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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 275/12
Verkündet am:
4. April 2014
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
BGHR:
ja
ja zu III.5., IV
ja
BGB § 251 Abs. 2 Satz 1; § 439 Abs. 3
a) Stellen sich die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten als unverhältnismäßig dar, so kann der Käufer von dem Verkäufer nur Ersatz des mangelbedingten
Minderwerts der Sache verlangen.
b) Ob die Kosten unverhältnismäßig sind, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung
der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 BGB genannten Kriterien festzustellen.
c) Bei Grundstückskaufverträgen kann als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen
werden, dass die Kosten der Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, wenn sie
entweder den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200%
des mangelbedingten Minderwerts übersteigen.
d) Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Kosten kommt es auf den Beginn der Mängelbeseitigung durch den Käufer an. Stellt sich während deren Ausführung heraus, dass die Kosten höher als erwartet sind, steht dies einer Ersatzpflicht nur entgegen, wenn ein wirtschaftlich denkender Käufer die Arbeiten auch
unter Berücksichtigung der bereits angefallenen Kosten nicht fortführen würde
bzw. fortgeführt hätte.
BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12 - KG
LG Berlin
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Roth, die Richterin Dr. Brückner und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats
des Kammergerichts vom 22. Oktober 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Mit notariellem Vertrag vom 29. März 2004 kauften die Klägerin und
Dr. V.
von den Beklagten ein mit einem Mietshaus bebautes
Grundstück zu einem Preis von 260.000 €. In dem Kaufvertrag garantierten die
Verkäufer, dass der Dachstuhl des Vorderhauses und des Seitenflügels nicht
von Holzbock befallen ist und die Beseitigung eines durch ein holzschutztechnisches Gutachten festgestellten Anobienbefalls einen Kostenaufwand von
höchstens 2.500 € brutto erfordert. Im Übrigen wurde ein Ausschluss der Haf-
-3-
tung für Sachmängel vereinbart. Nach der Übergabe des Grundstücks stellte
sich heraus, dass der Dachbereich mit echtem Hausschwamm befallen war.
2
Dr. V.
an den die Klägerin ihre Ansprüche abgetreten hatte, nahm die
Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch, woraufhin zunächst
deren Schadensersatzpflicht dem Grunde nach festgestellt wurde. In dem Betragsverfahren wurden die Beklagten durch Teilurteil vom 28. Juni 2007 zur
Zahlung von 89.129,86 € (85.231,67 € Sanierungskosten auf Gutachtenbasis
für Holzbauteile Dachgeschoss, Balkenanlagen und Dachverband; 3.898,19 €
Sachverständigenkosten) verurteilt. Ferner wurde festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, Dr. V.
auch den weitergehenden Schaden zu ersetzen,
der darauf zurückzuführen ist, dass das Haus mit echtem Hausschwamm befallen ist und deshalb Sanierungsarbeiten durchgeführt werden müssen. Mit
Schlussurteil vom 23. April 2009 wurden die Beklagten zur Zahlung weiterer
45.000 € als Ausgleich des nach der Schwammsanierung verbleibenden merkantilen Minderwerts verurteilt. Alle vorgenannten Urteile sind rechtskräftig.
3
Dr. V.
trat seine Ansprüche an die Klägerin ab, die die Beklagten auf
Zahlung von weitergehendem Schadensersatz in Anspruch nimmt. Im Rahmen
der Schwammbeseitigungsmaßnahmen seien weitere Sanierungskosten in
Höhe von 499.728,86 € angefallen bzw. noch zu erwarten (Sanierung von
Wohnungen und Fassade, Mietausfall, Auslagerungs- und Sachverständigenkosten; Umsatzsteuer für die zwischenzeitlich durchgeführte Sanierung der
Holzbauteile). Diese hätten die Beklagten ebenso zu ersetzen wie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 5.371,66 €.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Deren Berufung hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen sie
ihren Klageabweisungsantrag weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
I.
5
Das Berufungsgericht führt zur Begründung aus, dass sich die Rechtskraft des Feststellungsurteils im Vorprozess auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin von Dr. V.
erstrecke. Die von der Klägerin zur Kausalität und zur Höhe
der Sanierungskosten vorgetragenen Tatsachen hätten die Beklagten zwar bestritten, das Bestreiten sei jedoch unerheblich, da angesichts der eingereichten
Gutachten, Kostenschätzungen, Mietverträge, Kostenangebote und Rechnungen ein einfaches Bestreiten nicht ausreiche. Es sei auch unerheblich, dass die
von der Klägerin verlangten Sanierungskosten zum überwiegenden Teil wegen
der erforderlichen Sanierung des Gebäudes ohnehin anfallen würden. Es handele sich um einen Fall der Doppelkausalität, bei welchem ein Schaden durch
zwei Ursachen hervorgerufen werde, welche beide im Rechtssinne kausal seien. Auch ein Abzug „neu für alt“ sei nicht vorzunehmen, da durch die
Schwammsanierung keine Werterhöhung eintrete. Schließlich sei die Ersatzpflicht der Beklagten nicht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit beschränkt. Der Zeitwert des bebauten Grundstücks mit Schwammbefall liege bei
507.202 €, ohne Schwammbefall bei mindestens 600.000 €. Die Beklagten seien bisher nur zu Schadensersatzzahlungen von insgesamt 639.230,38 € verurteilt worden. Dies liege ca. 6 % über dem anzunehmenden Verkehrswert und
sei hinzunehmen. Die von dem Bundesgerichtshof bezüglich der Regulierung
von Kfz-Schäden entwickelte Begrenzung, wonach die Wiederherstellungskosten die der Ersatzbeschaffung um bis zu 30% übersteigen dürfen, gelte auch
hier.
II.
6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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7
1. Zutreffend ist allerdings, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 Satz 1
BGB über den bisher zugesprochenen Betrag hinaus wegen des rechtskräftigen
Teilurteils vom 28. Juni 2007 feststeht. Danach haben sie den weiteren Schaden zu ersetzen, welcher darauf zurückzuführen ist, dass das Objekt mit echtem Hausschwamm befallen ist und deshalb Sanierungsarbeiten durchgeführt
werden müssen. Die Rechtskraft dieses Urteils, das Dr. V.
gegen die Beklag-
ten erstritten hat, wirkt gemäß § 325 Abs. 1 ZPO auch zugunsten der Klägerin
(vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81, NJW 1983, 2032).
8
2. Das Berufungsgericht behandelt jedoch rechtsfehlerhaft die von der
Klägerin zur Schadenshöhe vorgetragenen Tatsachen als unstreitig.
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a) Dieser Gesichtspunkt unterliegt gemäß § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO der
Prüfung des Senats, obwohl insoweit keine Revisionsrüge erhoben worden ist.
Überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an ein wirksames Bestreiten und behandelt es deswegen einen Vortrag fehlerhaft als unstreitig, liegt ein
materiell-rechtlicher Fehler vor, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist
(Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 557 Rn. 30; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl.
§ 557 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, NJW
1995, 130, 131).
10
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren die Beklagten
nicht gehalten, den Vortrag der Klägerin zur Höhe des Schadens substantiiert
zu bestreiten.
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aa) Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei allerdings grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich
also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8a). Der Um-
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fang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der
darlegungsbelasteten Partei (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10,
NJW 2011, 1509 Rn. 20; Urteil vom 15. Juni 2000 - I ZR 55/98, NJW-RR 2000,
1635, 1638; Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 f. jeweils mwN). Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß
§ 138 Abs. 2 ZPO. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138
Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist,
hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl.,
§ 138 Rn. 8a).
12
Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn eine Partei einen Vortrag mit
Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten kann. Nach dieser Vorschrift
ist die Erklärung einer Partei mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet ist (BGH, Urteil vom 2. Juli 2009
- III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 14 mwN). Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließt die Verpflichtung der Partei zu substantiiertem Bestreiten aus (BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 - III ZR 111/87, NJW-RR 1989, 41, 43).
Dies gilt unabhängig von der Substantiierung des gegnerischen Vortrags. Auch
ein detaillierter Vortrag, der sich etwa auf ein Privatgutachten oder andere Unterlagen stützt, kann - wenn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO vorliegen - mit bloßem Nichtwissen bestritten werden. Eine Pflicht, eigene Ermittlungen anzustellen, um im Einzelnen auf den gegnerischen Vortrag eingehen
zu können, besteht nicht. Ebenso darf ein Vortrag, welcher plausibel und naheliegend erscheint, mit Nichtwissen bestritten werden, ohne dass die bestreitende Partei Anhaltspunkte dafür aufzeigen muss, dass der Vortrag falsch sein
könnte (BGH, Urteil vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 23;
Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn. 20; anders nur bei
-7-
einem rechtsmissbräuchlichen Bestreiten „ins Blaue hinein“, vgl. BGH, Urteil
vom 15. Juni 2000 - I ZR 55/98, NJW-RR 2000, 1635, 1638). Eine Grenze besteht nur insoweit, als für das Gericht und den Gegner der Umfang des Bestreitens erkennbar sein muss (BGH, Urteil vom 11. Juli 1972 - VI ZR 21/71, VersR
1972, 945, 948; vgl. auch Senat, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 275/02, WM
2004, 193, 195 mwN).
13
bb) Nach diesen Grundsätzen durften die Beklagten den klägerischen
Vortrag zur Kausalität und zur Höhe der Sanierungskosten gemäß § 138 Abs. 4
ZPO mit Nichtwissen bestreiten. Der derzeitige Zustand des veräußerten Mietshauses, die aufgrund des Schwammbefalls bereits durchgeführten und noch
erforderlichen Arbeiten sowie die behaupteten Mietausfälle, Einlagerungskosten
sowie Gutachter- und Architektenkosten unterliegen nicht der eigenen Wahrnehmung der Beklagten. Dies gilt auch für die in den von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten wiedergegebenen Tatsachen. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, sich mit den Privatgutachten auseinanderzusetzen und deren Fehlerhaftigkeit aufzuzeigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2009
- VIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894 Rn. 23; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07,
RdE 2010, 384 Rn. 20). Dass der Umfang ihres Bestreitens unklar geblieben
wäre, hat das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt. Im Gegenteil ergibt
sich aus dem Berufungsurteil, dass die Beklagten umfassend die Erforderlichkeit der von der Klägerin behaupteten Arbeiten aufgrund des Schwammbefalls
ebenso bestritten haben wie die hierfür anzusetzenden Beseitigungskosten.
Weiterhin haben sie auch die geltend gemachten Folgeschäden in Abrede gestellt.
14
3. Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht zudem davon aus, dass
eine ohnehin erforderliche Sanierung des erworbenen Grundstücks für den Umfang der Ersatzpflicht der Beklagten ohne Bedeutung ist.
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15
a) Hinsichtlich der als Mangelfolgeschäden geltend gemachten Mietausfälle und der Auslagerungskosten kann es insoweit schon an der Kausalität der
mangelhaften Leistung für die entstandenen und noch entstehenden Kosten
fehlen. Nach allgemeinen Grundsätzen ist es Sache der Klägerin darzulegen
und zu beweisen, dass diese Kosten durch den Schwammbefall bedingt sind
und nicht – wie von den Beklagten behauptet – bereits im Rahmen der parallel
erfolgenden Komplettsanierung des Gebäudes anfallen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt hier eine Korrektur der sine-qua-nonFormel unter dem Gesichtspunkt der Doppelkausalität nicht in Betracht.
16
aa) Eine Doppelkausalität wird angenommen, wenn zwei Umstände einen Schaden verursachen und jeder für sich allein ausgereicht hätte, den ganzen Schaden zu verursachen. Dann sind beide Umstände als ursächlich zu behandeln (Senat, Urteil vom 7. Mai 2004 – V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2528;
BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27
mwN). Dafür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung durch zwei verschiedene Personen erfolgt. Es genügt, wenn eine Person zwei Ursachen setzt, welche
jede für sich den vollen Schaden herbeigeführt hätte (Senat, Urteil vom 7. Mai
2004 – V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2528; BGH, Urteil vom 20. Februar 2013
– VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Auch steht der Annahme einer
Doppelkausalität nicht entgegen, dass sich der Geschädigte das Verhalten des
einen Schädigers im Verhältnis zum anderen Schädiger als eigenes anrechnen
lassen muss (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – VIII ZR 339/11, NJW 2013,
2018 Rn. 26 f.). In all diesen Fällen besteht ein Bedürfnis für eine wertungsmäßige Korrektur der Äquivalenztheorie, um zu verhindern, dass von zwei schädigenden Ereignissen letztlich keines zu einer Haftung führt.
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bb) Anders liegt es jedoch, bei dem Verhältnis einer von außen gesetzten möglichen Schadensursache und einer eigenen Handlung des Geschädigten. Hier geht es nicht darum, dass die Anwendung der Äquivalenztheorie auf
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zwei mögliche Schadensursachen zu einer sachwidrigen Verneinung jeglicher
Haftung führen würde. Vielmehr muss in diesen Fällen unter Anwendung des im
Ansatz subjektbezogenen Schadensbegriffs (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304; BGH, Urteil vom 15. Oktober
1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369) festgestellt werden, inwieweit sich
eine schädigende Handlung bei dem Geschädigten überhaupt nachteilig ausgewirkt hat. Einer wertenden Korrektur der Äquivalenztheorie bedarf es hier
nicht.
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cc) War die Komplettsanierung des gekauften Mietshauses ohnehin erforderlich und von den Käufern geplant, beruhen die damit verbundenen Kosten
nicht auf einem weiteren schädigenden Ereignis, welches neben die mangelhafte Leistung der Beklagten tritt. Indem die Klägerin die Schwammsanierungsarbeiten im Rahmen dieser Arbeiten ausführen ließ und damit weitere Mietausfälle sowie Ein- und Auslagerungskosten vermied, genügte sie lediglich ihrer
Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB.
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b) Im Übrigen übersieht das Berufungsgericht, dass die Ersatzpflicht der
Beklagten entfallen kann, wenn die Klägerin durch diese eigene Aufwendungen
ersparen würde.
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aa) Sofern die zur Behebung des Mangels erforderlichen Arbeiten von
den Käufern auch bei einer mangelfreien Leistung durchgeführt worden wären,
ist dies unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.
Nach dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot soll der Geschädigte nicht
besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde (BGH,
Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18 mwN; vgl. Senat,
Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11, NJW-RR 2013, 825 Rn. 11). Im
Kaufrecht führt dies dazu, dass der Käufer einer mangelhaften Sache grundsätzlich nicht besser stehen darf, als er bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung
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stünde (Senat, Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 118/11, NJW-RR 2013, 825
Rn. 13, 16). Schadensmindernd zu berücksichtigen sind jedoch nur solche Vorteile, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, so dass sie dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht
unbillig entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (Senat, Urteil vom 17. Oktober
2003 - V ZR 84/02, NJW-RR 2004, 79, 80; BGH, Urteil vom 28. Juni 2007
- VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen liegen
regelmäßig vor, soweit der Geschädigte durch die Schadensbeseitigung eigene
Aufwendungen erspart (Staudinger/Schiemann, BGB [2005], § 249 Rn. 168;
Bamberger/Roth/Schubert, BGB, 3. Aufl., § 249 Rn. 137 mwN; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., vor 249 Rn. 93; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 503 f.).
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bb) Im vorliegenden Fall führt die Beseitigung des Schwammbefalls nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, dass auch Sanierungsarbeiten
durchgeführt werden, welche ohnehin geplant waren. Die dadurch ersparten
eigenen Aufwendungen muss sich die Klägerin von den Mängelbeseitigungskosten, welche den gesamten zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag umfassen, abziehen lassen. Der Vorteilsausgleich beruht auf dem Gedanken von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) und erfordert eine wertende Betrachtung (BGH,
Versäumnisurteil vom 1. August 2013 – VII ZR 75/11, NJW 2013, 3297, Rn. 22,
BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 Rn. 18 mwN). Für
die Klägerin wäre es ein unverdienter Vorteil, wenn sie die ohnehin vorgesehenen Sanierungsarbeiten teilweise auf Kosten der Beklagten durchführen könnte.
22
cc) Die Darlegungs- und Beweislast für ersparte Aufwendungen der Käufer, welche nach dem Vorgesagten anspruchsmindernd zu berücksichtigen
sind, tragen die Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR
84/02, NJW-RR 2004, 79, 81). Die Klägerin trifft jedoch eine sekundäre Darle-
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gungslast, da die Beklagten außerhalb des von ihnen darzulegenden Geschehensablaufs stehen und der Klägerin nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH,
Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, NJW 2012, 928 Rn. 71; BGH, Urteil vom
31. Mai 2010 - II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 26). Die Klägerin ist deswegen
gehalten, die für die Berechnung des Vorteilsausgleichs durch die Beklagten
erforderlichen Tatsachen vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2010
- II ZR 30/09, NJW 2010, 2506 Rn. 26).
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4. Das Berufungsgericht lehnt auch einen Abzug „neu für alt“ mit rechtsfehlerhafter Begründung ab.
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Ein solcher kommt in Betracht, soweit die Kosten der Schwammbeseitigung nach dem Vorstehenden ersatzfähig sind, also nicht für Maßnahmen anfallen, welche von den Käufern im Rahmen einer ohnehin vorgesehenen Sanierung durchgeführt werden sollten, und zu einer Wertsteigerung des Grundstücks führen. Das Berufungsgericht verkennt bei seinem Hinweis auf das Teilurteil vom 28. Juni 2007 und ein dort in Bezug genommenes Sachverständigengutachten, wonach durch die Schwammsanierungsarbeiten am Dach keine
Werterhöhung eintrete, den Kern des Vorbringens der Beklagten. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schwammbefall gerade nicht auf
das Dachgebälk beschränkt, sondern hat sich vom Dach über alle Etagen bis in
den Keller ausgebreitet. Unter anderem müssen zur Schwammbeseitigung
auch Küchen und Bäder zerstört und wieder aufgebaut sowie Elektro-, Klempner- und Fliesenarbeiten durchgeführt werden. Dass es dadurch zu einer Wertsteigerung kommen kann, liegt auf der Hand und kann mit der Argumentation
des Berufungsgerichts, welche sich nur auf das Dachgebälk bezieht, nicht in
Abrede gestellt werden.
- 12 -
25
5. Das Berufungsgericht verneint schließlich auch die Unverhältnismäßigkeit der als Schadensersatz begehrten weiteren Mängelbeseitigungskosten
mit rechtsfehlerhafter Begründung.
26
a) Allerdings geht es stillschweigend zutreffend davon aus, dass die Beklagten sich mit diesem Einwand gegen die Klageforderung trotz des gegen sie
ergangenen Feststellungsurteils vom 28. Juni 2007 verteidigen können.
27
aa) Zwar führt die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die
Schadensersatzpflicht einer Partei festgestellt worden ist, dazu, dass Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, welche schon im Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden
dürfen, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (BGH,
Urteil vom 28. Juni 2005 - VI ZR 108/04, NJW-RR 2005, 1517 f. mwN). Das gilt
aber nur, soweit es um die grundsätzliche Verpflichtung des Schuldners zum
Ersatz des Schadens geht; die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schaden
eingetreten ist, wird von der Rechtskraft eines vorausgegangenen Feststellungsurteils nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - VI ZR 108/04,
aaO; Urteil vom 19. Mai 1988 - VII ZR 11/87, WM 1988, 1280).
28
bb) Auch unter anderen Gesichtspunkten steht die Rechtskraft des Feststellungsurteils der Geltendmachung der Haftungsbegrenzung nicht entgegen.
Die hier in Betracht kommende Begrenzung ist nicht untrennbar mit dem Haftungsgrund verwoben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 - VI ZR
199/77, NJW 1979, 1046, 1047). Ferner kann dem Feststellungsurteil weder in
Bezug auf die Art der Schadensberechnung noch in Bezug auf die Frage einer
Begrenzung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich der nunmehr geltend gemachten Schadenspositionen eine Bindungswirkung entnommen werden.
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Die Bindungswirkung des Feststellungsurteils ergibt sich aus dem Umfang der Rechtskraft. Diese reicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO so weit, wie über
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den Feststellungsantrag entschieden worden ist. Der Inhalt des Urteils und
damit der Umfang der Rechtskraft sind in erster Linie der Urteilsformel zu entnehmen. Nur wenn die Urteilsformel allein nicht ausreicht, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung zu erfassen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 135/05, NJW 2008, 2716 Rn. 13
mwN).
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Nach dem Tenor des Feststellungsurteils sind die Beklagten verpflichtet,
der Klägerin die weiteren Schäden zu ersetzen, welche darauf zurückzuführen
sind, dass das Objekt mit echtem Hausschwamm befallen ist und deshalb Sanierungsarbeiten durchgeführt werden müssen. Die Urteilsformel ist mit dieser
Formulierung allgemein gehalten und bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass
eine bestimmte Art der Schadensberechnung Bestandteil des Ausspruchs sein
sollte. Dies gilt auch unter Einbeziehung des in der Entscheidungsformel verwandten Begriffs der Sanierungsarbeiten. Hiermit wird lediglich die Einstandspflicht der Beklagten für bestimmte weitere Schäden festgestellt, jedoch nicht
ausgesprochen, dass sie auch sämtliche weiteren Mängelbeseitigungskosten
zu tragen haben. Auch den Entscheidungsgründen kann nicht entnommen
werden, dass sich das Gericht mit einer höhenmäßigen Begrenzung des Schadensersatzanspruchs der Käufer befasst hat und diese Frage entschieden
werden sollte.
31
b) Das Berufungsgericht geht weiterhin im Ansatz zutreffend davon aus,
dass die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten im Rahmen des sogenannten kleinen Schadensersatzes nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 281
Abs. 1 Satz 1 BGB als Schaden geltend gemacht werden können.
32
aa) Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember
2001 geltenden Fassung richtete sich der Anspruch des Käufers, der den klei-
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nen Schadensersatz wählte, auf Ausgleich des Wertunterschieds zwischen der
mangelfreien und der mangelhaften Sache (§ 463 BGB alter Fassung). Der
Käufer hatte keinen Anspruch auf Beseitigung des Mangels und somit auch
keinen unmittelbar auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gerichteten Schadensersatzanspruch. Zwar konnte er regelmäßig die Höhe des zu ersetzenden
Minderwerts auf Grundlage der Mängelbeseitigungskosten ermitteln. Hierbei
handelte es sich jedoch lediglich um eine Berechnungsmethode. Blieb die
mangelbedingte Wertminderung der Sache deutlich hinter den Kosten für die
Herstellung der zugesicherten Eigenschaft zurück und war diese Abweichung
nicht nur mit einem fehlenden Abzug „neu für alt“ bei den Herstellungskosten
zu erklären, konnte der Käufer nur Ersatz des Minderwerts der Sache verlangen (Senat, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, NJW 2008, 436, 437;
Beschluss vom 10. Juni 1998 - V ZR 324/97, NJW 1998, 2905; Urteil vom
23. Juni 1989 - V ZR 40/88, BGHZ 108, 156, 160 f.).
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bb) Nach § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB in der nunmehr geltenden Fassung hat der Käufer bei Vorliegen eines Mangels hingegen einen Anspruch auf
Nacherfüllung (Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326
Rn. 32), welche nach seiner Wahl in Form der Beseitigung des Mangels oder
der Lieferung einer mangelfreien Sache erfolgen kann. Unterbleibt die Nacherfüllung und steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch zu, so kann er im
Rahmen des kleinen Schadensersatzes Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31; zum Werkvertragsrecht BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW 2013, 370
Rn. 10 mwN).
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c) Wie es sich auf den Schadensersatzanspruch auswirkt, wenn die zur
Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten unverhältnismäßig sind, ist höchstrichterlich bislang nur für das Werkvertragsrecht (§ 635 Abs. 3 BGB) entschie-
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den (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW 2013, 370
Rn. 12). Richtigerweise führt dies auch bei einem Kaufvertrag, der - wie der hier
zu beurteilende Vertrag - nicht von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfasst
wird, dazu, dass der Schadensersatzanspruch auf den mangelbedingten Minderwert der Sache beschränkt ist.
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aa) Auszugehen ist davon, dass ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz wegen Mängel der Kaufsache auch dann gegeben ist, wenn der
Verkäufer zu Recht nach § 439 Abs. 3 BGB einwendet, sie nicht beseitigen zu
müssen, weil dies nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Der Gesetzgeber wollte auch für diesen Fall einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, § 281 BGB eröffnen. Das
ergibt sich aus § 440 BGB, wonach es zur Entstehung des Schadensersatzanspruchs grundsätzlich einer Fristsetzung nicht bedarf, wenn der Käufer die
Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigert (BT-Drucks. 14/4060,
S. 232; vgl. zum Werkvertragsrecht: BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR
179/11, NJW 2013, 370 Rn. 8).
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bb) Der Schadensersatzanspruch ist aber in entsprechender Anwendung
des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts
der Kaufsache beschränkt. Grund ist der mit § 439 Abs. 3 BGB beabsichtigte
Schutz des Verkäufers (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 232). Der Verkäufer, der
die Mängelbeseitigung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern darf,
kann nicht im Wege des Schadensersatzes verpflichtet sein, diese Kosten zu
tragen. Der Umstand, dass der Schadensersatzanspruch anders als der Nacherfüllungsanspruch ein Vertretenmüssen des Verkäufers voraussetzt, führt zu
keiner anderen Beurteilung. Im Werkvertragsrecht entspricht es ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit nach § 635 Abs. 3 BGB das Verschulden des Unternehmers
zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW
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2013, 370 Rn. 12 mwN). Für das Kaufrecht gilt nichts anderes. Hat der Verkäufer den Mangel zu vertreten, so ist dies in die nach § 439 Abs. 3 BGB vorzunehmende Abwägung einzustellen.
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cc) Eine Beschränkung des Schadensersatzes auf eine Erstattung der
Mängelbeseitigungskosten in Höhe eines angemessenen Betrages kommt nicht
in Betracht. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dies zwar für die
Fälle des Verbrauchsgüterkaufs im Wege der Rechtsfortbildung zur Herstellung
eines richtlinienkonformen Ergebnisses angenommen (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 35, 54). Die Voraussetzungen für eine derartige Beschränkung der Ersatzpflicht sind im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht gegeben. Bei dem hier in Rede stehenden Vertrag
handelt es sich weder um einen Verbrauchsgüterkauf noch ist eine Regelungslücke gegeben. Kann der Verkäufer die Nachbesserung nach § 439 Abs. 3 BGB
verweigern, ist es folgerichtig, ihn schadensersatzrechtlich nicht für einen Teil
der Mängelbeseitigungskosten einstehen zu lassen, sondern den Schadensersatz auf die Höhe der Differenz des Wertes der Kaufsache in mangelfreiem und
in mangelhaftem Zustand zu beschränken (zum Werkvertragsrecht BGH, Urteil
vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, NJW 2013, 370 Rn. 12; vgl. auch Urteil
vom 27. November 2009 - LwZR 11/09, NZM 2010, 442 Rn. 11 f.).
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d) Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerhaft davon aus, dass Mängelbeseitigungskosten erst dann als unverhältnismäßig anzusehen sind, wenn sie
130% des Verkehrswerts des mangelfreien Grundstücks übersteigen.
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aa) Die für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 251
Abs. 2 Satz 1 BGB maßgebenden Kriterien entsprechen jenen, die bei der nach
§ 439 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind (vgl. zu § 635 Abs. 3 BGB: BGH, Urteil vom
11. Oktober 2012 – VII ZR 179/11, NJW 2013, 370 Rn. 12). Voraussetzung für
- 17 -
die von dem Verkäufer nach § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB zu erhebende Einrede
ist, dass die Mängelbeseitigung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich
ist. Dies kann sich aus dem Vergleich zur Nachlieferung als zweite Nacherfüllungsmöglichkeit ergeben (relative Unverhältnismäßigkeit) oder daraus, dass
die Mängelbeseitigung für sich allein betrachtet unverhältnismäßige Kosten
verursacht (absolute Unverhältnismäßigkeit). Da die Nachlieferung im vorliegenden Fall nicht möglich ist, kommt nur eine absolute Unverhältnismäßigkeit
der Mängelbeseitigung in Betracht, welche hier dazu führen würde, dass der
Verkäufer die Nacherfüllung insgesamt verweigern könnte (vgl. § 439 Abs. 3
Satz 3 Halbsatz 2 BGB). § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB hebt als bei der Prüfung der
Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigende Umstände den Wert der Sache in
mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels hervor. Unerheblich ist
danach der Kaufpreis, so dass ein von dem Käufer erzielter günstiger Kaufpreis
nicht dazu führt, dass die Grenze der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten früher erreicht wird, als dies bei einem höheren, dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand entsprechenden Kaufpreis der Fall wäre (OLG
Karlsruhe, NJW-RR 2009, 777, 779; OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053,
1054; Ball, NZV 2004, 217, 223).
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bb) Verschiedentlich wird für die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit
an den Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand angeknüpft und hiervon
ausgehend der Versuch unternommen, Grenzwerte zu bilden. So werden etwa
150% des Wertes der Sache in mangelfreiem Zustand und 200% des auf den
Mangel zurückzuführenden Minderwerts genannt (Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114,
2121 f.); wird einer dieser Grenzwerte überschritten, so soll der Verkäufer, der
den Mangel nicht zu vertreten hat, die Nacherfüllung verweigern dürfen. Andere
wollen die absolute Grenze der Unverhältnismäßigkeit bei 100% des Wertes
der mangelfreien Sache ansetzen und diese je nach dem Grad des Vertretenmüssens erhöhen. In Betracht gezogen wird dabei eine Grenze von 130% bis
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150% (vgl. Reinking, ZfS 2003, 57, 62; Huber, NJW 2002, 1004, 1008; Tiedtke/
Schmitt, DStR 2004, 2060, 2064). Teilweise wird die Grenze beim mangelbedingten Minderwert gezogen und diese bei Verschulden des Verkäufers erhöht
(Schultz, Zu den Kosten der Nacherfüllung beim Kauf, 2005, 182 ff.). Beim
Stückkauf wird aus der Beschränkung der Leistungspflicht des Verkäufers in
§ 275 Abs. 2 BGB hergeleitet, dass der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern
kann, wenn deren Kosten den Minderungsbetrag übersteigen (Ackermann, JZ
2002, 378, 382 ff.). Ist der Käufer wahlweise zur Geltendmachung des großen
Schadensersatzes berechtigt, wird vertreten, dass die den Aufwand für eine
Ersatzbeschaffung übersteigenden Mängelbeseitigungskosten nur liquidiert
werden könnten, wenn ein besonderes Interesse an der Herstellung der Mangelfreiheit gerade an dem einmal geleisteten Objekt bestehe (MünchKommBGB/Ernst, 6. Aufl., § 281 Rn. 130; ähnlich Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl.,
§ 281 Rn. 30; NK-BGB/Dauner-Lieb, 2. Aufl., § 281 Rn. 30). Zum Teil wird die
Festlegung von Grenzwerten abgelehnt und jeweils auf die Gesamtumstände
des Einzelfalls verwiesen (Graf von Westphalen in Henssler/Graf von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., § 439 Rn. 27; Haas in
Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kapitel 5 Rn. 158; Jakobs in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht,
2002, S. 384, 386).
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cc) Letztere Ansicht entspricht im Ausgangspunkt der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs. Bei der Prüfung, ob eine absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung vorliegt, ist eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Starre Grenzwerte können diese umfassende Interessenabwägung nicht ersetzen. Allerdings bieten Grenzwerte in Form einer Faustregel
einen ersten Anhaltspunkt und dienen damit der Rechtssicherheit (vgl. BGH,
Beschluss vom 14. Januar 2009 – VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 15). Bei
Grundstückskaufverträgen kann als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen
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werden, dass ein Anspruch auf Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten dann verweigert werden kann, wenn sie entweder den Verkehrswert des
Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen.
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(1) Ausgangspunkt ist § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB, der für die Prüfung der
Unverhältnismäßigkeit den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die
Bedeutung des Mangels hervorhebt (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2009
- VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 15).
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(a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Kosten einer Kraftfahrzeugreparatur bis zu 130% des Wiederbeschaffungswertes ersatzfähig sind, ist auf den vorliegenden Regelungszusammenhang nicht zu übertragen. Sie beruht im Wesentlichen auf der Anerkennung eines besonderen Integritätsinteresses des geschädigten Eigentümers eines Kraftfahrzeuges, das nur
durch die Reparatur des ihm vertrauten Fahrzeuges befriedigt werden kann
(BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 371; Urteil
vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04, NJW 2005, 1108, 1109). Demgegenüber
ist im Rahmen der unmittelbaren Anwendung des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB in
der Rechtsprechung anerkannt, dass bei Gebäudeschäden (BGH, Urteil vom
8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 326; vgl. auch Urteil vom
5. April 1990 - III ZR 213/88, NJW-RR 1990, 1303, 1305; OLG Düsseldorf, MDR
2012, 85; OLG Bamberg, ZfS 2011, 445, 446; OLG Frankfurt am Main, OLGR
2006, 16, 17; OLG Hamm, OLGR 1998, 358, 361), Bodenkontaminationen
(BGH, Urteil vom 27. November 2009 - LwZR 11/09, NZM 2010, 442 Rn. 16)
oder der Beschädigung von Bäumen und Gehölzen (Senat, Urteil vom 25. Januar 2013 - V ZR 222/12, BGHZ 196, 111 Rn. 5 mwN) aufgrund der das Schadensrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf die Gesamtbewertung von Gebäude und Grundstück als sich wechselseitig beeinflussende
Wertfaktoren abzustellen ist. In diesen Fällen wird regelmäßig der Verkehrswert
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des Grundstücks als Grenze angesehen, bis zu der Schadensersatz verlangt
werden kann. Auch wenn sich die Rechtsprechung zu Beschädigungen eines
Grundstücks auf einen Schadensersatzanspruch wegen Lieferung einer mangelhaften Immobilie grundsätzlich nicht übertragen lässt (vgl. Senat, Urteil vom
13. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31), ist ein solcher Rückgriff
im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB
ausnahmsweise zulässig und auch geboten. Übersteigen die notwendigen Aufwendungen zur Mängelbeseitigung den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand, stehen sie grundsätzlich in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis mehr zu dem dadurch herbeigeführten Erfolg. In einem solchen
Fall widerspräche es Treu und Glauben (§ 242 BGB), dessen besondere Ausprägungen § 251 Abs. 2 Satz 1, § 439 Abs. 3 BGB darstellen, wenn der Käufer
diese Aufwendungen dem Verkäufer in Form der Mängelbeseitigung anlasten
könnte (vgl. zum Schadensersatzrecht: BGH, Urteil vom 27. November 2009
- LwZR 11/09, NZM 2010, 442 Rn. 21; Urteil vom 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04,
NJW 2006, 2399, 2401; Urteil vom 26. November 1975 - VII ZR 31/74, NJW
1976, 235, 236).
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(b) Der Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand bietet
jedoch nicht stets einen geeigneten Anhaltspunkt. Liegen Mängel vor, die sich
beispielsweise nur auf das Gebäude, nicht aber auf Grund und Boden auswirken oder die nur einen Teil des Gebäudes betreffen, stellt der Wert des mangelfreien Grundstücks unter Umständen kein ausreichendes Kriterium zur Begrenzung der Mängelbeseitigungskosten unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit dar. Da § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB auf die Bedeutung des Mangels
abstellt und diese sich in dem mangelbedingten Minderwert des Grundstücks
niederschlägt, bildet auch dieser Wert einen geeigneten Anhaltspunkt für eine
Eingrenzung. Mängelbeseitigungskosten, die mehr als 200% des mangelbedingten Minderwerts betragen, werden in der Regel nicht mehr als verhältnis-
- 21 -
mäßig anzusehen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2009 - VIII ZR
70/08, NJW 2009, 1660 Rn. 15 f.).
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(2) Allerdings geben die genannten Werte nur einen ersten Anhaltspunkt
für die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung. Maßgeblich
bleibt eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Bei dieser ist
insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass
bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2006 - VI ZR
259/04, NZM 2010, 442 Rn. 24; Senat, Urteil vom 2. Oktober 1987 - V ZR
140/86, NJW 1988, 699, 700; Urteil vom 21. Juni 1974 - V ZR 164/72, BGHZ
62, 388, 394) oder sonstigem schweren Verschulden (Senat, Urteil vom 24. April 1970 - V ZR 97/67, NJW 1970, 1180, 1181; BGH, Urteil vom 26. Oktober
1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 368) dem Schuldner auch sonst unverhältnismäßige Aufwendungen zuzumuten sind. Wie weit dies im Einzelfall gehen kann, bedarf ebenso wenig der Entscheidung wie die Frage, ob ein besonderes Interesse des Käufers an der Nacherfüllung zu berücksichtigen ist. Die
Beklagten haften vorliegend nicht wegen des arglistigen Verschweigens eines
Mangels; auch ist ein besonderes Interesse der Klägerin an einer Nacherfüllung
weder festgestellt noch geltend gemacht worden.
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dd) Ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach das Gesamtobjekt im Zustand des Befalls mit echtem Hausschwamm einen Zeitwert von 507.202 € hat und der Zeitwert des Gesamtobjekts ohne Hausschwammbefall bei (mindestens) 600.000 € liegt, kommt ernsthaft in Betracht, dass die Mängelbeseitigungskosten den mangelbedingten
Minderwert von mehr als 200% übersteigen und damit unverhältnismäßig sind.
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III.
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Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, muss das Berufungsurteil aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Das Berufungsgericht wird nach Feststellung der grundsätzlich ersatzfähigen Mängelbeseitigungskosten zu prüfen haben, ob diese unverhältnismäßig
sind, so dass der Schadensersatzanspruch auf den mangelbedingten Minderwert begrenzt ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Schadensersatzpflichtige im Rahmen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB das Prognoserisiko zu tragen hat
(Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 251 Rn. 9; Bamberger/Roth/Schubert,
BGB, 3. Aufl., § 251 Rn. 12; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991
- VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 370). Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Kosten kommt es auf den Beginn der Mängelbeseitigung durch den
Käufer an. Stellt sich während deren Ausführung heraus, dass die Kosten höher
als erwartet sind, steht dies einer Ersatzpflicht des Verkäufers für die gesamten
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Mängelbeseitigungskosten nur entgegen, wenn ein wirtschaftlich denkender
Käufer die Arbeiten auch unter Berücksichtigung der bereits angefallenen Kosten nicht fortführen würde bzw. fortgeführt hätte.
Stresemann
Lemke
Brückner
Roth
Kazele
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.03.2011 - 5 O 464/09 KG, Entscheidung vom 22.10.2012 - 20 U 92/12 -