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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 329/08
Verkündet am:
20. Januar 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 10 Abs. 1, 6, 8; BGB § 421
Für Verbindlichkeiten aus einem Vertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haften die Wohnungseigentümer nur dann als Gesamtschuldner, wenn sie sich
neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (Bestätigung von BGHZ 163, 154).
BGH, Urteil vom 20. Januar 2010 - VIII ZR 329/08 - LG Berlin
AG Berlin-Spandau
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 und 3 wird das Versäumnisteil- und Schlussurteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin
vom 14. Oktober 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagten sind - neben anderen - Miteigentümer eines Grundstücks
in Berlin und als solche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft "A.
6". Die Klägerin versorgt das Grundstück mit Frischwasser und entsorgt
das auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser.
2
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 3.565,91 € für die Belieferung mit Wasser und die
Entsorgung des Abwassers im Zeitraum vom 28. April 2006 bis 27. März 2007
-3-
in Anspruch. Hinsichtlich der Frischwasserversorgung stützt sie sich hierbei auf
die "Ergänzenden Bedingungen der Berliner Wasserbetriebe zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung", die auszugsweise lauten wie
folgt:
"1. Vertragsabschluss (zu § 2 AVBWasserV)
(1) Die Berliner Wasserbetriebe liefern Wasser aufgrund eines privatrechtlichen Versorgungsvertrages. Der Versorgungsvertrag wird im Allgemeinen mit dem Eigentümer ... des anzuschließenden Grundstücks
abgeschlossen ...
(2) Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von
Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so
wird der Versorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner ...
..."
3
Bezüglich der Abwasserentsorgung sieht die Klägerin die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten auf der Grundlage der "Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE)" als begründet an, die auszugsweise
lauten wie folgt:
"§ 1 Vertragsverhältnis
(1) ...
(2) ...
Vertragspartner der Berliner Wasserbetriebe sind der Grundstückseigentümer ...
(3) Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von
Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so
wird der Entsorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigen-
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tümer geschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner ...
..."
4
Nach entsprechender Erklärung der Beklagten zu 1 hat das Amtsgericht
gegen diese ein Teilanerkenntnisurteil in Höhe von 1.188,64 € erlassen und die
Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage hinsichtlich aller drei Beklagten stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstreben die Beklagten zu 2 und 3 - die Beklagte zu 1 hat in
den Rechtsmittelverfahren keine Anträge mehr gestellt - die Wiederherstellung
des amtsgerichtlichen Urteils, soweit es die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen hat.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision hat Erfolg.
I.
6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
7
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen
Forderungen aus den zwischen der Klägerin und allen Wohnungseigentümern
der Wohnungseigentümergemeinschaft "A.
6" zustande gekommenen
Verträgen über die Versorgung bzw. Entsorgung des Grundstücks zu.
8
Die jeweiligen Vertragsangebote der Klägerin lägen in der Bereitstellung
von Leistungen ihres Versorgungsunternehmens. Diese Realofferten hätten
sich vorliegend an die Grundstückseigentümer gerichtet. Die Klägerin habe in
ihren Versorgungsbedingungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht,
dass sich ihr Vertragsangebot an den "Grundstückseigentümer", bei einer "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" an diese richte. Dies bedeute bei ver-
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ständiger Auslegung, dass die Klägerin unmittelbar mit den einzelnen Wohnungseigentümern habe kontrahieren wollen, da diese - und nicht die grundbuchunfähige Eigentümergemeinschaft - Grundstückseigentümer bzw. Miteigentümer seien. Die nach den Vertragsbedingungen an die "Gemeinschaft von
Wohnungseigentümern" gerichteten Angebote seien jeweils mit dem Zusatz
versehen, dass jeder Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner hafte. Diese
Regelung sei klar und eindeutig. Ein weiterer Anhalt für dieses Auslegungsergebnis liege in dem Umstand, dass die Grundstücke in Berlin dem Anschlussund Benutzungszwang unterlägen, der bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft die einzelnen Miteigentümer treffe; dies spreche dafür, dass diese und
nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Adressaten der Vertragsangebote der Klägerin anzusehen seien.
9
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2007 (VIII ZR
125/06) stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar sei dort ausgeführt worden, dass nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nunmehr im Außenverhältnis in der Regel der Verband der Wohnungseigentümer Vertragspartner sei; dies betreffe indes nur die - hier nicht
vorliegende - Konstellation, dass das Versorgungsunternehmen mit dem Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft einen Versorgungsvertrag
schließe.
II.
10
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für die von der Klägerin geforderten Entgelte ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Gesetz.
11
1. Die Realofferten der Klägerin richteten sich, anders als das Berufungsgericht meint, nach den vorstehend wiedergegebenen Vertragsbedingungen der Klägerin nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die hiervon abweichende Auslegung
des Berufungsgerichts bindet den Senat nicht. Bei den Versorgungsbedingun-
-6-
gen der Klägerin handelt es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen,
deren räumlicher Geltungsbereich sich auf das Land Berlin beschränkt. Gleichwohl erstreckt sich ihre Geltung "über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus"; denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist im Berufungsrechtszug das
Kammergericht oder das Landgericht Berlin zuständig. Die daraus resultierende
Gefahr widerstreitender Berufungsurteile hat sich, worauf das Berufungsgericht
hinweist, auch bereits verwirklicht. Der Senat kann die hier in Rede stehenden
Klauseln der Vertragsbedingungen der Klägerin daher selbst unbeschränkt auslegen (vgl. BGHZ 163, 321, 323 f.).
12
Die genannten Klauseln sind dahin auszulegen, dass die Vertragsangebote sich an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer richten. Denn sie
bestimmen ausdrücklich, dass dann, wenn an die Stelle eines Hauseigentümers
eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern tritt, der Ver- beziehungsweise
Entsorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeschlossen wird. Mit der konkludenten Annahme der Angebote der Klägerin sind
Verträge über die Belieferung mit Wasser und die Abwasserentsorgung jeweils
mit der Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern zustande gekommen. Der Bezug von Frischwasser und die
Entsorgung des auf dem gemeinsamen Grundstück anfallenden Abwassers
sind Verwaltungsangelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft. Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 154 ff.), die der Gesetzgeber zum 1. Juli 2007 in der Vorschrift des § 10 Abs. 6 WEG umgesetzt
hat, rechtsfähig. Dies hat Konsequenzen für das Haftungssystem. Konnte ein
Gläubiger für Schulden der Gemeinschaft nach früherer Auffassung sämtliche
Wohnungseigentümer als Vertragspartner und somit als Gesamtschuldner in
Anspruch nehmen, ist Vertragspartner nunmehr in der Regel das teilrechtsfähige Subjekt, der Verband. Er haftet mit seinem Verwaltungsvermögen. Daneben
kommt eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer nicht von Gesetzes wegen, sondern nur in Betracht, wenn sie sich neben
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dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (BGHZ 163,
154, 172 f.).
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Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar sehen die Vertragsbedingungen der Klägerin jeweils vor, dass jeder Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haftet. Hieraus ergibt sich indessen nicht klar und eindeutig, dass
eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer
persönlich neben der Haftung des Verbands begründet werden sollte. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die hier zu beurteilenden Vertragsbedingungen der Klägerin aus der Zeit vor dem Bekanntwerden der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft stammen. Unter diesen Umständen spricht gegen ein solches Verständnis schon die Tatsache, dass nach damaliger Auffassung mangels
Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft allein eine persönliche
Haftung der Wohnungseigentümer in Betracht kam, so dass für die Begründung
einer akzessorischen Haftung der Wohnungseigentümer neben der Gemeinschaft keine Veranlassung bestand (so zutreffend KG, Urteil vom 24. Januar
2008 - 19 U 8/07, juris). Erkennbarer Sinn der Klauseln kann es dann nur gewesen sein, die als gegeben vorausgesetzte Eigenhaftung der Wohnungseigentümer inhaltlich dahin auszugestalten, dass jeder Wohnungseigentümer für
Verbindlichkeiten der Gemeinschaft als Gesamtschuldner und nicht nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil haften solle.
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2. Auch das Gesetz sieht eine gesamtschuldnerische Mithaftung der
Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vor. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG haftet vielmehr jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft.
-8-
III.
15
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Eine eigene
Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist. Denn die Beklagten haften für die Schulden der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar nicht als Gesamtschuldner, jedoch gemäß § 10
Abs. 8 Satz 1 des am 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetzes nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Miteigentumsanteils.
§ 10 Abs. 8 WEG ist als Vorschrift des materiellen Rechts, für das eine § 62
Abs. 1 WEG entsprechende Übergangsvorschrift fehlt, auch auf vor Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften anwendbar (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR
196/08, NJW 2009, 2521, Tz. 14 m.w.N.). Zu den Miteigentumsanteilen der Beklagten zu 2 und 3 hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Achilles
Dr. Hessel
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Berlin-Spandau, Entscheidung vom 19.03.2008 - 13 C 518/07 LG Berlin, Entscheidung vom 14.10.2008 - 9 S 7/08 -