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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 42/99
vom
19. März 2003
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB §§ 1587, 1587 a Abs. 3 Nr. 1
Anrechte aus einer Rentenlebensversicherung mit Kapitalwahlrecht können, wenn
der Berechtigte sein Wahlrecht erst nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ausübt, nicht dadurch im Wege des Versorgungsausgleichs ausgeglichen werden, daß die Kapitalleistung unter Heranziehung des § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB in
eine Rentenleistung umgerechnet wird (Fortführung des Senatsbeschlusses vom
5. Februar 2003 - XII ZB 53/98 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH, Beschluß vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - OLG Celle
AG Stade
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des 18. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511, 29
  
DM)
Gründe:
I.
Die am 27. August 1958 geschlossene Ehe der Parteien, die mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 21. November 1991 Gütertrennung vereinbart hatten, wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 18. August 1993 zugestellten Antrag durch Verbundurteil des Amtsgerichts Stade vom 10. Mai 1994
geschieden (insoweit rechtskräftig seit 28. Juni 1994). Der Versorgungsausgleich wurde abgetrennt und mit Beschluß vom 29. März 1995 geregelt.
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Während der Ehezeit (1. August 1958 bis 31. Juli 1993; § 1587 Abs. 2
BGB) erwarben die Ehegatten jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen
Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Verfahrensbeteiligte, BfA), und zwar die am 12. März 1937 geborene Ehefrau in
Höhe von 814,91 DM und der am 30. Juni 1933 geborene Ehemann in Höhe
von 481,82 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. Juli 1993. Der
Ehemann bezieht seit dem 1. Juli 1998 von der BfA eine Vollrente wegen Alters. Er hat außerdem in der Ehezeit Versorgungsanwartschaften bei der N.
Allgemeine
Versicherungsgesellschaft
(N.
)
erworben, bei der er vom 1. Oktober 1969 bis zum Eintritt in den Vorruhestand
am 31. Dezember 1993 tätig war. Aus dieser betrieblichen Altersversorgung,
die weder im Anwartschafts- noch im Leistungsstadium volldynamisch ist und
deren privatrechtlich organisierter Träger eine Realteilung nicht zuläßt, bezieht
er seit dem 1. Juli 1996 eine lebenslange Rente in Höhe von 911,40 DM monatlich. Ferner hat der Ehemann in der Ehe Versorgungsanwartschaften aus zwei
Lebensversicherungen bei der C.
Lebensversicherungs AG (C.
) er-
worben, deren Deckungskapital zum Ende der Ehezeit 15.732,72 DM (Vertrag
Nr. ...
001) und 31.465,72 DM (Vertrag Nr. ...
003) betrug. Beide
Versicherungsverträge gewähren dem Ehemann das Recht, zwischen einer
lebenslänglichen Altersrente und einer Kapitalzahlung zu wählen. Der Ehemann
hat mit Schreiben vom 21. August 1995 von der Kapitaloption Gebrauch gemacht. Daneben sind mehrere vom Ehemann in der Ehe erworbene Kapitallebensversicherungen sowie - vom Ehemann in der Ehe nicht in Anspruch genommene - Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen festgestellt.
Das Amtsgericht hat nur die von den Ehegatten in der gesetzlichen
Rentenversicherung erworbenen und - damals - mit 481, 83 DM (Ehemann) und
709,93 DM (Ehefrau) festgestellten ehezeitlichen Anrechte sowie das vom
Ehemann bei der N.
erworbene und in eine volldynamische Versor-
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gung umgerechnete ehezeitliche Anrecht in Höhe von 484,90 DM in den Versorgungsausgleich einbezogen und so einen Ausgleichanspruch der Ehefrau in
Höhe von (481,83 + 484,90 = 966,73 – 709,93 = 256,80 : 2 =) 128,40 DM errechnet. Es hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es gemäß § 3 b
Abs. 1 Nr. 1 VAHRG im Wege des "Supersplittings" Rentenanwartschaften des
Ehemannes bei der BfA in Höhe von 74,20 DM, monatlich und bezogen auf den
31. Juli 1993, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA übertragen
hat. Außerdem hat es dem Ehemann gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG aufgegeben, für die Ehefrau durch Beitragszahlung in Höhe von 10.587,85 DM Rentenanwartschaften in Höhe von 54,20 DM, monatlich und bezogen auf den
31. Juli 1993, bei der BfA einzuzahlen.
Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der Anschlußbeschwerde des Ehemannes - auch die Anrechte
des Ehemanns aus den bei der C.
trägen Nr. ...
001 und Nr. ...
bestehenden Lebensversicherungsver003 in den Versorgungsausgleich
einbezogen und einen Ausgleichsanspruch der Ehefrau gegen den Ehemann in
Höhe (481,82 DM ges. Rente + 429,63 DM Betriebsrente [N.
80,54 DM Lebensversicherung [C.
[C.
] +
] + 161,08 DM Lebensversicherung
] = 1.153,07 DM Versorgung Ehemann – 814,91 DM gesetzliche Rente
Ehefrau = 338,16 DM : 2 =) 169,08 DM errechnet. Es hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG im Wege des
"Supersplittings" Rentenanwartschaften des Ehemannes bei der BfA in Höhe
von 74,20 DM monatlich und bezogen auf den 31. Juli 1993, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der BfA übertragen hat. Hinsichtlich des verbleibenden Ausgleichsbetrags hat es dem Ehemann gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG
aufgegeben, einen Betrag von 18.534,48 DM auf das Versicherungskonto der
Ehefrau bei der BfA zur Begründung von Rentenanwartschaften in Höhe von
94,88 DM, monatlich und bezogen auf den 31. Juli 1993, einzuzahlen. Gegen
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die Verurteilung zur Beitragszahlung wendet sich der Ehemann mit der weiteren
Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind bei der Durchführung
des Versorgungsausgleichs auch die ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte aus den Lebensversicherungsverträgen bei der C.
(Endnummern
001 und 003) zu berücksichtigen. Dabei handele es sich um Versicherungen mit
"primärer Rentenautomatik" und Kapitalwahlrecht. Solche Versicherungen unterfielen grundsätzlich dem Versorgungsausgleich, wenn nicht das Wahlrecht
bis zum maßgebenden Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags
ausgeübt und die Versicherung dadurch in eine Kapitallebensversicherung umgewandelt worden sei.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Oberlandesgericht geht zwar zu Recht davon aus, daß die Versicherungen des Ehemannes bei der C.
den von der C.
auf Kapitalleistung gerichtet sind. Nach
übermittelten "Allgemeinen Versicherungsbedingungen der
Renten-Kapital-Versicherung" kann der Versicherungsnehmer "spätestens drei
Monate vor dem im Versicherungsschein angegebenen Leistungstermin" zwischen "einer lebenslänglichen Altersrente" oder einer "einmaligen Kapitalzahlung" wählen; wird das Wahlrecht nicht fristgerecht ausgeübt, so besteht nur ein
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Anspruch auf die zuerst genannte Leistung. Die zugesagte Leistung wurde zum
vereinbarten Ablauftermin am 1. Oktober 1998 fällig. Der Ehemann hat daher
mit seinem an die C.
gerichteten Schreiben vom 21. August 1995 sein Ka-
pitalwahlrecht wirksam ausgeübt.
Ein Anrecht aus einer auf Rentenleistung gerichteten Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht unterliegt jedoch nicht länger dem Versorgungsausgleich, sondern dem Zugewinnausgleich, wenn der Anrechtsinhaber von seinem Kapitalwahlrecht wirksam Gebrauch macht. Das gilt, wie der Senat in seinem erst nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen und als
Abdruck beigefügten Beschluß vom 5. Februar 2003 - XII ZB 53/98 - (zur Veröffentlichung bestimmt) dargelegt hat, auch dann, wenn das Kapitalwahlrecht
erst nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ausgeübt, die Versicherung somit erst nach diesem Stichtag in eine Kapitallebensversicherung umgewandelt wird. Das ergibt sich aus der Ausformung, die der Versorgungsausgleich im geltenden Recht gefunden hat. Danach ist der Versorgungsausgleich
auf den Ausgleich von Rentenanrechten zugeschnitten; für den Ausgleich von
Kapitalforderungen stellen die §§ 1587 ff. BGB keine geeigneten Ausgleichsmechanismen zur Verfügung. Das belegt auch der vorliegende Fall. Der Mechanismus des § 3 b VAHRG setzt - nicht anders als der schuldrechtliche Versorgungsausgleich - auf Seiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten ein auf
Rentenleistung gerichtetes Anrecht voraus. Werden bei einem nicht-volldynamischen Anrecht die Versorgungsleistungen - wie hier bei der C.
- aus
einem Deckungskapital finanziert, so eröffnet § 1587 a Abs. 3 Nr. 1 BGB zwar
die Möglichkeit, ein nicht volldynamisches Rentenanrecht durch fiktive Einzahlung seines Deckungskapitals als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung
in ein volldynamisches Rentenanrecht umzurechnen. Dieser Umrechnungsmechanismus soll, wie schon die Bezugnahme des § 1587 a Abs. 3 Satz 1 BGB
auf die in § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB genannten "Renten oder ähnlichen wie-
-7-
derkehrenden Leistungen" ergibt, aber nur Anrechte unterschiedlicher Dynamik
wertmäßig vergleichbar machen; er soll es dagegen nicht ermöglichen, darüber
hinaus auf Kapitalleistung gerichtete Anrechte aus einer Lebensversicherung
mit Rentenanrechten der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzusetzen.
Der Senat verkennt nicht, daß seine Auffassung den einen Ehegatten
benachteiligen kann, wenn der andere Ehegatte nach Rechtshängigkeit des
Scheidungsantrags von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch macht und damit
bis dahin dem Versorgungsausgleich unterliegende Anrechte dem Versorgungsausgleich entzieht. In seinem Beschluß vom 5. Februar 2003 (aaO) hat
der Senat indes Wege aufgezeigt, einer solchen Benachteiligung vorzubeugen
oder sie im Rahmen des Zugewinnausgleichs aufzufangen. Allerdings haben
die Parteien im vorliegenden Fall den Zugewinn ehevertraglich ausgeschlossen.
Damit haben sie die Möglichkeit eröffnet, daß der Ehemann - wie später geschehen - die Anrechte aus seinen bei der C.
bestehenden Lebensversi-
cherungen durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich
entzieht und damit im Ergebnis ausgleichungsfrei stellt. Diese Gefahr ist allerdings nicht erst durch den Beschluß des Senats vom 5. Februar 2003 (aaO)
begründet worden; sie hätte sich in gleicher Weise verwirklicht, wenn der Ehemann bereits vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht hätte. Denn in diesem Falle hätte schon nach
bisheriger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluß vom 10. Februar 1993 - XII ZB
80/88 - FamRZ 1993, 793, 794) das nunmehr zum Kapitalanrecht umgewandelte ursprüngliche Rentenanrecht nicht länger dem Versorgungsausgleich unterlegen; der an die Stelle des Versorgungsausgleichs tretende Zugewinnausgleich war jedoch durch den Ehevertrag der Parteien ausgeschlossen und hätte
deshalb keinen Ausgleich der Anrechte bewirken können. Dieser Nachteil ist
eine Konsequenz des unter notarieller Beratung geschlossenen Ehevertrags.
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2. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.
Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden. Dem Gericht der weiteren Beschwerde ist nicht nur der Ausgleich der Anrechte des
Ehemannes aus den Lebensversicherungsverträgen mit der C.
, sondern
die Regelung des Versorgungsausgleichs insgesamt angefallen. Denn die vom
Ehemann erworbenen ehezeitlichen Anrechte werden, soweit ihr Wert den Wert
der von der Ehefrau bei der BfA erworbenen ehezeitlichen Anrechte übersteigt,
nur per Saldo durch Supersplitting und Beitragszahlung ausgeglichen. Das
schließt es aus, den Ausgleich der bei der C.
begründeten Anrechte des
Ehemannes diesen Ausgleichsformen anteilig zuzuweisen und die Regelung
des Versorgungsausgleichs nur in Ansehung der auf die bei der C.
begrün-
deten Anrechte entfallenden Quote zu ändern. Deshalb unterliegt auch die Berücksichtigung, welche die vom Ehemann bei der N.
sowie die von den
Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte im Versorgungsausgleich erfahren haben, der Überprüfung durch den Senat. Das vom
Ehemann bei der N.
erworbene Anrecht ist nach den Feststel-
lungen des Oberlandesgerichts weder im Anwartschafts- noch im Leistungsstadium volldynamisch. Das Oberlandesgericht hat das Anrecht deshalb nach
Maßgabe der BarwertVO in ein volldynamisches Anrecht umgewertet. Die BarwertVO ist nach der Entscheidung des Senats seit dem 1. Januar 2003 nicht
mehr anzuwenden (BGHZ 148, 351, 368). Der Barwert des bei der N.
begründeten Anrechts muß deshalb vom Tatrichter neu - gegebenenfalls
anhand einer geänderten BarwertVO - ermittelt werden. Hinsichtlich der von der
Ehefrau bei der BfA erworbenen Anrechte werden die Auswirkungen von Berufsausbildungszeiten auf die Gesamtleistungsbewertung nach Maßgabe des
durch Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der
gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten
Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz - AvmEG) vom
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21. März 2001 (BGBl. I, 403) neu gefaßten § 71 Abs. 1 Satz 3 SGB VI zu berücksichtigen sein. Außerdem wird hinsichtlich dieser Anrechte - im Hinblick auf
§ 58 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI, der durch Art. 1 Nr. 12 Buchstabe b AvmEG eingefügt worden ist - zu prüfen sein, ob der Ehefrau Anrechnungszeiten
wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI)
gutzubringen sind.
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Ahlt