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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 209/07
Verkündet am:
7. April 2011
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
AGBG § 9 Abs. 1 Bf
Die von einem Architekten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages verwandte Klausel
"Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit
einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig"
ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
BGH, Urteil vom 7. April 2011 - VII ZR 209/07 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter
Dr. Kuffer, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und den Richter Prof. Leupertz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. November 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung restlichen Architektenhonorars aus eigenem und abgetretenem Recht seines Vaters in Anspruch. Im April
1996 schlossen er und sein Vater einerseits und die Beklagten andererseits
einen "Einheits-Architektenvertrag für Gebäude" betreffend den Neubau eines
Einfamilienhauses. Gegenstand des Vertrages sind die Leistungsphasen 2 bis 9
gemäß § 15 Abs. 2 HOAI a.F. Die dem Architektenvertrag beigefügten "Allgemeine(n) Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA)" lauten
in § 4 Nr. 4.5:
-3-
"Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer
unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig."
2
Nachdem die Beklagten auf die dritte Abschlagsrechnung keine Zahlungen erbracht hatten, kündigten der Kläger und sein Vater mit Schreiben vom
23. Dezember 1998 den Architektenvertrag.
3
Die Beklagten rechnen gegenüber der Honorarforderung mit Schadensersatzansprüchen wegen mangelhafter Planung und Bauüberwachung auf. Diese Mängel der Architektenleistung hätten zu Schallschutzmängeln, Rissbildungen und Feuchtigkeit im Kellerbereich geführt.
4
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 65.824,33 € nebst Zinsen zu zahlen. Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat einen Honoraranspruch in Höhe
von 59.286,85 € für begründet erachtet, gegen den die Beklagten allerdings mit
diesen Betrag übersteigenden Schadenersatzansprüchen wirksam aufgerechnet hätten. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 59.286,85 € nebst Zinsen zu
zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten die
Zurückweisung der Berufung erreichen.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-4-
6
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die bis 31. Dezember 2001
geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
7
Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen gegen die rechnerisch unstreitige Resthonorarforderung des
Klägers in Höhe von 59.286,85 € für unzulässig erachtet. Ihr stehe das Aufrechnungsverbot in § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu dem
vorgenannten Architektenvertrag entgegen. Diese Klausel sei wirksam. Sie sei
weder intransparent noch benachteilige sie die Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie verstoße auch nicht gegen § 11
Nr. 3 AGBG oder § 11 Nr. 2b AGBG. Soweit nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2005 (VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274) Aufrechnungsverbote dann nicht zur Geltung kommen könnten, wenn sie den Auftraggeber zwängen, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu
vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder
Fertigstellungskosten zustünden, läge diese Situation nicht vor. Es stehe gerade nicht fest, dass den Beklagten die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche zustünden, weil diese Ansprüche weder unstreitig seien noch
Entscheidungsreife bestehe.
8
Der Rechtsstreit sei im Übrigen, was die Honorarforderung des Klägers
angehe, entscheidungsreif. Frühere Einwendungen hätten die Beklagten im
Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 5. Februar 2004
fallengelassen und damit, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, den
geltend gemachten Honoraranspruch unstreitig gestellt.
-5-
II.
9
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht
den Rechtsstreit für entscheidungsreif gehalten hat, soweit es um die Honorarforderung des Klägers ging. Denn die Begründetheit der Klageforderung (vorbehaltlich der Frage ihres Erlöschens durch Aufrechnung) stand durch die Entscheidung des Landgerichts bereits rechtskräftig fest.
11
Ein Urteil, das das ursprüngliche Bestehen der Klageforderung und der
zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung bejaht, enthält insoweit zwei prozessual selbständige Elemente des Streitstoffs. Dementsprechend kann die
Überwälzung des Streitstoffs in die Rechtsmittelinstanz (Devolution) auf jedes
der beiden Elemente beschränkt werden. Die Devolution eines solchen abtrennbaren Teils des Streitstoffs setzt die Einlegung eines Rechtsmittels (oder
eines Anschlussrechtsmittels) durch die beschwerte Partei voraus. Anderenfalls
verbleibt dieser Teil des Streitstoffs in der Vorinstanz, wird rechtskräftig und
gelangt nicht in die nächste Instanz (BGH, Urteil vom 3. November 1989
- V ZR 143/87, BGHZ 109, 179, 189).
12
Die Beklagten haben ausweislich des Berufungsurteils gegen die landgerichtliche Entscheidung keine Anschlussberufung eingelegt; dies wird auch von
der Revision nicht geltend gemacht. Eine Aberkennung der Klageforderung unabhängig von den zur Aufrechnung gestellten Forderungen kommt daher nicht
in Betracht.
13
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, eine
Aufrechnung gegen den Honoraranspruch des Klägers sei durch § 4 Nr. 4.5 der
-6-
Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag ausgeschlossen.
14
a) Zu Recht ist das Berufungsgericht noch davon ausgegangen, dass
etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten nur im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden können; eine Verrechnung mit der Werklohnforderung des Klägers findet nicht statt. Die Verrechnung ist kein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut in den Fällen, in denen sich nach der Gesetzeslage
Werklohn und Anspruch wegen Nichterfüllung oder andere Ansprüche wegen
Schlechterfüllung des Vertrages aufrechenbar gegenüber stehen. In diesen Fällen sind die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung anwendbar (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274, 278).
Diese vom Bundesgerichtshof bereits für einen Werkvertrag unter Vereinbarung
der VOB/B entschiedenen Grundsätze finden ebenso auf einen Architektenvertrag Anwendung, der als Werkvertrag zu qualifizieren ist.
15
b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht dagegen die Wirksamkeit von § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen. Diese Bestimmung ist entgegen einer vielfach in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vertretenen Auffassung (OLG Hamm, BauR 2004, 1643, 1645 m.w.N.) gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Denn sie benachteiligt den Vertragspartner
des verwendenden Architekten entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen.
16
aa) Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn der Besteller durch das
Verbot der Aufrechnung in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrages
gezwungen würde, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang
zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungsoder Fertigstellungskosten zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005
-7-
- VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274, 279; OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2008,
665; H.-D. Hensen in Ulmer/Brander/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 3
BGB Rn. 7 m.w.N.; Kessen, BauR 2005, 1691, 1693 ff.). Denn hierdurch würde
in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung in für den Besteller unzumutbarer Weise eingegriffen.
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Die synallagmatische Verknüpfung der Werklohnforderung mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages findet zunächst ihren Ausdruck in
einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers im Falle einer mangelhaften
oder nicht fertig gestellten Leistung, § 320 Abs. 1 BGB. Der Besteller kann sich
im Prozess mit dem Leistungsverweigerungsrecht verteidigen mit der Folge,
dass die Werklohnforderung ganz oder teilweise nicht durchsetzbar ist. Dies
kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden
(§ 11 Nr. 2a AGBG, § 309 Nr. 2a BGB). Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn nunmehr
durchsetzbar
ist
(vgl.
BGH,
Urteil
vom
24. November 2005
- VII ZR 304/04, BGHZ 165, 134, 137).
18
Aus diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden,
dass ein Vorbehaltsurteil grundsätzlich nicht erlassen werden darf, wenn damit
eine Werklohnforderung zugesprochen wird und zur Aufrechnung gestellte Ansprüche auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten oder der Fertigstellungsmehrkosten dem Nachverfahren vorbehalten werden. Dies würde nämlich zu
einer vorübergehenden Aussetzung der Wirkung einer materiell-rechtlich begründeten Aufrechnung führen und hätte zur Folge, dass der Kläger einen Titel
über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Diese Wirkung ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt, wenn der Besteller
gegenüber einer Werklohnforderung mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu die-
-8-
nen, das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung
herzustellen
(BGH,
Urteil
vom
24. November 2005
- VII ZR 304/04, BGHZ 165, 134; BGH, Urteil vom 27. September 2007
- VII ZR 80/05, BauR 2007, 2052 = NZBau 2008, 55 = ZfBR 2008, 39).
19
Ein Aufrechnungsverbot führt in noch stärkerer Weise als ein Vorbehaltsurteil zu einer Auflösung der synallagmatischen Verbundenheit der genannten gegenseitigen Forderungen. Diese Wirkung wäre anders als bei einem
Vorbehaltsurteil nicht nur vorübergehend, sondern sogar endgültig. Deshalb gilt
hier erst recht, dass dies in den genannten Fällen nicht gerechtfertigt ist und
den Besteller deshalb unangemessen benachteiligt.
20
bb) Auch in einem Architektenvertrag können dem Besteller wegen Mängeln der Leistung des Architekten Ansprüche auf Schadensersatz zustehen, die
darin bestehen, die Kosten zur Beseitigung der Mängel des Architektenwerkes
(etwa die Überarbeitung einer fehlerhaften Planung) oder die Fertigstellungsmehrkosten (etwa die notwendige Beauftragung eines weiteren Architekten mit
denselben Leistungen) erstattet zu bekommen. Durch § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen wird die Aufrechnung mit jeder Forderung für unzulässig erklärt, es sei denn, sie ist unbestritten oder rechtskräftig festgestellt.
Damit umfasst das Aufrechnungsverbot auch derartige in einem engen
synallagmatischen Verhältnis zur Werklohnforderung stehende Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten. Die
Klausel führt daher aus den dargelegten Gründen zu einer unangemessenen
Benachteiligung des Bestellers.
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Es kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Möglichkeit der Aufrechnung mit Ansprüchen, die nicht auf die Fertigstellungsmehrkosten oder die
Mängelbeseitigungskosten des Architektenwerkes gerichtet sind, zulässig wäre.
-9-
Denn jedenfalls umfasst die Klausel alle Gegenansprüche unterschiedslos. Sie
kann nicht hinsichtlich des Ausschlusses der Aufrechnung von unbedenklichen
Gegenforderungen aufrechterhalten werden (vgl. Kessen, BauR 2005, 1691,
1695 f.). Dies ist wegen des für Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemein
zu beachtenden Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion (st. Rspr., vgl.
zuletzt BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 - VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597
Rn. 16) unmöglich. Somit fehlt es in jedem Fall an einem wirksam vereinbarten
Ausschluss der Aufrechnung auch insoweit, als es um solche Schadensersatzansprüche geht, wie sie hier von den Beklagten geltend gemacht werden.
22
cc) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine unangemessene Benachteiligung könne allenfalls angenommen werden, wenn die Gegenansprüche entscheidungsreif feststünden. Das trifft nicht zu. Vielmehr ist es dem Besteller in jedem Fall, in dem ihm die Gegenansprüche tatsächlich zustehen, unzumutbar, zunächst die volle Werklohnforderung zahlen zu müssen und auf die
gesonderte Geltendmachung seiner Ansprüche verwiesen zu werden.
- 10 -
III.
23
Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden. Das Berufungsgericht hat die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche nicht abschließend
geprüft. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kniffka
Kuffer
Halfmeier
Safari Chabestari
Leupertz
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 28.06.2006 - 4 O 3223/98 OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.11.2007 - 9 U 102/06 -