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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 178/11
Verkündet am:
5. Juni 2012
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter
Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus notariellen
Urkunden, die im Zusammenhang mit dem von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung errichtet wurden. Die Beklagte verlangt widerklagend Rückzahlung
der Darlehen.
2
Die Kläger wurden 1992 von einem Anlagenvermittler geworben, zwecks
Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der Wohnanlage M.
in O.
zu erwerben. Das Auftragsformular
-3-
des Vermittlers und das von ihm verwandte Berechnungsbeispiel weisen eine
an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% zzgl. Umsatzsteuer aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem:
"Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als
Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr
von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene
Rechnung zu vereinnahmen."
3
In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter "IV. Vergütung, Provision" unter anderem ausgeführt:
"Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der
mit diesen geschlossenen Verträgen."
4
Des Weiteren verwandte der Vermittler einen Verkaufsprospekt, der hinsichtlich des kalkulierten Gesamtaufwandes folgende Angaben enthält:
VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sich
aufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
a) Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und
Marketing
b) Technische Baubetreuung
c) Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung
d) Finanzierungsvermittlung
davon für:
- Zwischenfinanzierung
- Endfinanzierung
- EK-Vorfinanzierung
e) Nebenkostengarantie
f) Zinsgarantie
davon für Leistungen:
- gem. Ziff. II. des
Zinsgarantievertrages
- gemäß Ziff. III. des
Zinsgarantievertrages
g) Mietvermittlung
h) Mietgarantie
76,70
0,25
1,50
4,00
1,80
2,00
0,20
0,50
2,00
1,50
0,50
0,20
0,50
-4-
i) Steuerberatung
davon für Leistungen:
- gem. Ziff. II.2., 5.,
des Stb.-Vertrages
- gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6.
des Stb.-Vertrages
j) Abwicklungsauftrag
k) Bauzeitzinsen
l) Notar, Gewerbesteuer und sonstiges
5
2,30
0,58
1,72
2,30
5,50
4,25
100,00
In der Position a) "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing"
waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands
enthalten.
6
Die von den Klägern bevollmächtigte C.
Steuerberatungsgesellschaft
mbH (im Folgenden: Treuhänderin) schloss namens der Kläger mit der Bauträgerin am 28. Dezember 1992 einen notariellen "Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung" über die Eigentumswohnung Nr. ..
zum Preis von
106.985 DM. Darin übernahmen die Kläger einen Anteil der auf dem Gesamtgrundstück lastenden Grundschuld, die der Beklagten zuvor von der Bauträgerin durch notarielle Urkunde vom 9. Dezember 1992 bewilligt worden und gegen
den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar war. Zugleich übernahmen die
Kläger in Höhe des anteiligen Grundschuldbetrages von 139.485 DM die persönliche Haftung und unterwarfen sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in
ihr gesamtes Vermögen.
7
Darüber hinaus schloss die Treuhänderin namens der Kläger in den Jahren 1992 und 1993 mit der Beklagten mehrere Darlehensverträge, deren Valuta
in Höhe von insgesamt 151.373 DM zur Finanzierung des Gesamtaufwands
zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Nachdem
die Kläger die Bedienung der Finanzierungsdarlehen eingestellt hatten, kündigte die Beklagte die Darlehen mit Schreiben vom 21. Januar 2003 und betrieb
die Zwangsvollstreckung.
-5-
8
Mit der Klage wenden sich die Kläger - gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - gegen die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen aus dem notariellen
Kauf- und Werklieferungsvertrag sowie aus der Grundschuldbestellungsurkunde. Sie begehren außerdem die Rückzahlung des Disagios und bezahlter Zinsen. Die Beklagte verlangt widerklagend den offenen Darlehenssaldo.
9
Das Landgericht hat die Vollstreckung aus den Urkunden für unzulässig
erklärt. Den Zahlungsantrag sowie die Widerklage hat es dagegen abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren und den Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
10
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
11
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Belang - im Wesentlichen ausgeführt:
12
Die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte sei wegen entgegenstehender Schadensersatzansprüche unzulässig. Die Haftung der Beklagten gründe
sich darauf, die Kläger nicht über eine von ihr erkannte arglistige Täuschung
über die Höhe der Provision aufgeklärt zu haben. Bei den Klägern sei gezielt
der unrichtige Eindruck erweckt worden, für die Vermittlung des Erwerbs der
-6-
Eigentumswohnung werde lediglich die im Berechnungsbeispiel ausdrücklich
genannte Bearbeitungsgebühr von 3% zzgl. Umsatzsteuer anfallen, obwohl tatsächlich im Einvernehmen aller am Bauträgermodell Beteiligter einschließlich
der beklagten Bank wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an den Vertrieb
geflossen seien. Der als Zeuge vernommene Vermittler habe angegeben, gegenüber den Kunden stets nur die Bearbeitungsgebühr von 3,42% brutto offen
gelegt, jedoch nicht erwähnt zu haben, was der Vertrieb über die Außenprovision hinaus an Innenprovision erhalte. Die Beratungsgespräche seien stets nach
einem vom Vertrieb vorgegebenen Muster abgelaufen, das den Eindruck vermittelt habe, dass keine weiteren Provisionen zu zahlen seien. Dem Beratungsgespräch und dem dabei erstellten Berechnungsbeispiel hätten die Kläger deshalb entnehmen müssen, dass sie im Falle des Erwerbs der Immobilie nur die
Außenprovision von 3,42% brutto zusätzlich zum Gesamtaufwand zu zahlen
hätten.
13
Der Vermittlungsauftrag sei ebenfalls Mittel zur Täuschung der Kunden
gewesen, denn der dort enthaltene Hinweis auf die Bearbeitungsgebühr von
3,42% brutto des kalkulierten Gesamtaufwands beziehe sich lediglich auf die im
Berechnungsbeispiel genannte und von den Klägern an den Vermittler zu zahlende Außenprovision. Der Kunde könne diesen Ausführungen nicht entnehmen, dass im Gesamtaufwand eine weitere Provision in erheblicher Höhe enthalten sei. Ähnliches gelte für die auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags
abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen gleichfalls Anfall
und Höhe der Provision verschleiert würden.
14
Schließlich seien die Kläger durch den verwendeten Vertriebsprospekt
getäuscht worden, wo den Kunden durch eine große Aufwandsposition für
Grundstück/Gebäude und in elf weitere Positionen, die teilweise weniger als 1%
des Gesamtaufwands ausmachten, vorgespiegelt werde, im Gesamtaufwand
-7-
seien weitere Provisionen nicht enthalten, jedenfalls nicht in der erheblichen
Höhe von 18,24% des Gesamtaufwands. Daran ändere auch der Zusatz "incl.
Vertrieb und Marketing" nichts. Die Auflistung erwecke den Eindruck, dass es
sich dabei allenfalls um Marginalien, nicht aber um die zweitgrößte Aufwandsposition handele.
15
Für das Vorliegen der Arglist sei nicht auf den vor Ort tätigen Vermittler,
sondern auf das arglistige Verhalten der Vertriebsgesellschaften abzustellen.
Ein vorsatzausschließender Rechtsirrtum des Vertriebs scheide aus. Die Täuschung sei zumindest mitursächlich für die von den Klägern abgegebene Willenserklärung gewesen. Die Kenntnis der Beklagten von der evidenten arglistigen Täuschung durch den Vertrieb werde nach den Grundsätzen des institutionalisierten Zusammenwirkens vermutet. Die Beklagte habe auch schuldhaft
gehandelt.
16
Wegen ihres Schadensersatzanspruchs müsse die Beklagte die Kläger
so stellen, als hätten diese das Anlagegeschäft nicht abgeschlossen. Ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Darlehen bestehe deshalb nicht. Es
sei unschädlich, dass die Kläger ihren Schadensersatzanspruch nicht im Einzelnen beziffert und die Übertragung der Eigentumswohnung nicht angeboten
hätten. Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Weil die Vollstreckungsgegenklage aus diesen Gründen Erfolg habe, sei die von der Beklagten
erhobene Widerklage unbegründet.
II.
17
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in mehreren
Punkten nicht stand.
-8-
18
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass die Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Aufklärungspflichtverletzung gemäß § 242 BGB ihrer Inanspruchnahme aus der Vollstreckungsunterwerfung entgegenhalten können.
19
Der vermeintliche Schadensersatzanspruch der Kläger ist nach den
Grundsätzen der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) darauf gerichtet, die
Kläger so zu stellen, wie sie ohne die schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung
stünden (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96
Rn. 46, vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154 Rn. 26 und vom
16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61). Diesen Anspruch können die
Kläger gemäß § 242 BGB ihrer Inanspruchnahme aus der Vollstreckungsunterwerfung entgegenhalten (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 2007 - XI ZR
167/05, WM 2008, 154 Rn. 26 und vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168,
1 Rn. 61 aE).
20
Der hiergegen gerichtete Revisionsangriff, die Kläger könnten den Schadensersatzanspruch schon deswegen nicht mit Erfolg einwenden, weil sie ihn,
insbesondere unter Berücksichtigung anzurechnender Mieteinnahmen und
Steuervorteile, nicht beziffert hätten, greift nicht durch. Ein Erfolg des geltend
gemachten Anspruches auf Naturalrestitution hätte die vollständige Rückabwicklung des Anlagegeschäfts zur Folge (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 2010
- XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 46, vom 23. Oktober 2007 - XI ZR 167/05,
WM 2008, 154 Rn. 26 und vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1
Rn. 61). Unabhängig von einer in Betracht kommenden Vorteilsausgleichung
(vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, WM 2010, 1641 Rn. 35
mwN) könnte die Beklagte daher jedenfalls nicht Rückzahlung der noch offenen
Darlehensvaluta verlangen, derentwegen sie die Vollstreckung betreibt. Die Revision übersieht des Weiteren, dass der Rückabwicklungsanspruch auch darauf
-9-
gerichtet ist, die Kläger von dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis zu befreien (Senatsurteil vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 61). Ob die
Beklagte, wie die Revision meint, im Falle der Rückabwicklung Anspruch auf
Herausgabe von Vorteilen hat, die die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen übersteigen, und ob dieser Anspruch durch das Schuldanerkenntnis
gesichert ist, kann deshalb dahinstehen.
21
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, die
Beklagte sei den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Kläger
nicht über eine von ihr erkannte arglistige Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovisionen aufgeklärt habe.
22
a) Wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist eine nicht beratende, sondern lediglich kreditgebende Bank nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei steuersparenden Bauherren-, Bauträgerund Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Das ist etwa
der Fall, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen
konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (st. Rspr., Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ
186, 96 Rn. 16 und vom 16. Mai 2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 41).
23
Auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den Vertrieb gezahlte "versteckte Innenprovision" muss das den Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut,
mit dem kein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, den Darlehensnehmer von sich aus grundsätzlich nicht hinweisen (st. Rspr., Senatsurteile vom
29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 17, vom 16. Mai 2006 - XI ZR
6/04, BGHZ 168, 1 Rn. 46 und vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 53/02, WM
2004, 417, 418 f.). Dies gilt schon deshalb, weil die Veräußerung einer Immobi-
- 10 -
lie zu einem überteuerten Kaufpreis nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst für den Verkäufer nicht ohne weiteres einen zur Aufklärung verpflichtenden Umstand darstellt. Der Käufer hat nämlich grundsätzlich
keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert. Es
bleibt vielmehr den Vertragsparteien bis an die Grenzen der Sittenwidrigkeit und
des Wuchers überlassen, welchen Kaufpreis sie vereinbaren. Das gilt umso
mehr, als jeder Verkaufspreis über dem reinen Verkehrswert liegende Gewinnanteile und Vertriebskosten enthalten kann und grundsätzlich keine Verpflichtung des Verkäufers, und schon gar nicht der finanzierenden Bank, besteht,
dem Käufer ungefragt eine nähere Aufschlüsselung des Kaufpreises der Immobilie zu geben und den darin enthaltenen Provisionsanteil offen zu legen. Etwas
anderes gilt erst dann, wenn es zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert kommt, dass die Bank von einer
sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss
(st. Rspr., Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96
Rn. 17 und vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1225, jeweils
mwN). Letzteres hat das Berufungsgericht hier nicht festgestellt.
24
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt dagegen
ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung aber dann vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner
oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft gemäß § 123
BGB arglistig getäuscht wurde (vgl. nur Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR
104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 20 und vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007,
1831 Rn. 14, jeweils mwN).
25
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hier eine arglistige Täuschung
der Kläger durch den Vertrieb mit der Begründung bejaht, bei den Klägern sei
gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, für die Vermittlung des Erwerbs
- 11 -
der Eigentumswohnungen falle lediglich die im Berechnungsbeispiel und im
Vermittlungsauftrag genannte Provision von 3% zzgl. Umsatzsteuer an, während tatsächlich eine weitere Vertriebsprovision von 18,24% angefallen sei, die
in der Position a) des im Verkaufsprospekt aufgeführten Gesamtaufwandes
enthalten gewesen sei. Richtig ist vielmehr, dass die Kläger auf den Anfall einer
weiteren Vertriebsprovision deutlich hingewiesen wurden und ihnen lediglich
deren Höhe nicht offenbart worden ist. Darin liegt jedoch - unabhängig vom Bestehen etwaiger, hier nicht streitgegenständlicher Ansprüche gegen Prospektverantwortliche - keine arglistige Täuschung der Kläger gemäß § 123 BGB.
26
aa) In dem Verkaufsprospekt, den der Senat selbst auslegen kann (BGH,
Urteile vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, WM 2007, 873 Rn. 6 und vom
19. Juli 2011 - II ZR 300/08, WM 2011, 1658 Rn. 46), heißt es bei der Aufschlüsselung des Gesamtaufwandes unter "a) Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing". Daraus war für die Kläger ohne weiteres ersichtlich, dass
in dem auf diese Position entfallenden Anteil von 76,70% des Gesamtaufwandes ein nicht weiter aufgeschlüsselter Teil für "Vertrieb und Marketing" enthalten war. Dies verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Seine Auffassung, der
Anleger werde dadurch, dass der Gesamtaufwand im Verkaufsprospekt einerseits in eine große Position von 76,70% und andererseits in elf weitere Positionen von teilweise weniger als 1% aufgeteilt sei, darüber getäuscht, dass der
Anteil für "Vertrieb und Marketing" in der großen Position 18,24% betrage, hält
revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
27
Aus der bezifferten Höhe der Positionen b) bis l) der Kalkulation des Gesamtaufwandes im Prospekt kann nicht auf die Höhe der in der Position a) enthaltenen Vertriebsprovision geschlossen werden. Es existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass aus der Höhe einzelner Positionen einer Preiskalkulation
auf die Zusammensetzung eines anderen Preisbestandteils bzw. auf die Höhe
- 12 -
darin enthaltener, nicht bezifferter Unterpositionen geschlossen werden könnte.
Das gilt unabhängig von der Höhe der bezifferten Preisbestandteile. Es kann
deshalb nicht angenommen werden, eine unbezifferte Unterposition übersteige
die bezifferten sonstigen Preisbestandteile nicht oder nur geringfügig.
28
Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts berücksichtigt zudem
- ebenso wie auch die gesamte Argumentation der Revisionserwiderung - nicht
den Unterschied zwischen einer vom Anleger direkt an Dritte zu zahlenden
Vergütung einerseits und den vom Verkäufer aus dem Kaufpreis finanzierten
(Vertriebs-)Kosten andererseits (üblicherweise als Außen- und Innenprovisionen voneinander abgegrenzt, vgl. Wagner in Assmann/Schütze, Handbuch des
Kapitalanlagerechts, 3. Aufl., § 15 Rn. 165). Bei den der Höhe nach im Prospekt
ausgewiesenen Provisionen der Positionen b) bis l) handelt es sich um Außenprovisionen, die die Treuhänderin konzeptionsgemäß und aufgrund ausdrücklicher Vollmacht im Namen und auf Rechnung des Anlegers direkt an Dritte für
zusätzliche Dienstleistungen (z.B. Nebenkostengarantie, Mietgarantie, Steuerberatung) zahlen sollte. Hierauf wird im Prospekt auch hingewiesen. Die Position a) "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" gibt demgegenüber
den an die Bauträgerin zu zahlenden Kaufpreis an. Der hierauf entfallende Anteil von 76,70% des Gesamtaufwandes ist nicht näher aufgeschlüsselt. Nicht
nachvollziehbar ist daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass aus der
Höhe der an Dritte zu zahlenden Außenprovisionen auf die Höhe der von der
Bauträgerin selbst zu tragenden und aus dem Kaufpreis zu entrichtenden Vertriebsprovisionen geschlossen werden könnte. Der Kalkulation des Gesamtaufwandes im Prospekt kann vielmehr lediglich entnommen werden, welche sonstigen Entgelte (Außenprovisionen) vom Anleger neben dem Kaufpreis zu zahlen
sind.
- 13 -
29
bb) Eine arglistige Täuschung lässt sich auch nicht dem formularmäßigen Vermittlungsauftrag und den vorformulierten Passagen im Berechnungsbeispiel entnehmen, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen wegen ihrer
offensichtlichen Verwendung über den Einzelfall hinaus vom Senat selbst ausgelegt werden können (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR
60/04, NJW 2005, 2919, 2921 mwN).
30
(1) Der Vermittlungsauftrag weist lediglich die vom Anleger direkt an den
Vermittler zu zahlende Vergütung aus, enthält jedoch keine unzutreffenden und
abschließenden Erklärungen über Anfall und Höhe sonstiger Vertriebsprovisionen des Vermittlers oder anderer Beteiligter. Im Gegenteil wird ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass "die Vertriebsbeauftragte … verschiedene Vermittler
beauftragt [hat], die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler
für den/die Erwerber tätig werden". Dadurch wird nicht nur offen gelegt, dass
verschiedene Vermittler mit dem Vertrieb der Kapitalanlage betraut sind, sondern auch, dass diese zusätzlich als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsbeauftragte tätig werden. Schon daraus wird deutlich, dass anlässlich der Vermittlung des Anlegers neben der "Bearbeitungsgebühr" von 3%
zzgl. Umsatzsteuer weitere Vertriebsprovisionen anfallen.
31
Darüber hinaus wird in den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrages
abgedruckten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" unter "IV. Vergütung, Provision" ausdrücklich klargestellt, dass der Vermittler "in der Regel" noch weitere
Vergütungsansprüche gegen sonstige Beteiligte hat. Dieser Hinweis ist eindeutig, so dass, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Unklarheitenregel des § 5 AGBG aF (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) nicht anzuwenden ist.
32
(2) Das Berufungsgericht geht außerdem fehl, soweit es dem vom Vermittler verwandten Berechnungsbeispiel eine arglistige Täuschung entnimmt.
- 14 -
Woraus sich eine Täuschung ergeben soll, wenn es dort heißt, "Marketing- und
Bearbeitungsgebühr 3,42% incl. MwSt., nicht im Gesamtaufwand enthalten", ist
nicht ersichtlich. Ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts war dies
tatsächlich die einzige Provision, die zusätzlich zum Gesamtaufwand anfiel.
Dass neben dieser Außenprovision keine Innenprovision anfällt, ist damit jedenfalls nicht gesagt. Aus der Aufschlüsselung des Gesamtaufwandes im Verkaufsprospekt ergibt sich vielmehr, wie dargelegt, gemäß der Position a) das
Gegenteil.
33
Im Übrigen weist die Revision zu Recht darauf hin, dass das Berechnungsbeispiel ersichtlich nur bezweckte, die Gesamteinnahmen den Gesamtausgaben der Kläger gegenüberzustellen. Das Berechnungsbeispiel diente folglich nicht der Information über die Zusammensetzung des Gesamtaufwands.
Lediglich die "Bearbeitungsgebühr" fand Erwähnung, weil sie zusätzlich zum
Gesamtaufwand anfiel.
34
cc) Schließlich kann auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die
Kläger seien durch mündliche Angaben des Vermittlers arglistig getäuscht worden, keinen Bestand haben.
35
(1) Ob die Kläger durch unrichtige Angaben des Vermittlers arglistig getäuscht worden sind, ist allerdings eine Frage der Würdigung des konkreten
Einzelfalls durch den Tatrichter, die in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur
beschränkter Nachprüfung unterliegt (Senatsurteil vom 21. September 2010
- XI ZR 232/09, WM 2010, 2069 Rn. 18 aE mwN). Zu prüfen ist insoweit, ob die
tatrichterliche Würdigung vertretbar ist, nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung beruht und ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne
Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 29. Juni
- 15 -
2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 25, jeweils mwN). Dieser Überprüfung
halten die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht stand.
36
(2) Der Vermittler hat danach in den Beratungsgesprächen zwar nicht auf
den Anfall von Innenprovisionen hingewiesen. Dies ergab sich jedoch bereits
dem Grunde nach aus dem Prospekt und dem Vermittlungsauftrag. Zudem hat
das Berufungsgericht keine falschen Angaben des Vermittlers hinsichtlich des
Anfalls und der Höhe von Innenprovisionen festgestellt. Das wiedergegebene
Ergebnis der Beweisaufnahme trägt, wie die Revision zu Recht rügt, auch nicht
die Schlussfolgerung, die Kläger seien davon abgehalten worden, Fragen zu
stellen und ihnen sei der Eindruck vermittelt worden, keine weiteren Provisionen
zahlen zu müssen. Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich.
37
dd) Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit von jenen vom
Senat entschiedenen Fällen, in denen die Prospekte oder andere Urkunden
- anders als hier - der falsche Eindruck einer abschließenden Darstellung der
Vertriebskosten vermittelt und dadurch ein Irrtum des Anlegers über die Höhe
der Vertriebskosten erregt worden war (Senatsurteile vom 29. Juni 2010 - XI ZR
104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 21 ff., vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009,
1028 Rn. 31 f. und vom 10. Juli 2007 - XI ZR 243/05, WM 2007, 1831 Rn. 15
aE). Im Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08 (aaO Rn. 31 f.) ging es
insbesondere um Angaben über Provisionen zugunsten zweier Vermittlungsgesellschaften, durch die der falsche Anschein erweckt worden war, die Provisionen würden damit abschließend beziffert. Davon kann beim vorliegenden Vermittlungsauftrag angesichts des ausdrücklichen Hinweises auf weitere Vergütungsansprüche des Vermittlers keine Rede sein.
38
Zutreffend haben deshalb andere Oberlandesgerichte für die hier vorliegenden oder vergleichbare Formulierungen in Verkaufsprospekten, Vermitt-
- 16 -
lungsaufträgen und Berechnungsbeispielen eine arglistige Täuschung der Anleger über die Höhe der im Kaufpreis enthaltenen Vertriebsprovisionen verneint
(vgl. z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 12. November 2009 - 8 U 121/08; OLG
Frankfurt/M., Urteile vom 2. Juni 2009 - 23 U 207/07, 23 U 37/08 und 23 U
139/08, jeweils unveröffentlicht; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Februar
2010 - XI ZR 20/10, juris).
39
3. Da eine arglistige Täuschung über Vertriebsprovisionen aus den genannten Gründen ausscheidet, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das
Berufungsgericht - wie die Revision geltend macht - Kausalität, Arglist und
Kenntnis der Beklagten von einer arglistigen Täuschung zu Unrecht bejaht hat.
III.
40
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache, die mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht zur abschließenden Entscheidung reif ist, ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
41
1. Die Kläger haben ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts nicht lediglich materiell-rechtliche
Einwendungen gegen die titulierten Ansprüche im Sinne des § 767 Abs. 1 BGB
erhoben, sondern auch die Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels geltend gemacht. Das ist Gegenstand einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767
Abs. 1 ZPO, die mit der Vollstreckungsabwehrklage verbunden werden kann
(st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, BGHZ 185,
133 Rn. 15 und 18 mwN). Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung hierüber
nicht getroffen. Das wird gegebenenfalls nachzuholen sein.
- 17 -
42
Der Senat weist insoweit allerdings darauf hin, dass entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht ersichtlich ist, weshalb die Grundschuldbestellungsurkunde vom 9. Dezember 1992 nichtig sein soll. Dort hat nicht die
Treuhänderin, sondern die Bauträgerin zugunsten der Beklagten eine Grundschuld bestellt, die gemäß § 800 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegen den jeweiligen Eigentümer sofort vollstreckbar ist. Die Ausführungen des Landgerichts zur unwirksamen Vertretung der Kläger durch die Treuhänderin gehen deshalb ins
Leere.
- 18 -
43
2. Das Berufungsgericht hat außerdem, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen zu der mit der Widerklage geltend gemachten Darlehensforderung getroffen, insbesondere nicht zur Höhe. Auch das wird es gegebenenfalls nachzuholen haben.
VRiBGH Wiechers ist
wegen Krankheit verhindert und kann deswegen
nicht unterschreiben.
Ellenberger
Maihold
Ellenberger
Matthias
Pamp
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 08.03.2010 - 9 O 3429/05 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 10.03.2011 - 8 U 56/10 -