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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 230/01
Verkündet am:
21. März 2002
Seelinger-Schardt
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
ZPO § 693 Abs. 2
Ein Mahnbescheid, dessen Zustellung aufgrund einer unzutreffenden Postanschrift
des Antragsgegners nicht zugestellt werden kann, ist gemäß § 693 Abs. 2 ZPO demnächst zugestellt, wenn er nach Zugang der Mitteilung der Unzustellbarkeit beim Antragsteller innerhalb eines Monats zugestellt wird.
BGH, Urteil vom 21. März 2002 - VII ZR 230/01 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25. Mai 2001
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
I.
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter von dem Beklagten restlichen
Werklohn für Bauleistungen, die die Gemeinschuldnerin für den Bau des Einfamilienhauses des Beklagten erbracht hat.
II.
Im Jahre 1994 beauftragte der Beklagte die Gemeinschuldnerin mit Erd-,
Rohbauarbeiten und in einem gesonderten Vertrag mit der Verklinkerung des
Hauses. Die Gemeinschuldnerin führte die Arbeiten aus. Mit der Klage macht
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der Kläger den Restwerklohn aus den beiden Schlußrechnungen in Höhe von
insgesamt 51.969,72 DM geltend.
III.
Den vom Kläger beantragten Mahnbescheid betreffend die beiden Forderungen hat das Amtsgericht am 12. Dezember 1997 erlassen und ausweislich
der Kanzleiverfügung vom 23. Dezember 1997 gefertigt und abgesandt. Als
Anschrift des Beklagten hatte der Kläger den T.-Weg in Helmstedt angegeben,
der in den beiden Schlußrechnungen der Gemeinschuldnerin genannt war.
Unter dieser Anschrift konnte der Mahnbescheid nicht zugestellt werden, er
kam mit dem Postvermerk vom 30. Dezember 1997 "Empfänger unbekannt"
zurück. Die am 6. Januar 1998 vom Amtsgericht verfügte Nachricht über die
Unzustellbarkeit ging beim Kläger am 13. Januar 1998 ein. Der Kläger teilte
dem Amtsgericht mit Schreiben vom 16. Januar 1998, das am 19. Januar 1998
beim Amtsgericht einging, die geänderte Anschrift des Beklagten mit. Es handelt sich um die Adresse des Einfamilienhauses, das der Beklagte hatte errichten lassen.
Am 22. Januar 1998 verfügte das Amtsgericht die erneute Zustellung des
Mahnbescheids mit der berichtigten Anschrift. Die Verfügung wurde am
22. Januar 1998 ausgeführt. Nach einem ersten vergeblichen Zustellungsversuch am 24. Januar 1998 wurde der Mahnbescheid am 26. Januar 1998 in der
Postfiliale H. niedergelegt. Der Widerspruch des Beklagten gegen den Mahnbescheid vom 26. Januar 1998 ging am 29. Januar 1998 beim Amtsgericht ein.
Auf Antrag des Klägers wurde die Sache an das Landgericht B.
gegeben.
ab-
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IV.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die
Werklohnansprüche seien verjährt, weil die Zustellung am 26. Januar 1998
nicht mehr demnächst erfolgt sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob im Hinblick auf die Neufassung des § 691 Abs. 2 ZPO eine Zustellung
des Mahnbescheids gemäß § 693 Abs. 2 ZPO abweichend von der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann als demnächst zugestellt
gilt, wenn die vom Antragsteller verschuldete Verzögerung der Zustellung mehr
als 14 Tage beträgt.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Es finden die Verfahrensvorschriften in der bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Fassung Anwendung (§ 26 Nr. 7 EGZPO, Art. 9 i.V.m. Art. 5 Abs. 3
Nr. 3 SchuldRModG).
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II.
1. Das Berufungsgericht hat den Eintritt der Verjährung mit folgenden
Erwägungen verneint:
Die Verjährungsfrist, die am 31. Dezember 1997 endete, sei durch den
vom Kläger am 9. Dezember 1997 beantragten und am 11. Dezember 1997
erlassenen Mahnbescheid gemäß § 209 Abs. 2 BGB wirksam unterbrochen
worden, weil die Zustellung des Mahnbescheids am 26. Januar 1998 noch
demnächst erfolgt sei.
Die Zustellung des Mahnbescheids sei zwar durch leicht fahrlässiges
Verhalten des Klägers um 24 Tage verzögert worden. Der Kläger hätte sich die
richtige Anschrift des Beklagten bereits im Dezember 1997 beschaffen können.
Nach der Neufassung des § 691 Abs. 2 ZPO sei aber abweichend von
der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zustellung noch als
demnächst anzusehen.
Weise der Mahnantrag einen Mangel auf, der seine Zurückweisung zur
Folge haben könne, sei dem Antragsteller vor der Zurückweisung Gelegenheit
zum rechtlichen Gehör zu geben, damit er diese durch ergänzende Angaben
vermeiden könne. Würde der Mahnbescheid nach der Berichtigung der Mängel
zugestellt, sei die Rückwirkung der Zustellung nur gemäß § 693 Abs. 2 ZPO
möglich. Nach der bisherigen Rechtsprechung würde die Rückwirkung davon
abhängen, daß der Zeitraum zwischen dem Erlaß der Zwischenverfügung und
dem Erlaß des berichtigten Mahnbescheids zwei Wochen nicht übersteigt. Der
Antragsteller, der den Mahnbescheid berichtige, sei hinsichtlich des unerheblichen Verzögerungszeitraums gegenüber dem Antragsteller benachteiligt, der
den Mahnbescheid nicht berichtige und ihn zurückweisen lasse. Denn dieser
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habe die Möglichkeit, binnen einer Frist von einem Monat Klage zu erheben.
Diese unterschiedlichen Zeiträume seien nicht gerechtfertigt, so daß die Monatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO auch für die Beurteilung der Zustellung als
"demnächst" maßgeblich sein müsse. Das gelte erst recht für den Fall, in dem
eine falsche Anschrift angegeben sei, was die Zurückweisung des Mahnantrages nicht rechtfertigen würde. Die Rechtssicherheit erfordere es nicht, daß nur
eine verschuldete Verzögerung von 14 Tagen unerheblich sei. Infolge der Neuregelung des § 691 Abs. 2 ZPO könnten Verzögerungen von weitaus mehr als
zwei Wochen entstehen, bevor der Schuldner erfahre, daß der Gläubiger den
Anspruch geltend mache.
2. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Die Zustellung des
Mahnbescheids ist demnächst erfolgt, so daß die Verjährung unterbrochen
worden ist.
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung ist die Zustellung in den Fällen
als demnächst erfolgt im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn die von
der Partei verschuldete Verzögerung der Zustellung geringfügig ist. Eine Verzögerung der Zustellung ist in der Regel geringfügig, wenn sie nicht mehr als
14 Tage beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1999 - VII ZR 24/98, BauR 1999,
1216 = ZfBR 1999, 322 = NJW 1999, 3125 m.w.N.).
b) Der Senat hat es bereits in der Entscheidung vom 27. Mai 1999 für
möglich gehalten, daß aufgrund des mit Wirkung vom 1. Januar 1992 neu gefaßten § 691 Abs. 2 ZPO eine andere Beurteilung der Frage geboten ist, welcher Zeitraum einer von einer Partei zu vertretenden Verzögerung als geringfügig anzusehen ist. Der Fall gibt Gelegenheit, hierzu abschließend Stellung zu
nehmen. Eine im Vergleich zu der Monatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO kürzere
Frist für die durch § 693 Abs. 2 ZPO geregelte Fallkonstellation ist nicht ge-
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rechtfertigt. Sie benachteiligt den Antragsteller in bestimmten Situationen, ohne
daß diese Benachteiligung durch das Interesse des Antragsgegners an Rechtssicherheit begründet wäre.
Die Ungleichbehandlung hätte zur Folge, daß der Antragsteller in den
Fällen, in denen er durch die Behebung des Mangels des Mahnantrags Gefahr
läuft, daß die Zustellung des berichtigten Mahnbescheids nicht innerhalb der
zwei Wochen erfolgen wird, von der Berichtigung des Mahnantrags absieht und
Klage erhebt. Diese Konsequenz widerspricht der Funktion des Mahnverfahrens, das dem Gläubiger einer Geldforderung einen einfacheren und billigeren
Weg zu einem Vollstreckungsbescheid eröffnen will.
Die Ungleichbehandlung und deren Folgen lassen sich nur dadurch vermeiden, daß die für die Beurteilung der rechtzeitigen Zustellung gemäß § 693
Abs. 2 ZPO ausreichende Frist an die Monatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO angeglichen wird.
Das berechtigte Interesse des Auftraggebers, nach Ablauf der Verjährungsfrist in angemessener Zeit zu erfahren, ob der Gläubiger durch die Einleitung eines Klage- oder Mahnverfahrens die Verjährung unterbrochen hat, wird
durch die Erweiterung des Zeitraums für die Zustellung nach § 693 Abs. 2 ZPO
auf einen Monat nicht beeinträchtigt. Die Neuregelung des § 691 Abs. 2 ZPO
kann dazu führen, daß der Antragsgegner aufgrund des Verfahrens nach § 691
Abs. 2 Satz 1 ZPO erst nach einem Zeitraum, der die Monatsfrist deutlich übersteigen kann, erfährt, daß der Gläubiger die Unterbrechung der Verjährung gerügt hat.
Die Erweiterung des Zeitraums auf einen Monat für die Rechtzeitigkeit
der Zustellung gemäß § 693 Abs. 2 ZPO ist auch für die Fälle gerechtfertigt, in
denen ein Mahnantrag einen Mangel aufweist, der in § 691 Abs. 1 ZPO nicht
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genannt ist. Eine unterschiedliche Bemessung des Zeitraums, in dem eine Zustellung rechtzeitig erfolgen kann, für Mängel, die in § 691 Abs. 1 ZPO bezeichnet werden (z.B. fehlende Angaben zur Partei) und für andere Mängel (z.B. unzutreffende Postanschrift), ist nicht gerechtfertigt. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, daß bei vergleichbaren Mängeln des Mahnbescheids unterschiedliche Zeiträume gelten würden. Hierfür gibt es keinen sachlichen Grund.
Ullmann
Thode
Kniffka
Kuffer
Bauner