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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 346/02
Verkündet am:
14. November 2003
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 157 D, 313
Der Käufer, der als Rechtsnachfolger in die Rechte des Verkäufers aus einer
Baugenehmigung eingetreten ist, kann die Stellplatzablösesumme, die diesem
wegen Erlöschens der Baugenehmigung erstattet worden ist, nicht herausverlangen.
BGH, Versäumnis-Urteil v. 14. November 2003 - V ZR 346/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Kassel
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats
in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die
Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen
das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom
11. April 2001 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte war Eigentümerin des Grundstücks H.
in K.
Straße 23
. Am 20. Dezember 1991 erhielt sie die Genehmigung zur Errichtung
eines Appartment-Hotels. Die Genehmigung war mit einer Stellplatzauflage
verbunden, die zum Teil durch Zahlung abgelöst werden konnte. Aufgrund einer Vereinbarung vom 22. Juli 1992 zahlte die Beklagte eine Ablösesumme
von 175.950 DM an die Stadt. Mit notariellem Vertrag vom 14. September 1994
verkaufte sie das Grundstück, auf dem die Bauarbeiten aufgenommen worden
waren, für 1.802.700,01 DM an den Kläger. Dieser hatte sich mit der Absicht
getragen, den Bau als Wohn-, Büro- und Geschäftshaus weiterzuführen, nahm
aber im Hinblick auf die Entwicklung des Immobilienmarktes am Ort von der
Baumaßnahme Abstand. Die Stadt zahlte die Ablösesumme nach Erlöschen
der Baugenehmigung an die Beklagte zurück.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung in Höhe der Ablösesumme in
Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 165.950 DM stattgegeben.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils
des Landgerichts.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, in ergänzender Auslegung des
Kaufvertrags der Parteien sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Rechte
aus der mit der Stadt getroffenen Ablösevereinbarung an den Kläger abzutreten. Nach Rückerstattung habe sie die Summe an diesen weiterzugeben. Da
der Kläger mit Erwerb des Eigentums in die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Rechte eingetreten sei, sei ihm die Ablösesumme zugute gekommen. Ein gesonderter Ausgleich hierfür sei im Kaufvertrag nicht vorgesehen
gewesen. Dies spreche dafür, daß die Beklagte ihm bei Nichtausführung des
Baus den Rückerstattungsanspruch zu überlassen habe. Anderenfalls würde
das ausgewogene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, das zu vermuten sei, durchbrochen.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
II.
1. Der Rückzahlung der Ablösesumme an die Beklagte durch eine ergänzende Auslegung des Kaufvertrags der Parteien Rechnung zu tragen, ist
nicht möglich. Eine ergänzende Auslegung kann das Gericht nicht bereits dann
vornehmen, wenn ein Vertrag einen Punkt, der sich im Streitfall als erheblich
erweist, offen läßt. Erforderlich ist vielmehr eine planwidrige Lücke des Vereinbarten (BGHZ 77, 301, 304; 127, 138, 142). Sie ist dadurch gekennzeichnet,
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daß die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen
wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen
ist (BGH, Urteil vom 20. März 1985, VIII ZR 64/84, NJW 1985, 2581 f.). Die
Lücke tritt in diesen Fällen in einem Bereich auf, den die Parteien als regelungsbedürftig angesehen haben (Senatsurteil vom 14. Januar 2000, V ZR
416/97, BGHR BGB § 157, Ergänzende Auslegung 23); das Ergänzungsbedürfnis entsteht innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen (BGH, Urteil
vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90, BGHR aaO, Ergänzende Auslegung
14). Die Lücke muß zwar nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch,
was hier allein in Frage kommen könnte, infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 19. Juni 1980, III ZR 182/78, NJW 1981, 219,
220). Im Gegensatz zu den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die einer Anpassung des Gewollten an die
Wirklichkeit oder dessen Liquidation bei Scheitern der Anpassung dienen, geht
es bei der ergänzenden Vertragsauslegung, auch soweit sie durch nachträgliche Umstände veranlaßt ist, darum, den in dem Vereinbarten zutage tretenden
Planvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Ansatzpunkt besteht daher
in der Ermittlung dessen, was die Parteien (bei angemessener Abwägung ihrer
Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst
unternommen hätten (hypothetischer rechtsgeschäftlicher Wille; BGHZ 90, 69,
77; 127, 138, 142).
Den Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen,
daß der Kaufvertrag der Parteien rechtlich auf einen über den Leistungsaustausch hinausgehenden Erfolg gerichtet gewesen wäre. Mit Erwerb des Eigentums an dem Grundstück rückte der Kläger allerdings, wovon das Berufungsgericht nach § 61 Abs. 8 HBO ausgeht, der "für Rechtsnachfolgerinnen und
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Rechtsnachfolger" die Geltung der Verwaltungsakte anordnet, in die Rechtsstellung der Beklagten als Adressatin der Baugenehmigung ein. Dieses unmittelbar auf gesetzlicher Anordnung, nur mittelbar auf vertraglicher Gestaltung
beruhende Ergebnis mag zwar, wozu Feststellungen allerdings fehlen, vom
vertraglichen Regelungszweck erfaßt worden sein. Jeder Anhaltspunkt fehlt
aber dafür, daß dem Kläger mehr als die rechtliche Möglichkeit, das Bauvorhaben unter Ausnutzung der Stellplatzablösung durchzuführen, geboten werden
sollte. Ob er hiervon Gebrauch machte oder nicht, lag allein in seiner durch das
Eigentum begründeten Befugnis, mit dem Baugrundstück nach Belieben zu
verfahren (§ 903 BGB). Im übrigen konnte auf der Grundlage der getroffenen
Feststellungen noch nicht einmal davon ausgegangen werden, daß dem Kläger
die rechtlich gesicherte Möglichkeit verschafft werden sollte, die von ihm, abweichend von den genehmigten Plänen (Hotel), beabsichtigte Bebauung
(Wohn-, Büro- und Geschäftshaus) unter Ausnutzung der Stellplatzablösung zu
verwirklichen. Auch der Kläger ging, wie die vorgelegte Korrespondenz mit der
Stadtverwaltung zeigt, davon aus, daß zur Verwirklichung seines Vorhabens
eine Änderungsgenehmigung erforderlich war. Aus der Feststellung des Berufungsgerichts, daß für die Parteien bei Kaufabschluß kein Anlaß bestanden
habe, "über eine mögliche Rückerstattung des Ablösebetrages bei Nichtbebauung des Grundstücks nachzudenken", kann somit nicht gefolgert werden,
ihre Vereinbarung sei lückenhaft.
2. Auch eine Anpassung des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Frage. Geschäftsgrundlage, wenn nicht Vertragsinhalt (dazu oben zu 1.), mag die Möglichkeit des Klägers gewesen sein,
die Rechte aus der Baugenehmigung vom 20. Dezember 1991 auszuüben.
Dafür, daß nach den beiderseitigen oder für die jeweilige Gegenseite erkenn-
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baren Vorstellungen der Parteien der gemeinsame Geschäftswille darauf beruht hätte, daß der Kläger von der erworbenen öffentlich-rechtlichen Stellung
auch Gebrauch machte und sich so den Vorteil der Stellplatzablösung sicherte
(BGHZ 128, 230, 236), sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung
erörterten Umstände geben hierfür nichts her. Bei der Prüfung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung übersieht das Berufungsgericht, daß
die Leistung der Beklagten sich darauf beschränkte, dem Kläger mit dem Eigentum die Möglichkeit zu verschaffen, die Baugenehmigung mit Stellplatzablösung zu nutzen. Der Umstand, daß er hiervon aus in seinem Bereich liegenden Gründen absah, führt nicht zu einer Äquivalenzstörung. Schon gar nicht
würde dies gelten, wenn die Stellplatzablösung, wovon das Berufungsgericht
(möglicherweise) ausgeht, nicht einmal Eingang in die Kaufpreiskalkulation der
Beklagten gefunden hätte.
Wenzel
Tropf
Gaier
Lemke
Schmidt-Räntsch