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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 74/06
vom
8. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 520 Abs. 2 n.F.
Zum Eingang einer Berufungsbegründung um 24:00 Uhr des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist.
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 74/06 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats
in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
11. September 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 8.336,27 €
Gründe:
I.
1
Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 19. April 2006 die Klage
abgewiesen. Die Frist zur Einlegung der Berufungsbegründung lief am 13. Juli
2006 ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, er habe
aufgrund starker Arbeitsbelastung am 13. Juli 2006 während seiner Bürozeiten
die Berufungsschrift nicht fertig stellen können. Nach Abschluss der Berufungsschrift um ca. 23:30 Uhr habe er den Schriftsatz per Fax versenden wollen,
aber feststellen müssen, dass das Faxgerät den Schriftsatz nicht angenommen
habe. Nachdem er Kabel und Leitungen geprüft habe, habe er auf dem Display
des Faxgerätes einen Vermerk gesehen, dass die Toner-Kartusche gewechselt
werden müsse. Obwohl er zunächst die Erschöpfung der Toner-Kartusche als
Fehlerursache ausgeschlossen habe, da Toner nur für Ausdrucke gebraucht
werde, habe er die Kartusche ausgetauscht. Daraufhin habe das Faxgerät wie-
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der funktioniert. Das Wechseln der Kartusche, das üblicherweise von der Fachangestellten ausgeführt werde, habe etwa 15 Minuten gedauert. Der Schriftsatz
habe daher erst nach Mitternacht versandt werden können. Auf den vom Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckten drei Seiten der Berufungsbegründung
sowie der beigefügten Anlage befindet sich unten auf der jeweiligen Seite die
von einem Faxgerät stammende Zeitangabe "14/07 '06 FR 00:00 …".
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Den Antrag des Klägers vom 27. Juli 2006, ihm Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die
Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde
des Klägers.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht
zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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1. Der angefochtene Beschluss begegnet zwar Bedenken, weil er keine
Darstellung der Anträge der Parteien enthält. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde
unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden
wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in
beiden Instanzen erkennen lassen; anderenfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB
75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB
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56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78;
vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen der Anträge, das die Rechtsbeschwerde nicht beanstandet, kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die Anträge mit den prozessualen Vorgängen, auf
die es hier allein ankommt, mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, denn es ist keiner der in
§ 574 Abs. 2 ZPO angeführten Zulässigkeitsgründe ersichtlich.
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a) Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil
sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 520 Abs. 2 ZPO) bis zum Ablauf
des 13. Juli 2006 eingegangen sei und dem Kläger Wiedereinsetzung gegen die
Fristversäumung nicht gewährt werden könne, weil er sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz an der Fristversäumung zurechnen lassen müsse (§§ 85 Abs. 2, 233 ZPO). Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
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aa) Es entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung, dass eine
nach Monaten bemessene Frist, wie die Frist zur Begründung der Berufung
(§ 520 Abs. 1 Satz 2 ZPO), mit dem Ablauf des Tages endet, der dem Tag entspricht, in den das Ereignis der Zustellung des Urteils fällt (§ 222 Abs. 1 ZPO;
§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die Frist endet mit Ablauf dieses Tages, also
um 24:00 Uhr. Im vorliegenden Fall lief die Frist - nach den nicht angegriffenen
Feststellungen des angefochtenen Beschlusses - deshalb am 13. Juli 2006 um
24:00 Uhr ab.
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bb) Die Rechtsbeschwerde beanstandet, laut Aufdruck auf dem Fax sei
die Berufungsbegründung rechtzeitig um 24:00 Uhr am 13. Juli 2006 eingegangen. Das Berufungsgericht habe hierzu von Amts wegen aufklären müssen, ob
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das Empfangsgerät - wie häufig - lediglich das Ende der Übertragung als Zeitangabe ausdrucke. Offenbar springe der Zeitanzeiger bei diesem Gerät von der
Zeitangabe 13/07 23:59 Uhr sofort auf 14/07 00:00 Uhr. Der Kläger vermöge
sich hierzu nicht zu äußern. Ohne entsprechende tatrichterliche Feststellungen
sei daher zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Anzeige 00:00
im Faxgerät der gerichtlichen Eingangsstelle die Zeitangabe 24:00 bedeute.
Damit will die Rechtsbeschwerde geltend machen, dass die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordere, weil das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt habe, ohne die vorrangige Frage, ob der Begründungsschriftsatz verspätet eingegangen sei, näher zu prüfen. Damit versage es dem rechtsuchenden Bürger
eine rechtliche Prüfung seiner Sache aufgrund von Anforderungen, die weder
vom Gesetz noch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt werden
und mit denen er nicht rechnen musste (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
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(1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung war das Berufungsgericht einer näheren Abklärung nicht schon deshalb enthoben, weil der
Kläger selbst vorgetragen hatte, dass die Berufungsbegründung verspätet eingegangen sei, und dies unstreitig war. Die Fristen zur Begründung von Rechtsmitteln unterliegen ebenso wie Rechtsmittelfristen nicht der Disposition der Parteien. Übereinstimmender Vortrag der Parteien hierzu mag zwar verständlich
machen, warum eine nähere Prüfung nicht erfolgt, kann diese jedoch nicht entbehrlich
machen
(vgl.
§ 522
Abs. 1
Satz 1,
2
ZPO;
Rosen-
berg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 7 Rn. 7; MünchKommZPO-Aktualisierungsband/Rimmelspacher, aaO, § 522 Rn. 5; MünchKommZPO/Prütting, aaO, § 295 Rn. 11; Musielak/Huber, ZPO, 5. Aufl., § 295 Rn. 3;
Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 295 Rn. 3).
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(2) Die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass ein Eingang der Beru-
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fungsbegründung am 14. Juli 2006 00:00 Uhr rechtzeitig sei, weil dies gleichbedeutend sei mit "13. Juli 2006 24:00 Uhr". Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
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Allerdings ist im naturwissenschaftlichen Sinne der Zeitpunkt 13. Juli
2006 24:00 Uhr identisch mit dem Zeitpunkt 14. Juli 2006 00:00 Uhr (vgl. schon
Jauernig JZ 1989, 615, 616 zu Ziff. 4). Darum geht es jedoch nicht, wenn zu
beurteilen ist, ob eine Rechtsmittel-(begründungs-)frist gewahrt ist oder nicht.
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Entscheidend zur Wahrung einer solchen Frist ist, ob der fristwahrende
Schriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist, hier also am
13. Juli 2006 bis 24.00 Uhr eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar
2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB
8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203, 207; 102, 254, 295). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es maßgeblich nicht auf den Zeitpunkt ankommt,
zu dem die Rechtsmittelbegründungsschrift im Telefaxgerät des Gerichts ausgedruckt worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die gesendeten Signale
vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden
(vgl. BGH, BGHZ 167, 214, 219 ff.). Die Frist ist gewahrt, wenn dies bei Ablauf
des letzten Tages der Frist, also am 13. Juli 2006 24.00 Uhr der Fall war (vgl.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98 - NJW 2000, 1328; Beschluss
vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - NJW 2003, 3487; BVerfG, BVerfGE 52, 203,
207, 209). Der Schriftsatz muss vor Beginn des Folgetages 00:00 Uhr eingegangen sein (so ausdrücklich BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 aaO "vor Beginn" des Folgetages; vgl. BVerfG, BVerfGE 41, 323, 328) und damit - weil zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde exisitiert - vor Ablauf von 23:59 Uhr. Das aber bedeutet, dass das Empfangsgerät des Gerichts als Empfangszeit 23:59 Uhr hätte angeben müssen.
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Einen solchen hiernach allein genügenden Eingang vor 24:00 Uhr aber macht
auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend.
Wie es zu dem Eingangsvermerk 14.07.2006 00:00 Uhr gekommen sein
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kann, wenn zugleich nach dem (mutmaßlichen) Aufdruck des Faxgeräts des
Klägervertreters die Übermittlung erst am 14. Juli 2006 um 00:13 bis 00:14 Uhr
erfolgt sein soll, bedarf nach allem keiner Klärung. Gleiches gilt hinsichtlich der
Frage, ob das Empfangsgerät des Berufungsgerichts nach Ablauf des
13.07.2006 23:59 Uhr sofort auf 14.07.2006 00:00 Uhr umgeschaltet hat.
3. Die Begründung des den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Be-
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schlusses beanstandet die Rechtsbeschwerde nicht.
Nach allem ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen mit
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der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller
Greiner
Pauge
Diederichsen
Zoll
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 19.04.2006 - 4 O 199/03 OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 11.09.2006 - 22 U 132/06 -