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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 222/06
Verkündet am:
15. Februar 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 93, 94, 906, 1004 Abs. 1;
ZPO §§ 265 Abs. 2 Satz 1, 266 Abs. 1
a) § 266 Abs. 1 ZPO erfasst auch die Veräußerung des Grundstücks, von dem Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ausgehen, während des Rechtsstreits über die Abwehr dieser Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 BGB;
bis zur Übernahme durch den Rechtsnachfolger führt der Rechtsvorgänger den
Rechtsstreit weiter.
b) Wurden zwei Grundstücke in der Weise bebaut, dass einzelne Geschosse der
beiden aufstehenden Gebäude zum Teil in das jeweilige Nachbargrundstück hineinragen (verschachtelte Bauweise), und bildet jedes Geschoss bei natürlichwirtschaftlicher Betrachtung insgesamt eine Einheit mit einem der beiden Gebäude, sind die übergebauten Räume wesentlicher Bestandteil des Grundstücks,
auf dem das Gebäude steht, welchem das Geschoss zuzuordnen ist (Fortführung
von Senat, BGHZ 102, 311 und Urt. v. 10. Oktober 2003, V ZR 96/03, WM 2004,
1340).
c) Wurden zwei Grundstücke in verschachtelter Bauweise bebaut, ist § 906 BGB
insoweit entsprechend anwendbar, als es um die Beeinträchtigung der Nutzung
von Räumen des einen Eigentümers auf seinem Grundstück geht, die auf Einwirkungen beruhen, welche von auf demselben Grundstück liegenden Räumen, die
eigentumsrechtlich dem anderen Grundstückseigentümer zuzurechnen sind,
ausgehen.
-2-
d) Wurden bei der Errichtung des Gebäudes, das dem beeinträchtigten Grundstück
zuzuordnen ist, die Anforderungen an den Schallschutz nicht eingehalten, ist der
Grundstückseigentümer zur Duldung derjenigen Geräuschimmission verpflichtet,
die sich bei der Einhaltung der Anforderungen in den Grenzen der zulässigen
Richtwerte hielte; werden auch bei - gedachter - Einhaltung der Schallschutzanforderungen die zulässigen Richtwerte überschritten und führt das zu einer wesentlichen Beeinträchtigung, die der Grundstückseigentümer abwehren könnte,
muss der Störer nur die Maßnahmen durchführen, die verhindern, dass die Geräuschimmission die zulässigen Richtwerte auch dann überschreiten, wenn die
Schallschutzanforderungen eingehalten worden wären.
BGH, Urt. v. 15. Februar 2008 - V ZR 222/06 - OLG Koblenz
LG Koblenz
-3-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Oktober 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des Flurstücks Nr. 290/2. Eigentümerin des
angrenzenden Flurstücks Nr. 289/15 war bis März 2003 die Beklagte. Sie errichtete aufgrund eines von den Parteien vereinbarten wechselseitigen Überbaurechts zum Teil auf dem Flurstück des Klägers, zum Teil auf dem damals ihr
gehörenden Flurstück u.a. Räume, in denen sie Kühlaggregate für den auf ihrem Grundstück betriebenen Supermarkt aufstellte (Maschinenräume). Später
errichtete der Kläger Wohnungen auf den Flurstücken Nr. 290/2 und Nr. 289/15,
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die sich teilweise über den Maschinenräumen befinden (verschachtelte Bauweise).
2
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Durchführung von Maßnahmen, die verhindern, dass der von den Kühlaggregaten ausgehende Lärm innerhalb der Wohn- und Schlafräume im ersten und zweiten Obergeschoß seines Hauses den Richtwert von 25 dB (A) während der Nachtzeit übersteigt. Das
Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
3
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Lärmbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es könne offen bleiben, ob § 906 BGB wegen der verschachtelten Bauweise Anwendung
finde. Aus dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich jedenfalls, dass das Eigentum des Klägers wesentlich beeinträchtigt
werde. Er sei nicht nach Treu und Glauben zur Duldung der Geräuschimmissionen verpflichtet. Die Beklagte habe nämlich nicht bewiesen, dass dem Kläger
das Ausmaß der von den Kühlaggregaten ausgehenden Geräusche vor der
Errichtung der Wohnungen bekannt gewesen und ihm wegen der zu erwartenden Lärmbeeinträchtigung von der Errichtung abgeraten worden sei. Der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs stehe ebenfalls nicht entgegen, dass
-5-
bei der Errichtung der Wohnungen der erforderliche Schallschutz nicht gewahrt
worden sei. Der Kläger müsse auch keine nachträglichen Maßnahmen zur Einhaltung von Schallschutzvorschriften in den Wohnungen ergreifen.
4
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.
II.
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1. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht die Beklagte
als passivlegitimiert angesehen hat. Denn dass sie das Eigentum an dem Flurstück Nr. 289/15 nach Rechtshängigkeit der Klage auf ihren Sohn übertragen
hat, ist für den Prozessverlauf unerheblich. Zum einen besagt der Eigentumswechsel nichts darüber, ob die Beklagte weiterhin Besitzerin des Grundstücks
aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses ist. Dies reichte aus, um sie als Störerin i.S. von § 1004 Abs. 1 BGB anzusehen (vgl. Senat, BGHZ 155, 99, 102 m.w.N.). Dieser Punkt bedarf allerdings keiner weiteren Klärung. Denn zum anderen hat die Eigentumsübertragung keinen Einfluss auf die Parteistellung der Beklagten, auch wenn sie nicht
mehr Störerin ist. Das folgt aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
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a) Ob diese Vorschrift (entsprechend) anzuwenden ist, wenn ein Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB wegen einer von einem Grundstück ausgehenden Eigentumsbeeinträchtigung geltend gemacht und dieses Grundstück
während
des
Rechtsstreits
veräußert
wird,
ist
umstritten.
Die
ältere
obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Hamm OLG Rsp. 15, 274, 275; OLG
Kiel OLG Rsp. 29, 184; OLG Schleswig SchlHA 1962, 130, 131) hat diese Frage verneint; dieselbe Ansicht vertritt Schumann (in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl.,
§ 265 Rdn. 12). Demgegenüber wendet die neuere obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Düsseldorf NJW 1990, 1000; KG KGReport 2000, 56, 57; vgl. auch
OLG Karlsruhe Justiz 1996, 9) die Vorschrift des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch
-6-
in diesem Fall an; dieselbe Ansicht wird in der überwiegenden Kommentarliteratur vertreten, jedenfalls wenn es um die Haftung des Grundstückseigentümers
als Zustandsstörer geht (MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 265
Rdn. 25 m.umfangr.N. aus dem Schrifttum; Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl.,
§ 265 Rdn. 3, 6; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 265 Rdn. 3; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 265 Rdn. 6).
b) Der Senat hat die Frage bisher offen gelassen (BGHZ 28, 153, 156).
7
Er beantwortet sie nunmehr dahin, dass die Veräußerung des Grundstücks, von
dem Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ausgehen, während des
Rechtsstreits über die Abwehr dieser Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB
i.V.m. § 906 BGB keinen Einfluss auf den Verlauf des Rechtsstreits hat (ebenso
schon RGZ 40, 333, 337 f.).
aa) Unerheblich ist, ob man in diesem Fall das emittierende Grundstück
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als streitbefangen i.S. von § 265 Abs. 1 ZPO ansieht oder nicht. Maßgebend für
die Anwendung von Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift ist nämlich § 266 Abs. 1 ZPO.
Darin ist eine Sonderregelung für die Veräußerung von Grundstücken während
eines anhängigen Rechtsstreits enthalten, die der Bestimmung in § 265 Abs. 2
ZPO
vorgeht
(siehe
nur
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO,
66. Aufl., § 266 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 266
Rdn. 1). Sie erfasst nach einhelliger Auffassung auch Streitigkeiten über nachbarrechtliche
Rechte
und
Pflichten
(OLG
Karlsruhe
aaO;
Baum-
bach/Lauterbach/Albert/Hartmann, aaO, Rdn. 3; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl.,
§ 266 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, aaO, Rdn. 9; Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl., § 266 Rdn. 3; Stein/Jonas/Schumann, ZPO,
21. Aufl., § 266 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 266 Rdn. 1;
Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 266 Rdn. 3 [der allerdings § 266 ZPO nicht bei
Klagen des Grundstückseigentümers wegen Beeinträchtigung seines Eigen-
-7-
tums oder Beseitigung des beeinträchtigenden Zustands anwendet]), wie sie
sich zum Beispiel aus § 906 BGB ergeben. Das hat seinen Grund darin, dass in
diesem Fall - wie es das Reichsgericht zutreffend ausgedrückt hat (RGZ 40,
333, 337) - "bildlich gesprochen das Grundstück als das berechtigte oder verpflichtete Subjekt und der jeweilige Eigentümer nur als dessen Vertreter erscheint." So liegen die Dinge im Anwendungsbereich von § 906 BGB. Nach
Abs. 1 der Vorschrift müssen die Einwirkungen, die gegebenenfalls nach
§ 1004 Abs. 1 BGB abgewehrt werden können, auf einer bestimmten Nutzung
oder auf dem eigentumsbeeinträchtigenden Zustand eines Grundstücks beruhen (Senat, Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, WM 2001, 208, 209).
Anders ist es, wenn die Einwirkungen auf einer Handlung beruhen, die damit
nichts zu tun hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand einen Stein auf
ein Nachbargrundstück wirft oder als Straßenmusikant den Anlieger störende
Geräusche erzeugt. Derartige Einwirkungen fallen nicht unter § 906 BGB.
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bb) Macht der Rechtsnachfolger des veräußernden Grundstückseigentümers von seiner Berechtigung, den Rechtsstreit zu übernehmen, keinen
Gebrauch und ist er mangels Antrags des Prozessgegners auch nicht zur
Übernahme verpflichtet (§ 266 Abs. 1 ZPO), führt der Rechtsvorgänger den
Rechtsstreit nach § 265 Abs. 2 ZPO weiter (MünchKomm-ZPO/BeckerEberhard, aaO, Rdn. 15).
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c) Somit änderte sich trotz der Übertragung des Grundstückseigentums
auf ihren Sohn nichts an der verfahrensrechtlichen Parteistellung der Beklagten.
11
2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht
ohne Weiteres von dem Eigentum des Klägers auch an den von ihm auf dem
früher der Beklagten gehörenden Flurstück Nr. 289/15 errichteten Räumen ausgegangen ist.
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12
a) Wurden nebeneinander liegende Grundstücke in der Weise mit einem
einheitlichen Gebäude bebaut, dass die Grundstücksgrenze das Gebäude
durchschneidet, lässt sich die Frage nach dem Eigentum an dem Gebäude
nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantworten. § 93 BGB bestimmt das einheitliche Eigentum an dem gesamten Gebäude, stellt also die Gebäudeeinheit in
den Vordergrund; die in § 94 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Bindung des Eigentums an dem Gebäude an das Grundstückseigentum führt dagegen zu einer
vertikalen Aufspaltung des Eigentums an dem Gebäude. Es muss deshalb eine
Lösung des sich bei einer solchen Sachlage ergebenden Widerspruchs gesucht
werden, welche die widerstreitenden Gesetzesbestimmungen und die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigt; dabei ist der Zweckgedanke der
Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte zu erhalten (Senat, BGHZ 157, 301,
304), maßgebend (vgl. Senat, BGHZ 27, 204, 207 f.; 41, 177, 178 f.; 64, 333,
335 f. m.w.N.).
13
b) In dem Fall des sogenannten Eigengrenzüberbaus erhält nach der
Senatsrechtsprechung der in § 93 BGB geregelte Grundsatz des einheitlichen
Eigentums an einer Sache den Vorrang gegenüber der in § 94 Abs. 1 BGB vorgesehenen Bindung des Eigentums an einem Gebäude an das Grundstückseigentum; überschreitet der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit
dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze zu dem anderen, wird der
hinüber gebaute Gebäudeteil nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks,
sondern das Gebäude bildet, wenn es ein einheitliches Ganzes darstellt, einen
wesentlichen Bestandteil desjenigen Grundstücks, von dem aus übergebaut
wurde (Senat, BGHZ 102, 311, 314; Urt. v. 12. Oktober 2001, V ZR 268/00, WM
2002, 603, 604; Urt. v. 10. Oktober 2003, V ZR 96/03, WM 2004, 1340).
-9-
14
c) Dasselbe gilt für den Fall der Teilung eines Grundstücks in der Weise,
dass ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildeten
Grundstücke durchschnitten wird. Gelangen diese Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen, ist das Eigentum an dem Gebäude als Ganzem,
wenn sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig
maßgebende Teil auf einem der Grundstücke befindet, mit dem Eigentum an
diesem Grundstück verbunden (Senat, Urt. v. 10. Oktober 2003, V ZR 96/03,
aaO, m.w.N.). Nur wenn die Grenzziehung zu einer Trennung des Gebäudes in
zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten führt, kann jeder Gebäudeteil eigentumsrechtlich dem Grundstück zugeordnet werden, auf dem er steht (Grundsatz
der vertikalen Teilung entsprechend dem Gedanken des § 94 Abs. 1 BGB; Senat, Urt. v. 10. Oktober 2003, V ZR 96/03, WM 2004, 1340, 1341). Ragt jedoch
ein Teil des einen Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein, findet auf diesen
Teil, auch wenn es sich nur um eines von mehreren Geschossen handelt, wiederum § 93 BGB Anwendung; nach dem darin zum Ausdruck gekommenen
Grundsatz, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, werden Räume, die von
ihrer Größe, Lage, baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nutzung her einem
Gebäudeteil zugeordnet sind, auch eigentumsrechtlich diesem Gebäudeteil zugeordnet, sind also mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden, auf dem
sich der maßgebende Teil des Gebäudes befindet (Senat, Urt. v. 10. Oktober
2003, V ZR 96/03, aaO).
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d) Für den hier vorliegenden Fall des wechselseitigen Überbaus einzelner Geschosse gilt nichts anderes (vgl. Senat, BGHZ 62, 141, 145 f.; 64, 333,
337). Wenn jedes Geschoss insgesamt nach seiner Lage, baulichen Gestaltung
und wirtschaftlichen Nutzung eine Einheit mit einem der beiden Gebäude bildet,
führt das zu dem Vorrang des in § 93 BGB ebenfalls zum Ausdruck gekommenen Gesichtspunkts der natürlich-wirtschaftlichen Einheit von Gebäuden vor der
in § 94 Abs. 1 BGB bestimmten Zuordnung zu dem Grundstückseigentum. Ei-
- 10 -
gentümer der Räume in den übergebauten Geschossen ist somit derjenige,
dem das Grundstück gehört, auf dem sich das Gebäude befindet, dem die Geschosse bei natürlicher und wirtschaftlicher Betrachtung zuzuordnen sind.
16
e) Der Kläger hat die Wohn- und Schlafräume zum Teil auf seinem Flurstück Nr. 290/2, zum Teil auf dem Flurstück Nr. 289/15 errichtet, und zwar teilweise über den Maschinenräumen, die von der Beklagten zum Teil auf dem ihr
damals gehörenden Flurstück Nr. 289/15 und zum Teil auf dem Flurstück
Nr. 290/2 des Klägers errichtet wurden. Die Maschinenräume sind somit, auch
soweit sie sich als Überbau auf dem Flurstück Nr. 290/2 befinden, eigentumsrechtlich dem Flurstück Nr. 289/15 zuzuordnen, während die Räume in den
darüber liegenden Geschossen auch insoweit im Eigentum des Klägers stehen,
als sie auf dem Flurstück Nr. 289/15 errichtet wurden. Eine vertikale Teilung
des Eigentums an den Gebäuden, die dazu führt, dass sämtliche Einheiten in
allen Geschossen entgegen ihrer baulichen Gestaltung und tatsächlichen Nutzung auf der Grundstücksgrenze eigentumsrechtlich durchtrennt werden, widerspricht der natürlich-wirtschaftlichen Betrachtungsweise und insbesondere
den Interessen der beiden Grundstückseigentümer.
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3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch einen Beseitigungsanspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht. Die bisherigen
Feststellungen tragen diese Annahme nicht.
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a) Das Berufungsgericht durfte nicht offen lassen, ob wegen der verschachtelten Bauweise § 906 BGB Anwendung findet. Denn damit fehlt dem
Berufungsurteil die Grundlage für die Feststellung, dass die von den Kühlaggregaten ausgehenden Geräusche die Nutzung der Wohn- und Schlafräume
wesentlich beeinträchtigen. Inhalt und Umfang des Abwehranspruchs nach
§ 1004 Abs. 1 BGB im Einzelnen ergeben sich hier nämlich aus der gesetzli-
- 11 -
chen Regelung des Nachbarrechts (Senat, Urt. v. 12. November 1999, V ZR
229/98, NJW-RR 2000, 537), also aus § 906 BGB.
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b) Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist allerdings eine
die Grundstücksgrenze überschreitende Einwirkung. Dieses Erfordernis erklärt
sich aus dem grundstücksbezogenen Regelungszusammenhang der Norm, der
eine enge Bindung innerhalb des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses voraussetzt (vgl. Senat, BGHZ 157, 188, 193 m.w.N.). Daran fehlt es,
wenn die Nutzung eines Teils des Grundstücks durch die Nutzung eines anderen Teils desselben Grundstücks beeinträchtigt wird; das hat der Senat bei Beeinträchtigungen angenommen, die von einer Mietwohnung auf eine andere
Mietwohnung innerhalb desselben Grundstücks ausgehen (BGHZ 157, 188,
190). Hier liegt es jedoch anders. Zwar geht es ebenfalls um Einwirkungen, die
von einem anderen Stockwerk innerhalb desselben Grundstücks herrühren.
Aber die Besonderheit besteht darin, dass die Gebäude auf zwei benachbarten
Grundstücken errichtet wurden und - wie vorstehend unter 2. dargelegt - die
von der Einwirkung betroffenen Stockwerke mit Wohnräumen einem anderen
Grundstückseigentümer gehören als das Geschoss, von dem die Einwirkung
ausgeht. Der Umstand, dass sich die Eigentumslage an den beiden Grundstücken nicht in einer vertikalen Teilung des Eigentums an den aufstehenden Baulichkeiten fortsetzt, sondern die in verschachtelter Bauweise errichteten Gebäude eigentumsrechtlich im gesamten Kellergeschoss mit den Maschinenräumen
dem Rechtnachfolger der Beklagten und in den Stockwerken mit den Wohnund Schlafräumen insgesamt dem Kläger zuzuordnen ist, führt rechtlich und
tatsächlich zu einer dem Fall vergleichbaren Situation, dass sich die Maschinenräume ausschließlich auf dem Flurstück Nr. 289/15 und die Wohn- und Schlafräume ausschließlich auf dem Flurstück Nr. 290/2 befinden. § 906 BGB ist deshalb insoweit anwendbar, als es um die Beeinträchtigung der Nutzung von
Räumen des einen Eigentümers auf seinem Grundstück geht, die auf Einwir-
- 12 -
kungen beruhen, welche von auf demselben Grundstück liegenden Räumen,
die eigentumsrechtlich dem anderen Eigentümer zuzuordnen sind, ausgehen.
Nur so kann der für eine sachgerechte Nutzung von Grundstücken unerlässliche Interessenausgleich zwischen benachbarten Grundstückseigentümern (Senat, BGHZ 157, 188, 193) herbeigeführt werden.
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c) Maßstab für die Beurteilung des Anspruchs des Klägers ist somit insgesamt § 906 BGB. Diese Beurteilung muss das Berufungsgericht nachholen.
Dass es sich für seine Feststellung einer wesentlichen Beeinträchtigung des
Eigentums des Klägers auf die Ergebnisse des in erster Instanz eingeholten
Sachverständigengutachtens gestützt hat, reicht nicht aus.
21
aa) Unbegründet ist allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs
(Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es lediglich Feststellungen zu Geräuschimmissionen tagsüber getroffen habe, obwohl es über Lärmschutz zur
Nachtzeit habe entscheiden müssen. Zwar hat der Sachverständige seine Messungen nur am Tag vorgenommen. Aber er durfte - wie geschehen - diese
Messergebnisse seiner Berechnung des für die Nachtzeit maßgeblichen Beurteilungspegels zugrunde legen (Abschnitt A.1.4 Abs. 1 des Anhangs "Ermittlung
von Geräuschimmissionen" zur TA-Lärm 1998). Die Vorgehensweise des
Sachverständigen steht auch in Einklang mit der Regelung in Abschnitt A.1.4
Abs. 4 des Anhangs "Ermittlung von Geräuschimmissionen" zur TA-Lärm 1998,
wonach der Beurteilungspegel für die Beurteilungszeiten tags und nachts getrennt zu ermitteln ist. Das bedeutet - entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass die tatsächliche Geräuscheinwirkung sowohl tags als auch während
der Nachtzeit gemessen werden muss. Für nächtliche Geräuschmessungen
bestand kein Anlass. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die
Kühlaggregate nachts anders arbeiten als tagsüber.
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22
bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des
Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass dem Kläger die von
den Kühlaggregaten ausgehenden Geräusche vor der Errichtung der Wohnungen bekannt gewesen seien und ihm wegen der zu erwartenden Lärmbelastung
von der Errichtung abgeraten worden sei. An diese Feststellungen, die die Revision hinnimmt, ist der Senat gebunden. Das hat zur Folge, dass dem Gedanken der Priorität - sofern er überhaupt tragfähig ist - (vgl. Senat, BGHZ 135,
235, 241 f.; 148, 261, 266 ff.) hier keine Bedeutung zukommt. Zwar waren die
Maschinenräume schon vorhanden, als der Kläger die Wohnungen errichtete;
objektiv waren deshalb besondere Vorkehrungen zum Schutz vor Geräuschimmissionen erforderlich. Darauf kommt es jedoch in diesem Zusammenhang
nicht an, weil der Kläger mangels Kenntnis der durch die Kühlaggregate verursachten Geräusche nicht treuwidrig "in den Lärm hinein" gebaut hat.
23
cc) Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht jedoch als nicht entscheidungserheblich angesehen, dass bei der Errichtung der Wohnungen die
Vorschriften der DIN 4109 nicht beachtet worden sind. Es ist zwar zutreffend
davon ausgegangen, dass der durch eine Geräuschimmission beeinträchtigte
Grundstückseigentümer sein Eigentum so nutzen darf, wie es ihm richtig erscheint, und nicht seinerseits Schutzmaßnahmen ergreifen muss, um eine
rechtswidrige Lärmbelästigung abzuwehren oder zu vermindern (Senat, BGHZ
111, 63, 71 m.w.N.). Aber hier geht es nicht um nachträgliche Schallschutzmaßnahmen, sondern um die Frage, ob von den ausweislich des Sachverständigengutachtens fachgerecht installierten Kühlaggregaten nur deshalb eine
richtwertüberschreitende Lärmeinwirkung auf die Räume des Klägers ausgeht,
weil bei deren Errichtung die Vorschriften der DIN 4109, bei denen es sich um
Mindestanforderungen an den Schallschutz im Hochbau handelt (BGH, Urt. v.
14. Juni 2007, VII ZR 45/06, NJW 2007, 2983, 2984), unbeachtet blieben. Es ist
deshalb zu klären, wie es sich auf den Abwehranspruch des beeinträchtigten
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Eigentümers auswirkt, dass sein Gebäude von Anfang an nicht den erforderlichen Schallschutz aufweist. Der Senat hat diese Frage bisher offen gelassen
(Urt. v. 8. Juli 1964, V ZR 173/63, WM 1964, 1102, 1104). Er beantwortet sie
nunmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (JW 1912,
589, 590) und in Fortführung seiner Hammerschmiede-Entscheidung (BGHZ
148, 261) dahin, dass der Anspruch nicht besteht, wenn sich die Geräuschimmission im Fall der Einhaltung der Schallschutzvorschriften in den Grenzen der
zulässigen Richtwerte hielte (im Ergebnis ebenso AnwK-BGB/Ring, § 906
Fn. 96; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 81; Staudinger/Roth,
BGB [2002], § 906 Rdn. 185; Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 1004
Rdn. 157). Das ergibt sich aus § 906 BGB. Mit dem Verbot widersprüchlichen
Verhaltens (§ 242 BGB) ist es nicht zu vereinbaren, einem Grundstückseigentümer, der von Geräuschimmissionen ordnungsgemäß installierter Anlagen nur
deshalb über die zulässigen Richtwerte hinaus beeinträchtigt wird, weil er seinerseits die bei der Bebauung seines Grundstücks geltenden Mindestanforderungen an den Schallschutz nicht eingehalten hat, einen uneingeschränkten
Abwehranspruch zu gewähren. Vielmehr ist die Beeinträchtigung in diesem Fall
als unwesentlich anzusehen; der Grundstückseigentümer ist nach § 906 Abs. 1
Satz 1 BGB zu ihrer Duldung verpflichtet. Das gilt - entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts - auch dann, wenn er den für Geräuschimmissionen besonders anfälligen Zustand seines Eigentums nicht schuldhaft herbeigeführt hat.
Die Mitverantwortung des beeinträchtigten Eigentümers für die eingetretene
Störung setzt nämlich keinen Schuldvorwurf voraus (BGHZ 110, 313, 317
m.w.N.).
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dd) Somit muss das Berufungsgericht aufklären, ob - worauf sich die Beklagte in den Tatsacheninstanzen berufen hat - die Kühlaggregate nur deshalb
eine richtwertüberschreitende Geräuscheinwirkung auf die Wohn- und Schlafräume des Klägers - und zwar auch auf die im zweiten Obergeschoß des Hau-
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ses liegenden Räume, in denen der Sachverständige bisher keine Messungen
vorgenommen hat - verursachen, weil diese unter Missachtung der Schallschutzanforderungen der DIN 4109 errichtet wurden. Ist dies der Fall, scheidet
ein Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB aus. Überschreiten die Geräuschimmissionen jedoch den zulässigen Richtwert auch in dem Fall der Einhaltung der Vorschriften der DIN 4109, ist das nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3
BGB ein Indiz für eine wesentliche Beeinträchtigung (Senat, Urt. v. 13. Februar
2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR
85/04, MDR 2005, 328). Allerdings kann die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Geräuschbelästigung nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 265; Urt. v.
26. September 2003, V ZR 41/03, NJW 2003, 3699; Urt. v. 27. Oktober 2006,
V ZR 2/06, NJW-RR 2007, 168, 169). Wann eine wesentliche Beeinträchtigung
vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (siehe nur Senat, BGHZ 157, 33, 43; Urt. v.
27. Oktober 2006, V ZR 2/06, NJW-RR 2007, 168). Von der indiziellen Bedeutung der Richtwertüberschreitung nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist deshalb abzuweichen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies gebieten
(Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 85/04, aaO). Deshalb wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls einen eigenen Eindruck von der Lästigkeit der Geräuscheinwirkungen verschaffen müssen.
25
ee) Gelangt es zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Beeinträchtigung
des Eigentums des Klägers vorliegt, wird es dessen aus der Nichteinhaltung der
Schallschutzvorschriften herrührende Mitverantwortung zu berücksichtigen haben. Möglich ist nämlich, dass die Beklagte gezwungen ist, zur Einhaltung der
Richtwerte aufwendigere Maßnahmen zu ergreifen, als es bei der Einhaltung
der Schallschutzvorschriften in dem Haus des Klägers erforderlich wäre. Sie mit
- 16 -
einem solchen Mehraufwand zu belasten, wäre angesichts der Mitverantwortung des Klägers unbillig. Ihre Verurteilung müsste deshalb dahin eingeschränkt
werden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass die von ihren
Kühlaggregaten ausgehenden Geräusche innerhalb der Wohn- und Schlafräume
des
Klägers
den
zulässigen
Richtwert
auch
dann
überschreiten, wenn deren Schalldämmung durch die aufsteigenden Wände
und Trenndecken ausreichend wäre.
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4. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO), damit es
die notwendigen Feststellungen nachholen kann.
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 04.04.2005 - 16 O 77/02 OLG Koblenz, Entscheidung vom 05.10.2006 - 2 U 494/05 -