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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 46/10
Verkündet am:
13. Oktober 2010
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger und Dr. Hessel, den Richter Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 13. Zivilkammer
des Landgerichts Duisburg vom 9. Februar 2010 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin im Bahnhofscenter
1
D.
-M.
. Die Parteien streiten darüber, ob bei den Betriebskosten
ein Vorwegabzug für die in den ersten drei Stockwerken des Komplexes untergebrachten gewerblichen Nutzer - unter anderem Lebensmittelgeschäft, Behörde, Gaststätte, Praxen von Ärzten und Steuerberatern - vorzunehmen ist.
-3-
Die Klägerin verlangt Bezahlung der sich aus den Betriebs- und Heizkos-
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tenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebenden Salden, insgesamt
1.411,34 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung
der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.389,70 € nebst Zinsen verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die
Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 101,40 €
nebst Zinsen verurteilt worden war. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antrags-
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gemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war.
Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60,
BGHZ 37, 79, 81 ff.).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
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führt:
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Der Klägerin stehe lediglich ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von
101,40 € nebst Zinsen zu, der sich aus den Salden der Heizkostenabrechnun-
-4-
gen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebe. Ein Nachzahlungsanspruch aus den
Abrechnungen über die weiteren Betriebskosten für die Jahre 2005 bis 2007
stehe der Klägerin nicht zu. Die in den Abrechnungen ausgewiesenen Salden
seien nicht fällig, weil die Abrechnungen in mehrfacher Hinsicht nicht den an sie
zu stellenden formellen Anforderungen entsprächen.
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Bei der Zusammenstellung der Gesamtkosten habe es die Klägerin unterlassen, die nicht auf die Wohnnutzung entfallenden Kosten zu ermitteln und
das Ergebnis nachvollziehbar in der Abrechnung mitzuteilen. Ihre Auffassung,
eine Vorerfassung sei nicht nötig, weil keine erhebliche Mehrbelastung der Beklagten als Wohnungsmieterin stattfinde, könne nicht geteilt werden.
Hinsichtlich der Grundsteuer habe die Klägerin im Abrechnungsjahr 2005
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- ohne das in der Abrechnung selbst darzulegen - aus den Gesamtkosten von
44.347,88 € einen auf die Wohnraummieter entfallenden Anteil von 6.106,70 €
ermittelt und diesen Betrag nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die
Wohnraummieter umgelegt. In den Folgeabrechnungen habe sie die gesamte
Grundsteuer allein nach dem Flächenanteil umgelegt, ohne auch dies zu erläutern.
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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Darlegungs- und Beweislast für erhebliche Mehrkosten bei gewerblicher Nutzung sei angesichts
eines gewerblichen Nutzungsanteils von 87 % mit starkem Publikumsverkehr
nicht anwendbar. Es liege auf der Hand, dass in den Bereichen Allgemeinstrom,
Aufzug, Pflege der Außenanlagen, Müllabfuhr, Hausmeister, Hausreinigung
sowie Heizung und Wartung erhebliche Mehrkosten entstünden. Ein Vergleich
der Kosten für Allgemeinstrom und Gebäudereinigung mit den Durchschnittskosten nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes zeige,
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dass der Beklagten deutlich zu hohe Kosten in Rechnung gestellt worden seien.
II.
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Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in mehrfacher
Hinsicht nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung
kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der sich aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebenden Salden nicht verneint werden. Die klagegegenständlichen Betriebskostenabrechnungen sind entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen formeller Mängel unwirksam.
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Formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung nach der
Rechtsprechung des Senats, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des
§ 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen
und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in
die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und - soweit zum Verständnis erforderlich - die Erläuterung der
zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters
und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters (Senatsurteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 295/07, NZM 2009, 78 Rn. 21; vom 28. Mai 2008
- VIII ZR 261/07, NJW 2008, 2260 Rn. 10; vom 9. April 2008 - VIII ZR 84/07,
NJW 2008, 2258 Rn. 15; st. Rspr.). Diesen Anforderungen werden die Abrechnungen der Klägerin gerecht.
-6-
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1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gehört die Vornahme
eines Vorwegabzugs für die gewerbliche Nutzung selbst dann nicht zu den an
eine Abrechnung zu stellenden Mindestanforderungen, wenn durch die gewerbliche Nutzung ein erheblicher Mehrverbrauch verursacht wird und deshalb ein
solcher Vorwegabzug geboten ist.
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Allerdings dürfen nach der Rechtsprechung des Senats die Kosten nicht
vorab - außerhalb der dem Mieter erteilten Abrechnung - um nicht umlagefähige
Anteile bereinigt werden; in einem solchen Fall fehlt es an der erforderlichen
Angabe der „Gesamtkosten“ (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - VIII ZR 1/06,
NZM 2007, 244 Rn. 9 ff.).
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Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, denn die Klägerin hat die Gesamtkosten angegeben, die für den abzurechnenden Komplex entstanden sind.
Ein etwa zu Unrecht unterbliebener Vorwegabzug betrifft (nur) die materielle
Richtigkeit der Abrechnung und führt deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Abrechnung insgesamt, sondern zu einer entsprechenden Korrektur um den erforderlichen Vorwegabzug.
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2. Das Berufungsgericht hat ferner verkannt, dass ein formeller Fehler
nur dann zur Unwirksamkeit der Abrechnung insgesamt führt, wenn er sich
durchgängig durch die gesamte Abrechnung zieht. Betrifft ein solcher Fehler
nur einzelne Kostenpositionen, bleibt die Abrechnung im Übrigen unberührt,
wenn die jeweiligen Einzelpositionen unschwer herausgerechnet werden können (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - VIII ZR 1/06, aaO Rn. 11). Eine sich
aus der Betriebskostenabrechnung ergebende Nachforderung verbleibt dem
Vermieter dann insoweit, als sie auch ohne Berücksichtigung der unwirksam
abgerechneten Positionen gerechtfertigt ist.
-7-
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3. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Abrechnungen der Klägerin hinsichtlich der Position
„Grundsteuer“ seien mangels ausreichender Erläuterung in der Abrechnung
selbst nicht nachvollziehbar und genügten deshalb nicht den Mindestanforderungen.
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a) Hinsichtlich der Abrechnungszeiträume 2006 und 2007 beanstandet
das Berufungsgericht zu Unrecht, dass die Klägerin ohne weitere Erläuterung
eine Umlage nach dem Flächenanteil vorgenommen habe. Einer Erläuterung
bedarf es nicht, soweit ein Umlageschlüssel - wie der Flächenmaßstab - aus
sich selbst heraus verständlich ist (Senatsurteil vom 19. November 2008
- VIII ZR 295/07, aaO).
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b) Bezüglich der Abrechnung für das Jahr 2005 hat das Berufungsgericht
allerdings richtig gesehen, dass eine vorweg vorgenommene Aufteilung der
Gesamtkosten der Grundsteuer auf die gewerblichen Mieter einerseits und die
Wohnraummieter andererseits nachvollziehbar sein muss. Zur Wirksamkeit der
Abrechnung ist insoweit erforderlich, dass für den Mieter die Gesamtkosten und
der Rechenschritt ersichtlich sind, mit dem der dann weiter auf die Wohnraummieter aufgeteilte Betrag von 6.106,70 € ermittelt wurde.
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In der Abrechnung der Klägerin ist der Gesamtbetrag der Grundsteuer
- 44.347,88 € - angegeben; lediglich der Rechenschritt, mit dem die Klägerin
den auf die Mietwohnungen entfallenden Betrag ermittelt hat, erschließt sich
aus der Abrechnung selbst nicht. Anders als das Berufungsgericht offenbar
meint, sind jedoch auch Erläuterungen zu berücksichtigen, die der Vermieter
dem Mieter außerhalb der Abrechnung mitgeteilt hat, zum Beispiel im Mietvertrag, anlässlich einer vorangegangenen Abrechnung oder auf eine Nachfrage
des Mieters hin; dies muss lediglich vor Ablauf der Abrechnungsfrist geschehen
-8-
(vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 295/07, aaO Rn. 27). Das
Amtsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin der Beklagten bereits im Rechtsstreit über die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2001 bis 2004 in den Schriftsätzen vom 3. März und 23. Oktober 2006 erläutert hat, dass sie die Gesamtkosten für die Grundsteuer nach dem Verhältnis
der Summe der Wohnflächen einerseits und der Summe der Gewerbeflächen
andererseits auf beide Mietergruppen aufteilt und die Verteilung des so für die
Wohnungen ermittelten Betrags auf die einzelnen Wohnungen nach dem Flächenmaßstab vornimmt. Damit hat die Klägerin letztlich die Verteilung insgesamt nach dem Flächenmaßstab durchgeführt und hierzu nur zwei Rechenschritte vorgenommen. Einer Wiederholung dieser Erläuterung in der für das
Jahr 2005 am 6. September 2006 erteilten Abrechnung bedurfte es unter diesen Umständen nicht.
III.
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Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit
zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur materiellen Richtigkeit der Abrechnungen getroffen hat. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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Nach der Rechtsprechung des Senats, von der auch das Berufungsgericht im Ansatz ausgeht, ist ein Vorwegabzug aus Billigkeitsgründen erforder-
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lich, wenn die Gewerbenutzung bei der Abrechnung nach dem Flächenmaßstab, also pro Quadratmeter Fläche, zu einer erheblichen Mehrbelastung der
Wohnungsmieter führt (Senatsurteile vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW
2006, 1419 Rn. 30 f. sowie vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 251/05, NJW 2007,
211 Rn. 15 f.).
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Darauf, ob zur Abrechnungseinheit nur einzelne gewerbliche Nutzer gehören oder der gewerblich genutzte Flächenanteil - wie hier - überwiegt, kommt
es nicht an, da die Kosten pro Quadratmeter maßgeblich sind. Dafür, dass
durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten entstehen, die einen
Vorwegabzug erforderlich machen, trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 251/05, aaO Rn. 16). Der
Umstand, dass der gewerblich genutzte Flächenanteil überwiegt, rechtfertigt
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Umkehr der Darlegungsund Beweislast zu Lasten des Vermieters. Denn auch in diesem Fall kann der
Mieter hinsichtlich der hierfür erforderlichen Informationen Auskunft vom Vermieter und Einsicht in die der Abrechnung zu Grunde liegenden Belege verlangen; soweit der Mieter danach weiterhin nicht in der Lage sein sollte, die für
einen Vorwegabzug der Gewerbeflächen maßgebenden Tatsachen vorzutragen, während der Vermieter über die entsprechende Kenntnis verfügt und ihm
nähere Angaben zumutbar sind, kommt zu Gunsten des Mieters eine Modifizierung seiner Darlegungslast nach den Grundsätzen über die sekundäre Behauptungslast (hier des Vermieters) in Betracht (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006,
- VIII ZR 251/05, aaO).
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Ob die Betriebskosten pro Quadratmeter bei den gewerblichen Einheiten
wesentlich höher sind als bei den vermieteten Wohneinheiten, lässt sich nicht
pauschal mit dem Hinweis auf erhöhten Publikumsverkehr der Gewerbeeinheiten oder durch einen Vergleich mit den in einem Betriebskostenspiegel ausge-
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wiesenen Durchschnittskosten begründen, sondern kann nur anhand der konkreten Gegebenheiten des Gebäudekomplexes einerseits und der Art der gewerblichen Nutzung andererseits beurteilt werden. Dabei ist hinsichtlich der einzelnen Betriebskosten zu differenzieren. So mag der von einem Discounter
oder einer Gaststätte verursachte Publikumsverkehr je nach den örtlichen Gegebenheiten beim Turnus der Gebäudereinigung zu einer Vervielfachung mit
entsprechenden Kostensteigerungen bei dieser Position der Betriebskosten
führen, während die Gartenpflege oder Gebäudeversicherung nicht notwendig
aufwendiger oder wesentlich teurer ist, wenn sie sich nicht auf einen reinen
Wohnkomplex bezieht, sondern auf ein Gebäude, in dem auch Büros, Arztpraxen oder Läden untergebracht sind.
Ball
Dr. Milger
Dr. Schneider
Dr. Hessel
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Duisburg-Ruhrort, Entscheidung vom 02.07.2009 - 9 C 682/08 LG Duisburg, Entscheidung vom 09.02.2010 - 13 S 156/09 -