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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 175/15
Verkündet am:
26. April 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:260416UXIZR175.15.0
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter
Maihold und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt und Dr. Dauber
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 14. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
erkannt worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 35. Zivilkammer des
Landgerichts München I vom 27. Juli 2011 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung durch Mitarbeiter der inzwischen insolventen
A
2
AG.
Die Kläger beantragten am 17. Oktober 2006 über das Wertpapierhan-
delshaus D
AG, der Rechtsvorgängerin der A
AG (nach-
folgend einheitlich: A AG), bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Di-
-3-
rektbank (nachfolgend: Beklagte), die während des Revisionsverfahrens auf die
Beklagte verschmolzen worden ist, die Eröffnung eines "Depotkontos unter Einschluss eines Finanzdienstleisters" (sog. Zins-Plus-Konto). Am selben Tag unterzeichneten die Kläger eine Transaktionsvollmacht zugunsten der A AG. Bei
dem Zins-Plus-Konto handelte es sich um ein Tagesgeldkonto mit einer über
dem jeweiligen Marktzins liegenden jährlichen Verzinsung der Einlage, das
zwingend mit einem Depotvertrag zur etwaigen Einbuchung von Wertpapieren
verbunden war. Zwischen der A AG und der Beklagten war vereinbart, dass in
ihrem Verhältnis die Beklagte lediglich den Marktzins zu zahlen hatte und die
A AG die Differenz zu dem an die Kunden zu zahlenden Zins an die Beklagte
zahlen musste. Im Kontoeröffnungsantrag vom 17. Oktober 2006 heißt es auszugsweise:
"V. Ausschluß der Anlageberatung
Die …
bank
erfüllt lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungs-
pflichten und führt Aufträge aus. Die … bank
spricht weder Empfehlungen für den
Kauf oder Verkauf von Wertpapieren aus noch bietet die Bank Beratungsleistungen."
3
In der der A AG eingeräumten Transaktionsvollmacht vom gleichen Tag
heißt es weiter:
"1. Ausschluss der Anlageberatung durch die …
bank; keine Prüfung von Transaktio-
nen des/der Bevollmächtigten
Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung erfüllt die … bank
lediglich ihre gesetzli-
chen Aufklärungs- und Erkundigungspflichten und führt Aufträge aus. Die … bank
gibt weder Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren noch bietet sie
Beratungsleistungen. Auf Beratungsleistungen und Anlageentscheidungen des/der Bevollmächtigte/n hat die … bank keinen Einfluss; die im Rahmen der Rechtsbeziehung
Kunde-Bevollmächtigte/r gemachten Angaben und Vorgaben kennt die …
sig nicht. Die …
regelmäs-
bank kontrolliert daher nicht die Einhaltung von Anlagevorgaben
-4-
des/der Kunden gegenüber dem/der Bevollmächtigten. Die …
bank
ist an Anla-
geentscheidungen und Vermögensdispositionen nicht beteiligt; sie kann die Einhaltung
von Vereinbarungen zur Art und Weise der Vermögensanlage nicht überprüfen.
3. Rechtsstellung des/der Bevollmächtigten
Der/die Bevollmächtigte ist nicht zur Abgabe von Erklärungen im Namen der … bank
berechtigt, er/sie wird nicht im Auftrag der … bank tätig."
4
In der Zeit vom 20. August 2007 bis zum 8. Mai 2008 erwarben die Kläger jeweils nach telefonischer Beratung durch einen Mitarbeiter der A AG Wertpapiere für insgesamt 79.530,21 €, u.a. Inhaber-Genussscheine der D
AG zum Nominalwert von insgesamt 50.000 € am 18. Januar, 7. und
8. Mai 2008 für insgesamt 53.556,20 €.
5
Die Kläger haben im Wege des Schadensersatzes die Zahlung von
53.556,20 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaber-Genussscheine der D
AG verlangt sowie unter Anrechnung von Ver-
kaufserlösen für andere Wertpapiere die Zahlung weiterer 15.019,57 € und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Hierbei berufen sie sich auf Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen der A AG, für die die Beklagte ihrer
Ansicht nach aus verschiedenen Rechtsgründen einzustehen habe.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das erste Berufungsurteil,
mit dem das Berufungsgericht der Klage bis auf die Rechtsanwaltskosten stattgegeben hat, hat der Senat mit Urteil vom 4. März 2014 (XI ZR 313/12, BKR
2014, 203) auf die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Darauf hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 53.556,20 €
-5-
nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaber-Genussscheine der
D
AG verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
A.
I.
7
Das Verfahren ist nicht unterbrochen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, trat die Beklagte
aufgrund der Verschmelzung als Gesamtrechtsnachfolgerin gemäß § 246
Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens kraft Gesetzes in den Prozess
ein (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151,
154 f.). Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht beantragt worden.
II.
8
Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft. Dieses hat die
Revision nicht nur beschränkt auf die depotvertragliche Haftung der Beklagten
kraft Wissenszurechnung zugelassen.
9
1. Eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente ist unzulässig. Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht
aber die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich
-6-
selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf
den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur
Senatsurteile vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 18 und vom
4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 21; BGH, Beschluss vom
16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils mwN).
10
Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff
beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch
zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (Senatsurteil vom
16. Oktober 2012, aaO; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010, aaO; jeweils
mwN). Allerdings muss es sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der
Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (Senatsurteil vom 4. März 2014, aaO;
BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010, aaO mwN und vom 7. Juni 2011
- VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4). Außerdem kann sich nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Beschränkung der Revisionszulassung auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben.
Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen,
die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist,
kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (Senatsurteile vom 20. März 2012 - XI ZR 340/10, juris Rn. 9, vom 16. Oktober 2012, aaO
Rn. 14 und vom 4. März 2014, aaO Rn. 18).
11
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Revision im vorliegenden
Fall für die Beklagte in vollem Umfang zugelassen.
-7-
12
Das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Im Tenor ist eine Beschränkung nicht erfolgt. Auch in den Entscheidungsgründen
heißt es nur, dass die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts
für die Beklagte zuzulassen ist. Danach folgt die Begründung der Revisionszulassung, nämlich der Hinweis auf die Grundsatzbedeutung der Frage nach der
Wissenszurechnung von außerhalb der Diensttätigkeit erlangtem Wissen trotz
der grundsätzlichen Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 116 AktG. Aus
dieser Begründung kann nicht zugleich die Darlegung eines Zulassungsgrundes
und die Beschränkung der Revision auf diesen herausgelesen werden, zumal
der Anwendungsbereich des § 116 AktG eine Rechtsfrage ist, auf die die Revision nicht wirksam beschränkt werden könnte.
B.
13
Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit zum Nachteil der Beklagten
erkannt worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Berufung der Kläger.
I.
14
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren erheblich, im Wesentlichen ausgeführt:
15
Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe den Klägern hinsichtlich der Erwerbsvorgänge im Jahr 2008 ein Schadensersatzanspruch gegen die
Beklagte wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag zu. Für die
-8-
Beklagte sei aufgrund der ihr zurechenbaren Kenntnis ihres damaligen Prokuristen W
(nachfolgend: W) zu diesem Zeitpunkt eine systematische Fehl-
beratung der gemeinsamen Kunden durch die A AG positiv bekannt und objektiv evident gewesen.
16
Auch bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehe eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB),
wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in
Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kenne oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident sei.
17
Die A AG habe durch ihre Berater die gemeinsamen Kunden der A AG
und der Beklagten systematisch fehlberaten. Diese systematische Fehlberatung
der Anlageberater der A AG mindestens gegenüber einem Teil der Kunden lasse sich am deutlichsten an zwei Ausprägungen belegen: der Fehleinstufung von
Wertpapieren in Risikoklassen und der Nicht-Übereinstimmung eines verkauften Produkts mit dem, was den Kunden gegenüber angegeben worden sei.
18
Der Zeuge W sei durch die Erörterung der Ergebnisse der K
-
Prüfung in der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 auf Anhaltspunkte für die
systematische Fehlberatung mindestens bestimmter Kundengruppen aufmerksam geworden, jedenfalls seien diese danach evident gewesen.
19
Der Beklagten seien die Erkenntnisse des Zeugen W zuzurechnen. Dieser habe die Kenntnisse in seiner beruflichen Funktion als Prokurist und damit
als Vertreter der Beklagten erlangt.
20
Der Wissenszurechnung stehe die Verschwiegenheitspflicht des Zeugen
W als Aufsichtsrat der A AG aus § 116 AktG nicht entgegen. Zutreffend gehe
die Beklagte davon aus, dass Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesell-
-9-
schaft der Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG unterliegen würden und
die Geltung des § 116 AktG zwingendes Recht sei. Nach allgemeiner Meinung
sei aber disponibel, welche Daten der Geltung des § 116 AktG unterliegen. Die
Aktiengesellschaft könne jederzeit ursprünglich geheim gehaltene Daten freigeben. Zwar würden die Erörterungen aus der Aufsichtsratssitzung am 11. Juli
2007 im Grundsatz ohne weiteres dem Schutzbereich des § 116 AktG unterliegen. Der Senat sei aber der Auffassung, dass wegen der besonderen Konstellation der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und der A AG hier eine
konkludente Willensbildung der A AG vorliege, wonach solche Daten, die für die
Durchführung der Kooperation zwischen der A AG und der Beklagten erforderlich seien, in dem Umfang nicht der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterfallen sollten, in dem der Beklagten gegen die A AG ein Anspruch aus diesen
Kooperationsvereinbarungen auf Bekanntgabe dieser Daten zustehe. Allen Beteiligten sei schon bei Berufung des Zeugen W in den Aufsichtsrat bewusst gewesen, dass bestimmte Kenntnisse, die der Zeuge W als Aufsichtsrat erwerben
könnte, für seine berufliche Tätigkeit als Bereichsleiter B2B der Beklagten mit
besonderer Zuständigkeit für die Vertragsbeziehungen zur A AG wesentlich
werden könnten. Wenn die Hauptversammlung der A AG unter solchen Umständen gerade den Zeugen W zum Aufsichtsrat bestelle, werde in dem Bestellungsakt zugleich zum Ausdruck gebracht, dass unter den genannten Begrenzungen diese Informationsweitergabe an die Beklagte gestattet sei. Dem stehe
nicht entgegen, dass für die Informationsweitergabe üblicherweise der Vorstand
der A AG zuständig sei. Dies stelle hier nur eine überflüssige Förmelei dar. Da
die Beklagte aus den Kooperationsvereinbarungen einen Anspruch auf aktive
Informationserteilung über die systematische Fehlberatung habe, sei es widersinnig, wenn sie sich auf eine Schutznorm berufen könne, die dem Schutz der
A AG und nicht der Beklagten diene. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die
Verschwiegenheitspflicht in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates ausdrück-
- 10 -
lich aufgeführt sei. Diese könne nicht weiter gehen als die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung.
21
Die Beklagte sei daher aufgrund der ihr zuzurechnenden Erkenntnisse
des Zeugen W verpflichtet gewesen, den von der K
festgestellten syste-
matischen Beratungsfehlern nachzugehen. Der Senat sei davon überzeugt,
dass zumindest die Feststellungen der K
bewiesen seien. Dies habe die
Beklagte aber allein aufgrund der ihr im Gefolge der Aufsichtsratssitzung vom
11. Juli 2007 zuzurechnenden Informationen nicht sogleich erkennen können
und müssen. Die behaupteten Verstöße seien aber so schwerwiegend, dass die
Beklagte aus den bestehenden Depotverträgen die Verpflichtung getroffen habe, die Feststellungen selbst zu überprüfen und sich dazu ergänzende Informationen zu verschaffen. Die für eine Validierung erforderlichen Informationen habe sich die Beklagte selbst beschaffen können, etwa durch Zugriff auf Erkenntnisse aus der Compliance und Revision bei der A AG. Außerdem habe sie Depots der Kunden auf das häufige Vorhandensein bestimmter nachrangiger Genussscheine und Anleihen nur selten am Markt gehandelter Emittenten überprüfen und sich aus den öffentlich zugänglichen Informationen in Verbindung
mit ihrem Fachwissen als Bank ein eigenes Bild über die richtige Risikoeinstufung der Wertpapiere machen können. Darüber hinaus habe sie weitere Teile,
wie insbesondere die Risikoeinstufung der einzelnen Kunden, bei der A AG in
Erfahrung bringen und gegebenenfalls weitere Prüfberichte anfordern müssen.
In der Zusammenschau dieser Informationen hätte sich dann für die Beklagte
das oben dargestellte Bild einer systematischen Fehlberatung bestätigt.
- 11 -
II.
22
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in den wesentlichen Punkten nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen
eine Verurteilung der Beklagten zu Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, § 241
Abs. 2 BGB nicht.
23
1. Das Berufungsgericht hat es bereits versäumt, die notwendigen Feststellungen zur individuellen Fehlberatung der Kläger bei den streitgegenständlichen Anlagegeschäften und damit zum objektiven Tatbestand einer nebenvertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten aus dem Depotvertrag zu treffen.
24
a) Nur wenn die Kläger bei den konkreten, den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Anlagegeschäften fehlerhaft beraten worden sind, kommt eine
Haftung der Beklagten für die entstandenen Schäden unter dem Gesichtspunkt
der Verletzung einer nebenvertraglichen Warnpflicht in Betracht. Wie der Senat
in seiner Grundsatzentscheidung vom 19. März 2013 (XI ZR 431/11, BGHZ
196, 370 Rn. 27) betont hat, besteht eine Warnpflicht als Nebenpflicht nur dann,
wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in
Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder wenn diese
Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (so
auch Senatsurteile vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24
Rn. 25, vom 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 24 und vom
4. März 2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 23). Objektives Tatbestandsmerkmal der Warnpflicht einer Direktbank als Nebenpflicht aus dem Depotvertrag ist die fehlerhafte Beratung des Anlegers im konkreten Einzelfall (vgl. hierzu auch Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124
Rn. 20 f. zur sittenwidrigen Überteuerung einer Eigentumswohnung und vom
6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14 f. zum Missbrauch der Ver-
- 12 -
tretungsmacht im bargeldlosen Zahlungsverkehr). Wurde der Kunde fehlerfrei
und damit ordnungsgemäß durch das kundennähere Unternehmen beraten,
besteht keine Warnpflicht der kundenferneren Direktbank. Im genannten Grundsatzurteil des Senats konnte diese Frage nur deshalb dahinstehen, weil die
Fehlberatung der dortigen Klägerin und Revisionsführerin vom damaligen Berufungsgericht offen gelassen worden war, so dass ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz als wahr zu unterstellen war (Senatsurteil vom 19. März 2013 - XI ZR
431/11, BGHZ 196, 370 Rn. 24).
25
b) Erst im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen einer Warnpflicht
kann, sofern der Direktbank die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall nicht positiv bekannt ist, die Kenntnis von der systematischen und damit
regelmäßigen Fehlberatung der Anleger durch das kundennähere Unternehmen
die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall objektiv evident erscheinen lassen. Die systematische Fehlberatung von Anlegern kann aber nicht
die tatsächliche Fehlberatung des jeweiligen Anspruchstellers ersetzen. Dies
gilt umso mehr, als das Berufungsgericht im vorliegenden Fall lediglich die systematische Fehlberatung "mindestens gegenüber einem Teil der Kunden" der
A AG feststellt, so dass der Schluss von der systematischen Fehlberatung auf
die tatsächliche Fehlberatung des einzelnen Kunden von vornherein nicht möglich ist.
26
c) Ob die Kläger tatsächlich bei den von ihnen getätigten Anlagegeschäften falsch beraten worden sind, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die
im Zusammenhang mit der Prüfung einer systematischen Fehlberatung aus
dem in Schriftform vorgelegten Inhalt der Beratungsgespräche der Kläger im
August 2007 und Januar 2008 gezogene Schlussfolgerung, dieser zeige "wie
wenig eine ordnungsgemäße Durchführung der erteilten Beratungsaufträge die
tatsächliche Praxis der A AG dominiert" habe, genügt hierfür nicht. Es fehlen
- 13 -
jegliche Feststellungen zu den Anlagezielen, dem Wissenstand und der Risikobereitschaft der Kläger zum Zeitpunkt der konkret in Rede stehenden Anlageentscheidungen, ohne die nicht beurteilt werden kann, ob die Beratung anlegergerecht war (vgl. zu den Anforderungen zusammenfassend Senatsurteil vom
27. September 2011 - XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 22 mwN). Die durch
das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen daher eine Verurteilung
der Beklagten unabhängig von den Angriffen der Revision in den folgenden
Punkten aus Rechtsgründen nicht, so dass das angegriffene Urteil schon deshalb keinen Bestand haben kann.
27
2. Aber auch die subjektiven Voraussetzungen einer Warnpflicht hat das
Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei bejaht. Ob das Berufungsgericht die systematische Fehlberatung der Anleger durch Berater der A AG, aus der es eine
objektive Evidenz der Fehlberatung der Kläger herleiten will, und die der Beklagten zurechenbare Kenntnis des Zeugen W von dieser systematischen Fehlberatung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, erscheint zweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls steht einer Zurechnung des
- unterstellten - Wissens des Zeugen W aus der Aufsichtsratssitzung vom
11. Juli 2007 von einer - ebenfalls unterstellten - systematischen Fehlberatung
der Anleger durch die A AG bzw. von Umständen, die diese objektiv evident
erscheinen lassen, die Verschwiegenheitspflicht des § 116 Satz 1 i.V.m. § 93
Abs. 1 Satz 3 AktG entgegen.
28
Das Berufungsgericht hat von der Revision unbeanstandet und damit
bindend festgestellt, dass der Zeuge W dieses - unterstellte - Wissen nicht gegenüber anderen Berufsträgern der Beklagten offenbart hat. Es könnte daher
nur dann eine Warnpflicht der Beklagten ausgelöst haben, wenn es ohne tatsächliche Weitergabe der Beklagten zugerechnet werden könnte. Einer solchen
Zurechnung steht jedoch die Verschwiegenheitspflicht des Zeugen W als Auf-
- 14 -
sichtsratsmitglied der A AG aus § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG
entgegen. Eine konkludente Befreiung des Zeugen W von dieser Schweigepflicht bei seiner Bestellung durch die Hauptversammlung für alle Daten, die die
Geschäftsbeziehung zur Beklagten betreffen und auf deren Bekanntgabe die
Beklagte einen vermeintlichen Anspruch hat, ist rechtlich nicht zulässig.
29
a) Noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass es sich bei den
vorläufigen Ergebnissen der Prüfung durch die K
um vertrauliche Angaben
bzw. ein Geheimnis der A AG im Sinne des § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 3 AktG handelt. Dabei muss es sich um nicht allgemein bekannte (offenkundige) Tatsachen handeln, an deren Geheimhaltung ein objektives Interesse
des Unternehmens besteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ
64, 325, 329 und Beschluss vom 5. November 2013 - II ZB 28/12, WM 2013,
2361 Rn. 47). Ohne Weiteres bestand ein objektives Interesse der A AG daran,
die noch vorläufigen und nicht vom Vorstand oder anderen Berufsträgern der
A AG überprüften Feststellungen der K
zum Kernbereich des Geschäfts-
betriebs der A AG zumindest vorläufig geheim zu halten. Einem Unternehmen
droht bei sofortiger Veröffentlichung oder Weitergabe solcher Informationen
erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Für die Qualifikation einer Information als
vertrauliche Angabe oder Geheimnis ist die Frage der vertraglichen oder gesetzlichen Offenbarungs- bzw. Mitteilungspflicht ohne Bedeutung.
30
b) Aufgrund der Vertraulichkeit dieser Angaben bestand für den Zeugen
W eine Pflicht zur Verschwiegenheit. Diese Pflicht besteht gegenüber allen
nicht zu den Organmitgliedern der Gesellschaft gehörenden Personen (MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG Rn. 56; Spindler in Spindler/Stilz,
AktG, 3. Aufl., § 116 AktG Rn. 103 und 106; Hopt/Roth in GroßkommAktG,
4. Aufl., § 116 Rn. 219 und 246; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl., § 21 Rn. 611; Flore, BB 1993, 133, 134; Keilich/Brummer, BB
- 15 -
2012, 897, 898), insbesondere für in den Aufsichtsrat gewählte Bankenvertreter
gegenüber ihrem Arbeitgeber (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., BankGesch (7),
A/16; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265;
Schröter in Bankrechtstag 2002, S. 161, 168). Nur wenn diese Verschwiegenheitsverpflichtung absolut gilt, ist gewährleistet, dass der Aufsichtsrat seine gesetzliche Überwachungs- und Beratungsfunktion erfüllen kann, da diese das
notwendige Korrelat zu den umfassenden Informationsrechten des Aufsichtsrats bildet (BT-Drucks. 14/8769, S. 18) und der Vorstand den Aufsichtsrat frühzeitig über sensible Vorfälle, Daten und Vorhaben informieren kann, ohne dass
er die Weitergabe - speziell an das finanzierende Kreditinstitut oder die Hausbank - und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für das Unternehmen befürchten muss (MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG
Rn. 49). Für solche Umstände, die unter die Verschwiegenheitspflicht aus § 116
Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG fallen und durch deren Weitergabe das
Aufsichtsratsmitglied seine Schweigepflicht verletzen würde, scheidet eine Wissenszurechnung - gleich auf welcher Rechtsgrundlage - von vornherein aus
(Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265;
Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten,
1998, S. 276; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 477; Buck-Heeb,
WM 2008, 281, 284; Schröter in Bankrechtstag 2002, S. 161, 168; Faßbender/
Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256).
31
Eine Kollision der Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber seinem
Arbeitgeber und der Gesellschaft, in deren Aufsichtsrat er gewählt oder entsandt wurde, rechtfertigt eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht
nicht, da diese wegen der meist nebenberuflichen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ganz bewusst im System angelegt ist und dieses Spannungsfeld vom
Gesetzgeber gesehen und, wie der Straftatbestand des § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG
deutlich belegt (Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981),
- 16 -
252, 265; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 477), zugunsten der
von der Schweigepflicht geschützten Gesellschaft entschieden worden ist (BTDrucks. 14/8769, S. 18; vgl. hierzu Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl.,
§ 116 AktG Rn. 116; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265; Buck-Heeb, AG 2015,
801, 811). Die aufgrund der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 in seiner
Funktion als Aufsichtsratsmitglied der A AG erlangte - unterstellte - Kenntnis
des Zeugen W von einer angenommenen systematischen Fehlberatung der
Kunden der A AG durch deren Mitarbeiter könnte der Beklagten daher nicht
zugerechnet und zur Begründung einer Warnpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB herangezogen werden.
32
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht im Vorhinein für einen bestimmten Themenbereich generell
von der Schweigepflicht entbunden werden. Das Schweigegebot des § 116
Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist eine abschließende Regelung, die
nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung gemildert oder verschärft werden
kann (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 326 f.). Allein das objektiv zu beurteilende Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung bestimmt die Reichweite und den Inhalt der Verschwiegenheitspflicht.
Deshalb ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung gerade nicht disponibel, welche Informationen der Geltung des
§ 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG unterliegen sollen (Hopt/Roth in
GroßkommAktG, 4. Aufl., § 116 Rn. 233), da andernfalls die Verschwiegenheitspflicht nach Belieben ausgehöhlt und damit abgemildert oder ergänzt und
damit verschärft werden könnte, was aber ihrem Charakter als zwingendes
Recht widerspräche. Eine im Vorhinein erklärte bereichsweite Befreiung eines
Aufsichtsratsmitgliedes ist daher weder ausdrücklich noch konkludent rechtlich
möglich.
- 17 -
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d) Darüber hinaus ist die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft
nicht befugt, über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse zu
befinden. Eine vertrauliche Angabe oder ein Geheimnis unterfällt solange der
Schweigepflicht, bis sie bzw. es allgemein bekannt geworden oder durch den
Vorstand freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Pflicht offenbart worden ist
(MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG Rn. 50; Drygala in Schmidt/
Lutter, AktG, 3. Aufl., § 116 Rn. 32). Allein der Vorstand ist "Herr der Gesellschaftsgeheimnisse" und kann im Einzelfall nach sorgfältiger Abwägung der
widerstreitenden Interessen für eine Offenbarung optieren und die betreffende
vertrauliche Angabe oder das Geheimnis öffentlich machen (BGH, Urteil vom
5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329 und Beschluss vom 14. Januar
2014 - II ZB 5/12, WM 2014, 618 Rn. 77; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl.,
§ 116 AktG Rn. 62; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 116 AktG
Rn. 102; Hopt/Roth in GroßkommAktG, 4. Aufl., § 116 Rn. 239; Mertens/Cahn
in KK AktG, 3. Aufl., § 116 Rn. 51; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, Aktiengesetz, 2. Aufl., § 116 Rn. 50; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl., § 14 Rn. 401; Wilsing/von der Linden, ZHR 178 (2014), 419,
432). Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Gesellschaft zur Offenbarung
vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist. Auch hier liegt es in der Entscheidungsgewalt des Vorstandes, wann und wie er welche Informationen zur Erfüllung der Verpflichtung der Gesellschaft offenbart. Zwar ist anerkannt, dass sich
der Aufsichtsrat in Einzelfällen selbst von der Verschwiegenheitspflicht befreien
kann, jedoch betrifft dies nur aus dem Aufsichtsrat selbst stammende Umstände, wie Abstimmungsgegenstände und Diskussionsinhalte (vgl. BGH, Urteile
vom 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 40 und vom 19. Februar
2013 - II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 30), und würde lediglich dazu führen,
dass das Aufsichtsratsmitglied für eine tatsächlich erteilte Auskunft nicht haftbar
wäre. Die vom Berufungsgericht angenommene Befreiung des Zeugen W von
- 18 -
der Verschwiegenheitspflicht durch die Hauptversammlung aus Anlass seiner
Bestellung war schon aufgrund dieser Zuständigkeitsregelung rechtlich nicht
möglich und kann daher eine Wissenszurechnung an die Beklagte nicht begründen. Die gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft
stellt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine "überflüssige
Förmelei" dar.
34
e) Eine im Einzelfall durch den Vorstand der A AG erteilte Befreiung im
Sinne einer ausdrücklichen oder konkludenten Entscheidung zur Offenbarung
der vorläufigen Ergebnisse der Prüfung durch die K
hat das Berufungsge-
richt nicht festgestellt und wurde von den Parteien in den Tatsacheninstanzen
auch nicht behauptet.
35
f) Weil die Verschwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1
Satz 3 AktG eine Wissenszurechnung generell ausschließt, kann dahinstehen,
ob es sich um vom Zeugen W privat oder im Zusammenhang mit seiner Funktion als Prokurist der Beklagten erlangtes Wissen handelt. Der Senat muss auch
nicht über die Anwendbarkeit des § 166 BGB (analog) im konkreten Fall befinden.
36
3. Rechtsfehlerhaft ist außerdem die Auffassung des Berufungsgerichts,
die Beklagte sei aufgrund der behaupteten Verstöße der A AG verpflichtet gewesen, die Feststellungen der K
selbst zu prüfen und sich die dazu erfor-
derlichen Informationen zu verschaffen. In den Fällen, in denen die - hier unterstellte - Fehlberatung des Kunden nicht objektiv evident, sondern nur möglich
oder wahrscheinlich ist, besteht keine Pflicht der Bank, diesem Verdacht nachzugehen und die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
37
a) Wie bereits ausgeführt, besteht eine Warnpflicht als Nebenpflicht nur
dann, wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei
- 19 -
dem in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder
wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (Senatsurteile vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370
Rn. 27, vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24 Rn. 25, vom
4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 24 und vom 4. März 2014
- XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 23). Nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs muss ein Kreditinstitut im Falle von nebenvertraglichen
Aufklärungs-, Warn- und Hinweispflichten nur das ihm präsente Wissen offenbaren. Die Bank ist also nur verpflichtet, von ihr als wesentlich erkanntes Wissen zu offenbaren, nicht aber sich durch eigene Nachforschungen hinsichtlich
etwaiger Risiken den Wissensvorsprung erst zu verschaffen (Senatsurteile vom
18. November 2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 173 mwN und vom
29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 19). Ausnahmsweise steht
die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen der positiven
Kenntnis dann gleich, wenn sich diese einem zuständigen Bankmitarbeiter nach
den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; er ist dann nach Treu und
Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen
(Senatsbeschluss vom 28. Januar 1992 - XI ZR 301/90, WM 1992, 602, 603;
Senatsurteile vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, vom 29. April
2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 20, vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07,
BGHZ 176, 281 Rn. 14 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014,
124 Rn. 21).
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b) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte
das tatsächliche Vorliegen der von der K
vermeintlich festgestellten sys-
tematischen Beratungsfehler weder erkennen konnte noch musste, selbst wenn
- wie nicht - sie Kenntnis vom Beratungsgegenstand der Aufsichtsratssitzung
vom 11. Juli 2007 hatte. Diese waren mithin auch nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht objektiv evident. Damit bestand keine Hinweis- und Warnpflicht
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der Beklagten gegenüber den Klägern. Eine Verpflichtung der Beklagten, wie
vom Berufungsgericht gefordert, sich aufgrund des Verdachts einer Fehlberatung die zur Validierung der Feststellungen der K
erforderlichen Informati-
onen zu beschaffen, die richtige Einstufung der Wertpapiere in Risikoklassen
vorzunehmen und bei der A AG nachzufragen, in welchen Risikoklassen die
einzelnen Kunden erfasst waren, bestand nicht.
III.
39
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Wie der Senat zu mehreren Parallelfällen bereits entschieden hat und auch das Berufungsgericht nicht verkennt, scheidet eine Haftung
der Beklagten aus einem Beratungsvertrag, aus § 128 HGB analog und aus
§§ 826, 830 BGB aus (Senatsurteile vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ
196, 370 Rn. 41 mwN, vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24
Rn. 21 und vom 4. März 2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 21).
IV.
40
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt dazu, dass die Berufung
der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts insgesamt zurückzuweisen ist.
41
Weitere Beweismittel oder weitergehenden substantiierten Vortrag für eine, etwa bei der Compliance- und Revisionstätigkeit der Beklagten für die A AG
erlangte, Kenntnis der Beklagten von der - unterstellten - Falschberatung der
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Kläger bei den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften oder die objektive
Evidenz der diese Falschberatung begründenden Tatsachen als Voraussetzung
für eine Haftung der Beklagten aus der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB) aus dem Depotkonto-Vertrag bieten
die Kläger nicht an.
Ellenberger
Maihold
Derstadt
Matthias
Dauber
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 27.07.2011 - 35 O 149/11 OLG München, Entscheidung vom 14.04.2015 - 5 U 3672/11 -