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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 97/04
Verkündet am:
12. Mai 2005
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
EStG § 48
a) Der Leistungsempfänger ist im Falle der Abtretung der Werklohnforderung durch
den Leistenden nur dann von der Abzugspflicht entbunden, wenn eine für den Leistenden erteilte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird.
b) Nimmt ein Leistungsempfänger den Steuerabzug vor und führt den Abzugsbetrag
an das Finanzamt ab, tritt hinsichtlich der Werklohnforderung Erfüllungswirkung
ein, es sei denn, für den Leistungsempfänger war aufgrund der ihm zum Zeitpunkt
der Zahlung bekannten Umstände eindeutig erkennbar, daß eine Verpflichtung
zum Steuerabzug nicht bestand (im Anschluß an BGH, Urteil vom 17. Juli 2001 X ZR 13/99, BauR 2001, 1906).
BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 - VII ZR 97/04 - OLG Köln
LG Köln
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und die Richterin Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 2. April 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung, welche die
Beklagte wegen einer Werklohnforderung im Umfang des von der Klägerin abgeführten Steuerabzugs nach § 48 EStG in Höhe von 3.599,36 € betreibt.
Die Klägerin beauftragte die inzwischen liquidierte Firma A. mit Bauarbeiten für eine Kläranlage. Nach Abrechnung der Arbeiten trat diese den Werklohnanspruch im November 2000 an die Beklagte ab. Die Beklagte machte die
Werklohnforderung in einem Vorprozeß mit umgekehrten Parteirollen geltend.
Die jetzige Klägerin wurde mit Urteil vom 5. November 2002 verurteilt, an die
Beklagte 23.995,75 € zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig. Nachdem die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg zur Vorlage einer Freistellungsbescheinigung der
Zedentin gemäß § 48 b EStG aufgefordert hatte, zahlte sie im März 2003 an die
-3-
Beklagte 85 % der titulierten Forderung. Die restlichen 15 %, also 3.599,36 €,
führte sie als Steuerabzug an das für die Zedentin zuständige Finanzamt ab.
Die Beklagte betreibt wegen dieses Betrages von 3.599,36 € die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 5. November 2002.
Auf die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin hat das Landgericht die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht meint, der Zahlung des Leistungsempfängers
(= Bestellers) an den durch das gesetzliche Abzugsverfahren des § 48 EStG
gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger komme für die zugrundeliegende
Werklohnforderung Erfüllungswirkung zu, wenn und soweit der Abzug zu Recht
und dem Umfang nach richtig vorgenommen worden sei. Der Steuergläubiger
könne in Höhe des Abzugsbetrags kraft gesetzlicher Überleitung die Forderung
aus dem Werkvertrag zur Tilgung der Steuerschuld des Werklohngläubigers
beanspruchen.
Auch im Falle der Abtretung unterliege die vom Leistungsempfänger zu
entrichtende Gegenleistung für eine im Inland erbrachte Bauleistung unter den
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Voraussetzungen des § 48 EStG dem Steuerabzug für Rechnung des Leistenden. Mit der Abtretung trete der Zessionar nicht an die Stelle des Leistenden im
Sinne des § 48 EStG. Der Abzug sei nur dann nicht vorzunehmen, wenn der
Zessionar eine Freistellungsbescheinigung des Zedenten vorlegen könne. Dem
Leistungsempfänger entstehe durch den Abzug kein Nachteil, weil der Zahlung
an das Finanzamt auch im Falle der Abtretung der Forderung Erfüllungswirkung
zukomme. Es sei nicht Sache der Zivilgerichte zu entscheiden, ob § 48 EStG
anwendbar sei, wenn die Abtretung der Gegenforderung zu einem Zeitpunkt
erfolge, in dem das Inkrafttreten dieser Regelung noch nicht absehbar gewesen
sei. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung liege allein bei
den Finanzbehörden. Trotz der ungeklärten Rechtslage, wer im Falle der Abtretung als Leistender anzusehen sei und ob gegen die Anwendung des
§ 48 EStG auf eine Abtretung, die vor Inkrafttreten dieser Bestimmung vorgenommen worden sei, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, sei zugunsten der Klägerin von einer Erfüllungswirkung der abgeführten Zahlung auszugehen.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß die Abführung
des Abzugsbetrags durch den Leistungsempfänger an das für den Leistenden
zuständige Finanzamt gemäß § 48 EStG (in der Fassung vom 19. Oktober
2002, BGBl. I 4210) die Erfüllung der zugrundeliegenden Werklohnforderung
bewirkt hat.
-5-
a) Ein Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder eine juristische Person
des öffentlichen Rechts ist als Auftraggeber einer Bauleistung, die im Inland
erbracht wird, nach § 48 Abs. 1 EStG zu einem Abzug in Höhe von 15 % des
Bruttobetrages der Gegenleistung und zur Abführung dieses Betrags an das für
den Leistenden zuständige Finanzamt für Rechnung des Leistenden verpflichtet. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 EStG ist nach § 52 Abs. 56 EStG erstmals
auf Gegenleistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 erbracht
werden. Die Abzugspflicht besteht nicht, wenn die Gegenleistung im laufenden
Kalenderjahr vorbehaltlich der Sonderregelung des § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
EStG einen Mindestbetrag von 5.000 € nicht übersteigt oder der Leistende dem
Leistungsempfänger eine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 48 b EStG
vorlegt (§ 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Leistender ist derjenige, der die Erbringung der Bauleistung schuldet.
b) Mit der in § 48 Abs. 1 EStG geregelten Abzugsverpflichtung tritt in Höhe des Abzugsbetrags für den Leistungsempfänger neben seine zivilrechtliche
Leistungsverpflichtung gegenüber dem Leistenden eine öffentlich-rechtliche
Zahlungsverpflichtung und Haftung gegenüber dem Finanzamt des Leistenden.
Das zivilrechtliche Vertragsverhältnis wird durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung abgabenrechtlich überlagert. Sofern der Leistungsempfänger seiner
bestehenden Zahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt des Leistenden zur
Vermeidung einer Haftung nach § 48 a Abs. 3 Satz 1 EStG nachkommt, verhält
er sich im Verhältnis zum Leistenden nicht vertragswidrig. Der Leistungsempfänger erfüllt in Höhe des Abzugsbetrags seine zivilrechtliche Leistungspflicht,
indem er der ihm abgabenrechtlich auferlegten Abzugsverpflichtung gegenüber
dem Finanzamt des Leistenden nachkommt (vgl. BGH Urteil vom 17. Juli 2001
- X ZR 13/99, BauR 2001, 1906, 1909 = NJW-RR 2002, 591).
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2. Der von der Revision erhobene Einwand, daß die Werklohnforderung
nicht durch Zahlung an das Finanzamt habe teilweise erfüllt werden können,
weil sie bereits an die Beklagte abgetreten und damit nicht mehr Bestandteil
des Vermögens der Zedentin als Leistender gewesen sei, greift nicht durch.
Denn das Berufungsgericht nimmt weiter zu Recht an, daß auch im Falle
der Abtretung einer Werklohnforderung für eine Bauleistung, die im Inland gegenüber einem Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts erbracht wird, eine Abzugsverpflichtung des
Leistungsempfängers nach § 48 EStG bestehen kann. Die gesetzliche Pflicht
zur Abführung eines Abzugsbetrags knüpft nach dem Wortlaut des § 48
Abs. 1 EStG an die Erbringung der Gegenleistung durch den Leistungsempfänger an. Die Abzugspflicht besteht unabhängig davon, wann die Bauleistung erbracht worden ist und ob die Gegenleistung dem Leistenden zivilrechtlich noch
zusteht oder nicht (vgl. BT-Drucks. 14/4658 S. 11).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, daß die Abzugsverpflichtung im Falle der Abtretung der
Werklohnforderung nicht entfällt, wenn der Zessionar dem Leistungsempfänger
eine auf ihn lautende Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG vorlegt.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 EStG muß der Steuerabzug nicht vorgenommen
werden, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger eine im Zeitpunkt der
Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48 b Abs. 1 Satz 1
EStG vorlegt. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Leistungsempfänger im Falle der Abtretung nur dann von der Abzugspflicht entbunden ist,
wenn der Zessionar eine für den Leistenden i.S.d. § 48 EStG erteilte Freistellungsbescheinigung vorlegt.
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Das Gesetz unterwirft die Werklohnforderung desjenigen, der im Inland
Bauleistungen gegenüber einem Unternehmer im Sinne des § 2 UStG oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbringt, der Abzugsverpflichtung des § 48 EStG. Damit soll die Einkommens- und Körperschaftsbesteuerung hinsichtlich des Gewinns des die Bauleistung erbringenden Unternehmers
sowie die Besteuerung des Arbeitslohns der beim Erbringen der Bauleistung
eingesetzten Arbeitnehmer in gewissem Umfang gesichert werden (vgl. § 48 c
EStG). Der damit verfolgte Sicherungszweck entfällt regelmäßig, wenn für den
Leistenden eine Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG erteilt worden ist
(vgl. BT-Drucks. 14/4658 S. 11). Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung
setzt nach § 48 b Abs. 1 Satz 1 EStG voraus, daß der zu sichernde Steueranspruch gegen den Leistenden nicht gefährdet erscheint. Der Steuerabzug wird
für Rechnung desjenigen vorgenommen, der die Bauleistung erbracht hat. Für
diesen ist eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48 b EStG vorzulegen. Der
Zessionar hat die Bauleistung nicht erbracht. Seine Steuerverpflichtungen sollen nach dem Gesetzeszweck nicht gesichert werden. Es kommt daher nicht
darauf an, ob der Zessionar mit einer ihm nach § 48 b EStG erteilten Freistellungsbescheinigung belegen kann, daß gegen ihn bestehende Steueransprüche nicht gefährdet sind.
4. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß in Höhe des von der Klägerin an das Finanzamt abgeführten
Betrages die Werklohnforderung der Beklagten erfüllt worden ist, auch wenn
nicht abschließend steuerrechtlich geklärt ist, ob die Vorschrift des § 48 EStG
im Falle einer vor Inkrafttreten dieser Regelung vorgenommenen Abtretung der
Werklohnforderung Anwendung findet und die Klägerin zum Steuerabzug verpflichtet war oder ob dem das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot entgegensteht.
-8-
a) Daß die Erfüllungswirkung durch Steuerabzug auch dann eintritt, wenn
die steuerrechtliche Lage zur Zeit der Zahlung an das Finanzamt ungeklärt ist,
hat der Bundesgerichtshof unter Geltung des § 18 Abs. 8 UStG in einem Fall
bejaht, in dem die Finanzbehörde die Steuerpflicht des Werkunternehmers festgestellt und den Besteller der Werkleistung zur Zahlung aufgefordert hatte
(BGH Urteil vom 17. Juli 2001 - X ZR 13/99, BauR 2001, 1906 = NJW-RR 2002,
591). Der Bundesgerichtshof hat seinerzeit ausdrücklich offengelassen, ob dies
auch gilt, wenn der Besteller ohne vorherige Steuerfestsetzung und ohne Aufforderung der Finanzbehörde an diese zahlt. Diese Frage ist nunmehr dahin zu
beantworten, daß Erfüllungswirkung grundsätzlich auch in einem solchen Falle
eintritt, es sei denn, für den Besteller war aufgrund der ihm im Zeitpunkt der
Zahlung bekannten Umstände eindeutig erkennbar, daß eine Verpflichtung zum
Steuerabzug nach § 48 EStG für ihn nicht besteht. Die Unklarheiten der steuerrechtlichen, möglicherweise sogar durch Verfassungsrecht beeinflußten Lage
betreffen in erster Linie das steuerrechtliche Verhältnis zwischen Werkunternehmer als Steuerschuldner und der Finanzbehörde. § 48 EStG schaltet den
Besteller als zunächst Außenstehenden lediglich in die Abwicklung dieses für
ihn fremden Steuerverhältnisses ein. Demgemäß können nicht ihm die Risiken
solcher Unklarheiten auferlegt werden; diese müssen vielmehr dem Steuerschuldner verbleiben. Der danach gebotene Schutz des Bestellers vor Gefahren, wie sie ansonsten durch doppelte Inanspruchnahme, gerichtliche Auseinandersetzungen einerseits mit den Finanzbehörden, andererseits mit dem
Gläubiger der Werklohnforderung etc. drohen, wird interessengerecht dadurch
gewährleistet, daß der Besteller den Steuerabzug nach § 48 EStG unter den
genannten Voraussetzungen auch dann mit Erfüllungswirkung vornehmen
kann, wenn die steuerrechtliche Lage nicht geklärt ist.
b) Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn die Werklohnforderung
an einen Dritten abgetreten ist. Der Zessionar, der das Risiko der Werthaltigkeit
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und Durchsetzbarkeit der ihm abgetretenen Forderung trägt, muß sich gegebenenfalls wegen der Nachteile, die sich für ihn aus den steuerlichen Verhältnissen des Zedenten ergeben, an diesen als seinen Vertragspartner halten. Die
Position des Bestellers kann sich hinsichtlich der Regelung des § 48 EStG
durch die Abtretung nicht verschlechtern.
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin durch den
Steuerabzug in Höhe von 3.599,36 € und die Abführung dieses Betrages an
das für die Zedentin zuständige Finanzamt die restliche titulierte Werklohnforderung der Beklagten erfüllt. Der Klägerin lag trotz Aufforderung keine Freistellungsbescheinigung der Zedentin vor. Es war für sie auch aus den sonstigen ihr
bekannten Umständen nicht eindeutig erkennbar, daß eine Steuerabzugspflicht
nicht besteht.
Dressler
Haß
Kuffer
Hausmann
Safari Chabestari