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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 125/10
Verkündet am:
17. Dezember 2010
Lesniak,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1020 Satz 2
Das Halten einer Anlage im Sinne von § 1020 Satz 2 BGB kann nicht schon aus der
rechtlichen Befugnis gefolgert werden, das Grundstück entsprechend dem Inhalt der
Dienstbarkeit zu nutzen; vielmehr ist erforderlich, dass der Dienstbarkeitsberechtigte
die Anlage tatsächlich für eigene Zwecke einsetzt.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10 - LG Paderborn
AG Paderborn
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 27. Mai 2010 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von dem Beklagten Beteiligung an den Unterhaltungskosten für eine Privatstraße, die über
das im Gemeinschaftseigentum stehende Flurstück 68, Flur 12 der Gemarkung
Altstadt C.
(bezeichnet vormals als Flurstück 45/18) verläuft. Das Grund-
stück ist mit einem Geh- und Fahrtrecht u.a. zugunsten der im Eigentum des
Beklagten stehenden Grundstücke 45/15 und 45/17 belastet. In der in Bezug
genommenen Eintragungsbewilligung heißt es unter "Absichtserklärung für vorstehende Rechte":
"Mit den Berechtigten und Verpflichteten wird der Eigentümer Vereinbarungen treffen, in denen bestimmt wird, wie die Eigentümer der gesamten mit den Dienstbarkeiten belasteten Flächen, insbesondere Wegeund Zufahrtsflächen, die Kosten der Instandhaltung, der Pflege sowie
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der Verkehrssicherung nach einem angemessenen Verteilungsschlüssel
zu tragen haben…"
2
Auf dem Flurstück 45/17 betreibt ein Pächter des Beklagten u.a. einen
Lebensmittelmarkt; das Flurstück 45/15 wird als Kundenparkplatz genutzt. Die
Grundstücke verfügen über eine Anbindung zum öffentlichen Straßennetz. Sie
sind auch über die Privatstraße zu erreichen, deren Durchfahrt allerdings aus
einer Richtung durch das Verkehrszeichen 260 (Anlage 2 zur StVO) für Kraftfahrzeuge verboten ist. Aus der Gegenrichtung ist die Straße als verkehrsberuhigte Zone (Zeichen 325.1 der Anlage 3 zur StVO) ausgewiesen. Sie wird
gleichwohl in beiden Fahrtrichtungen von Kunden des Lebensmittelmarktes genutzt. Der Beklagte verweigert eine Beteiligung an der Unterhaltung der Straße
und wendet hierzu insbesondere ein, er sei nicht Halter im Sinne von § 1020
Satz 2 BGB. Nunmehr verlangt die Klägerin von dem Beklagten jeweils 70 %
der entstandenen Unterhaltungskosten und der von ihr für erforderlich gehaltenen Instandhaltungsrücklage.
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Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.620,53 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
den Zahlungsanspruch weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
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Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche scheiterten daran, dass der Beklagte nicht als Halter der Privatstraße
angesehen werden könne (§ 1020 Satz 2 BGB). Auf der Grundlage des Partei-
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vorbringens lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte die Straße selbst
nutze oder er deren Nutzung durch Dritte in zurechenbarer Weise veranlasst
habe. Stets habe sich der Beklagte mit der Schließung der Straße einverstanden erklärt und betont, auf die Ausübung des Wegerechts derzeit keinen Wert
zu legen. Davon abgesehen habe er die Klägerin aufgefordert, die Privatstraße
gegen die unbefugte Nutzung zu sichern. Dass der Beklagte die Dienstbarkeit
nicht aufgeben wolle, sei nicht treuwidrig (§ 242 BGB). § 1020 Abs. 2 BGB enthalte keine Verpflichtung, die Anlage zu halten. Es stelle ein legitimes Interesse
dar, wenn der Beklagte das Geh- und Fahrtrecht im Hinblick auf jederzeit mögliche Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse weiter vorhalten wolle.
II.
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Der Revision bleibt der Erfolg versagt. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage zwar für zulässig, jedoch für unbegründet erachtet.
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1. Von der Zulässigkeit der Klage geht das Berufungsgericht stillschweigend aus. Damit hat es der Sache nach auch die in jeder Lage des Verfahrens
von Amts wegen zu prüfende Befugnis der Klägerin bejaht, die geltend gemachten Ansprüche im eigenen Namen einzuklagen. Dies ist jedenfalls im Ergebnis
nicht zu beanstanden.
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a) Allerdings stehen die geltend gemachten Ansprüche der klagenden
Wohnungseigentümergemeinschaft materiell rechtlich nicht zu. Inhaber der Ansprüche aus § 1020 Satz 2 BGB ist nur der Eigentümer des belasteten Grundstücks. Der Umstand, dass vorliegend unstreitig nur das Gemeinschaftseigentum von dem Geh- und Fahrtrecht betroffen ist, macht deutlich, dass mit der
Dienstbarkeit nicht ein Grundstück der in den Grenzen des § 10 Abs. 6 WEG
rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft belastet ist, sondern lediglich
das im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer stehende Grundstück. Da
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das Gemeinschaftseigentum nicht im Vermögen des Verbandes steht (vgl. nur
Senat, Beschluss vom 30. März 2006 - V ZB 17/06, NJW 2006, 2187, 2188;
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - I ZB 83/06, NJW 2007, 518), kommen als Anspruchsberechtigte nach § 1020 Satz 2 BGB allein die Wohnungseigentümer in Betracht. Für Schadensersatzansprüche nach §§ 280, 281 BGB,
die aus einer Verletzung dieses Anspruches resultieren (dazu Senat, Urteil vom
12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 115, 124), sowie für die im Hinblick
auf die künftige Unterhaltung der Straße geforderte Instandhaltungsrücklage gilt
nichts anderes.
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b) Die fehlende Rechtsinhaberschaft der Klägerin ist jedoch deshalb unschädlich, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft in gesetzlicher Prozessstandschaft handelt, soweit ihr das Gesetz die Befugnis verleiht, Rechte
der Wohnungseigentümer auszuüben (vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Januar
2010 - V ZR 80/09, NJW 2010, 933, 934 mwN).
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Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG ist die Wohnungseigentümergemeinschaft ohne weiteres zur Ausübung der gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer befugt; insoweit besteht eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes. Für sonstige Rechte mit gemeinsamer Empfangszuständigkeit, die die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich geltend machen können (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG), kommt nur eine gekorene
Ausübungsbefugnis in Betracht, bei der lediglich ein Zugriffsermessen besteht.
Bei der Abgrenzung ist nach allgemeiner Auffassung eine wertende Betrachtung geboten. Während die geborene Ausübungsbefugnis voraussetzt, dass
nach der Interessenlage ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist, genügt es bei der gekorenen, dass die Rechtsausübung durch den Verband förderlich ist (vgl. zum Ganzen nur Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10
Rn. 244 ff.; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rn. 417; Timme/Dötsch,
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WEG, § 10 Rn. 446 ff., 454 ff.; jeweils mwN). Gemessen daran ist die Klägerin
nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG befugt, die Klageansprüche im eigenen Namen geltend zu machen.
Für Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemein-
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schaftseigentums gestützt werden, ist anerkannt, dass eine geborene Ausübungsbefugnis des Verbandes besteht (Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl.,
§ 10 Rn. 76; Riecke/Schmid/Elzer, aaO, § 10 Rn. 418), weil deren Durchsetzung - anders als etwa die Verfolgung eines Unterlassungsanspruches nach
§ 1004 BGB (dazu Beschluss vom 30. März 2006 - V ZB 17/06, NJW 2006,
2187, 2188 mwN) - nicht den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft überlassen bleiben kann (Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 254 f.; Timme/Dötsch, aaO,
§ 10 Rn. 458, 484; vgl. auch Senat, Urteil vom 11. Dezember 1992 - V ZR
118/91, BGHZ 121, 22, 23 ff.). Vielmehr sind diese Ansprüche im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu
machen. Gleiches gilt für die hier in Rede stehenden Zahlungsansprüche, die in
ihrem Kern ebenfalls eine - wenn auch nicht rechtswidrige - Inanspruchnahme
des Gemeinschaftseigentums voraussetzen (§ 1020 Satz 1 WEG). Auch bei
diesen Ansprüchen erscheint nur eine von vornherein gebündelte Rechtsdurchsetzung durch den Verband sachgerecht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage für unbegründet erach-
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tet.
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a) Soweit die Klägerin eine Instandhaltungsrücklage verlangt, fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 1020 Satz 2 WEG gibt einen solchen Anspruch nicht her. Auf die Vorschriften der §§ 745, 748 BGB (zur entsprechenden Anwendung des Rechts über die Bruchteilsgemeinschaft, wenn auch der
Eigentümer des dienenden Grundstücks den Weg benutzt, vgl. Senat, Urteil
vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 115, 118 ff.) lässt sich die Klage
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schon deshalb nicht stützen, weil die Revision auf kein tatsächliches Vorbringen
verweist, aufgrund dessen davon auszugehen wäre, dass die Klägerin, der Beklagte und die sonstigen Dienstbarkeitsberechtigten einen auf die Bildung einer
Rücklage gerichteten Beschluss gefasst haben.
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b) Die auf die Erstattung der aufgewandten Instandhaltungskosten gerichtete Klage ist ebenfalls nicht gerechtfertigt.
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aa) Mit Blick auf die auf die Verletzung der Verpflichtung aus § 1020 Satz
2 BGB gestützte Zahlungsklage legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde,
dass es sich bei der Straße zwar um eine Anlage im Sinne von § 1020 Satz 2
BGB handelt (vgl. dazu nur Senat, Urteil vom 17. Februar 2006 - V ZR 49/05,
NJW 2006, 1428, 1429), der Beklagte jedoch nicht als deren Halter angesehen
werden kann. Mit dem Begriff des Haltens stellt § 1020 Satz 2 BGB auf die tatsächlichen Verhältnisse ab (vgl. MünchKomm-BGB/Joost, 5. Aufl., § 1020 BGB
Rn. 9; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1020 Rn. 13 u. 15; vgl. auch Soergel/
Stürner, BGB, 13. Aufl., § 1020 Rn. 5). Da das Gesetz keine Verpflichtung des
Dienstbarkeitsberechtigten zum Halten einer Anlage kennt und das Halten nach
allgemeiner Auffassung endet, wenn der Berechtigte die Nutzung nach außen
hin erkennbar aufgibt, kann die Haltereigenschaft nicht schon aus der rechtlichen Befugnis gefolgert werden, das Grundstück entsprechend dem Inhalt des
Wege- und Fahrrechts zu nutzen. Vielmehr ist erforderlich, dass der Dienstbarkeitsberechtigte die Anlage tatsächlich für eigene Zwecke einsetzt (MünchKomm-BGB/Joost, aaO, Rn. 9; NK-BGB/Otto, BGB, 3. Aufl., § 1020 BGB
Rn. 53; vgl. auch Staudinger/Mayer, BGB, aaO, Rn. 13). Das Vorliegen dieser
Voraussetzung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
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(1) Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Straße
nicht selbst (durch eigenes Befahren oder Begehen) genutzt, wird von der Revision nicht angegriffen.
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(2) Allein der Umstand, dass der Beklagte sein Grundstück verpachtet
und er damit eine Ursache dafür gesetzt hat, dass Kunden und Lieferanten des
Lebensmittelmarktes die im Eigentum der Wohnungseigentümer stehende Straße (in einer Richtung sogar verbotswidrig) befahren und begehen, reicht für die
Bejahung der Haltereigenschaft nicht aus. Denn die bloße Verursachung des
Verhaltens Dritter rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss, der Beklagte
habe dadurch den Weg für seine eigenen Zwecke eingesetzt. Umstände, die
diesen Schluss zulassen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Revision verweist
auf kein tatsächliches Vorbringen, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte das
Recht aus der Dienstbarkeit seinen Vertragspartnern zur Ausübung überlassen
oder zumindest einer Nutzung des Weges durch seine Vertragspartner zugestimmt hat. Allerdings müsste bei wertender Betrachtung dann von einer (mittelbaren) Nutzung des Weges durch den Beklagten ausgegangen werden,
wenn die verpachtete Fläche ohne das Befahren und Begehen des dienenden
Grundstücks nicht zweckentsprechend verwendet werden könnte. So verhält es
sich hier jedoch nicht, weil die Pachtfläche selbst über einen Anschluss an das
öffentliche Straßennetz verfügt und damit die Inanspruchnahme des über das
Gemeinschaftseigentum verlaufenden Weges nicht Voraussetzung für eine
zweckentsprechende Nutzung der verpachteten Gewerbefläche ist.
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bb) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verhilft der
Klage nicht zum Erfolg. Wie bereits dargelegt, ist der Dienstbarkeitsberechtigte
nicht verpflichtet, von den ihm eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten tatsächlich
Gebrauch zu machen. Zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus,
dass eine Grunddienstbarkeit im Hinblick auf mögliche tatsächliche Veränderungen selbst dann vorgehalten werden kann, wenn der Berechtigte von den
aus dem dinglichen Recht folgenden Befugnissen einstweilen keinen Gebrauch
macht. Soweit die Revision darauf verweist, dass eine Grunddienstbarkeit bei
einem nachträglichen dauerhaften Wegfall des durch die Grunddienstbarkeit
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gesicherten Vorteils erlischt, ergibt sich daraus schon deshalb nichts zugunsten
der Kläger, weil das Erlöschen der Dienstbarkeit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt anspruchsbegründend im Sinne der Klageforderung wirkt. Davon
abgesehen ist für einen dauerhaften Wegfall auch nichts ersichtlich.
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cc) Schließlich ist die Klage auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Revision folgt ein Anspruch nicht aus der in
Bezug genommenen Eintragungsbewilligung. Die bloße Erklärung der Absicht,
es solle mit den "Berechtigten und Verpflichteten" eine Vereinbarung über die
Kosten der Instandhaltung, der Pflege und der Verkehrssicherung getroffen
werden, ist bei der gebotenen nächstliegenden Auslegung (vgl. dazu nur Senat,
Beschluss vom 21. Februar 1991 - V ZB 13/90, BGHZ 113, 374, 378; Urteil vom
3. Juli 2008 - V ZR 20/07, NZM 2008, 732, 734; jeweils mwN) nicht dahin zu
verstehen, die Eigentümer des herrschenden Grundstücks hätten Instandhaltungskosten unabhängig von einer tatsächlichen Ausübung der aus der Dienstbarkeit fließenden Befugnisse zu zahlen und dies bereits vor Zustandekommen
der anvisierten Vereinbarungen.
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III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Stresemann
Roth
Czub
Brückner
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 24.02.2009 - 57 C 243/08 LG Paderborn, Entscheidung vom 27.05.2010 - 5 S 38/09 -