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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 29/14
vom
13. Januar 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
nein
BGHZ:
nein
BGHR:
nein
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1, § 3; BGB § 823 Abs. 1 (Ah), § 1004; GG Art. 1, 2, 5
Zur Beschwer des Beklagten, der zur Löschung zweier mehr als drei Jahre alter EMails von seiner Internetseite verurteilt worden ist.
BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14 - OLG Koblenz
LG Mainz
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter Pauge und
Offenloch und die Richterin Dr. Oehler
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. April 2014 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
500 €.
Gründe:
I.
1
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung
zweier E-Mails des Klägers an den Beklagten auf dessen Internetseite. Der
Kläger betreibt in Kanada ein Mietwagenunternehmen zur Vermietung von
Wohnmobilen, das sich mit einer deutschsprachigen Internetseite insbesondere
an deutschsprachige Urlauber wendet. Der Beklagte unterhält die Internetseite
www.t...de, in der er Informationen zu Reisen und Reiseveranstaltern zusammenstellt und Interessierten zugänglich macht. Im Frühjahr 2010 kam es zwischen den Parteien zu Verhandlungen über die Vermietung eines Wohnmobils
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an den Beklagten, die zu Unstimmigkeiten führten. Der Beklagte veröffentlichte
danach zwei E-Mails des Klägers an ihn auf seiner Internetseite wie folgt:
"Wie der Versuch einer Wohnmobil-Anmietung verlaufen kann:
Nach kurzer E-Mail-Korrespondenz war alles geklärt und der Buchungsauftrag an H.-Car erteilt. Kurz darauf traf die Rechnung als PDF per
E-Mail ein. Diese enthielt mehrere falsche Angaben. Eine freundliche
Rückfrage per E-Mail wegen der Unstimmigkeiten wurde ziemlich "herb"
beantwortet. Wegen der unfreundlichen Behandlung wurde die Buchung
annulliert.
Und hier die Reaktion (unverändert 1:1 und ohne Worte...)
Ein besseres Angebot bekommen Sie nirgendwo. Desweiteren kommen
Sie samstags an, keiner übergibt Ihnen am gleichen Tag ein womo.
Sonntags ist alles geschlossen. Sie müssen warten bis Montag. Nur weil
ich recht habe und Sie dies nicht verstehen, ist Ihre Reaktion total überzogen. Es sind nun 16 Tage ob Sie wollen oder nicht. 2 volle Wochen
und 2 Tage. Und vom 15 auf 16. nur diese Nacht ist kostenfrei. Ich gebe
Ihnen doch nicht 2 Nächte frei. Wie Sie dies geschrieben haben. Ich habe auch nichts zu verschenken. Sie bekommen schon 15 % Rabatt Was
wollen Sie noch mehr? Na, dann viel Glück. Überall zahlen Sie weitaus
mehr. Hier eiern Sie rum wegen scheinbar 69 $. Woanderst zahlen Sie
schon mal Wäschepaket, Abholung, 2 Tage müssen Sie Hotel bezahlen.
Sie werden schon sehen, was noch alles auf Sie zu kommt. Und kein
Mai-Rabatt. Ich habe eine Firma und muss Geld verdienen, wie Ihr Chef
auch. Der muss auch Geld verdienen. Damit Sie Ihr Geld bekommen.
Oder sehen Sie das anderst. Meine Bedingungen und Service ist bekannt und niemand bietet Ihnen diesen Service. Und Service kostet auch
Geld. Es ist nichts umsonst. Mit freundlichen Grüßen K."
2
Unter der Überschrift "Wohnmobil Vermietung H.-Car, V.: E. K. droht t.
mit Schadensersatzklage von 50.000 $" und unter vollständiger Angabe der
E-Mail-Adresse des Klägers veröffentlichte der Beklagte folgende zweite E-Mail
des Klägers:
-4-
"Ich habe gerade festgestellt, dass Sie Ihre Meinung immer noch nicht
vom Netz genommen haben. Ihr Meinung können Sie Freunde und Bekannte weiter sagen, aber nicht mir Schaden zufügen im Internet.. Alle
Kunden von mir vertreten mit Sicherheit nicht Ihre Meinung, denn diese
finden meinen Service gut und buchen bei mir. Ich gebe Ihnen noch 3
Tage Zeit. Das heist, am Sonntag möchte ich dies nicht mehr sehen.
Sollte dies woanderst auftauchen werde ich dies finden, denn mein Internet Mensch findet alles. Sollte dies noch immer drinnen sein, werde ich
kommenden Montag meinen Rechtsanwalt K. in W. kontaktieren und er
wird Ihnen einen entsprechenden Brief schreiben, wo wir Ihnen mitteilen,
dass wir gegen Sie eine Schadensersatzklage von 50.000 € einleiten
werden mit weiteren Umsatzeinbrüchen die Folge Ihrer persönlichen
Meinung ist. Wenn Ihnen die das Wert ist, dann lassen Sie Ihre Meinung
drinnen. Ich weiß zwar nicht, was Sie sich davon versprechen. Aber, weil
Sie dies so schreiben, haben Sie die Absicht mir Schaden zuzufügen,
denn sonst würden Sie dies ja nicht veröffentlichen. Also liegt eine klare
Absicht vor mir Schaden zuzufügen, den ich dann hiermit wieder geltend
mache vor Gericht in Deutschland. Mit freundlichen Grüßen K."
3
Nach erfolgloser Abmahnung erhob der Kläger im August 2013 Unterlassungsklage. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Den Streitwert hat es
auf 7.500 € festgesetzt. Das Oberlandesgericht ist nach Anhörung des Beklagten von einer Beschwer von 500 € ausgegangen, hat die Berufung gegen das
landgerichtliche Urteil nicht zugelassen und die Berufung des Beklagten verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es erschließe sich nicht, welches Interesse der Beklagte über den formalen Hinweis auf Art. 5 Abs. 1 GG hinaus davon habe, das Internetpublikum weiterhin über den Inhalt zweier mehr als drei
Jahre alter E-Mails des Klägers zu informieren. Nachteile, die dem Beklagten
aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen könnten, seien nicht
ersichtlich und von ihm nicht aufgezeigt. Hiergegen wendet sich der Beklagte
mit seiner Rechtsbeschwerde.
-5-
II.
4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2003 - XII ZB
191/02, BGHZ 155, 21, 22; vom 20. Januar 2011 - V ZB 193/10, NZM 2011,
488 Rn. 5). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
6
2. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.
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a) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574
Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
unter anderem, wenn die Anforderungen, die das Berufungsgericht stellt, überzogen sind und dem Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003
- V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; vom 20. Januar 2011 - V ZB 193/10, NZM
2011, 488 Rn. 7). Eine solche unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der
an sich gegebenen Berufung kann auch in einem Fehler bei der Bemessung
der Beschwer liegen. Die Bemessung der Berufungsbeschwer steht gemäß
§§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts, das dabei nicht an den
in erster Instanz festgesetzten Streitwert gebunden ist (vgl. Senat, Beschluss
vom 8. Mai 2012 - VI ZB 1/11, - VI ZB 2/11, VersR 2012, 1272 Rn. 10 mwN).
Der vom Berufungsgericht angenommene Wert kann von der Revisions- oder
Rechtsbeschwerdeinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Be-
-6-
rufungsgericht, etwa weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat, die Grenze
des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der
Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschluss vom 10. April 2014 - V ZB 168/13, juris Rn. 5; Urteil vom 19. November
2014 - VIII ZR 79/14, juris Rn. 14). Ein solcher Ermessensfehlgebrauch liegt
hier nicht vor.
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b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die
Beschwer einer zur Unterlassung verurteilten Partei danach richtet, in welcher
Weise sich das ausgesprochene Verbot zu ihrem Nachteil auswirkt (BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - VII ZB 26/11, VersR 2015, 81 Rn. 9). Maßgeblich sind die Nachteile, die ihr aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen (BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2006 - III ZR 40/06,
MMR 2007, 37; vom 8. Januar 2009 - IX ZR 107/08, NJW-RR 2009, 549 Rn. 3).
Außer Betracht bleiben dabei die Nachteile, die nicht mit der Befolgung des Unterlassungsgebots, sondern mit einer Zuwiderhandlung - etwa durch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder durch die Bestellung einer Sicherheit verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11,
GRUR 2013, 1067 Rn. 10).
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aa) Dass die Löschung der E-Mails von der Internetseite des Beklagten
in Bezug auf möglichen Aufwand und Kosten die festgesetzte Beschwer nicht
übersteigt, zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel.
10
bb) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Interesse des zur Unterlassung verurteilten
Beklagten an der Beseitigung seiner Verurteilung zwar nicht zwangsläufig, aber
regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung entspreche, denn
das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung sei pauschalierend
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und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers,
Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie von subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers wie etwa dem Verschuldensgrad zu bewerten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2013 - I ZR 174/11, GRUR 2013,
1067 Rn. 12; vom 24. Februar 2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 261 Rn. 5). Diese
Grundsätze können aber im Streitfall nicht herangezogen werden. Es muss hier
nicht entschieden werden, ob sie grundsätzlich nur in wettbewerbsrechtlichen
Verfahren Anwendung finden können, denn es ist ersichtlich, dass ihre Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben sind. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist
nicht festgestellt, dass der Beklagte gewerblich tätig ist und aus dem Betrieb
seiner Internetseite Umsätze erzielt, auch nicht, dass er in einem Wettbewerb
zum Kläger steht. Eine nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats für diese
Fälle für die Beschwer maßgebende Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR
174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 15; Beschluss vom 24. Februar 2011 - I ZR
220/10, AfP 2011, 261 Rn. 7) ist mangels wirtschaftlicher oder gewinnorientierter Tätigkeit des Beklagten ebenfalls nicht festgestellt. Damit ist es ohne Bedeutung, ob das Landgericht den Streitwert mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zutreffend festgesetzt hat.
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cc) Bei der Bewertung der Nachteile für den Beklagten bei Befolgung des
Unterlassungsgebots hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die beanstandete Veröffentlichung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG - Schutz der
Meinungs- und Kommunikationsfreiheit - erfasst wird. Ebenso wenig übersieht
das Berufungsgericht, dass es für den Schutz der Meinungsäußerung nicht darauf ankommt, ob die Meinung begründet oder grundlos, emotional oder rational
ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (vgl.
BVerfGE 90, 241 Rn. 26). Auch ist die Bewertung des Berufungsgerichts nicht
zu beanstanden, dass einem mehr als drei Jahre alten Beleg für den einmaligen
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Vorfall einer unfreundlichen Kundenbehandlung für die Meinungsbildung potentieller Kunden dieses Wohnmobilvermieters schon aufgrund des Alters und der
fehlenden Aktualität nur sehr geringes Gewicht beizumessen ist.
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3. Im Übrigen wird von einer Begründung nach § 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO
abgesehen.
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke
Diederichsen
Offenloch
Pauge
Oehler
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 03.02.2014 - 2 O 243/13 OLG Koblenz, Entscheidung vom 02.04.2014 - 5 U 217/14 -