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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 32/12
vom
11. April 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2
Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei
vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen
hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.
BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZB 32/12 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari, den
Richter Dr. Eick, den Richter Kosziol und den Richter Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss
des
10. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Stuttgart
vom
12. Juni 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
I.
1
Der Kläger, ein Architekt, verlangt von dem beklagten Bauherrn restliches Architektenhonorar.
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Der Sachverständige E. hat im Auftrag des Landgerichts unter dem
10. September 2008 ein schriftliches Gutachten erstellt und dieses im Hinblick
auf Einwendungen des Beklagten unter dem 30. September 2009 ergänzt. Es
sollte geklärt werden, ob die Honorare für die Architektenleistungen des Klägers
inklusive Entwässerungsgesuch für das Bauvorhaben des Beklagten entsprechend den Rechnungen des Klägers vom 3. Mai 2005 unter Anwendung von
§ 20 HOAI zutreffend ermittelt worden seien.
3
Ein erstes Gesuch des Beklagten, den Sachverständigen abzulehnen,
hat das Landgericht wegen Verspätung für unzulässig erklärt.
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Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 hat das Landgericht die Anhörung des Sachverständigen für den 5. März 2012 angeordnet. Der gerichtlichen
Aufforderung entsprechend hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner damaligen
Prozessbevollmächtigten vom 16. Februar 2012 die an den Sachverständigen
zu richtenden Fragen formulieren lassen.
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Im Rahmen seiner Anhörung hat der Sachverständige Fotografien vorgelegt, die er Ende Februar 2012 vom Außenbereich des Anwesens des Beklagten gefertigt hatte und dazu Ausführungen gemacht. Diese hat der Beklagte
zum Anlass genommen, den Sachverständigen erneut wegen Besorgnis der
Befangenheit abzulehnen. Er hat insbesondere geltend gemacht, der Sachverständige habe ohne Auftrag des Gerichts und ohne Benachrichtigung der Parteien einen Ortstermin im Anwesen des Beklagten durchgeführt, dabei die vorgelegten Fotos gefertigt und diese bei seiner Anhörung zum Nachteil des Beklagten verwertet.
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Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch teils als unzulässig verworfen und im Übrigen für unbegründet erklärt. Die dagegen eingelegte sofortige
Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Ablehnungsantrag weiter.
II.
7
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, ein Grund, den Sachverständigen abzulehnen, bestehe nicht. Das Unterlassen der Benachrichtigung
beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertige die Ablehnung eines
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Sachverständigen nicht, weil die Parteien nicht unterschiedlich behandelt würden. Mit der Durchführung einer Ortsbesichtigung und der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse habe der Sachverständige zwar seinen Auftrag eigenmächtig überschritten. Dies allein rechtfertige aber nicht die Ablehnung wegen
Befangenheit, sofern nicht besondere Umstände hinzukämen. Nach den aus
der Akte ersichtlichen Umständen sei der Sachverständige über seinen Auftrag
hinaus in der irrigen Annahme tätig geworden, dem Gericht eine Entscheidung
in der Sache zu erleichtern. Damit allein sei ein einseitiges Vorgehen zu Lasten
einer der Parteien nicht verbunden. Dass die überschießenden Feststellungen
des Sachverständigen zu Ungunsten einer der beiden Parteien gingen, sei mit
jeder Beweisaufnahme verbunden und rechtfertige nicht den Schluss auf ein
ungerechtfertigtes einseitiges Vorgehen zu Lasten einer Partei, solange nicht
erkennbar sei, dass die Überschreitung des Gutachterauftrags von vornherein
aus einer einseitigen Belastungsabsicht des Sachverständigen heraus erfolgt
sei. Ein solcher Fall sei hier auch unter Berücksichtigung der früheren Entgegennahme von Plänen und anderen Unterlagen unmittelbar vom Kläger und der
Rechtsausführungen des Sachverständigen nicht festzustellen.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
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a) Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund
vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2 ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen
oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige
stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschluss vom 15. März 2005 - VI ZB 74/04, BauR 2005, 1205
m.w.N.; vgl. auch zur Richterablehnung: BGH, Beschluss vom 15. März 2012
- V ZB 102/11, NJW 2012, 1890).
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b) Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn
der Sachverständige den Gutachterauftrag in einer Weise erledigt, dass sie als
Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet
werden kann. Eine solche unsachliche Grundhaltung kann sich daraus ergeben,
dass der Gutachter Maßnahmen ergreift, die von seinem Gutachterauftrag nicht
gedeckt sind.
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So ist die Besorgnis einer Befangenheit des Sachverständigen aus der
Sicht einer Partei als gerechtfertigt gewertet worden, wenn dieser in seinem die
Grenzen seines Auftrags überschreitenden Gutachten den Prozessbeteiligten
den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits
aufgezeigt hat (OLG Köln, GesR 2012, 172; OLG Rostock, Beschluss vom
5. Oktober 2010 - 3 W 153/10, juris Rn. 3; OLG Jena, FamRZ 2008, 284; OLG
Celle, NJW-RR 2003, 135; OLG München, OLGR München 1997, 10). Ebenso
ist das Befangenheitsgesuch gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen als begründet angesehen worden, der seinen Gutachterauftrag dadurch
überschritten hat, dass er eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung
vorgenommen und seiner Beurteilung nicht die vorgegebenen Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1087) oder das
Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht hat, statt
die ihm abstrakt gestellte Beweisfrage zu beantworten (OLG Köln, NJW-RR
1987, 1198).
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Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer
Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht
zugänglich, sondern kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden (OLG München, Beschluss vom 19. September 2011
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- 1 W 1532/11, juris Rn. 9; vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 25. Mai 2010
- 13 Verg 7/10, juris).
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c) Ohne Rechts- und Verfahrensfehler hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Antrag, den Sachverständigen E. wegen Befangenheit abzulehnen, unbegründet sei, weil in dessen Verhalten keine Belastungstendenzen
zu Lasten des Beklagten erkennbar gewesen seien.
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aa) Das gilt zunächst für den Umstand, dass der Sachverständige E.
nach Erstellung des schriftlichen Gutachtens Fotos vom Anwesen des Beklagten gemacht hat. Auch wenn diese Fotos im Zeitpunkt ihrer Erstellung für das
Gutachten nicht notwendig waren, rechtfertigt das nicht die Besorgnis des Beklagten, der Sachverständige E. habe zu diesem Zeitpunkt eine ihn benachteiligende Absicht verfolgt. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sachverständige auch dann Fotos von Örtlichkeiten machen,
wenn und soweit der Gutachterauftrag dies nicht erfordert. Solche Fotos dienen
dem Sachverständigen häufig als Erinnerungsstütze und können im übrigen im
Prozess hilfreich sein, wenn es darum geht, die örtliche Situation zu veranschaulichen, etwa weil dies für die Beurteilung des Gerichts sinnvoll ist oder
sich der Fragenkatalog in der mündlichen Verhandlung erweitert. Solange der
Sachverständige diese Fotos nicht fertigt, um bestimmte Tatsachen außerhalb
seines Gutachterauftrags zu Lasten einer Partei festzuhalten, kann regelmäßig
keine Partei den Schluss ziehen, der Sachverständige trete ihr nicht unvoreingenommen gegenüber.
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bb) Bedenklich kann es allerdings sein, wenn der Sachverständige solche Fotos ohne Kenntnis der Parteien macht und dabei das Anwesen einer
Partei ohne deren Einwilligung betritt, was im Rechtsbeschwerdeverfahren zugunsten des Beklagten unterstellt werden muss. Allerdings bedeutet dieses
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Verhalten auch aus der Sicht des verständigen nicht informierten Besitzers des
Anwesens nicht ohne weiteres, dass es sich tendenziell gegen ihn richtet. Auch
insoweit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Würdigung des
Beschwerdegerichts, das Verhalten lasse keine ausreichenden Belastungstendenzen erkennen, ist noch vertretbar. Der Beklagte musste den Umstand, dass
der Gutachter nicht notwendige Fotos machte, nicht als Verhalten werten, mit
dem ihm gegenüber eine Voreingenommenheit des Sachverständigen zum
Ausdruck kam. Auch aus seiner Sicht kam damit nur ein besonderes Interesse
des Sachverständigen an dem Gutachterauftrag zum Ausdruck, das parteineutral eine überschießende Ermittlungstendenz zur Folge hatte. Der besondere
Eifer eines Sachverständigen rechtfertigt für sich gesehen auch dann noch nicht
die Besorgnis der Befangenheit, wenn er Fotos ohne Kenntnis und ohne grobe
Verletzung der Privatsphäre oder des Eigentums einer der Parteien macht. Eine
grobe Verletzung der Privatsphäre oder des Eigentums des Beklagten war mit
dem Betreten seines Grundstücks zur Fertigung der Lichtbilder nicht verbunden. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Sachverständige längere Zeit auf dem
Grundstück aufgehalten hat, gibt es nicht.
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cc) Soweit der Sachverständige auf der Grundlage dieser Lichtbilder Angaben zu der tatsächlichen Ausführung und der zugrunde liegenden Planung
gemacht hat, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es gerade der Beklagte
war, der mit Schriftsatz vom 16. Februar 2012 auf die tatsächliche Ausführung
des Bauvorhabens im Vergleich zur Planung des Klägers abgestellt hat, in dem
er folgende Fragen an den Sachverständigen formulieren ließ:
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Hat sich der Sachverständige überhaupt mit der Frage befasst, wie das
Bauwerk von dem Beklagten tatsächlich hergestellt wurde und wie viel es ihn
gekostet hat?
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19
Welche Planung hat der Beklagte bei der Herstellung seines Hauses
verwirklicht? War es die erste Planung vom 3. April 2001 oder die zweite Planung vom 12. Mai 2004?
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Zweifel an der Neutralität des Sachverständigen konnten sich aus Sicht
des Beklagten auch nicht aus den Folgerungen ergeben, die der Sachverständige aus den auf den Lichtbildern festgehaltenen tatsächlichen Gegebenheiten
gezogen hat. Der Sachverständige ist ausweislich seines Gutachtens vom
10. September 2008 und seines Ergänzungsgutachtens vom 30. September
2009 davon ausgegangen, dass der Kläger nach dessen Ausführungen und
denjenigen des Beklagten auch Stützmauer und Einfriedung zu planen hatte.
Dementsprechend hat er auch bei seiner Anhörung unter Bezugnahme auf sein
Gutachten ausgeführt, dass der Architekt auch ohne ausdrücklichen Auftrag
für Freianlagen bestimmte Außenanlagen planen müsse. Die Außenanlagen
hat der Sachverständige daher - entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde - nicht aufgrund der bei seiner Ortsbesichtigung getroffenen Feststellungen zum Nachteil des Beklagten bewertet und hierfür Kosten angesetzt,
sondern bereits in seinem zuvor erstellten schriftlichen Gutachten erfasst. Soweit sich der Sachverständige zu dem "Schwimmteich" des Beklagten und der
fast zwei Meter hohen Stützmauer geäußert hat, hat er keine abschließenden
Feststellungen getroffen. Auch aus der Antwort des Sachverständigen auf die
Frage, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Garage zunächst so geplant
gewesen sei, dass ein Zugang zum Haus neben dem geparkten Pkw nicht mehr
möglich gewesen sei, ergibt sich keine Tendenz, den Beklagten zu belasten.
Der Sachverständige hat lediglich "eingangs" ausgeführt, in 32 Jahren Praxis
außer diesem nur noch ein weiteres Bauvorhaben erlebt zu haben, das noch
großzügiger geplant worden sei. Er hat nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Ausführungen der Garage, sondern aufgrund der Pläne des ersten Bau-
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gesuchs die Feststellung getroffen, es sei für ihn absolut kein Planungsfehler
sichtbar; die Garagenbreite sei mehr als großzügig.
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d) Dem Beschwerdegericht ist damit im Ergebnis zuzustimmen, dass das
Vorgehen des Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der früheren
Entgegennahme von Plänen und anderen Unterlagen unmittelbar vom Kläger
die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht
rechtfertigt.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka
Safari Chabestari
Kosziol
Eick
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 15.03.2012 - 18 O 598/06 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.06.2012 - 10 W 19/12 -