schließt, sich selbst zu vergewissern,
ob er für ihn von Vorteil ist oder nicht. Die Aufgabe der Preiskontrolle ist in den
Grenzen der §§ 134, 138 BGB primär dem Markt und dem darauf bestehenden
Wettbewerb als "Entdeckungsverfahren" zugewiesen (Körber aaO S. 75). Eine
Offenbarungspflicht des Leistungsanbieters über seine Preisgestaltung und diejenige der Mitbewerber besteht in der Marktwirtschaft gerade nicht (Schiemann
JZ 1996, 1077, 1078).
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d) Der Senat hält es deshalb nicht für erforderlich, dass der Autovermieter auf günstigere (eigene) oder gar fremde Angebote hinweist. Lediglich dann,
wenn er dem Unfallgeschädigten einen Tarif anbietet, der deutlich über dem
Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und dadurch die Gefahr besteht, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss
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er den Mieter darüber aufklären. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der
Vermieter mehrere oder - wie im vorliegenden Fall von ihm behauptet - nur einen einheitlicher Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, den
Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die (gegnerische) Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in
vollem Umfang erstattet (entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt
in einem solchen Hinweis kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, weil
der Hinweis nicht der Rechtsverfolgung gegenüber dem Haftpflichtversicherer
dient); es ist dann Sache des Mieters, sich kundig zu machen, etwa indem er
Kontakt zur Haftpflichtversicherung aufnimmt, weitere Angebote einholt oder
sich anwaltlich beraten lässt.
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3. Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c.
(§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) in Höhe der Klageforderung zu,
mit dem er wirksam gegen diese aufgerechnet hat.
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Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen zum "Normaltarif" getroffen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten liegt
der hier geltend gemachte Mietzins deutlich über dem auf dem örtlich relevanten Markt bestehenden Normaltarif. Die Klägerin hätte den Beklagten deshalb
darauf hinweisen müssen, dass die Haftpflichtversicherung den angebotenen
Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang ersetzen werde. Es ist davon auszugehen, dass sich der Beklagte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (vgl. Palandt/Heinrichs aaO § 280 Rdn. 39 unter Hinweis auf BGHZ 72, 92, 106; 124,
151, 159). Die Unsicherheit darüber, zu welchem Preis der Beklagte bei ordnungsgemäßer Aufklärung einen Wagen gemietet hätte, geht zu Lasten des
Autovermieters (Körber aaO S. 76). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der
Beklagte einen Wagen zu einem günstigeren, vom Haftpflichtversicherer nicht
beanstandeten Tarif angemietet hätte mit der Folge, dass die Klageforderung
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nicht entstanden wäre. Der Beklagte kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen,
so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des Vermieters
gestanden hätte (Palandt/Heinrichs aaO § 311 Rdn. 56).
Hahne
Sprick
Ahlt
Fuchs
Vézina
Vorinstanzen:
AG Lampertheim, Entscheidung vom 28.10.2003 - 3 C 1002/03 LG Darmstadt, Entscheidung vom 18.02.2004 - 7 S 165/03 -