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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 175/02
Verkündet am:
27. Oktober 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 242 Bb, 313
Zur Staffelmietvereinbarung bei Gewerberaummietverhältnissen (im Anschluß an
BGH, Urteil vom 8. Mai 2002 - XII ZR 8/00 - NJW 2002, 2384, 2385).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 - XII ZR 175/02 - OLG Dresden
LG Chemnitz
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs, Dr. Ahlt und Dose
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. Juni 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin der S.
mbH rückständige Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend.
Mit schriftlichem Vertrag vom 3. November 1994 vermietete die S.
mbH an die Beklagte das "St.
C." auf die Dauer von 20 Jahren.
§ 1 des Mietvertrages lautet:
"Der Vermieter vermietet die nachstehend bezeichneten Räumlichkeiten der Liegenschaft D.
Straße 4/A.
straße 3 und 7 in C. an den Mieter:
Gesamtnutzfläche 10.014 m² (Netto-Grundfläche, NGF)
-3-
Pkw-Stellplätze: 150 Stück
Die Flächenmaße wurden auf der Grundlage der Bauzeichnungen
nach DIN 277 ermittelt. Die mietgegenständlichen Räumlichkeiten
wurden anhand der Projektunterlagen und Mieterwünsche fertiggestellt. Größenabweichungen von +/- 3 % berechtigen keine der
Vertragsparteien zur Änderungen des Mietzinses."
In § 4 heißt es:
"Der monatliche Mietzins beträgt für die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Flächen (Bezugsbasis: Stellplatz DM 100 pro Monat und
Stück; DM 32,22 pro qm Nutzfläche), insgesamt DM 337.606,00
zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer von z.Z. 15 %, d.h. incl.
Mehrwertsteuer derzeit DM 388.246,90 …"
Daneben enthält der Vertrag die Vereinbarung einer Staffelmiete, wonach sich der Mietzins jedes Jahr zum 1. November automatisch um 2 %, jeweils bezogen auf den bis zum Erhöhungszeitpunkt geltenden Mietzins, erhöht.
Am 7. Februar 1995 schrieb die S.
mbH an die Beklagte:
"Sehr geehrter Herr B. ,
der aktuelle Stand der Nettogrundflächenberechnung (NGF) beträgt
darunter TG
darunter Läden/Büro's
15.645,51 qm
4.223,23 qm
11.422,28 qm
Dabei wurden die aktuelle Planung der Passage (Aufteilung in 6
Gewerbeflächen) und des Restaurants in Ebene 0 berücksichtigt.
Grundlage dieser Ermittlung durch die Architektengemeinschaft
bildete die DIN 277. Damit weicht die Nettogrundfläche (NGF) um
mehr als 3 % von 10.014 qm ab. Demgemäß erfolgte eine Anpassung des Mietzinses um
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11.422 qm - 10.014 qm = 1.408 qm
1.408 qm x 32,22 DM/qm = 45.365,75 DM / p.M. (Netto)
Der monatliche Mietzins erhöht sich von
337.606,00 DM
+ 45.365,75 DM
82.971,75 DM
zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Wir bitten Sie höflich, uns diese Anpassung zu bestätigen."
Die Beklagte erwiderte am 3. März 1995:
"… Den Inhalt Ihres Schreibens vom 7.2.95 zur Netto-Grundflächenberechnung nach DIN 277 und die damit verbundene Mietpreisanpassung wird von uns nach erfolgter Prüfung ab dem heutigen Tage anerkannt.
Durch die veränderte Fläche bei Läden/Büros = 11.422,28 m² entsteht eine Mietpreiserhöhung von 45.365,75 DM/Monat zuzüglich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer. …"
Die Klägerin erwarb in der Folge das Gewerbeobjekt. Nach ihrer Eintragung im Grundbuch traf sie mit der Beklagten am 19. April/3. Mai 1995 eine
Nachtragsvereinbarung, mit der die Parteien den Übergang des Mietverhältnisses regelten. Danach sollte es, soweit im Nachtrag nichts anderes vereinbart
wurde, bei den Regelungen des Mietvertrages verbleiben.
In II des Nachtrages wurde unter Bezugnahme auf § 4 des ursprünglichen Mietvertrages und in Ergänzung hierzu hinsichtlich des Mietzinses folgendes vereinbart:
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"1. § 4 Ziffer 1 lautet:
Der monatliche Mietzins beträgt für die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Flächen (Bezugsbasis: Stellplatz DM 100,00 pro Monat
und Stück; DM 32,22 pro m² Nutzfläche) insgesamt
DM 337.606,00 zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer von
z.Z. 15 %, d.h. incl. Mehrwertsteuer derzeit DM 388.246,90, in
Worten: Deutsche Mark dreihundertachtundachtzigtausendzweihundertundsechsundvierzig 90/100.
Nunmehr wird ergänzend vereinbart:
Aufgrund einer Nachberechnung der tatsächlich überlassenen
Nettogeschoßfläche gemäß DIN 277 erhöht sich die Mietfläche von 10.014 m² auf 11.422,28 m². Demzufolge erhöht sich
der Mietzins ab 1.3.1995 von DM 337.606,00 zzgl. MWSt auf
383.025,86 zzgl. MWSt von derzeit DM 57.453,87, d.h. auf
insgesamt DM 440.479,73, in Worten: Deutsche Markt vierhundertvierzigtausendvierhundertneunundsiebzig 73/100 …"
Die Beklagte zahlte ab November 2000 nur noch eine monatliche
Bruttomiete von 219.412,24 DM, weil sie der Auffassung war, sie schulde
Miete nur für die reine Nutzfläche, die sich auf 8.035,85 m² belaufe, und
darüber hinaus die Miete nach den Grundsätzen über den Wegfall der
Geschäftsgrundlage an die marktübliche Miete für Büroflächen von
16 DM je m² anzupassen sei.
Von der Vereinbarung vom 19. April/3. Mai 1995 ausgehend hat
die Klägerin 2.048.552,46 DM nebst Zinsen an rückständiger Miete für
die Zeit von November 2000 bis einschließlich Juni 2001 geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die
Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte nach wie vor Klageabweisung.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Mietvertragsparteien hätten
die Nettogrundfläche des Mietobjekts als Berechnungsgrundlage vereinbart.
Der Begriff Gesamtnutzfläche sei nicht der DIN 277 entnommen, da diese lediglich den Begriff Haupt-, Neben- und Nutzfläche enthalte. Damit könne nicht
zwingend davon ausgegangen werden, daß der Begriff der Gesamtnutzfläche
dem der Nutzfläche im Sinne der DIN 277 entspreche. Vielmehr definiere der
nach dem Ausdruck Gesamtnutzfläche handschriftlich eingefügte Zusatz "NettoGrundfläche" den vorhergehenden Begriff der Gesamtnutzfläche. Damit stehe
im Einklang, daß in einem Prospekt der Vermieterin in den dort angegebenen
10.143,90 m² "verm. Flächen" ebenso wie in einem vorangegangenen, dann
aber wieder aufgehobenen Mietvertrag in den darin genannten Ladenflächen
und Büroetagen neben Nutz- auch Verkehrs- und Funktionsflächen enthalten
gewesen seien. Werde aber keine Unterscheidung getroffen, so deute das darauf hin, daß der Begriff Gesamtnutzfläche umfassender verstanden worden sei
als nur die reine Nutzfläche.
Hinzu komme die Vereinbarung der Parteien im Nachtrag, wonach für die
Berechnung des Mietzinses die aufgrund einer Nachberechnung festgestellte
und tatsächlich überlassene Nettogeschoßfläche zugrunde zu legen sei. Aus
dem Begriff der Nettogeschoßfläche könne keine Beschränkung auf die reine
Nutzfläche hergeleitet werden. Hätten die Parteien auf die reine Nutzfläche abgestellt, so wären die Verkehrs- und Funktionsflächen unentgeltlich überlassen
worden. Wegen der angespannten Marktlage seien im Jahre 1994 aber Verkehrs- und Funktionsflächen nur entgeltlich überlassen worden. Die Behauptung der Beklagten, während der Vertragsverhandlungen sei für die Berech-
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nung des Mietzinses auf die Nutzfläche abgestellt worden, sei ohne Belang. Der
definierende Zusatz "Netto-Grundfläche" sei nämlich vor Vertragsunterzeichnung eingefügt und vom Notar mit verlesen worden, so daß zum maßgeblichen
Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Berechnungsgrundlage eindeutig festgelegt worden sei. Im übrigen habe die Beklagte zunächst bis 1997 vorbehaltlos
die volle Miete entrichtet und erst nach dem Einbrechen der Mieten Verhandlungen mit dem Ziel einer Mietreduzierung aufgenommen, aber weiterhin bis
Oktober 2000 die volle Miete vorbehaltlos weiter bezahlt. Schließlich habe die
Beklagte die Netto-Grundfläche als Berechnungsgrundlage als auch deren Größe von 11.422,28 m² im Schreiben vom 3. März 1995 anerkannt.
Der vertraglich vereinbarte Mietzins sei nicht nach den Grundsätzen über
den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemindert. Nur wenn das vertraglich übernommene Risiko die Grenze des Zumutbaren überschreite, sei eine Anpassung
gerechtfertigt. Es gehöre zum normalen Risiko solcher Verträge, daß sich die
den Wert der vereinbarten Leistung beeinflussenden Verhältnisse während der
Vertragsdauer zugunsten der einen oder der anderen Vertragspartei ändern
könnten. Die Beklagte habe für 20 Jahre Räumlichkeiten für ihre Tätigkeit erlangt und damit Planungs- und Kalkulationssicherheit. Mit Abschluß des Vertrages habe sie bewußt das Risiko der Marktwertänderung übernommen. Die Klägerin habe ihrerseits einer langfristigen vertraglichen Bindung bedurft. Nur bei
Sicherstellung des Ertrages für das Objekt habe sie ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Anlegern sicherstellen können. Durch die Vereinbarung einer
2 %igen Mieterhöhung pro Jahr sei der durchschnittliche Kaufkraftverlust ausgeglichen worden. Das Festhalten am vertraglich vereinbarten Mietzins sei für
die Beklagte nicht unzumutbar. Daß ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sei,
habe sie nicht vorgetragen. Daß die Beklagte bei einem neuen Mietvertrag einen günstigeren Mietzins durchsetzen könnte, führe nicht zur Unzumutbarkeit.
Jedenfalls sei die Opfergrenze nicht überschritten. Zwar sei die Grenze des
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übernommenen Risikos jeweils individuell zu beurteilen. Als Maßstab könne
allerdings die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Erbbaurechtsverträgen herangezogen werden, die bei einem Kaufkraftschwund von mehr als 60 %
ein Überschreiten der Opfergrenze annehme. Die Berechnung der Beklagten
könne schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie für die reine Nutzfläche von einem ortsüblichen Mietzins von 16 DM/m² ausgehe und dabei nicht
berücksichtige, daß in den über 8.000 m² Nutzfläche 2.000 m² Ladenfläche enthalten seien, für die ein höherer Mietzins veranschlagt werden müsse, weil sich
die Beklagte verpflichtet habe, Miete nicht nur für die reine Nutzfläche, sondern
die gesamte Netto-Grundfläche zu bezahlen.
2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält im Ergebnis einer
rechtlichen Überprüfung stand.
a) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte habe die vereinbarte Quadratmetermiete nicht für die gesamte Netto-Grundfläche, sondern
nur für die reine Nutzfläche zu bezahlen.
aa) Die Vorinstanzen haben die §§ 1 und 2 des Mietvertrages vom 3. November 1994 dahin ausgelegt, daß die Vertragsparteien die Nettomietflächen
des Mietvertrages als Berechnungsgrundlage vereinbart haben. Die gegen diese Auslegung vorgebrachten Rügen der Revision bleiben ohne Erfolg. Die Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Sie kann
vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht (BGHZ 150, 32, 37). Solche revisionsrechtlich beachtlichen Fehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen, und sie
liegen auch nicht vor. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht
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habe für die Auslegung relevante Beweisangebote übergangen, hat der Senat
die behaupteten Verfahrensverstöße geprüft, die Rügen aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
bb) Im übrigen ist die Auslegung der in § 1 des Mietvertrages getroffenen
Vereinbarung seitens des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Zutreffend geht das Berufungsgericht nämlich davon aus, daß die Mietvertragsparteien einen kausalen Anerkenntnisvertrag (sogenanntes bestätigendes Schuldanerkenntnis; vgl. dazu MünchKomm/Hüffer BGB 3. Aufl. § 781 Rdn. 3) geschlossen haben, mit dem die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte
Miete anerkannt hat. Die dahingehende Auslegung durch das Berufungsgericht
nimmt die Revision hin. Zu Unrecht meint sie aber, die Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses scheitere daran, daß es an Feststellungen des Berufungsgerichts fehle, zwischen den damaligen Vertragsparteien habe Streit oder
Ungewißheit über den Maßstab für die Berechnung der Gesamtmiete oder die
Gesamtmiete selbst bestanden, bevor die Beklagte das Schreiben vom 3. März
1995 abgesandt habe. Dies trifft indessen nicht zu. Nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts führten auf Wunsch der Beklagten durchgeführte bauliche Veränderungen nachträglich zu einer Vergrößerung der Netto-Grundfläche
mit der Folge, daß sich für die Beklagte ein höherer Mietzins ergab. Über den
Umfang dieser Vergütung bestand Unsicherheit. Deshalb schlug die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Schreiben vom 7. Februar 1995 die Zugrundelegung
einer neuen Netto-Grundfläche samt einem neuen Gesamtmietzins vor und bat
um Bestätigung. Die neue Netto-Grundfläche und die dadurch bedingte Mietänderung hat die Beklagte geprüft und nach Prüfung mit ihrem Schreiben vom
3. März 1995 anerkannt. Damit hatten die Vertragsparteien die bestehende Ungewißheit einvernehmlich beseitigt. Daran muß sich die Beklagte festhalten lassen.
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cc) Über das schuldbestätigende Anerkenntnis zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten hinaus haben die Parteien selbst in
einem zwischen ihnen schriftlich vereinbarten Nachtrag nochmals die aufgrund
der Nachberechnung festgestellte Nettogeschoßfläche zugrunde gelegt. Dem
unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, sie sei in ihrem Schreiben vom
3. März
1995
bei
der
Beantwortung
des
Schreibens
der
S.
mbH vom 7. Februar 1995 davon ausgegangen, daß es
sich bei der Fläche von 11.422,28 m² um Büroräume und Ladenflächen handele, mußte das Berufungsgericht nicht nachgehen. Ein solcher Irrtum würde an
der von der Beklagten im Nachtrag vom 19. April /3. Mai 1995 eingegangenen
Verpflichtung zur Zahlung einer erhöhten Miete nichts ändern.
b) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, der vertraglich vereinbarte
Mietzins sei nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
herabzusetzen.
aa) Bei Vereinbarung einer Staffelmiete besteht regelmäßig die nicht
fernliegende Möglichkeit, daß der vereinbarte Mietzins im Laufe der Zeit erheblich von der Entwicklung des marktüblichen Mietzinses abweicht. Dieses typische Vertragsrisiko trägt grundsätzlich die jeweils benachteiligte Vertragspartei.
Der Mieter bleibt daher in der Regel auch bei einem gravierenden Absinken des
allgemeinen Mietniveaus an die vertraglich vereinbarten Staffelerhöhungen gebunden, es sei denn, die Parteien haben eine abweichende Regelung getroffen
(BGH, Senatsurteil vom 8. Mai 2002 - XII ZR 8/00 - NJW 2002, 2384, 2385).
bb) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, der Senat habe in seiner
Entscheidung vom 8. Mai 2002 die in § 10 Abs. 2 MHG (jetzt § 557 a Abs. 2, 3
BGB) getroffene gesetzliche Wertung nicht berücksichtigt. Der in §§ 10 MHG,
557a BGB genannte Zeitraum von vier Jahren, über den im Falle der Vermie-
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tung von Wohnraum eine Bindung an eine Staffelmietvereinbarung längstens
zulässig sei, sei weit überschritten. Das Berufungsgericht habe nicht bedacht,
daß ein mit der Vereinbarung einer Staffelmiete bezweckter "Inflationsausgleich" einen weit höheren Effekt bewirke, wenn zeitgleich die für das Objekt
maßgebende Vergleichsmiete drastisch sinke.
Der frühere § 10 MHG und § 557a BGB sind Schutzvorschriften zugunsten des Wohnraummieters. Der Gesetzgeber hat die Regelung bewußt auf die
Wohnraummiete beschränkt. Eine Ausdehnung auf die gewerbliche Miete ist
nicht geboten und wird auch nicht gefordert (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus
MietR 8. Aufl. § 557a BGB Rdn. 10, 12; Emmerich/Sonnenschein Miete 8. Aufl.
§ 557a Rdn. 2; Herrlein/Kandelhard MietR 2. Aufl. § 557a BGB Rdn. 4). Außerdem betreffen die genannten Vorschriften lediglich, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Mieters unwirksam ist, nicht aber die
von der Revision geforderte Vertragsanpassung.
Soweit sich die Revision auf die Formulierung des Senats im Urteil vom
8. Mai 2002 beruft, daß eine unzumutbare Überschreitung des übernommenen
Risikos eher anzunehmen sei, wenn die Bindung an den Vertrag noch viele
Jahre bestehe, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis des Urteils.
Der erkennende Senat hat die Argumentation der damaligen Revision verworfen, wonach gerade bei kürzeren Laufzeiten für die Annahme eines Anpassungsgrundes wegen Wegfalls oder Änderung der Geschäftsgrundlage nicht so
strenge Anforderungen zu stellen seien, wie sie die Rechtsprechung für über
mehrere Jahrzehnte fest abgeschlossene Verträge aufgestellt hat. Die lange
Restlaufzeit des Vertrages ist ein Umstand, der für die Frage einer Anpassung
von Bedeutung sein kann, reicht allein aber nicht, um eine Anpassung zu begründen.
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cc) Soweit die Revision die Herabsetzung der Miete damit begründet,
daß die Äquivalenzstörung durch einen Verfall der Mieten für Gewerbeimmobilien verursacht sei und deshalb nicht auf einer bewußten Risikoübernahme
durch die Beklagte, sondern auf der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern beruhe, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn
dies ändert nichts an der vom Senat in seiner Entscheidung vom 8. Mai 2002
angenommenen Risikoverteilung. Auf eine "bewußte" Übernahme des Risikos
kommt es nicht an. Der Mieter trägt das Risiko, daß sich das Mietniveau nach
Vertragsschluß nach unten entwickelt, der Vermieter das Risiko, daß die Mieten
stärker steigen, als mit der Staffelmiete berücksichtigt. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, daß beide Parteien des Mietvertrages ein erhebliches Interesse daran haben, durch die gewählte Vertragsgestaltung langfristige
Planungs-, Kalkulations- und Budgetsicherheit zu erlangen.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die "Opfergrenze"
nicht überschritten. Zwar gehört bei gegenseitigen Verträgen der Gedanke der
Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur objektiven Geschäftsgrundlage. Wird dieses Gleichgewicht nach Vertragsschluß durch unvorhergesehene Veränderungen so schwer gestört, daß damit das von einer Partei normalerweise zu tragende Risiko in unzumutbarer Weise überschritten wird, so ist
der Vertrag anzupassen (Senatsurteil vom 8. Mai 2002 aaO). Eine solch
schwerwiegende, die Unzumutbarkeitsgrenze überschreitende Äquivalenzstörung liegt hier jedoch nicht vor.
Zum einen muß sich die Beklagte an der von ihr anerkannten Bezugsgröße von 11.422,28 m² festhalten lassen. Bei Zugrundelegung dieser Fläche
errechnet sich kein Rückgang der ortsüblichen Miete auf lediglich 44 % der vereinbarten Miete. Zum anderen würde auch ein Rückgang der ortsüblichen Miete
um mehr als 60 % nicht automatisch zur Überschreitung der Opfergrenze füh-
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ren. Allein die Tatsache, daß die Beklagte mittlerweile vergleichbare Geschäftsräume zu einem wesentlich günstigeren Mietzins anmieten könnte, rechtfertigt
nämlich nicht die Annahme einer zur Vertragsanpassung führenden Äquivalenzstörung (Senatsurteil vom 8. Mai 2002 aaO). Welcher Maßstab bei der Entscheidung der Frage, ob Unzumutbarkeit vorliegt, anzulegen ist, braucht - wie
auch im Senatsurteil vom 8. Mai 2002 - nicht entschieden zu werden. Die Revision zeigt keinen Sachvortrag in den Instanzen auf, noch ist ein solcher ersichtlich, weshalb das von der Beklagten, einer Aktiengesellschaft, zu tragende Risiko in unzumutbarer Weise überschritten sein soll. Daß die in der Energieversorgung eingetretene Liberalisierung zu einem erheblichen Wettbewerbsdruck
für die früher als Monopolist tätige Beklagte geführt hat, durfte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler als nicht entscheidungserheblich ansehen.
Hahne
Wagenitz
Ahlt
Fuchs
Dose