You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

193 lines
11 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 251/02
Verkündet am:
10. April 2003
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB § 635, § 249 Hb
ZPO § 287
a) Der Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB umfaßt auch die Kosten einer Hotelunterbringung, die notwendig wird, um die Mängelbeseitigung durchführen zu
können.
b) Steht die Notwendigkeit der Hotelunterbringung fest, sind diese Kosten unabhängig davon ersatzfähig, ob die Mängelbeseitigung durchgeführt wird.
c) Zu den prozessualen Anforderungen an die Feststellung der notwendigen Kosten
gemäß § 287 ZPO.
BGH, Urteil vom 10. April 2003 - VII ZR 251/02 - OLG Celle
LG Lüneburg
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 11. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen verlangen Schadensersatz wegen mangelhafter Fußbodenarbeiten.
Sie erwarben von dem Beklagten ein Grundstück. Der Beklagte verpflichtete sich zugleich zur Errichtung eines Reihenendhauses. Nach dem Einzug in das Haus stellten die Klägerinnen Risse in den Fußbodenfliesen fest. Sie
haben mit
der
Klage
Schadensersatz
und
Minderung in
Höhe
von
97.069,47 DM gefordert. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, Schadensersatz in Höhe von 69.368,64 DM wegen folgender Positionen zu zahlen:
-3-
1. Entfernen des Fliesenbelags, Auswechseln des Estrichs
und Verlegen neuer Fliesen
33.709,60 DM
2. Malerarbeiten im gesamten Haus, die infolge der Arbeiten unter Pos. 1 notwendig werden
15.324,18 DM
3. Abnehmen und Wiederanbringen der gesamten Dekoration (Gardinen, Bilder etc.), notwendig wegen der Malerarbeiten
2.070,00 DM
4. Demontage und Montage von Deckenleuchten, Elektroherd, Spiegelschrank und Wandleuchten
1.677,36 DM
5. Umlagerung von Mobiliar und Wiedereinrichten
9.210,50 DM
6. Kosten für die Unterbringung beider Klägerinnen in einem Hotelzimmer für drei Wochen
6.300,00 DM
7. Ab- und Aufbau der Küche nebst Einlagerung
1.290,00 DM
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen
und auf die Anschlußberufung der Klägerinnen festgestellt, daß der Beklagte
verpflichtet ist, den weiteren infolge der mangelhaften Verlegung des Estrichs
entstandenen Schaden zu ersetzen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Positionen 2 bis 7 und des Feststellungsantrags.
-4-
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis
zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1
EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht hält den Beklagten gemäß §§ 634, 635 BGB zum
Schadensersatz verpflichtet, weil der Estrich fehlerhaft verlegt worden sei. Der
Schaden sei durch das Gutachten des Sachverständigen und die Kostenvoranschläge hinreichend belegt. Der Beklagte müsse auch die Positionen 2 bis 7
ersetzen. Es handele sich zwar um fiktive Mangelfolgeschäden. Es widerspräche jedoch der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, wollte man diese Positionen nicht zuerkennen, weil die Mängelbeseitigung noch nicht vorgenommen
worden sei. Der Geschädigte müsse dann kostenmäßig in Vorlage treten und
trüge die Gefahr der Insolvenz des Schädigers.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil dazu eine
höchstrichterliche Entscheidung noch nicht ergangen sei.
Für die Feststellungsklage bestehe ein rechtliches Interesse. Da die Kostenschätzungen aus den Jahren 1998 und 1999 stammten, käme ein höherer
Schadensbeseitigungsaufwand in Betracht.
-5-
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Ist das Werk eines Unternehmers mangelhaft, steht dem Besteller
unter den Voraussetzungen der §§ 634, 635 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Besteller hat Anspruch auf Ausgleich der durch den Mangel erlittenen Vermögensschäden.
Ist der Mangel im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch
nicht beseitigt, jedoch dessen Beseitigung noch möglich, hat der Besteller Anspruch auf Ersatz der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen.
Der Mangel selbst ist bereits der Schaden (BGH, Urteil vom 27. Juni 2002
- VII ZR 238/01, BauR 2003, 123 = NZBau 2002, 573). Abweichend von § 249
Abs. 1 BGB kann der Besteller verlangen, daß dieser Schaden mit dem für die
Mängelbeseitigung erforderlichen Geldbetrag abgegolten wird (BGH, Urteil vom
24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30; Urteil vom 8. November 1973
- VII ZR 86/73, BGHZ 61, 369, 371; Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90,
BauR 1991, 744). Unerheblich ist, ob der Besteller den zur Verfügung gestellten
Betrag zur Mängelbeseitigung verwendet (BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 aaO;
Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84).
2. Zu ersetzen sind jedenfalls die Aufwendungen für solche Leistungen,
auf die sich auch die Nachbesserungspflicht des Unternehmers bezieht. Diese
erstreckt sich nicht nur darauf, die eigene mangelhafte Leistung nachträglich in
einen mangelfreien Zustand zu versetzen. Sie umfaßt vielmehr auch alles, was
vorbereitend erforderlich ist, um den Mangel an der eigenen Leistung zu beheben. Hinzu kommen die Arbeiten, die notwendig werden, um nach durchge-
-6-
führter Mängelbeseitigung den davor bestehenden Zustand wieder herzustellen
(BGH, Urteil vom 7. November 1985 - VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221, 225). Der
Unternehmer muß auch Schäden am sonstigen Eigentum des Bestellers beheben, die im Zuge der Nachbesserung zwangsläufig entstehen (BGH, Urteil vom
22. März 1979 - VII ZR 142/78, BauR 1979, 333 = ZfBR 1979, 150). Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Positionen 2 bis 5 und 7 ausgeurteilt hat. Insoweit handelt es sich um die Kosten für
Maßnahmen, die notwendigerweise im Zuge der Mängelbeseitigung vorzunehmen sind, um den ordnungsgemäßen Zustand wieder herzustellen.
3. Zu dem nach § 635 BGB zu ersetzenden, bereits mit dem Mangel entstandenen Schaden gehört auch derjenige Betrag, den der Besteller dafür aufwenden muß, daß er in ein Hotel ziehen muß, um die ordnungsgemäße Mängelbeseitigung zu ermöglichen (Pos. 6). Der Schadensersatzanspruch nach
§ 635 BGB geht über den Kostenerstattungsanspruch nach § 633 Abs. 3 BGB
hinaus. Er erfaßt den gesamten Vermögensnachteil, den der Besteller durch
den Mangel erlitten hat. Der Besteller kann den Betrag verlangen, mit dem der
Mangelunwert abgedeckt wird. Dazu gehören nicht nur diejenigen Aufwendungen, die das Bauwerk selbst betreffen, sondern auch diejenigen Aufwendungen,
die die Mängelbeseitigungsmaßnahmen am Bauwerk unmittelbar erst ermöglichen. Es gibt im Rahmen des Schadensersatzanspruchs keinen Grund, zwischen solchen Schäden zu unterscheiden, die im Rahmen der Mängelbeseitigung am Bauwerk zwangsläufig entstehen und solchen, die notwendig dadurch
entstehen, daß die Mängelbeseitigung am Bauwerk erst ermöglicht wird. Der
Besteller muß mit dem ihm zur Verfügung gestellten Betrag in die Lage versetzt
werden, den Mangel ohne Vermögenseinbuße zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil
vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28). Es ist deshalb geboten, auch
die Hotelkosten in den zu ersetzenden Schaden einzubeziehen, wenn diese
erforderlich sind, um die Mängelbeseitigung zu ermöglichen.
-7-
4. Der für die Mängelbeseitigung erforderliche Betrag kann mit Hilfe eines Sachverständigen ermittelt werden. Auch der Sachverständige wird in den
meisten Fällen nicht daran vorbeikommen, den erforderlichen Betrag zu schätzen. Eine derartige Schätzung ist dem Gericht nach § 287 ZPO erlaubt. Zweifel
an der Höhe der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten gehen nicht zu
Lasten des Schädigers. Es darf nur derjenige Betrag ausgeurteilt werden, der
im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung für die Mängelbeseitigung sicher
anfällt. Das betrifft nicht nur die Kosten für die Maßnahmen am Bauwerk, sondern auch diejenigen Aufwendungen, die notwendig sind, um diese Maßnahme
überhaupt zu ermöglichen. Insoweit wird es häufig nicht möglich sein, sichere
Kosten festzustellen. Denn in den meisten Fällen ist nicht klar, inwieweit unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls Kosten für eine Hotelnutzung
anfallen werden, wenn die Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Das betrifft
sowohl die Notwendigkeit, die Räume insgesamt vorübergehend zu verlassen
als auch die dadurch etwa entstehenden Kosten. Die Maßnahmen und Kosten
müssen sich an den Möglichkeiten orientieren, die der Besteller im Rahmen der
Schadensminderungspflicht nutzen muß. Steht der zu erwartende, aber noch
nicht bezifferbare Schaden nicht fest, bleibt dem Besteller die Möglichkeit der
Feststellungsklage.
Steht allerdings fest, daß während der Mängelbeseitigung ein Hotel für
eine bestimmte Dauer genutzt werden muß, so können diese Kosten unabhängig davon ausgeurteilt werden, ob der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen läßt. Denn das unterliegt allein seiner Disposition. So liegt der Fall hier.
Zu Unrecht rügt die Revision, es sei nicht festgestellt, daß die Klägerinnen während der Dauer der Reparaturarbeiten in ein Hotel ziehen müßten. Sie übergeht
die Feststellungen aus dem landgerichtlichen Urteil, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt und die in der Berufung nicht angegriffen worden sind. Danach kommt infolge des Ausmaßes des Estrichschadens ein Umräumen von
-8-
Möbeln nicht in Betracht, sondern ist ein mindestens dreiwöchiger Aufenthalt im
Hotel unumgänglich. Zudem ergibt sich aus dem in Bezug genommenen Gutachten, daß den Klägerinnen ein Verweilen in den Räumen während der Mängelbeseitigung auch im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand nicht zugemutet
werden kann. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden.
5. Die weiteren Rügen der Revision zur unterlassenen Prüfung der Vorteilsausgleichung und zur unterlassenen Berücksichtigung eines Mitverschuldens im Zusammenhang mit dem Feststellungsbegehren haben schon deshalb
keinen Erfolg, weil die Revision nicht dartut, daß das Berufungsgericht aufgrund
des ihm unterbreiteten Sachverhalts Anlaß hatte, diese Punkte zu prüfen. Die
Revision legt nicht dar, daß die von ihr vorgetragenen tatsächlichen Umstände
in den Instanzen vorgebracht worden sind. Es ist Sache des Schädigers, diejenigen Umstände vorzutragen, die eine Vorteilsausgleichung oder ein Mitverschulden des Geschädigten begründen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
Dressler
Thode
Kniffka
Kuffer
Bauner