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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 151/08
Verkündet am:
23. Juli 2009
Schick,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 651
a) Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden, also auch auf
Verträge zwischen Unternehmern.
b) Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 651 BGB nach
Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut
zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
c) Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn Gegenstand des
Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2009 - VII ZR 151/08 - OLG Nürnberg
LG Weiden i.d. OPf.
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Dr. Kuffer, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den
Richter Dr. Eick
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats
und Kartellsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 17. Juni
2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nacherfüllung aus einem Vertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die für die Errichtung einer Siloanlage benötigten Bauteile herzustellen und zu liefern. Außerdem begehrt sie die
Feststellung, dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist.
2
Die Klägerin hatte für einen Auftraggeber in Russland eine Siloanlage zur
Einlagerung von Graspellets zu erstellen und auf einem von diesem zu errichtenden Fundament zu montieren. Die Siloanlage besteht aus 14 unmittelbar
-3-
nebeneinander befindlichen Boxen, die jeweils 6 Meter hoch, 20 Meter lang und
5 Meter breit sind. Die Boxen sind jeweils durch eine Dammwand voneinander
getrennt, die aus mehreren Stützen, zwischen denen Trapezbleche montiert
sind, bestehen. Die für die Erstellung der Siloanlage erforderlichen Teile und
Materialien bestellte die Klägerin am 2. März 2004 einschließlich einer prüffähigen Statik bei der Beklagten. Diese stellte die Teile (u.a. Dammwände, Stützen
und Zugstangen) her und lieferte sie an die Klägerin aus. Die Anlage wurde von
der Klägerin in Russland errichtet.
3
Zwischen den Parteien steht inzwischen nach Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren außer Streit, dass die von der Beklagten gelieferten Silozellen eine zu geringe Blechdicke aufweisen und deshalb
nicht hinreichend beulsicher sind.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
hatte keinen Erfolg. Mit der Revision, die das Berufungsgericht zur Klärung der
Frage, ob § 651 BGB außerhalb von Verbrauchsgütergeschäften Anwendung
findet, zugelassen hat, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht geltend, auf das Vertragsverhältnis der Parteien sei entweder
unmittelbar oder über § 651 BGB Kaufrecht anzuwenden. Für die Klägerin habe
daher gemäß §§ 377, 381 Abs. 2 HGB eine Untersuchungs- und Rügepflicht
bestanden, der sie nicht nachgekommen sei.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil aufzuheben und
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
I.
6
Das Berufungsgericht sieht das Vertragsverhältnis der Parteien als
Werkvertrag an. Verpflichte sich ein Unternehmer dazu, eine bestimmte Sache
herzustellen und an seinen Vertragspartner zu übereignen, sei Werkvertragsrecht und nicht Kaufrecht anzuwenden, wenn die Herstellung einer konkreten
Sache den Schwerpunkt der Pflichten des Unternehmers bilde und daneben der
für einen Kaufvertrag typische Warenumsatz in den Hintergrund trete. Einer
Herstellungsverpflichtung komme besonderes Gewicht zu, wenn sie ganz wesentlich von geistigen Planungs-, Konstruktions- und Implementierungsleistungen begleitet oder geprägt sei. Das sei regelmäßig der Fall, wenn der Unternehmer die Verpflichtung übernehme, eine technisch komplexe Sache eigens
für die im Wesentlichen funktional definierten Bedürfnisse des Bestellers zu
konzipieren und herzustellen. Eine solche Verpflichtung habe die Beklagte
übernommen. Sie habe auf der Grundlage der von der Klägerin erfolgten Angaben zur Abmessung des Objekts und dessen Verwendungszwecks eine Siloanlage zu projektieren und zu liefern gehabt, wobei die Dimensionierung der einzelnen Bauteile nach Maßgabe der Berechnungen des von der Beklagten beauftragten Statikers vorgenommen worden sei. § 651 BGB finde auf die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung keine Anwendung. Diese Vorschrift sei einschränkend auszulegen, um die rechtliche Einordnung gewerblicher Lieferverträge außerhalb des Endkundenvertriebs weiterhin sachgerecht
-5-
danach vornehmen zu können, wo der Schwerpunkt der vertraglichen Leistungen liege. Sie erfasse den hier in Rede stehenden Umsatz von Investitionsgütern außerhalb des Endkundenvertriebs nicht.
II.
7
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
Nach § 651 BGB finden auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, die Vorschriften über den Kauf Anwendung. Soweit es sich dabei um nicht vertretbare
Sachen handelt, ordnet § 651 Satz 3 BGB die Anwendung der §§ 642, 643,
645, 649, 650 BGB mit der Maßgabe an, dass an die Stelle der Abnahme der
nach §§ 446, 447 BGB maßgebliche Zeitpunkt des Gefahrübergangs tritt.
Werkvertragsrecht tritt insoweit also nur ergänzend neben das Kaufrecht und
nicht verdrängend an dessen Stelle.
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Die Voraussetzungen dieser durch das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) neu gefassten Vorschrift liegen vor. Die Beklagte hat mit der Klägerin einen Vertrag geschlossen,
in dem sie sich zur Lieferung von noch herzustellenden Teilen einer Anlage
verpflichtet hat.
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1. Diese Teile sind entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung
bewegliche Sachen im Sinne des § 651 BGB.
11
a) Der Senat muss nicht entscheiden, ob der Begriff der beweglichen
Sache im Sinne des § 651 Satz 1 BGB nach sachenrechtlichen Kriterien des
nationalen Rechts zu ermitteln ist. Dagegen werden besonders im Hinblick auf
-6-
die Errichtung von Bauwerken, die als Scheinbestandteile von Grundstücken zu
bewerten sind, Bedenken erhoben. Daher könnte einer Auslegung der Vorzug
zu geben sein, die sich am natürlichen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung
tatsächlicher Abgrenzungskriterien orientiert. Für eine sich am natürlichen
Sprachgebrauch orientierende Betrachtung spricht, dass mit § 651 BGB auch
die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) umgesetzt werden
sollte
(Begründung
des
Gesetzentwurfs,
BT-Drucks.
14/6040,
S. 268).
Verbrauchsgüter im Sinne dieser Richtlinie sind bewegliche körperliche Gegenstände mit Ausnahme von bestimmten, näher bezeichneten Gütern, Art. 1
Abs. 2 lit. b) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Anhaltspunkte dafür, dass der autonom auszulegende Begriff des beweglichen körperlichen Gegenstandes nach
Kriterien des nationalen deutschen Sachenrechts zu beurteilen ist, sind nicht
ersichtlich (vgl. Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, § 651 Rdn. 17;
Thode, NZBau 2002, 360, 362; Voit, BauR 2009, 369, 370; Sienz, BauR 2002,
181, 191; Preussner, BauR 2002, 231, 241; Konopka/Acker, BauR 2004, 251,
253; Nitschke, BauR 2004, 1340, 1341; Leistner, JA 2007, 81, 82; Metzger; AcP
204 (2004) 231, 245, 254).
12
Nach jeder in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeit hatte die Beklagte bewegliche Sachen zu liefern. Die Beklagte schuldete lediglich die Anlieferung der Anlagenteile, so dass sie keine feste Verbindung mit einem Grundstück herzustellen hatte.
13
b) Der Einordnung als bewegliche Sache im Sinne des § 651 BGB steht
nicht entgegen, dass die Anlagenteile dazu bestimmt waren, zu einer Anlage
zusammengesetzt und dann auf einem Grundstück fest installiert zu werden.
Maßgeblich ist, ob die Sachen im Zeitpunkt der Lieferung beweglich sind
-7-
(Schumann, ZGS 2005, 250, 251 m.w.N.; Rudolph, Die Abgrenzung zwischen
Kauf- und Werkvertragsrecht gemäß § 651, S. 82 ff.).
14
Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind gemäß § 651 BGB nach Kaufrecht zu
beurteilen (Dauner-Lieb/Langen-Raab, Schuldrecht Teilband 2, § 651 Rdn. 14;
Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, Privates Baurecht, § 651 Rdn. 28;
Leupertz, BauR 2006, 1648 f.; Voit, BauR 2009, 369, 370). Inwieweit etwas anderes gilt, wenn der Lieferant eine Verpflichtung zum Einbau der Teile in ein
Bauwerk eingegangen ist oder die Teile selbst nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien als Bauwerk zu beurteilen sind, ist hier nicht zu
klären.
15
Soweit erwogen wird, die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen
nicht nach Kauf-, sondern nach Werkvertragsrecht zu beurteilen, wenn sie zum
Einbau in Bauwerke bestimmt sind (Mankowski, MDR 2003, 854, 856;
Schudnagies, NJW 2002, 396, 398; Ulbrich/Ulbrich, Festschrift für Thode,
S. 149, 157), kann dem nicht näher getreten werden. Für eine solche, sich an
der Zweckbestimmung der beweglichen Sache orientierende Einschränkung
ergeben sich weder nach nationalem deutschem Recht noch aus der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Anhaltspunkte (Rudolph, aaO, S. 82 ff.). Unmaßgeblich ist, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach altem Recht
Verträge über die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die erkennbar für ein
Bauwerk bestimmt waren, nach Werkvertragsrecht beurteilt hat (BGH, Urteil
vom 27. März 1980 - VII ZR 44/79, BauR 1980, 355). Denn die Einordnung als
Werkvertrag beruhte auf der Anwendung des nicht mehr maßgeblichen, durch
die Neufassung des § 651 BGB überholten Rechts. Ebenfalls ohne jede Bedeutung ist entgegen der Auffassung der Revision, dass diese Verträge und auch
solche Verträge, bei denen ein Handwerker Werkleistungen an beweglichen
-8-
Sachen erbrachte, die - wie ihm bekannt war - in ein bestimmtes Bauwerk eingebaut werden sollten, als Verträge über Arbeiten „bei Bauwerken“ im Sinne
des § 638 BGB a.F. angesehen wurden (BGH, aaO; Urteil vom 12. Oktober
1978 - VII ZR 220/77, BGHZ 72, 206, 209; Urteil vom 26. April 1990 - VII ZR
345/88, BauR 1990, 603, 604 = ZfBR 1990, 222). Es ist zwar richtig, dass dabei
die sachenrechtliche Zuordnung nach altem Recht keine Rolle spielte, sondern
allein auf die Zweckbestimmung der Leistung abgestellt wurde. Das lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Frage zu, unter welchen Voraussetzungen
bewegliche Sachen im Sinne des § 651 BGB anzunehmen sind.
16
c) Allerdings hat die Anknüpfung an den Begriff der beweglichen Sache
in der Literatur erhebliche Kritik erfahren, soweit sie sich auf Verträge im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken auswirkt. Dem Gesetzgeber,
der die Änderung des § 651 BGB auch mit der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vorgenommenen Angleichung von Werk- und Kaufvertragsrecht begründet hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 268), wird vorgeworfen, er
habe nicht sämtliche Aspekte bei der Unterscheidung zwischen Werkvertrag
und Kaufvertrag berücksichtigt (Thode, NZBau 2002, 360, 361 f.; Mankowski,
MDR 2004, 854 ff., Schudnagies, NJW 2002, 396, 398; Ott, MDR 2002, 361,
363 ff.; Leistner, JA 2007, 81 ff.; Konopka/Acker, BauR 2004, 251 ff.; Sienz,
BauR 2002, 181, 190 f.). Diese Kritik vermag nichts daran zu ändern, dass der
Wille des Gesetzgebers eindeutig dahin geht, diejenigen Werklieferungsverträge, die nach altem Recht noch dem Werkvertragsrecht unterstellt waren, nunmehr als Kaufverträge einzuordnen, was auch mit einer Angleichung an das
UN-Kaufrecht begründet worden ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 268). Dieser Wille
ist durch die unmissverständliche Formulierung des Gesetzes ausreichend zum
Ausdruck gekommen. Das Gesetz kann nicht unter Hinweis darauf umgangen
werden, dass die alte Rechtslage vermeintlich zu angemessenen Ergebnissen
geführt hat (so auch Messerschmidt/Voit-Messerschmidt/Leidig, aaO, Rdn. 28).
-9-
Auch ist ohne jede Bedeutung, dass die Verträge über die Lieferung von Bauteilen in der Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts nicht
erwähnt werden (vgl. Mankowski, aaO). Selbst wenn der Gesetzgeber diese
Verträge nicht vor Augen gehabt haben sollte, ändert das nichts an seinem Willen, allein die Beweglichkeit der Sache als neues Abgrenzungskriterium einzuführen. Eine teleologische Reduktion des § 651 BGB, die die Verträge über die
Lieferung herzustellender beweglicher Sachen, die für den Einbau in ein Bauwerk vorgesehen sind, von seinem Geltungsbereich ausnimmt, ist schon deshalb nicht veranlasst, weil das mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht zu
vereinbaren wäre. Es ist nicht erkennbar und wird auch von keiner Seite geltend
gemacht, dass Verträge über die Lieferung von Bauteilen vom Geltungsbereich
dieser Richtlinie im Hinblick darauf ausgenommen sein sollten, dass die Teile
später in ein Bauwerk eingefügt werden (Rudolph, Die Abgrenzung zwischen
Kauf- und Werkvertragsrecht, S. 68, 84).
17
Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die von der Literatur angeführten Wertungswidersprüche systematisch in der Regelung des § 651 Satz 1
BGB angelegt sind (Rudolph, aaO). Es mag als Wertungswiderspruch empfunden werden, dass ein Vertrag mit demjenigen, der die Errichtung des Bauwerks
schuldet und dazu die Bauteile herstellt und anliefert, nach Werkvertragsrecht
zu beurteilen ist, während ein Vertrag mit demjenigen, der die Bauteile herstellt
und lediglich anliefert, grundsätzlich nach Kaufrecht zu beurteilen ist. Dieser
vermeintliche Wertungswiderspruch ist jedoch allgemein in § 651 BGB angelegt, weil die Anwendung von Kaufrecht auf im Kern erfolgsbezogene Verträge
angeordnet und vom Gesetzgeber in der Meinung akzeptiert worden ist, Kaufund Werkvertragsrecht unterschieden sich nicht wesentlich. Das mag anders
gesehen werden können, ändert aber nichts an der Entscheidung des Gesetzgebers. Gleiches gilt für die zunächst bestehenden Schwierigkeiten der Vertragsgestaltung, die durch eine vertragstypologische Einordnung entstehen, die
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sich von einer auf erfolgsbezogene Verträge passenden Typologie entfernt (vgl.
Schumann, ZGS 2005, 250, 251).
18
3. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, § 651 BGB sei nicht anwendbar, weil die Beklagte wesentliche Planungsleistungen erbracht habe und in
diesem Fall die Vorschrift den hier in Rede stehenden Umsatz von Investitionsgütern außerhalb des Endkundenvertriebs nicht erfasse.
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a) Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden
(BT-Drucks. 14/6040, S. 268), also auch auf solche Verträge zwischen Unternehmern. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sollte nicht nur
die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen Mangel der alten Rechtslage beseitigen wollen, den er in der Unterscheidung zwischen der Herstellung und Lieferung von vertretbaren und unvertretbaren Sachen mit einer unübersichtlichen Verweisung auf einzelne Vorschriften des Kauf- und Werkvertragsrechts gesehen hat. Der Gesetzgeber
wollte eine starke Vereinfachung des Rechts über die Werklieferung, die für
sämtliche Verträge der in § 651 BGB bezeichneten Art gelten soll (BT-Drucks.
14/6040, S. 267 f.).
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Dem Gesetz kann keine Beschränkung derart entnommen werden, dass
lediglich Verträge über die Lieferung von typischen Massengütern oder zum
Verbrauch bestimmten Gütern erfasst sein sollten (so aber Erman/Schwenker,
BGB, 12. Aufl., § 651 Rdn. 5). Der Wortlaut des § 651 BGB und die dargestellten Motive geben dafür nichts her. Die Beschränkung lässt sich auch nicht aus
einer autonomen Auslegung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entnehmen, die
für die Auslegung des Gesetzes bei einer Lieferung an einen Verbraucher zu
berücksichtigen wäre. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie findet allerdings nur auf
- 11 -
Verträge Anwendung, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender
Verbrauchsgüter an Verbraucher zum Gegenstand haben. Daraus ergibt sich
jedoch ausweislich der Richtlinie keine Einschränkung der dargestellten Art.
Denn Verbrauchsgüter sind gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie bewegliche
körperliche Gegenstände mit Ausnahme der dort benannten Gegenstände. Eine
weitere Einschränkung enthält die Legaldefinition der Richtlinie nicht. Sie ergibt
sich auch nicht aus dem Verfahren zur Richtlinie (vgl. Rudolph, aaO, S. 67).
Insbesondere liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die schwierige Abgrenzung von typischen Massengeschäften oder zum Verbrauch bestimmten Gütern
von anderen Gütern in irgendeiner Weise durch die Richtlinie eröffnet sein sollte. Auch nach Sinn und Zweck der Richtlinie ist eine Einschränkung auf typische Massengüter oder zum Verbrauch bestimmte Güter nicht veranlasst. Denn
die Vereinheitlichung des Verbraucherschutzes mit den damit verbundenen
Schutzgarantien der Richtlinie ist bei allen Verbrauchergeschäften geboten.
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Von dem Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts erfasst bleiben
damit ausweislich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts im Wesentlichen die Herstellung von Bauwerken, reine
Reparaturarbeiten und die Herstellung nicht-körperlicher Werke, wie zum Beispiel die Planung von Architekten oder die Erstellung von Gutachten
(BT-Drucks. 14/6040, S. 268).
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b) Das alles stellt das Berufungsgericht nicht in Frage. Es meint vielmehr
auf der Grundlage einer in der Literatur vertretenen Meinung zur Einordnung
von Verträgen zwischen Unternehmern über die Lieferung eines herzustellenden typischen Investitionsgutes Werkvertragsrecht anwenden zu müssen. In
der Literatur wird geltend gemacht, § 651 BGB sei nicht anzuwenden, wenn der
Vertrag zwischen Unternehmern über die Lieferung eines herzustellenden typischen Investitionsgutes andere zusätzliche wesentliche Leistungen enthalte, zu
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denen etwa Planungs-, Konstruktions-, Integrations- und Anpassungsleistungen
gezählt werden. Dabei sind vor allem Leistungen im Zusammenhang mit der
Lieferung von in den Produktionsprozess einzupassenden Maschinen oder Industrieanlagen oder Projektverträge im Mittelpunkt der Diskussion (vgl.
Leistner, JA 2007, 81, 88; Metzger, AcP 204 (2004), 231, 232 f.; Schumann,
ZGS 2005, 250; Bamberger/Roth/Voit, BGB, 2. Aufl., § 651 Rdn. 12; Lapp in
jurisPK-BGB, 3. Aufl., § 651 Rdn. 1). Seien diese Leistungen für den Gesamterfolg des Vertrages von wesentlicher Bedeutung, bildeten sie den Schwerpunkt
des Vertrages (MünchKomm-Busche, BGB, 5. Aufl., § 651 Rdn. 31) oder gäben
ihm das Gepräge (Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 651 Rdn. 4), so sei Werkvertragsrecht anwendbar. Werkvertragsrecht sei auch dann anwendbar, wenn
ein Prototyp einer Maschine entwickelt werde, weil die dafür erforderliche geistige Leistung den Schwerpunkt des Vertrages bilde, während die Maschine
selbst nur das Substrat dieser Leistung sei (Staudinger/Peters/Jacoby (2008),
§ 651 Rdn. 8, 16; Palandt/Sprau, aaO).
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b) Der Senat muss nicht entscheiden, ob in den dargestellten Fällen
§ 651 BGB nicht anwendbar ist. Denn ein solcher Fall liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor.
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Allerdings geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte im vom Berufungsgericht festgestellten Umfang Planungsleistungen übernommen hat. Die
dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Klägerin hat er geprüft, jedoch nicht
für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
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Jedoch sind die Leistungen der Beklagten nicht von solchem Gewicht,
dass die Anwendung des Werkvertragsrechts gerechtfertigt wäre. Das Berufungsgericht verkennt die Bedeutung der Planungsleistung im Anwendungsbereich des § 651 BGB. Danach können solche Planungsleistungen, die als Vor-
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stufe zu der im Mittelpunkt des Vertrages stehenden Lieferung herzustellender
Anlagenteile anzusehen sind, der Beurteilung des Vertrages nach den Vorschriften über den Kauf regelmäßig nicht entgegenstehen. Wäre es anders,
würde die Vorschrift des § 651 BGB weitgehend leer laufen, denn jeder Herstellung
geht
eine
gewisse
Planungsleistung
voraus
(Messerschmidt/Voit-
Messerschmidt/Leidig, aaO, § 651 Rdn. 49; Motzke, in Bauträger-, Bau- und
Maklervertrag in der Praxis der Wohnungsunternehmen und Immobilienverwaltungen, S. 22). Eine Ausnahme kann deshalb allenfalls dann gelten, wenn die
Planungsleistung so dominiert, dass sie den Schwerpunkt des Vertrages bildet
und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts erfordert. Das kann z.B.
dann der Fall sein, wenn es bei der Beauftragung im Wesentlichen um die allgemein planerische Lösung eines konstruktiven Problems geht.
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die von der Beklagten zu liefernde prüffähige Statik sollte als Grundlage für die von dem Kunden der Klägerin auszuführenden Erd- und Betonarbeiten dienen. Für die Beklagte war sie
dazu bestimmt, ausreichend dimensionierte Bauteile aus ihrem Sortiment für
die von der Klägerin an deren Abnehmer zu liefernde Siloanlage zusammenzustellen. Schwerpunkt des Vertrags war damit nicht eine allgemein planerisch
und konstruktiv zu ermittelnde Problemlösung für die Lagerung von Graspellets,
sondern die Lieferung ausreichend dimensionierter Bauteile zur Erstellung einer
den Anforderungen der Klägerin entsprechenden Siloanlage. Dies ergibt sich
mittelbar - und nicht ausschlaggebend - auch aus der von den Parteien getroffenen Preisvereinbarung. Danach wurden für die prüffähige Statik nur 1.500 €
netto berechnet, für die zu liefernden Bauteile dagegen 166.500 € zuzüglich
Mehrwertsteuer.
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III.
27
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob die
Klägerin ihrer Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß § 381 Abs. 2, § 377 HGB
rechtzeitig nachgekommen ist.
Kniffka
Kuffer
Safari Chabestari
Bauner
Eick
Vorinstanzen:
LG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 19.11.2007 - HKO 21/07 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.06.2008 - 1 U 148/08 -