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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 127/09
Verkündet am:
29. Januar 2010
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
SachenRBerG § 118 Abs. 2 Nr. 2
Das
Einverständnis
des
Grundstückseigentümers
nach
§ 118
Abs. 2
Nr. 2
SachenRBerG bezieht sich nur auf die Mitbenutzung, nicht auch auf ihre Unentgeltlichkeit. Es muss nicht ausdrücklich erklärt, sondern kann auch durch ein konkludentes Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, aus dem sich klar ergibt, dass die Mitbenutzung nicht bloß geduldet werden soll.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2010 - V ZR 127/09 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. Juni 2009 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerinnen erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen eines etwa 3.000 m2 großen
Grundstücks in Brandenburg an der Havel, auf dem sich heute ein Wirtschaftsgebäude, ein Schuppen und mehrere in den 70er Jahren errichtete Garagen
befinden. Das Grundstück wurde ursprünglich für das Fuhrunternehmen des
Rechtsvorgängers der Klägerinnen genutzt; es grenzte zu diesem Zeitpunkt an
die öffentliche Straße. Im Jahre 1963 wurden die Nachbargrundstücke zur Errichtung eines Wohnungsneubaukomplexes nach dem Aufbaugesetz enteignet.
Im Zuge dieser Maßnahme wurde dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen der
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an die öffentliche Straße grenzende 227 m2 große Teil seines Grundstücks in
einer Tiefe von 15 m gegen eine Entschädigung von 5.790 Mark/DDR zur Anlegung eines Grünstreifens neben der Straße enteignet. Als Zufahrt zu dem
Grundstück der Klägerinnen, das sonst keine Zufahrt hat, dient seitdem ein etwa 3 m breiter, mit Kopfsteinpflaster befestigter Weg an dem Nordrand des enteigneten Streifens. Die Klägerinnen möchten ihr Grundstück verkaufen und verlangen von der Beklagten die Einräumung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung der Zufahrt zu ihrem Grundstück. Sie meinen, die Beklagte schulde
ihnen diese unentgeltlich. Ein etwa geschuldetes Entgelt belaufe sich auf allenfalls einmalig 2.835 €, bei Ausgestaltung als Rente auf 142 € jährlich.
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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks der Klägerinnen eine Grunddienstbarkeit mit dem
beantragten Inhalt zu bewilligen, jedoch Zug um Zug gegen Zahlung entweder
einer monatlichen Rente von 75 € oder eines einmaligen Entgelts von 15.000 €.
Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der
Grunddienstbarkeit Zug um Zug gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts von
15.000 € erfolgt. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerinnen, die weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur
unentgeltlichen Bewilligung der Grunddienstbarkeit, hilfsweise eine Herabsetzung des Entgelts auf einmalig 2.835 € oder monatlich 11,83 € anstreben.
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Entscheidungsgründe:
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Klägerinnen von der
Beklagten nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Einräumung einer Grunddienstbarkeit an dem enteigneten Streifen verlangen, um die Zufahrt zu ihrem
eingeschlossenen Grundstück abzusichern. Die Beklagte habe die Einräumung
der Grunddienstbarkeit aber nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG von der
Zahlung eines einmaligen Entgeltes abhängig machen dürfen. Ein Anspruch auf
Entgelt scheide nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG zwar aus, wenn sich der
Eigentümer des für die Zufahrt genutzten Grundstücks mit der Mitbenutzung
einverstanden erklärt habe. Dieses Einverständnis müsse sich aber auf die
dauernde unentgeltliche Nutzung beziehen und müsse, wenn nicht ausdrücklich
erklärt, so doch jedenfalls eindeutig sein. Das sei hier nicht festzustellen. Die
Beklagte könne die Einräumung der Grunddienstbarkeit nach § 118 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG auch von der Zahlung des vollen für die Einräumung eines Wegerechts der beanspruchten Art üblichen Entgelts abhängig machen, weil die Klägerinnen ihr Grundstück verkaufen wollten. Das Entgelt entspreche der Werteinbuße, die das dienende Grundstück durch die Belastung
erleide. Diese bemisst das Berufungsgericht, sachverständig beraten, mit
15.000 €.
II.
4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der
gegebenen Begründung lässt sich die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der beantragten Grunddienstbarkeit nur Zug um Zug gegen Zahlung eines
einmaligen Betrags von 15.000 € nicht rechtfertigen.
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1. Die Klägerinnen können von der Beklagten, was nach Anfechtung des
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Berufungsurteils nur durch die Klägerinnen rechtskräftig feststeht, nach § 116
Abs. 1 SachenRBerG die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zur Sicherung
der Zufahrt zu ihrem Grundstück verlangen. Die Beklagte kann die Erfüllung
dieses Anspruchs nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG von der Zahlung
eines einmaligen Entgelts abhängig machen, wenn ihr ein solches Entgelt nach
§ 118 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG zusteht.
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der
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Mitbenutzer dem Grundstückseigentümer nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Sachen
RBerG grundsätzlich zur Zahlung eines Entgeltes verpflichtet ist. Dieses Entgelt
entspräche hier nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG auch dem vollen
Betrag des für die mit der beanspruchten Dienstbarkeit verbundenen Beeinträchtigung üblichen Entgelts, weil die Klägerinnen das Grundstück verkaufen
und damit die Nutzung des herrschenden und die Mitbenutzung des belasteten
Grundstücks ändern möchten. Dass sie das noch nicht getan haben, wäre unerheblich, weil der Ausgleich in einer einmaligen Zahlung erfolgen soll und die
Änderung der Nutzung durch die Klägerinnen feststeht. Das Berufungsgericht
hat schließlich der Regelung in § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG zutreffend
entnommen, dass das Wahlrecht zwischen einer einmaligen und einer Rentenzahlung abweichend von § 262 BGB nicht dem Nutzer als Schuldner des Entgelts, sondern dem Grundstückseigentümer als dessen Gläubiger zustehen
soll.
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3. Die gegebene Begründung trägt aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts nicht, der Anspruch sei nicht nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG ausgeschlossen. Das Gegenteil ist vielmehr möglich.
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a) Unscharf ist schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach
§ 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG ist der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Entgelt ausgeschlossen, wenn sich der Eigentümer mit der Mitbenutzung einverstanden erklärt hat. Dabei kommt es nicht ohne weiteres auf das
Verhalten des jetzigen Eigentümers oder seiner unmittelbaren Rechtsvorgänger
an, wovon das Berufungsgericht aber ausgeht. Das Einverständnis muss, wie
die Inanspruchnahme der Mitbenutzung (arg. aus § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG), vor Ablauf des 2. Oktober 1990 erklärt worden sein. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es bei der Aufnahme oder für die Fortsetzung der Mitbenutzung erklärt werden muss (vgl. Entwurfsbegründung in BTDrucks. 12/5992 S. 180). Maßgeblich ist deshalb hier, ob die für die Verwaltung
des früheren Volkseigentums zuständigen Stellen mit der Nutzung des Wegs
auf dem enteigneten Grünstreifen durch die Rechtsvorgänger der Klägerinnen
und ihre Garagenmieter einverstanden waren.
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b) Das Einverständnis des damaligen Eigentümers muss sich entgegen
der Ansicht des Berufungsgerichts nur auf die Mitbenutzung als solche und
nicht auch auf deren Unentgeltlichkeit beziehen.
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aa) Die Frage ist allerdings umstritten. Nach einer von dem Berufungsgericht geteilten Ansicht muss sich das Einverständnis nicht nur auf die Mitbenutzung, sondern auch auf deren Unentgeltlichkeit beziehen (MünchKommBGB/Smid, 4. Aufl., § 118 SachenRBerG Rdn. 10; Toussaint in Kimme, Offene
Vermögensfragen, § 118 Rdn. 5; Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 118
Rdn. 11). Nach der Gegenmeinung genügt es, wenn der Eigentümer mit der
Mitbenutzung einverstanden ist (Eickmann in Eickmann, SachenRBerG, § 118
Rdn. 6; Frenz in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 118 Rdn. 3;
Baumgart, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen
-7-
DDR, § 118 SachenRBerG Rdn. 3). Beide Ansichten werden nicht näher begründet.
11
bb) Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (Urt. v. 12. Januar
2007, V ZR 148/06, NJW-RR 2007, 526, 527). Er entscheidet sie jetzt im zweiten Sinne.
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(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es auf das Einverständnis
mit der Mitbenutzung, nicht auch auf ein Einverständnis mit der Unentgeltlichkeit an. In einem von diesem Wortlaut abweichenden Sinne lässt sich die Vorschrift nur auslegen, wenn ihr Wortlaut dem ihr zugedachten Zweck nicht entspricht. Das ist nicht der Fall.
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(2) Die Einräumung einer Dienstbarkeit kann nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG von zwei verschiedenen Gruppen von Nutzern beansprucht werden. Das sind zum einen die Mitbenutzer, die sich mit dem Grundstückseigentümer über die Mitbenutzung verständigt, diese Verständigung aber weder ausdrücklich noch konkludent in einer anderen Vereinbarung (dazu: Senat, Urt. v.
12. Mai 1999, V ZR 183/98, VIZ 1999, 489; Urt. v. 7. November 2003, V ZR
65/03, VIZ 2004, 278, 279; Urt. v. 14. November 2003, V ZR 72/03, VIZ 2004,
193, 194) schriftlich festgehalten und deshalb im Ergebnis allein die rechtliche
Absicherung des Gewollten durch ein Mitbenutzungsrecht versäumt haben. Die
andere Gruppe bilden Mitbenutzer, die eine in der DDR bestandsfeste Mitbenutzung (dazu Senat, Urt. v. 19. Juni 2009, V ZR 231/08, ZOV 2009, 235) ohne
eine solche Verständigung mit dem Grundstückseigentümer erreicht haben. Sie
beruht im günstigsten Fall auf einer Duldung des betroffenen Grundstückseigentümers. Sie kann aber auch ohne dessen Wissen, unter Umständen sogar
gegen dessen Willen entstanden sein. Das Fehlen einer Verständigung mit dem
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Grundstückseigentümer rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers eine
abweichende Behandlung.
(3) Liegt die Verständigung vor, erleidet der Grundstückseigentümer
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nach der Wertung des Gesetzgebers durch die Nachholung der noch fehlenden
grundbuchlichen Absicherung in den Formen des bürgerlichen Rechts keinen
zusätzlichen ausgleichsbedürftigen Nachteil, weil der mit der Dienstbarkeit erzielte Rechtszustand dem schon zu Zeiten der DDR gewollten entspricht (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992 S. 180). Anders liegt es nach der Einschätzung des Gesetzgebers, wenn der Grundstückseigentümer sein Einverständnis mit der Mitbenutzung nicht erteilt hat. Er muss dann zwar im Hinblick
auf den Vertrauensschutz unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 116, 117
SachenRBerG die Mitbenutzung auf Dauer hinnehmen, darf aber einen Ausgleich beanspruchen, weil er sich in der DDR nicht auf eine Mitbenutzung eingelassen hat. Bei diesem Wertungsansatz kommt es allein auf die Zustimmung
zur Mitbenutzung, nicht aber darauf an, ob und mit welchem Ergebnis die Beteiligten die Frage des Entgelts erörtert haben. Diesen Ansatz bringt die Vorschrift
eindeutig zum Ausdruck. Für eine abweichende Auslegung ist deshalb kein
Raum.
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c) Das Einverständnis braucht schließlich nicht ausdrücklich erklärt zu
werden. Der Grundstückseigentümer kann auch durch schlüssiges Verhalten
zum Ausdruck bringen, dass er die Mitbenutzung nicht bloß duldet, sondern mit
ihr einverstanden ist.
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aa) Diese Frage ist ebenfalls umstritten. Nach einer Ansicht muss das
Einverständnis ausdrücklich erklärt werden (LG Berlin VIZ 2002, 586, 588;
MünchKomm-BGB/Smid, aaO, § 118 SachenRBerG Rdn. 10; Eickmann aaO,
§ 118 Rdn. 6 a. E.; Frenz aaO, § 118 Rdn. 3; Toussaint, aaO, § 118 Rdn. 5).
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Nach anderer Ansicht kann das Einverständnis auch konkludent erklärt werden
(Vossius, aaO, § 118 Rdn. 10). Der Senat folgt der zweiten Meinung.
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bb) Das Einverständnis nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG unterliegt
keiner bestimmten Form. Der Gesetzgeber verlangt, anders als gemäß § 312d
Abs. 3 BGB bei dem Ausschluss des Widerrufsrechts bei Verträgen über
Dienstleistungen, die auf Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten vollständig erfüllt worden sind, auch nicht, dass das Einverständnis ausdrücklich
erklärt werden muss. Das hat zur Folge, dass das Einverständnis wie jede andere rechtsgeschäftliche Erklärung nicht nur ausdrücklich erklärt werden kann,
sondern auch durch konkludentes Verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 14. März 1963,
VII ZR 257/61, NJW 1963, 1248; OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 1145 f.;
Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Einf. v. § 116 Rdn. 6). Strengere Anforderungen könnten nur gelten, wenn das dem Zweck der Vorschrift entspräche.
Das ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber möchte dem Grundstückseigentümer, der sich mit der Mitbenutzung einverstanden erklärt hat, den Anspruch auf Entgelt abschneiden, weil die Einräumung der Dienstbarkeit für ihn
bei wertender Betrachtung keine zusätzliche Vermögenseinbuße bedeutet.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers liegt deshalb in dem Einverständnis mit
der Mitbenutzung auch kein Verzicht auf den zudem erst nach dem Wirksamwerden des Beitritts eingeführten Anspruch auf Entgelt, an den strengere Anforderung zu stellen wären (Senat, Urt. v. 30. September 2005, V ZR 197/04,
BGH-Report 2006, 4, 5). Vielmehr fehlt es schon an einem Bereinigungstatbestand, der einen Ausgleich durch ein Entgelt erfordert. Unter diesem Gesichtspunkt ist allein entscheidend, dass der Grundstückseigentümer mehr getan hat,
als die Mitbenutzung bloß hinzunehmen, und dass sich das aus seinem Verhalten klar ergibt. In welcher Form dieses "Mehr" zum Ausdruck gekommen ist, ist
bei der von dem Gesetzgeber verfolgten Wertung unerheblich.
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4. Das Urteil kann schon wegen des Ausgangspunktes, das Einverständnis müsse sich auch auf die Unentgeltlichkeit beziehen, keinen Bestand
haben. Es erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (vgl.
§ 561 ZPO). Das wäre zwar der Fall, wenn die Klägerinnen das hinreichend
klare konkludente Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Mitbenutzung nicht schlüssig dargelegt hätten. Nach dem für das Revisionsverfahren
als wahr zu unterstellenden Vortrag der Klägerinnen lag bei Aufnahme der Mitbenutzung des enteigneten Grünstreifens eine solche konkludente Zustimmung
indessen vor.
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aa) Die Klägerinnen haben vorgetragen, der heute vorhandene Weg sei
nach der Enteignung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Gestaltung
des Grünstreifens auf dem bislang dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen gehörenden Grundstück angelegt und gepflastert worden. Darin läge ein im vorbeschriebenen Sinne klares konkludentes Einverständnis mit einer Mitbenutzung des Grünstreifens. Denn der Weg diente allein als Zufahrt zu dem Grundstück der Klägerinnen. Die Pflasterung des Wegs hatte ersichtlich nur den
Zweck, das Befahren mit den Fuhrwerken des Fuhrunternehmens zu ermöglichen, das damals auf dem Grundstück betrieben wurde. Solche Maßnahmen
durch den damaligen Rat der Stadt B.
als Träger der Aufbaumaßnah-
me, wie er in dem Enteignungsbescheid vom 10. Mai 1963 bezeichnet wird,
stellen, wenn nicht eine Einladung zur Mitbenutzung, so doch einen eindeutigen
Hinweis auf ein Einverständnis mit der durch diese Maßnahmen ermöglichten
Mitbenutzung dar.
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Daran ändert es entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nichts,
dass dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen eine Entschädigung gezahlt worden ist. Die Berechnung der Entschädigung ist im Gegenteil ein Argument für
das bestehende Einverständnis des damaligen Rats der Stadt B.
und
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des von ihm eingesetzten Rechtsträgers von Volkseigentum mit der weiteren
Benutzung der Zufahrt - nach der Enteignung als Mitbenutzung von Volkseigentum - durch den Rechtsvorgänger der Klägerinnen. Aus der dazu vorgelegten
Berechnung ergibt sich nämlich, dass die Entschädigung ausschließlich für den
verhältnismäßig kleinen Grundstücksstreifen an der öffentlichen Straße gezahlt
worden ist, der als Grünstreifen vorgesehen war und dazu nach wie vor verwendet wird. Diese Art der Berechnung war nur möglich, wenn ein Einverständnis mit der weiteren Benutzung der Zufahrt bestand. Andernfalls hätte die Enteignung des an der öffentlichen Straße gelegenen Grundstücksstreifens auch
das nicht förmlich enteignete übrige große Grundstück weitgehend entwertet,
weil es dann zugangslos geworden wäre. Die Entschädigung hätte dann deutlich höher ausfallen müssen.
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bb) Die Klägerinnen haben ferner vorgetragen, auf ihrem Grundstück
hätten Mieter ihres Rechtsvorgängers mit staatlicher Bauzustimmung die heute
noch vorhandenen Garagen errichtet. Auch dieser Umstand genügt im vorliegenden Fall als Ausdruck eines hinreichend klaren konkludenten Einverständnisses des Grundstückseigentümers. Die Bauzustimmung erging zwar nach § 5
Abs. 6 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984
(GBl. I S. 433) und ihren Vorgängerregelungen unbeschadet der Rechte Dritter.
Deshalb kommt es grundsätzlich auf die Zustimmung des Grundstückseigentümers selbst an. Hier liegt aber eine entscheidende Besonderheit vor. Aus den
Plänen, die die Garagennutzer nach den von den Klägerinnen vorgelegten Verwaltungsvorgängen ihren Bauzustimmungsanträgen an den damaligen Rat der
Stadt B.
entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 5 der Verordnung über
Bevölkerungsbauwerke zum Nachweis der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse und der Erschließung beigefügt hatten, ergibt sich nicht nur, dass die Garagen auf dem Grundstück der Klägerinnen errichtet werden sollten. Aus ihnen
geht vielmehr auch hervor, dass die Errichtung und die Nutzung der Garagen
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nur möglich waren, wenn die schon seinerzeit vorhandene Zufahrt auf dem
Volkseigentum genutzt werden konnte. Das durfte die Baubehörde des Rats der
Stadt B.
wegen der Unantastbarkeit von Volkseigentum (vgl. § 20
Abs. 1 Satz 1 ZGB a.F.) nur zulassen, wenn der verantwortliche Rechtsträger,
nach den Enteignungsunterlagen der ehemals volkseigene Betrieb Kommunale
Wohnungswirtschaft B.
, damit einverstanden war. Aus der Erteilung
der Bauzustimmung kann deshalb auf ein Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Mitbenutzung geschlossen werden.
III.
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Beide Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht - bei seinem Ansatz folgerichtig - nicht aufgeklärt. Die Sache ist deshalb nicht zur Entscheidung reif
und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung
weist der Senat auf folgendes hin:
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1. Die Beklagte hat zwar den Vortrag der Klägerinnen zur Anlegung des
Wegs auf dem Grünstreifen und zu den Bauzustimmungen bestritten. Sie hat
ihr Bestreiten aber nicht näher substantiiert. Ob sie dazu berechtigt war, erscheint zweifelhaft. Die Beklagte dürfte nämlich eine sekundäre Darlegungslast
für die Vorgänge treffen, die sie selbst überblickt. Welche Vorgänge das sind,
hängt wesentlich davon ab, ob die Beklagte aus dem früheren volkseigene Betrieb Kommunale Wohnungswirtschaft B.
hervorgegangen oder eine
Neugründung ist. Im ersten Fall wäre zu berücksichtigen, dass dieser frühere
volkseigenen Betrieb Rechtsträger und als solcher für die ordnungsgemäße
Verwaltung des Volkseigentums verantwortlich war.
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2. Sollte die neue Verhandlung zu dem Ergebnis führen, dass auch ein
konkludentes Einverständnis des Eigentümers nicht vorliegt, ist zu prüfen, ob
das Sachverständigengutachten zur Höhe des Entgelts überzeugt. Der Sach-
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verständige stützt seine Bewertung entscheidend auf die Annahme eines mittigen Verlaufs des Wegs und der realistischen Möglichkeit einer vollen Ausnutzung des planungsrechtlich zulässigen Bauvolumens. Beide Annahmen haben
die Klägerinnen angegriffen. Dabei hat der Sachverständige eingeräumt, dass
seine erste Annahme falsch ist. Die zweite Annahme hat er trotz der Lagenachteile des Grundstücks im Wesentlichen nur mit der Kreativität der Architekten und dem Hinweis auf die Bebauung eines sehr kleinen Grundstücks in
Be.
verteidigt. Mit diesen Schwächen des Gutachtens hat sich das Beru-
fungsgericht in seinem Urteil nicht auseinandergesetzt. Ihnen müsste nachgegangen werden, falls ein Entgeltanspruch zu bejahen sein sollte.
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 15.02.2008 - 10 O 297/05 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 18.06.2009 - 5 U 70/08 -