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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 203/14
Verkündet am:
25. September 2015
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 167
Fordert das Gericht keinen Gerichtskostenvorschuss an und bleibt der Kläger untätig,
beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO
(„demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung frühestens
drei Wochen nach Einreichung der Klage bzw. drei Wochen nach Ablauf der durch
die Klage zu wahrenden Frist.
WEG § 24 Abs. 6 Satz 2
Macht die Teilungserklärung die Gültigkeit der Beschlüsse der Wohnungseigentümer
von der Protokollierung und der Unterzeichnung durch den Verwalter und zwei von
der Versammlung bestimmten Wohnungseigentümern abhängig (sog. qualifizierte
Protokollierungsklausel), ist in der Versammlung aber nur der Verwalter anwesend,
der zugleich Mehrheitseigentümer ist, genügt es, wenn er das Protokoll unterzeichnet
-2-
(Abgrenzung und Fortführung von Senat, Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 178/11,
NJW 2012, 2512).
BGH, Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14 - LG Frankfurt am Main
AG Langen (Hessen)
-3-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann,
die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter
Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 13. Zivilkammer, vom 16. Juli 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte zu 1 hält die Mehrheit der Miteigentumsanteile und ist auch Verwalterin der
Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilungserklärung (TE) legt in § 14
Abs. 4 fest, dass die Wohnungseigentümerversammlung beschlussfähig ist,
wenn mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. In § 14 Abs. 8
TE heißt es wie folgt:
-4-
„In Ergänzung des § 23 WEG wird bestimmt, dass zur Gültigkeit
eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung außer
den dort genannten Bestimmungen die Protokollierung des Beschlusses erforderlich ist. Das Protokoll ist vom Verwalter und von
zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern zu unterzeichnen.“
2
Am 16. August 2011 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der
mehrere Beschlüsse gefasst wurden, u.a. zur Jahresabrechnung für das Jahr
2010. In der Versammlung war allein die Beklagte zu 1 als Mehrheitseigentümerin und Verwalterin anwesend. Sie unterschrieb das Protokoll allein. Mit der
am 14. September 2011 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschlussmängelklage haben die Kläger die Ungültigerklärung mehrerer in der Versammlung
gefasster Beschlüsse beantragt. Durch Telefaxschreiben vom 10. Oktober 2011
haben sie das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass ihnen bislang noch keine
Anforderung für den Gerichtskostenvorschuss vorliege, und um dringende Erledigung gebeten. Am selben Tag hat das Amtsgericht den Streitwert festgesetzt;
am 25. Oktober 2011 ist die Vorschussrechnung erstellt und versandt worden.
Der Gerichtskostenvorschuss ist am 4. November 2011 eingegangen. Die Zustellung der Klage an die Beklagten ist jeweils am 15. November 2011 erfolgt.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger
hat das Landgericht die mit der Klage angefochtenen Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. August 2011 für ungültig erklärt. Mit der
zugelassenen Revision möchte die Beklagte zu 1 die Wiederherstellung des
amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
-5-
Entscheidungsgründe:
I.
4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anfechtungsfrist des § 46
Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Hierfür genüge die fristgemäße Einreichung der
Klageschrift, da sie noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt worden sei. Die Kammer gehe in ständiger Rechtsprechung von einem Zeitraum
von drei Wochen aus, in der ein Kläger den Eingang einer gerichtlichen Vorschussanforderung abwarten könne, wobei diese Frist mit Ablauf der einzuhaltenden Anfechtungsfrist beginne. Vorliegend wäre eine mit Ablauf des 16. September 2011 beginnende dreiwöchige Untätigkeitsfrist am 7. Oktober 2011 verstrichen gewesen. Da aber dieser Tag ein Freitag gewesen und das Telefax
des Klägervertreters zur Erinnerung an die gerichtliche Vorschussanforderung
bereits am Montag, dem 10. Oktober 2011 bei dem Amtsgericht eingegangen
sei, hätte eine noch am Nachmittag des 7. Oktober 2011 eingegangene fristgemäße Erinnerung keine spürbare Beschleunigung bewirken können.
5
In der Sache seien die Beschlüsse der Versammlung vom 16. Oktober
2011 nicht gültig, da die hierfür nach der Teilungserklärung erforderliche Protokollierung fehle. Das Protokoll sei nur von der Verwalterin, nicht aber auch von
zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern unterzeichnet worden. Diese Unterschriften seien nicht deshalb entbehrlich, weil
die Beklagte zu 1 allein in der Versammlung anwesend gewesen sei und daher
keine weiteren Wohnungseigentümer zur Unterschrift hätten bestimmt werden
können. Andernfalls werde der Zweck der qualifizierten Protokollierungsklausel,
die Richtigkeit des Protokolls zu gewährleisten und Rechtssicherheit durch
Schutz vor inhaltlich und formal nicht ordnungsgemäß protokollierten Beschlüssen zu schaffen, verfehlt. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammen-
-6-
wirken der als Protokollunterzeichner in Betracht kommenden Wohnungseigentümer, das eine Berufung der Kläger auf die fehlende Gegenzeichnung unter
dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausschließen könnte, seien nicht
ersichtlich.
6
Allerdings weise die Gemeinschaftsordnung eine Lücke auf, weil sie keine Regelung für den Fall vorsehe, dass keine zwei Eigentümer in der Versammlung anwesend seien, die dazu bestimmt werden könnten, das Protokoll
zu unterschreiben. Diese Lücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in Anlehnung an § 14 Abs. 4 TE zu füllen. Hiernach habe der Verwalter
eine zweite Versammlung mit gleichem Gegenstand einzuberufen, wenn die
Versammlung nicht beschlussfähig sei. In gleicher Weise könne auch bei der
Abwesenheit möglicher Protokollunterzeichner verfahren werden. Für die
streitgegenständlichen Beschlüsse müsse es aber bei der Ungültigkeit bleiben,
da es hier um die Gültigkeit der Beschlüsse einer Erstversammlung gehe.
II.
7
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Kläger, sondern
auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60,
BGHZ 37, 79, 82).
8
1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die
Kläger hätten die einmonatige Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG
gewahrt. Die am 15. November 2011 erfolgte Zustellung ist noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO anzusehen, so dass die Zustellung auf den
Tag der Einreichung der Klage am 14. September 2011 zurückwirkt, an dem
die Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen war.
-7-
9
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das
Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei
wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen, um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen (vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061; BGH,
Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8). Dies gilt
für sämtliche Fallgruppen, so dass auch für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von
14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung
der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf
abgestellt wird, um wie viele Tage sich der ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH, Urteil vom
10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rn. 8). Dieser Rechtsauffassung des VII. Zivilsenats hat sich der Senat aus Gründen der Vereinheitlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Herstellung eines einheitlichen Maßstabs angeschlossen (Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14,
NJW 2015, 2666 Rn. 6).
10
b) Gemessen daran überschreitet die den Klägern zuzurechnende Zustellungsverzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht.
11
aa) Dass sie in der Zeit von der Einreichung der Klage bis zum Ablauf
der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG am 16. September 2011 nichts unternommen haben, um die Zustellung der Klage zu erreichen, kann ihnen nicht
zum Vorwurf gemacht werden. Wenn eine Klage - wie hier - bereits vor Ablauf
einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht worden ist, die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist erfolgt ist, sind bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse in die maßgebliche 14-Tagesfrist nicht mitein-
-8-
zurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 - VIII ZR 4/87, BGHZ 103,
20, 30; Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471).
Die gegenteilige Auffassung der Revision, die generell auf den Zeitpunkt des
Eingangs der Klage abstellen möchte, lässt unberücksichtigt, dass eine Partei
die ihr eingeräumte Frist bis zum letzten Tag ausnutzen darf (vgl. BGH, Urteil
vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471). Tut sie dies
nicht, dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen.
12
bb) Dadurch, dass die Kläger mit ihrem Hinweis an das Amtsgericht,
ihnen liege bislang noch keine Anforderung für den Gerichtskostenvorschuss
vor, bis zum 10. Oktober 2011 gewartet haben, ist eine ihnen zuzurechnende
Verzögerung der Zustellung von höchstens drei Tagen eingetreten.
13
(1) Ein dem Kläger anzulastendes Versäumnis kann auch vorliegen,
wenn er nach Einreichung der Klage bzw. nach Ablauf der durch die Klage zu
wahrenden Frist untätig bleibt. Grundsätzlich kann er zwar die Anforderung des
Gerichtskostenvorschusses abwarten. Er muss den Vorschuss nicht von sich
aus berechnen und mit der Klage einzahlen. Dies bedeutet aber nicht, dass er
unbegrenzt lange völlig untätig bleiben darf (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1977
– IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 364). Wie lange ein Kläger der gerichtlichen
Zahlungsaufforderung längstens entgegensehen kann, ohne dass von einer
ihm anzulastenden Verzögerung ausgegangen werden kann, hat der Bundesgerichtshof noch nicht abschließend entschieden. Anerkannt ist jedoch – hiervon geht auch das Berufungsgericht aus - dass ein Tätigwerden jedenfalls vor
Ablauf von drei Wochen nach Einreichung der Klage bzw. innerhalb von drei
Wochen nach Ablauf der durch die Klage zu wahrenden Frist ausreichend ist
(vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471).
Deshalb beginnt auch der dem Kläger im Rahmen der Prüfung des § 167 ZPO
zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung frühestens drei Wo-
-9-
chen nach Einreichung der Klage bzw. drei Wochen nach Ablauf der durch die
Klage zu wahrenden Frist.
14
(2) Das Zuwarten der Kläger wäre deshalb für die Frage der Zustellungsverzögerung insgesamt unerheblich gewesen, wenn sie sich innerhalb der
ihnen von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugebilligten Frist von
jedenfalls drei Wochen ab Fristablauf, d. h. bis spätestens 7. Oktober 2011
(Freitag) bei dem Amtsgericht nach dem Verbleib der Gerichtskostenrechnung
erkundigt hätten. Dass sie tatsächlich erst am 10. Oktober 2011 (Montag) in
diesem Sinne tätig geworden sind, hat zu einer ihnen zuzurechnenden Zustellungsverzögerung von höchstens drei Tagen geführt. Unter Abzug des auf das
Wochenende fallenden Zeitraums (8. und 9. Oktober 2011) beträgt die Verzögerung sogar nur einen Tag.
15
cc) Ob den Klägern im Zusammenhang mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses möglicherweise eine weitere Zustellungsverzögerung
zuzurechnen ist, kann offen bleiben. Auch wenn davon ausgegangen wird,
dass die Gerichtskostenrechnung ihnen unmittelbar nach ihrem Versand am
25. Oktober 2011 zugegangen ist, könnte sich aus der Einzahlung des Vorschusses am 4. November 2011 eine ihnen zuzurechnende Verzögerung von
allenfalls wenigen Tagen ergeben. Der maßgebliche 14-Tageszeitraum wäre
auch unter Einbeziehung dieses Umstands nicht überschritten.
16
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die in der Eigentümerversammlung vom 16. August 2011 gefassten Beschlüsse nicht bereits deshalb ungültig, weil das Protokoll nur von der Beklagten zu 1 als Verwalterin und Mehrheitseigentümerin, nicht aber auch von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern unterzeichnet worden
ist.
- 10 -
17
a) Die Teilungserklärung macht die Gültigkeit von Beschlüssen der
Wohnungseigentümer in § 14 Abs. 8 von der Protokollierung und diese von der
Unterzeichnung durch den Verwalter und zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern abhängig. Eine solche qualifizierte
Protokollierungsklausel ist wegen des berechtigten Interesses der Wohnungseigentümer an einer effektiven Kontrolle und an der sicheren Feststellung der
gefassten Beschlüsse wirksam (Senat, Beschluss vom 3. Juli 1997 - V ZB 2/97,
BGHZ 136, 187, 190 f.; Urteil vom 30. März 2012 - V ZR 178/11, NJW 2012,
2512 Rn. 16). Sie beruht auf dem Vier-Augen-Prinzip und bezweckt, dass das
Protokoll - zusätzlich zu der Unterschrift des Verwalters - von zwei Personen
unabhängig voneinander gelesen und auf seine Vollständigkeit und inhaltliche
Richtigkeit hin überprüft wird und so Fehler eher auffallen. Dieser Zweck würde
verfehlt, wenn bei der Unterzeichnung des Protokolls eine Vertretung von mehreren Wohnungseigentümern durch eine einzige natürliche Person möglich wäre. Das Protokoll muss deshalb von zwei verschiedenen natürlichen Personen
unterzeichnet werden, die entweder selbst Wohnungseigentümer sind oder für
sich oder andere Wohnungseigentümer handeln (Senat, Urteil vom 30. März
2012 - V ZR 178/11, NJW 2012, 2512 Rn. 21).
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b) Dass es hier schon an der Bestimmung zweier Eigentümer zur Unterzeichnung des Protokolls und in der Folge auch an der tatsächlichen Unterschriftsleistung von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern fehlt, führt nicht zur Ungültigkeit der in der Versammlung
vom 16. August 2011 gefassten Beschlüsse. Der vorliegend zu beurteilende
Sachverhalt unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von demjenigen,
der dem Urteil des Senats vom 30. März 2012 (V ZR 178/11, NJW 2012, 2512
Rn. 21) zu Grunde lag. Während in dem damaligen Fall neben dem Verwalter
eine ausreichende Anzahl von Personen in der Versammlung anwesend waren, die das Protokoll entsprechend den Anforderungen der Protokollierungs-
- 11 -
klausel hätten unterzeichnen können, hat an der Versammlung am 16. August
2011 ausschließlich die Beklagte zu 1 als Mehrheitseigentümerin und Verwalterin teilgenommen. Dass in einer solchen Situation ihre alleinige Unterschrift den
Anforderungen der Protokollierungsklausel genügte, ergibt sich aus einer ergänzenden Auslegung der Teilungserklärung.
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aa) An den hier in Rede stehenden Fall wurde bei Errichtung der Teilungserklärung offensichtlich nicht gedacht, so dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. § 14 Abs. 8 TE setzt unausgesprochen voraus,
dass in der Eigentümerversammlung neben dem Verwalter mindestens zwei
Wohnungseigentümer anwesend sind. Diese sollen durch ihre Unterschrift die
inhaltliche Richtigkeit des Protokolls bestätigen. Eine solche Bestätigung kann
aber nur dann erfolgen, wenn diese Personen in der Versammlung anwesend
sind. Welche Rechtsfolge eintreten soll, wenn es an der Anwesenheit von mindestens zwei Wohnungseigentümern fehlt, ist in der Teilungserklärung nicht
geregelt. Sie weist insoweit - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu
Recht ausführt - eine Regelungslücke auf.
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bb) Eine Regelungslücke in einer Teilungserklärung kann nach den
Grundsätzen der ergänzenden (Vertrags-)Auslegung geschlossen werden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass - wie stets bei der Auslegung einer Grundbucheintragung - auf den Wortlaut und Sinn abzustellen ist, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt;
Umstände außerhalb der Eintragung und der dort in Bezug genommenen Unterlagen dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen
Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl.
Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 7/13, NJW-RR 2015, 645
Rn. 8 mwn). Die Ermittlung des im Rahmen der ergänzenden Auslegung entscheidenden hypothetischen Parteiwillens muss deshalb zu einem Ergebnis
- 12 -
führen, das sich aus Sicht eines unbefangenen Betrachters als das nächstliegende darstellt. Dieses Erfordernis ist notwendig, aber auch ausreichend, um
entsprechend dem Ziel des § 10 Abs. 2 WEG den Erwerber des Wohnungseigentums gegen ihm unbekannte Vereinbarungen oder Ansprüche zu schützen
und dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung zu tragen (vgl. grundlegend Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 362 f.).
21
cc) Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers ist darauf abzustellen, welche Regelung er bei einer angemessenen
Abwägung der berührten Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise
getroffen hätte, wenn er den von ihm nicht geregelten Fall bedacht hätte (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 365). Die
hierzu erforderliche Auslegung kann der Senat als Revisionsgericht uneingeschränkt selbst vornehmen (Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB
22/04, BGHZ 160, 354, 361). Sie führt zu dem Ergebnis, dass die alleinige Unterschrift eines Verwalters, der - wie hier - zugleich Mehrheitseigentümer ist,
dem Protokollierungserfordernis genügt, wenn nur er in der Eigentümerversammlung anwesend ist. Die sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen eines Beschlusses, wozu auch die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung
zählt, bleiben hiervon unberührt.
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(1) Wesentliche Anhaltspunkte für solch einen hypothetischen Willen des
teilenden Eigentümers ergeben sich aus der Teilungserklärung selbst. Gemäß
§ 14 Abs. 4 TE soll eine Eigentümerversammlung beschlussfähig sein, wenn
mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile in der Versammlung vertreten sind.
Vereint ein Eigentümer - so wie hier die Beklagte zu 1 - allein die Mehrheit der
Miteigentumsanteile auf sich, ist eine Eigentümerversammlung deshalb auch
bei der Anwesenheit nur eines einzigen Eigentümers beschlussfähig. Würde
aber auch für diesen Fall die Unterschriftsleistung von zwei von der Eigentü-
- 13 -
merversammlung zu bestimmenden Wohnungseigentümern verlangt, liefe dies
im Ergebnis darauf hinaus, eine weitere, faktische Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit der Versammlung zu schaffen. Dies stünde mit der ausdrücklichen und als abschließend zu verstehenden Regelung zur Beschlussfähigkeit
in § 14 Abs. 4 TE nicht im Einklang (vgl. in diesem Sinne auch OLG Hamm,
NJW-RR 2008, 1545, 1547 für den Fall, dass nur ein Vertreter der Wohnungseigentümer anwesend ist).
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(2) Aus dem Zweck der Protokollierungsklausel folgt nichts anderes. Sie
soll eine Gewähr dafür schaffen, dass das in dem Protokoll Niedergelegte dem
tatsächlichen Ablauf der Versammlung entspricht. Bestätigen mehrere Personen unabhängig voneinander die Richtigkeit des Protokolls, wird die Richtigkeitsgewähr entsprechend erhöht. Dies ist der Hintergrund des bereits oben
erwähnten Vier-Augen-Prinzips. Sind jedoch neben dem Verwalter nicht zusätzlich zwei weitere Wohnungseigentümer in einer Versammlung anwesend, wäre
es sinnwidrig, neben der Unterschrift des Verwalters die Unterschrift von zwei
Wohnungseigentümern zu verlangen. Mangels Anwesenheit in der Versammlung und eigener Anschauung könnten sie deren Ablauf nicht bestätigen. Aus
ähnlichen Gründen wird auch im Rahmen des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG bei alleiniger Teilnahme des - die anderen Eigentümer vertretenden - Verwalters an
der Eigentümerversammlung dessen Unterschrift als ausreichend angesehen
(vgl. OLG Hamm, ZWE 2013, 215, 216; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 24
Rn. 22; Schultzky in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 142).
24
(3) Demgegenüber liegt die von dem Berufungsgericht vorgenommene
Auslegung, die Abwesenheit der Eigentümer so zu behandeln wie eine fehlende
Beschlussfähigkeit, so dass (erst) in einer zweiten Versammlung bei erneuter
Abwesenheit der Eigentümer die alleinige Unterschrift des Verwalters genügen
würde, nicht nahe. Zum einen würde auch bei dieser Lösung die Protokollie-
- 14 -
rungsklausel zu einer weiteren Voraussetzung der Beschlussfähigkeit umqualifiziert, obwohl hierfür entsprechend § 14 Abs. 4 TE bereits die Anwesenheit eines Mehrheitseigentümers genügt. Darüber hinaus würde die auch nach Auffassung des Berufungsgerichts im Ergebnis ohne Unterschrift von zwei Wohnungseigentümern mögliche Beschlussfassung nur verzögert und wäre mit dem
zusätzlichen Aufwand einer neuen Eigentümerversammlung verbunden, ohne
dass hierdurch die Richtigkeitsgewähr des Protokolls, die mit der Regelung in
der Teilungsordnung bezweckt ist, erhöht würde.
25
c) Da die Unterschriftsleistung der Beklagten zu 1 als Verwalterin und
Mehrheitseigentümerin unter das Protokoll den in der Teilungserklärung normierten Protokollierungserfordernissen genügt, weil weitere Wohnungseigentümer nicht anwesend waren, stellt sich die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage nicht, ob unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bei
nachweislich kollusivem Zusammenwirken der als Protokollunterzeichner in Betracht kommenden Wohnungseigentümer eine Berufung auf die fehlende Gegenzeichnung im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen wäre. Rechtlich unerheblich ist deshalb auch die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, dass
das Berufungsgericht die von der Beklagten zu 1 innerhalb der ihr eingeräumten Schriftsatzfrist eingereichte ergänzende Stellungnahme zu der Frage des
Rechtsmissbrauchs nicht zur Kenntnis genommen habe.
III.
26
Das Berufungsurteil ist wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1,
563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Entscheidung des Senats (§ 563 Abs. 3
ZPO) ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus
- 15 -
folgerichtig - sich mit den von den Klägern weiter erhobenen Anfechtungsgründen nicht befasst hat.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser
ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils
durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die
die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des
erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für
die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.
Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338,
§ 339 und § 340 ZPO verwiesen.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Göbel
Brückner
Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Langen (Hessen), Entscheidung vom 13.02.2012 - 52 C 78/11 (15) LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.07.2014 - 2-13 S 33/12 -