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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 180/11
Nachschlagewerk:
Verkündet am:
11. Oktober 2012
Besirovic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 635 Abs. 3, § 251 Abs. 2 Satz 1, § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1
a) Der Besteller kann unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1
BGB ohne vorherige Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung für Mängel
der Werkleistung beanspruchen, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu Recht als unverhältnismäßig
verweigert hat.
b) Macht der Besteller werkvertraglichen Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten geltend, entsprechen die für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit dieses Aufwands nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Kriterien
denen, die bei der gemäß § 635 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 180/11 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka sowie
die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick, den Richter Prof. Leupertz
und den Richter Dr. Kartzke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 21. Juli 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte unbedingt zur
Zahlung eines 2.935,12 € nebst Zinsen übersteigenden Betrages
verurteilt und ihre Widerklage hinsichtlich eines Betrages von
39.720,55 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Restwerklohn für Heizungs- und
Sanitärinstallationsarbeiten. Mit der Widerklage beansprucht die Beklagte mangelbedingten Schadensersatz.
-3-
2
Die Klägerin schloss mit der Beklagten und ihrem Sohn im Jahr 2006 einen Vertrag über die Erbringung von Heizungs- und Installationsarbeiten in einem Doppelhaus in I. Der Sohn der Beklagten ist Eigentümer der Doppelhaushälfte 6a; die Doppelhaushälfte 6 steht im Eigentum der Beklagten. Mit der Klage beansprucht die Klägerin Restwerklohn für die in der Doppelhaushälfte der
Beklagten ausgeführten Werkleistungen. Darüber hinaus macht sie Restwerklohn in Höhe von 3.282,12 € für Arbeiten in einem anderen, der Beklagten gehörenden Gebäude geltend. Der Restwerklohnanspruch für Arbeiten in der
Doppelhaushälfte 6a ist Gegenstand des Parallelverfahrens VII ZR 179/11.
3
Die Beklagte hat Mängel der ihre Doppelhaushälfte betreffenden Werkleistungen behauptet, die mit einem die Klageforderung übersteigenden Kostenaufwand beseitigt werden müssten und gemeint, die Bezahlung der Restwerklohnforderung, die mangels Abnahme der Werkleistungen ohnehin noch
nicht fällig sei, jedenfalls bis zur Beseitigung der Mängel verweigern zu dürfen.
Hinsichtlich der Restwerklohnforderung der Klägerin von 3.282,12 € hat sie die
Aufrechnung mit Ansprüchen auf Schadensersatz für die mangelhafte Ausführung der Werkleistungen in der Doppelhaushälfte 6 erklärt. Das Landgericht hat
die Beklagte nach Beweisaufnahme zur Zahlung von 7.717,24 € nebst Zinsen
und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Zahlung von weiteren
2.500 € Zug um Zug gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel verurteilt
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels dahin abgeändert, dass die Beklagte 6.217,24 €
nebst Zinsen sowie weitere 3.000 € Zug um Zug gegen Beseitigung von Mängeln zahlen muss. Darüber hinaus hat es vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zugesprochen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte Widerklage erhoben, mit der sie die zuvor zur Begründung ihres mangelbedingten Leistungs-
-4-
verweigerungsrechts geltend gemachten Kosten für die Beseitigung von Mängeln an der Dämmung bzw. der Befestigung der auf der Bodenplatte verlegten
Warm- und Kaltwasserleitungen in Höhe von 44.002,67 € nunmehr im Wege
des Schadensersatzes verlangt. Das Berufungsgericht hat die Schadensersatzforderung für nicht gerechtfertigt gehalten, weil die Klägerin die Mängelbeseitigung wegen des unverhältnismäßig hohen Nachbesserungsaufwandes zu
Recht verweigert habe und die Beklagte sich deshalb insoweit auf eine Minderung des Werklohns verweisen lassen müsse. Hierfür hat es den nach den
Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen wegen der unzureichenden
Isolierung der Warmwasserrohre verbleibenden technischen Minderwert von
1.000 € von der Klageforderung abgezogen; die Widerklage hat es abgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre
Verurteilung zur Zahlung eines Betrages in Höhe der Aufrechnungsforderung
(3.282,12 €) sowie gegen die Aberkennung ihrer Widerklageforderung in Höhe
eines Betrages von 39.720,55 € nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision führt in dem mit der Revision geltend gemachten Umfang
zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung an das
Berufungsgericht.
-5-
I.
5
Das Berufungsgericht führt aus, die Werkleistungen der Klägerin seien
mangelhaft, weil sie die Warmwasserleitungen in der Bodenplatte nur mit einer
13 mm starken Dämmung versehen habe, obwohl nach den maßgeblichen
Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) die Dämmung eine
Mindeststärke von 20 mm aufweisen müsse. Dass dies dem Sohn der
Beklagten schon vor Beginn der Dämmarbeiten bewusst gewesen sei und sie
die von der Klägerin vorgesehene Ausführung dennoch zugelassen habe,
könne insbesondere mit Rücksicht auf deren Erklärung, stets eine derartige
Dämmung zu verwenden, zwar nicht als Verzicht auf eine vertragsgerechte
Erstellung des Werkes angesehen werden. Gleichwohl stehe der Beklagten der
im Wege der Aufrechung und der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Klägerin gemäß § 635 Abs. 3, § 275 Abs. 2
BGB berechtigt gewesen sei, die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit
zu verweigern. Der Aufwand für die Beseitigung der in Rede stehenden Mängel
stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Vorteil, den die Beklagte durch
die Nachbesserung erlangen könne. Deren Interesse an einer Beseitigung der
Mängel
sei
gering,
weil
nach
den
Feststellungen
des
gerichtlichen
Sachverständigen H. die konkrete Nutzung des Gebäudes durch die nicht
fachgerechte Dämmung der Warmwasserleitungen nicht beeinträchtigt sei und
der mangelbedingt höhere Energieverbrauch lediglich zu Mehrkosten von ca.
50 € pro Jahr führe. Dem stünden erhebliche, unangemessen hohe Nachbesserungskosten von ca. 44.000 € gegenüber. Berücksichtige man vor diesem
Hintergrund, dass die Klägerin den Mangel weder vorsätzlich noch grob
fahrlässig verursacht
habe
und
das Ausmaß des
ihr anzulastenden
Verschuldens eher gering sei, die Beklagte ihrerseits aus Zeitgründen
sehenden Auges eine mangelhafte Dämmung der Warmwasserrohre hin-
-6-
genommen habe, so führe die Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände
dazu, dass die Klägerin berechtigt sei, die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit zu verweigern. Die Beklagte könne lediglich Minderung in Form eines
angemessenen Ausgleichs für den Wertverlust des Werkes verlangen.
Maßgeblich sei der verbliebene technische Minderwert, der auf der Grundlage
der hierzu vom Sachverständigen H. getroffenen Feststellungen mit 1.000 € zu
veranschlagen sei. Ein Ausgleich für merkantilen Minderwert komme nicht in
Betracht, weil die Nutzbarkeit des Gebäudes nicht eingeschränkt und der
mangelbedingt höhere Energieverbrauch unwesentlich sei.
II.
6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
1. Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt die Erwägung
zugrunde, dass der Besteller keinen Schadensersatz statt der Leistung gemäß
§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB wegen festgestellter Mängel der
Werkleistungen beanspruchen kann, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung
hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu Recht verweigert hat.
Stattdessen will es ihn auf eine Minderung des Werklohns in Höhe eines
angemessenen Ausgleichsbetrages für den Wertverlust des Werkes verweisen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
8
a) Der Anspruch des Bestellers auf Schadensersatz für schuldhaft
verursachte Werkmängel entfällt nicht schon dadurch, dass der Unternehmer zu
Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB einwendet, diese Mängel nicht beseitigen zu
müssen. Er darf gemäß § 635 Abs. 3 BGB die Nacherfüllung verweigern, wenn
sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Darüber hinaus darf er die
-7-
Leistung in den Fällen der "faktischen oder praktischen Unmöglichkeit" gemäß
§ 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern. Für diese Fälle ergibt sich unmittelbar aus
§ 275 Abs. 4, § 283 BGB, dass der Besteller unter den Voraussetzungen des
§ 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung für Mängel
der Werkleistung ohne vorherige Fristsetzung beanspruchen kann. Eine
entsprechende Regelung für den Fall der Leistungsverweigerung gemäß § 635
Abs. 3 BGB fehlt zwar. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass der Gesetzgeber
auch für diesen Fall einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung unter
den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB eröffnen wollte. Das
ergibt sich ohne weiteres aus § 636 BGB, wonach es zur Entstehung des
Schadensersatzanspruchs grundsätzlich einer Fristsetzung nicht bedarf, wenn
der Unternehmer die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigert (vgl.
auch BT-Drucks. 14/6040, S. 234 und 265).
9
b) In welcher Höhe der Unternehmer Schadensersatz zu leisten hat und
wie die Entschädigung zu berechnen ist, ergibt sich aus den Vorschriften zum
allgemeinen Schadensrecht in §§ 249 ff. BGB. Allerdings kommt ein Anspruch
auf Naturalrestitution regelmäßig nicht in Betracht, weil dadurch die Erfüllung
der vertraglichen Leistung herbeigeführt würde, die der Besteller gemäß § 281
Abs. 4 BGB gerade nicht mehr verlangen kann. Stattdessen ist er in Geld zu
entschädigen (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99,
81).
10
Die
Entschädigung
kann
der
Besteller
nach
der
bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich wahlweise nach der
Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel
ermitteln oder in Höhe der Aufwendungen geltend machen, die zur
vertragsgemäßen Herstellung des Werkes erforderlich sind (BGH, Urteil vom
10. März 2005 - VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005, 390 = ZfBR
-8-
2005, 461; Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991, 744 = ZfBR
1991, 265; Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366).
11
c) Die dem Besteller nach dieser Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit,
seinen Schadensersatzanspruch anhand der Mängelbeseitigungskosten zu
berechnen, gilt nicht uneingeschränkt. Der Senat hat bereits entschieden, dass
dieser Schadensberechnung in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 2
Satz 1 BGB der Einwand entgegengehalten werden kann, die Aufwendungen
zur Mängelbeseitigung seien unverhältnismäßig (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366; Urteil vom 27. März 2003
- VII ZR 443/01,
BGHZ
154,
301,
305;
Urteil
vom
10. März 2005
- VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005, 390 = ZfBR 2005, 461; Urteil
vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, BauR 2006, 1736, 1738 = NZBau 2006, 642
= ZfBR 2006, 668). Unverhältnismäßig in diesem Sinne sind die Aufwendungen
für die Beseitigung des Werkmangels, wenn der in Richtung auf die Beseitigung
des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des
Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten
Geldaufwandes steht und es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann,
die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise gemachten Aufwendungen tragen zu
müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen,
wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer anlasten könnte
(BGH,
Urteil
vom
26. Oktober 1972
- VII ZR 181/71,
aaO;
Urteil
vom
27. März 2003 - VII ZR 443/01, aaO; Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03,
aaO; Urteil vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, aaO).
12
Der Bundesgerichtshof hat bisher nicht entschieden, ob die nach obigen
Grundsätzen für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 251
Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Kriterien denen entsprechen, die bei der nach
§ 635 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacher-
-9-
füllungsaufwands heranzuziehen sind. Das ist zu bejahen, wenn, wie hier,
werkvertraglicher Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten
beansprucht wird. Durch die Zubilligung dieses Schadensersatzanspruches soll
der Besteller einen Ausgleich für die Nachteile erhalten, die ihm durch die
mangelhafte Ausführung der Werkleistung entstanden sind. Sein Anspruch auf
monetären Ausgleich für Mangelschäden beruht auf seinem berechtigten
Interesse
an
der Verwirklichung des vom
Unternehmer geschuldeten
Werkerfolgs. Er soll hinsichtlich der Beseitigung dieser Mängel im Ergebnis
nicht besser stehen als er bei tauglicher Nacherfüllung durch den Unternehmer
stünde. Dann aber besteht kein vernünftiger Grund, dem Unternehmer, der die
Beseitigung
von
Mängeln
wegen
eines
damit
verbundenen
unverhältnismäßigen Aufwands gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigern darf,
gleichwohl im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten abzuverlangen. Aus dem Umstand, dass der Besteller
Schadensersatz nur für solche Mängel beanspruchen kann, die der Unternehmer zu vertreten hat, folgt nichts anderes. Es entspricht ständiger Rechtsprechung
des
Bundesgerichtshofs,
dass
bei
der
Beurteilung
der
Unverhältnismäßigkeit nach § 635 Abs. 3 BGB das Verschulden des Unternehmers
zu
berücksichtigen
ist
(BGH,
Urteil
vom
23. Februar 1995
- VII ZR 235/93, BauR 1995, 540 = ZfBR 1995, 197; vgl. auch Urteil vom
27. März 2003 - VII ZR 443/01, BGHZ 154, 301; Urteil vom 10. November 2005
- VII ZR 64/04, BauR 2006, 377 = NZBau 2006, 110 = ZfBR 2006, 154). Liegt
Verschulden vor, fällt es ebenso wie bei § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB ins Gewicht,
ohne dass sich hieraus die Notwendigkeit ergeben könnte, die Unverhältnismäßigkeit des Mängelbeseitigungsaufwands im Rahmen des § 251 Abs. 2
Satz 1 BGB anderen Kriterien zu unterwerfen, als sie für § 635 Abs. 3 BGB
gelten. Daraus folgt im Ergebnis, dass der Besteller mangelbedingten
Schadensersatz stets nur in Höhe der Verkehrswertminderung beanspruchen
- 10 -
kann, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht gemäß § 635 Abs. 3
BGB als unverhältnismäßig verweigert hat.
13
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Entscheidung des
Berufungsgerichts im Ergebnis nur Bestand haben, wenn der der Beklagten
zustehende Schadensersatzanspruch den Betrag nicht übersteigt, den ihr das
Berufungsgericht bereits im Wege der Minderung mit 1.000 € für den
technischen Minderwert des Werks zugebilligt hat. Das ist denkbar, weil
Schadensersatz statt der Leistung nach § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1
BGB auf einen Ausgleich für den technischen Minderwert der mangelhaften
Werkleistung beschränkt sein kann, wenn eine zusätzliche Wertminderung nicht
in Betracht kommt. Die Beklagte hat im Verfahren der Vorinstanzen zwar keine
Minderung
geltend
gemacht.
Sie
nimmt
die
Entscheidung
des
Berufungsgerichts in diesem Punkt jedoch hin und beansprucht mit der
Revision nur noch den 1.000 € übersteigenden Teil ihrer Schadensersatzforderung. Damit trägt die Beklagte dem bei der Schadensbemessung zu
berücksichtigenden Gesichtspunkt Rechnung, die an die Klägerin zu zahlende
Vergütung in Höhe des rechtskräftig zuerkannten Minderungsbetrages erspart
und hierdurch einen Vorteil erlangt zu haben, den sie sich nach allgemeinen
schadensrechtlichen Grundsätzen auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss.
14
Eine dahingehende Entscheidung kann der Senat nicht treffen. Die
Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine ausreichende Grundlage für
die Annahme, dass der der Beklagten zu erstattende Schaden auf einen mit
1.000 € zu veranschlagenden technischen Minderwert beschränkt ist.
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Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des
§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt sind. Seine zu § 635 Abs. 3 BGB getroffenen
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Feststellungen, die insoweit herangezogen werden könnten, sind unzureichend,
weil sie den hierfür maßgeblichen Sachvortrag der Parteien nicht ausschöpfen.
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a) Allerdings wirft die Revision dem Berufungsgericht zu Unrecht vor, es
habe bei der nach § 635 Abs. 3 BGB vorzunehmenden Abwägung der
Regelung des § 12 Abs. 5 EnEV keine hinreichende Beachtung geschenkt, die
eine von der Klägerin nicht eingehaltene Mindestdämmung der Warmwasserleitungen vorschreibe. Das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt
berücksichtigt, indem es zutreffend von einem fahrlässigen Verstoß gegen die
Vorschriften der EnEV ausgeht. Der weitergehende Einwand der Revision, hier
wiege das Ergebnis der nicht vertragsgerechten Ausführung der Werkleistung
besonders schwer, weil die Klägerin gegen gesetzliche Bestimmungen
verstoßen habe, greift ebenfalls nicht. Er allein führt jedenfalls nicht dazu, dass
die Klägerin sich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten berufen kann. Die Beklagte übersieht, dass gerade die
Nichteinhaltung der Vorgaben in § 12 Abs. 5 EnEV den Mangelvorwurf
begründet. Für die nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB vorzunehmende Unverhältnismäßigkeitsprüfung kommt diesem Umstand keine andere Bedeutung zu,
als sie einem schuldhaften Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik oder
vertragliche Beschaffenheitsvereinbarungen zuteil wird. Im Übrigen ist die
Beklagte nicht der Gefahr ausgesetzt, durch die Entgegennahme der
mangelhaften Werkleistungen selbst in einer Weise gegen gesetzliche
Bestimmungen verstoßen zu haben, die von entscheidender Bedeutung für die
Abwägung nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB sein könnte. Maßgebend ist die
Energieeinsparverordnung in der Fassung vom 8. Dezember 2004 (BGBl. I,
S. 3144, 3146). Danach war die Beklagte zwar verpflichtet, für eine den
Vorgaben des § 12 Abs. 5 EnEV entsprechende Dämmung der Warmwasserleitungen zu sorgen. Sie muss allerdings nicht befürchten, wegen der
- 12 -
Nichteinhaltung dieser Vorgaben mit Ordnungsmitteln belegt zu werden, welche
der Verordnungsgeber erst durch § 27 der Energieeinsparverordnung in der
Fassung vom 1. Oktober 2007 (BGBl. I, S. 1519) eingeführt hat.
17
b) Unbegründet ist auch der Einwand der Revision, das Berufungsgericht
habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin den hohen Mängelbeseitigungsaufwand schuldhaft dadurch herbeigeführt habe, dass sie auf die entsprechende Rüge des Sohnes der Beklagten nicht auf die gesetzlich
vorgesehene Dämmung hingewiesen habe. Diesen Sachverhalt hat das
Berufungsgericht vertretbar gewürdigt und zutreffend darauf hingewiesen, dass
der Sohn der Beklagten trotz der ihm durch einen Bausachverständigen vor
Beginn der Estrich- und Verlegearbeiten vermittelten Kenntnis von der nicht
ordnungsgemäßen Dämmung auf Durchführung der von der Klägerin
vorgesehenen Arbeiten bestanden und dadurch selbst dazu beigetragen habe,
dass die hohen Kosten entstanden seien.
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c) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit den Standpunkt eingenommen, dass nur die Dämmung der
Warmwasserleitungen nachgebessert werden müsse; die Kaltwasserleitungen
seien nicht betroffen, weil insoweit keine Mindestanforderungen an die
Dämmung bestünden. Damit hat es Tatsachenvortrag der Beklagten übergangen, den es bei der Abwägung hätte berücksichtigen müssen. Die Beklagte
hat vorgetragen, dass die Kaltwasserleitungen mangelhaft seien, weil sie ungedämmt unmittelbar neben den warmgebenden Rohrleitungen lägen, zudem
über keine vollständige Schwitzwasserisolierung verfügten und deshalb die
Gefahr
einer
Salmonellenbildung
bestehe.
Darüber
hinaus
seien
die
Rohrleitungen nur unzureichend mit einem Textilgurt und einem Bolzenschussgerät auf der Sohlplatte befestigt worden. Die Beklagte hat ihre Schadensersatzforderung auch - zumindest teilweise - mit diesen Mängeln begründet.
- 13 -
Das Berufungsgericht hätte aufklären müssen, inwieweit Streit über das Vorhandensein der Mängel besteht und hierzu gegebenenfalls Beweis durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen. Die Aufklärung
der von der Beklagten behaupteten Tatsachen ist für die Beurteilung der
Unverhältnismäßigkeit von Bedeutung, weil das Interesse der Beklagten an der
Mängelbeseitigung durch das Hinzutreten weiterer Mängel mehr Gewicht
erlangt. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob durch
die unzureichende Dämmung der Kaltwasserleitungen die Gefahr einer
Salmonellenbildung besteht. Sollte die dahin gehende Behauptung der
Beklagten zutreffen, wäre es ihr kaum zuzumuten, dieses Risiko tragen zu
müssen.
19
3. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB unter Berücksichtigung der obigen
Ausführungen und der darüber hinaus von der Beklagten mit der Revision
vorgebrachten Einwendungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte
Schadensersatz nur in Höhe einer mangelbedingten Verkehrswertminderung
beanspruchen kann, wird es im Hinblick auf eventuelle weitere Mängel und
deren Folgen für die zweckentsprechende Verwendung der Werkleistungen neu
darüber befinden müssen, ob der vom Sachverständigen H. geschätzte
technische Minderwert einen angemessenen Ausgleich darstellt. Gleiches gilt
für seine Entscheidung, dass der Beklagten kein merkantiler Minderwert zu
ersetzen sei. Mit Recht beanstandet die Revision in diesem Punkt, dass das
Berufungsgericht seine Annahme, der Verkehrswert des Gebäudes sei nicht
- 14 -
tangiert, mit dem schlichten Hinweis auf einen nur geringfügig höheren
Energieverbrauch und keine darüber hinausgehenden Nutzungsnachteile nicht
hinreichend begründet hat.
Kniffka
Safari Chabestari
Leupertz
Eick
Kartzke
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 13.05.2009 - 10 O 2794/07 (223) OLG Oldenburg, Entscheidung vom 21.07.2011 - 8 U 140/09 -