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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZR 119/04
vom
28. März 2007
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 22. November
2006 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Gründe:
1
Die Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat in der mündlichen
Verhandlung ausführlich die Frage einer Sittenwidrigkeit des von den Parteien
geschlossenen Ehevertrags erörtert. Der Senat hat dabei verdeutlicht, dass bereits gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages - entgegen der im angefochtenen
Urteil vertretenen und von der Revision unterstützten Rechtsauffassung - erhebliche Zweifel bestehen. Im Einzelnen:
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1. Der Antragsteller rügt, das Senatsurteil vom 22. November 2006 beruhe auf der Annahme, die Antragsgegnerin sei zur Zeit der Eheschließung als
Musiklehrerin nicht in der Lage gewesen, ihren Unterhaltsbedarf zu decken.
Diese Annahme stehe im Widerspruch zu den vom Oberlandesgericht in Bezug
genommenen anders lautenden Feststellungen des Amtsgericht. Die Rüge ist
nicht begründet.
3
Nach Auffassung des Senats befand sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller u.a. schon deshalb in einer deutlich schwächeren Ver-
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handlungsposition, weil bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags
absehbar war, dass sie, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig war, als
Klavierlehrerin in Deutschland schwerlich Erwerbsmöglichkeiten finden würde,
die ihr und ihrem Kind im Trennungsfall ein vom Antragsteller wirtschaftlich unabhängiges Auskommen hätten vermitteln können. Der Senat hat in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch das Krankheitsbild der Antragsgegnerin, das nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war, die Möglichkeit einer
künftigen Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit zumindest nahe legte. Aus diesen Umständen hat der Senat auf nur eng begrenzte Chancen der Antragsgegnerin auf dem deutschen Arbeitsmarkt und auf eine vorhersehbar begrenzte
gesundheitliche Belastbarkeit der Antragsgegnerin geschlossen.
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Diese Würdigung steht zu den Tatsachenfeststellungen des Oberlandesgerichts nicht in Widerspruch. Das gilt auch insoweit, als im Tatbestand des
Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen wird. Nach
den Gründen des Urteils des Amtsgerichts war "bei Vertragsschluss … nicht
erkennbar, dass infolge der notariellen Vereinbarung die Antragsgegnerin in
Zukunft auf staatliche Hilfe … angewiesen sein würde. … Zur Zeit der Eheschließung war sie auch in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf selbst zu decken;
denn sie ist Musiklehrerin und hatte Unterrichtsstunden gegeben." Bei dem ersten Teil dieser Begründung des Amtsgerichts handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Schlussfolgerung, die sich das Oberlandesgericht als solche nicht zueigen gemacht hat und die jedenfalls der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt. Bei dem zweiten Teil dieser Begründung
trägt - für das Revisionsgericht nachprüfbar - die Tatsachenfeststellung die Folgerung nicht. Aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin von Beruf Klavierlehrerin ist, lässt sich angesichts der vom Senat dargestellten Gesamtsituation
nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin ihren und ihres Sohnes Un-
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terhaltsbedarf aus eigener Kraft decken konnte. Dies gilt um so mehr, als das
Amtsgericht nicht einmal ansatzweise festgestellt hat, dass die Antragsgegnerin, die - wie dargelegt - über keine Arbeitserlaubnis verfügte, während ihres
Besuchs in Deutschland in einem ihren und ihres Sohnes Unterhaltsbedarf deckenden Umfang Unterrichtsstunden gegeben hat.
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2. Der Antragsteller rügt, entgegen den Ausführungen im Senatsurteil sei
"der reine Wunsch, im Inland zu leben" kein Belang, der für die Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages von Bedeutung sein könne. Auch diese Rüge
greift nicht durch:
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Der Senat hat dargelegt, dass die Antragsgegnerin ohne die Eheschließung weder eine unbefristete Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten
hätte und "somit ihren Wunsch, im Inland zu bleiben, nicht hätte verwirklichen
können". Damit wurde klargestellt, dass auch derjenige Vertragspartner sich in
einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition befindet, der sich als Ausländer bereits im Inland aufhält, aber seinen Lebensplan, dort dauerhaft ansässig
und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann, die herbeizuführen in dessen Belieben steht. Je dringlicher dieser Wunsch ist, desto eher hat
der andere Vertragspartner es in der Hand, sich die Verwirklichung dieses
Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen. Diese
rechtliche Würdigung durch eine abweichende eigene Beurteilung zu ersetzen
ist dem Antragsteller verwehrt.
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3. Schließlich macht der Antragsteller geltend, das Oberlandesgericht
habe sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihn nicht zuvor auf die
von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Rechtsauffassung des
Berufungsgerichts hingewiesen und seinen Vortrag zu Einzelfragen der Unter-
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haltshöhe als verspätet zurückgewiesen habe. Hierauf, insbesondere auf das
Fehlen eines vorangehenden richterlichen Hinweises, sei der Senat in seinen
Urteilsgründen nicht eingegangen.
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Auch diese Rüge ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Vorbringens des Antragstellers durch das Oberlandesgericht wird im Senatsurteil ausführlich gewürdigt. Das von der Revision beanstandete Unterlassen eines richterlichen Hinweises gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsteller hat der
Senat dabei in seine Prüfung einbezogen und für nicht verfahrenswidrig erachtet; allerdings hat er keine Veranlassung gesehen, auch diesen Aspekt in den
Gründen seines Urteils näher zu erörtern. Eine Gehörsverletzung durch den
Senat liegt mithin nicht vor.
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Dose
Vorinstanzen:
AG Mainz, Entscheidung vom 23.04.2003 - 31 F 135/02 OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.05.2004 - 11 UF 329/03 -