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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 27/00
Verkündet am:
30. März 2001
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des
11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1999 aufgehoben und das Urteil der 8. Zivilkammer des
Landgerichts Magdeburg abgeändert, soweit zum Nachteil der
Klägerin erkannt worden ist.
Die Klage ist dem Grunde nach berechtigt.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung
über die Höhe des Anspruchs und die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin war als Treuhandanstalt alleinige Gesellschafterin der
L.
O.
GmbH (im folgenden: GmbH). Die GmbH war
Eigentümerin eines Grundstücks, von dem der Beklagte Teilflächen erwerben
wollte. In den hierzu mit der Klägerin geführten Verhandlungen suchte der Be-
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klagte, die Abrede einer von der Klägerin üblicherweise verlangten Nachbewertungs- und Mehrerlösabführungsklausel zu vermeiden. Nach Abschluß der
Verhandlungen vereinbarte der Beklagte mit dem Geschäftsführer der GmbH,
dem Zeugen P.
, für den 1. März 1991 einen Termin zur Beurkundung
des Kaufvertrages über eine Teilfläche des Grundstücks. In dem Termin legte
P.
einen von der Klägerin am 27. Februar 1991 gefaßten Gesellschaf-
terbeschluß vor. Nach diesem war ihm gestattet, aus dem Grundstück der
GmbH eine Teilfläche von 60.000 qm gemäß einem von der Klägerin formulierten Vertragstext für 46,50 DM pro qm inklusive Mehrwertsteuer an den Beklagten zu verkaufen. Eine Nachbewertung sollte nicht stattfinden, ein Mehrerlös aus einem Weiterverkauf innerhalb von zwei Jahren an die GmbH abgeführt werden.
Hieran drohte der Abschluß des Vertrages zu scheitern. Nach Behauptung des Beklagten wurde die Urkundsverhandlung unterbrochen und erst abgeschlossen, nachdem er sich mit P.
dahingehend geeinigt hatte, daß
der Vertrag über eine näher beschriebene Teilfläche von rund 53.000 qm (im
folgenden: Grundstück 1) zwar zunächst wie von der Klägerin vorgegeben abgeschlossen, später jedoch dahingehend geändert werden sollte, daß die
Mehrerlösklausel entfällt.
In der Folgezeit wurde der Kaufvertrag zweimal in notariell beurkundeter
Form geändert. Eine Aufhebung der Mehrerlösklausel unterblieb. Am
7. Februar 1992 wurde der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks 1 in das
Grundbuch eingetragen.
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Durch Vertrag vom 8. Juli 1991 kaufte der Beklagte eine weitere Teilfläche des Grundstücks für 19,75 DM/qm. Dieser Vertrag sieht weder eine Nachbewertung noch die Abführung eines durch einen Weiterverkauf erzielten Mehrerlöses vor.
Durch Vertrag vom 12. November 1991 verkaufte der Beklagte das
Grundstück 1 und aus der am 8. Juli 1991 hinzugekauften Fläche eine an das
Grundstück 1 angrenzende Teilfläche von rund 12.000 qm (im folgenden:
Grundstück 2) weiter. Der für das Grundstück 1 vereinbarte Kaufpreis betrug
45 DM/qm zuzüglich Mehrwertsteuer, der für das Grundstück 2 126 DM/qm zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Klägerin hält die Vereinbarung unterschiedlicher
Preise für willkürlich. Sie hat den durch den Weiterverkauf der Grundstücke
vom Beklagten erzielten Preis mit durchschnittlich 59,95 DM/qm zuzüglich
Mehrwertsteuer errechnet und mit der Klage aus abgetretenem Recht der
GmbH den Beklagten auf Auskehrung eines für das Grundstück 1 erzielten
Mehrerlöses von 1.015.192,60 DM in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 223.066,85 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die gegen die
teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung des Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten in
Höhe von 1.015.192,60 DM zuzüglich Zinsen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten. Es meint, dem geltend gemachten Anspruch stehe entgegen, daß zwischen dem Beklagten und der von P.
vertretenen GmbH am 1. März
1991 mündlich ein Vorvertrag geschlossen worden sei, durch den die GmbH
die Verpflichtung übernommen habe, die im Kaufvertrag enthaltene Mehrerlösklausel aufzuheben. Die Formnichtigkeit des Vorvertrages sei durch die Eintragung des Beklagten als Eigentümer in das Grundbuch am 7. Februar 1992 geheilt. Der Berufung auf die Wirksamkeit des Vorvertrages stehe auch der Gesellschafterbeschluß der Klägerin vom 27. Februar 1991 nicht entgegen, weil in
den Verhandlungen zwischen den Parteien Einigkeit über einen Verkauf des
Grundstücks 1 ohne die Vereinbarung einer Mehrerlösklausel erzielt worden
sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Angriffe der Revison auf die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts begründet sind. Denn auch vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus, daß zwischen dem Beklagten und den Mitarbeitern der Klägerin in den Verhandlungen über den Verkauf des Grundstücks 1 Einigkeit über den Inhalt des mit der GmbH zu schließenden Vertra-
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ges erzielt und mit P.
vereinbart worden sei, die zum Mehrerlös von der
Klägerin verlangte Vereinbarung später aufzuheben, ist die Klageabweisung
nicht begründet. Denn in diesem Fall ist es dem Beklagten verwehrt, sich insoweit auf die Wirksamkeit der Vertretung der GmbH durch P.
zu beru-
fen.
Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist im Außenverhältnis nicht beschränkbar (§ 37 Abs. 2
Satz 1 GmbHG). Ist dem Vertragspartner der Gesellschaft jedoch bekannt oder
muß es sich ihm aufdrängen, daß der Geschäftsführer die Grenzen mißachtet,
die seiner Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis gezogen sind (§ 37 Abs. 1
GmbHG), ist ihm die Berufung auf die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrages verwehrt (st. Rspr., vgl. statt aller BGH, Urt. v. 5. Dezember 1983,
II ZR 56/82, WM 1984, 305, 306). So liegt es hier: Die Klägerin hatte als alleinige Gesellschafterin der GmbH am 27. Februar 1991 beschlossen, daß die
GmbH einen Kaufvertrag mit dem Beklagten über das Grundstück 1 nur mit der
Maßgabe schließen dürfe, daß der Mehrerlös aus einem Weiterverkauf binnen
zwei Jahren an die GmbH abzuführen sei. Auch wenn der Beschluß der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dem in den Verhandlungen zwischen den Parteien erreichten Stand entsprach, war er für P.
als Geschäftsführer der GmbH bindend. Nach den weiteren Feststellungen des
Berufungsgerichts haben P.
erkannt. Aus diesem Grund sahen sich P.
, der Beklagte und der Notar das
und der Beklagte nicht in
der Lage, einen Kaufvertrag ohne die Vereinbarung der von der Klägerin verlangten Abrede zu schließen.
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Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis von P.
im Innenver-
hältnis war umfassend. Sie verbot nicht nur den Abschluß eines Kaufvertrages
ohne die Vereinbarung der von der Klägerin zur Abführung des Mehrerlöses
verlangten Bestimmung, sondern auch den Abschluß eines Vertrages neben
dem Kaufvertrag, der dazu führen sollte, daß der Kaufvertrag entgegen dessen
vereinbartem Inhalt eine Änderung zum Nachteil der GmbH erfahren sollte. Ob
der Beschluß der Klägerin vom 27. Februar 1991 einem zuvor erreichten Verhandlungsergebnis entsprach, ist insoweit ohne Bedeutung. Auch ein abweichendes Verhandlungsergebnis stand einer Änderung des Willens der Klägerin
nicht entgegen.
III.
Der Rechtstreit ist dem Grunde nach zur Entscheidung reif. Der geltend
gemachte Anspruch findet im Kaufvertrag vom 1. März 1991 eine Grundlage.
Der Vertrag entsprach dem Willen der Vertragsparteien. Er ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die zu seiner Änderung getroffene Vereinbarung der Klägerin nicht entgegen gehalten werden kann. Der Beklagte wußte, daß P.
der Abschluß eines Vertrages untersagt war, der von den Vorgaben der Klägerin abwich. Dadurch daß er in Kenntnis des Beschlusses der Klägerin vom
27. Februar 1991 den Kaufvertrag mit dem von der Klägerin vorgegebenen Inhalt und daneben eine P.
untersagte Vereinbarung zu dessen
Änderung schloß, übernahm er das Risiko des Scheiterns dieser Zusatzvereinbarung. § 139 BGB findet daher keine Anwendung. Die zum Mehrerlös vereinbarte Regelung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Nach dem Vortrag des Beklagten handelt es sich bei dieser Klausel
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nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine Individualabrede (§ 4 AGBG).
Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs bedarf die Sache dagegen noch weiterer Aufklärung. Bei der Prüfung, welcher Erlös im Sinne des
Kaufvertrages vom 1. März 1991 für das Grundstück 1 vom Beklagten erzielt
worden ist, kann nicht ohne weiteres von dem im Vertrag vom 12. November
1991 verlautbarten Preis von 45 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ausgegangen
werden. Es ist vielmehr auf das mit dem Weiterverkauf von dem Beklagten erzielte wirtschaftliche Ergebnis abzustellen (zur Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Vertragsgestaltung mit einem Dritten vgl. Senat, BGHZ
115, 335 ff, Senatsurt. v. 20. März 1998, V ZR 25/97, WM 1998, 1189 ff; BGHZ
115, 157 ff). Hierzu sind die verkauften Grundstücke gemeinsam zu bewerten.
Anders wäre es nur, wenn ein nachvollziehbares Interesse der Käuferin an einer unterschiedlichen Preisgestaltung festgestellt werden könnte.
Darüber hinaus wird das Berufungsgericht die Klausel interessengerecht
auszulegen haben. Hierbei ist zu bedenken, daß werterhöhende Aufwendungen, die der Beklagte vor dem Weiterverkauf der Grundstücke auf diese gemacht hat, den von dem Beklagten realisierten Mehrerlös im Ergebnis ebenso
mindern wie die Übernahme von Verpflichtungen, die über die Pflichten der
GmbH aus dem Kaufvertrag vom 1. März 1991 hinausgehen.
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Zu beiden Fragen hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen getroffen. Diese sind nachzuholen.
Wenzel
Krüger
RiBGH Schneider ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert zu unterschreiben.
Karlsruhe, den 2.4.2001
Wenzel
Klein
Gaier