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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 105/02
Verkündet am:
29. November 2002
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
AGBG § 9 Bm; BauGB § 11 Abs. 2
a) Privatrechtliche städtebauliche Verträge, mit denen Grundstücke zur Deckung des
Wohnbedarfs an Ortsansässige veräußert werden ("Einheimischenmodelle"), unterliegen
- jedenfalls bei Vertragsschluß vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die EG-Richtlinie vom
5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen am 31. Dezember
1994 - nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG, sondern sind an dem - jetzt
in § 11 Abs. 2 BauGB geregelten - Gebot angemessener Vertragsgestaltung zu messen.
b) Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung ermöglicht nicht nur eine Kontrolle des
vertraglichen
Austauschverhältnisses,
sondern
auch
eine
Überprüfung der einzelnen Vertragsklauseln. Hierbei erlangen - unter Berücksichtigung
der besonderen Interessenlage bei Einheimischenmodellen - auch die den §§ 9 bis 11
AGBG zugrundeliegenden Wertungen Bedeutung. Es ist jedoch - weitergehend als nach
dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - eine Kompensation von Vertragsklauseln, die für sich genommen unangemessen sind, durch vorteilhafte Bestimmungen
im übrigen Vertrag möglich.
c) Eine Regelung bei Verkauf eines Grundstücks im Rahmen eines Einheimischenmodells,
die die Käufer im Fall einer Weiterveräußerung innerhalb von zehn Jahren nach
Vertragsschluß zur Abführung der Differenz zwischen Ankaufspreis und Bodenwert verpflichtet, stellt keine unangemessene Vertragsgestaltung dar. Die Gemeinde hat jedoch
bei ihrer Ermessensentscheidung über die Einforderung des Mehrerlöses auch die persönlichen Verhältnisse der Käufer zu berücksichtigen.
BGH, Urt. v. 29. November 2002 - V ZR 105/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein,
Dr. Gaier
und
Dr. Schmidt-Räntsch
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des
22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main vom 5. März 2002 aufgehoben und das Urteil der
19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 19. August
1999 abgeändert.
Die
Beklagten
33.700,37
werden
 
verurteilt,
 
als
Gesamtschuldner
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die Klägerin zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 8. Februar 1988 kauften die Beklagten von
der Deutschen Stadtentwicklungsgesellschaft mbH ein 709 m² großes Bau-
-3-
grundstück zum Preis von 92.860,80 DM zuzüglich 66.005,96 DM anteiliger
Erschließungskosten. Die vertraglichen Vereinbarungen entsprachen einem
Mustervertrag der Verkäuferin, die von der klagenden Gemeinde mit der Veräußerung der in einem Neubaugebiet gelegenen Grundstücke betraut worden
war. Unter § 6 Abs. 3 der Urkunde wurde vereinbart:
"Verkauft der Käufer sein Grundstück innerhalb von 10 Jahren nach
Kaufvertragsabschluß, so hat er die Differenz zwischen dem erzielten
Verkaufspreis und dem Ankaufspreis an die Stadt B.
(scil.
die Klägerin) abzuführen; ist das Grundstück ganz oder teilweise bebaut,
so bestimmt sich der Abführungsbetrag aus der Differenz zwischen dem
vom Gutachterausschuß (§§ 192 ff. BauGB) festgestellten oberen Bodenwert und dem Ankaufspreis ..."
Nach § 6 Abs. 4 der Urkunde wurde diese Verpflichtung zugunsten der
Klägerin "in der Weise" versprochen, daß sie "unmittelbar das Recht erwirbt,
die Leistungen zu fordern (§ 328 BGB)."
Die Beklagten, die auf dem Grundstück inzwischen ein größeres Einfamilienhaus errichtet hatten, verkauften das Anwesen mit notariellem Vertrag
vom 29. Juni 1993 zum Preis von 900.000 DM weiter. Nach einer Verkehrswertermittlung des Gutachterauschusses beläuft sich die Differenz zwischen
dem von den Beklagten entrichteten Ankaufspreis und dem Verkehrswert des
Grundstücks im Zeitpunkt der Weiterveräußerung auf 131.823 DM.
Die Klägerin reduzierte diesen Betrag für jedes Jahr bestehenden Eigentums der Beklagten um 10 % und nimmt die Beklagten auf Zahlung eines
Abschöpfungsbetrags in Höhe von 65.912,19 DM, mithin 33.700,37 '
(*)
n-
spruch. Ihre Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit
-4-
der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen,
verfolgt sie ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält die Vertragsklausel, die die Beklagten zur
Abführung des bei der Weiterveräußerung des Grundstücks erzielten Mehrerlöses verpflichten soll, wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift sei nicht durch § 11 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 BauGB, aus dem die Zulässigkeit sogenannter Einheimischenmodelle
folge, ausgeschlossen. Auch wenn die öffentliche Verwaltung bei Einheimischenmodellen eigennützige wirtschaftliche Interessen jedenfalls nicht vorrangig verfolge, habe sie doch eine weitaus stärkere Position inne, so daß ihre
Vertragspartner durch die Regelungen des AGB-Gesetzes zu schützen seien.
Zudem könne der Begriff der "Angemessenheit" im Sinne von § 11 Abs. 2
BauGB nicht anders ausgelegt werden als die für § 9 AGBG maßgebende
"unangemessene Benachteiligung". Da beide Regelungen im Einklang miteinander stünden, bestehe für die Annahme einer das AGB-Gesetz verdrängenden Wirkung des § 11 BauGB keine Veranlassung. Im vorliegenden Fall
scheitere die zur Ermittlung des Abführungsbetrags vereinbarte Schiedsgutachtenklausel an der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, weil sie den Eindruck
erwecke, die Feststellungen des Schiedsgutachters seien endgültig. Auf eine
-5-
Individualvereinbarung über die Einholung eines Schiedsgutachtens könne
sich die Klägerin nicht berufen, weil sie für deren Zustandekommen beweisfällig geblieben sei.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin ihre
Forderung auf Abführung des Mehrerlöses auf eine wirksame Vereinbarung
unter § 6 Abs. 3 Satz 1 der notariellen Urkunde stützen.
1. Zutreffend ist allerdings der Ansatz des Berufungsgerichts, das als
Prüfungsmaßstab sowohl das Verbot unangemessener Benachteiligung gemäß
§ 9 AGBG (i.V.m. Art. 229 § 5 EGBGB) als auch das nunmehr in § 11 Abs. 2
Satz 1 BauGB kodifizierte Gebot angemessener Vertragsgestaltung in Erwägung zieht. Vorliegend ist zum einen über formularvertragliche Bestimmungen
zu entscheiden (vgl. BGHZ 118, 229, 238 f), während zum anderen das hier
maßgebliche, durch § 6 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 der notariellen
Urkunde begründete privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Parteien
(vgl. § 328 Abs. 1 BGB) dadurch gekennzeichnet wird, daß es auf die Verwirklichung städtebaulicher Planungsziele der Klägerin gerichtet ist.
a) Die Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten, bei der sich die
Klägerin einer von ihr beauftragten Zwischenerwerberin bediente, erfolgte im
Rahmen eines sogenannten Einheimischenmodells. Hierdurch soll in Gemein-
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den, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten
verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der
Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden
(VGH München, NVwZ 1990, 979; Jachmann, MittBayNot 1994, 93; Busse,
BayVBl. 1994, 353). Die grundsätzliche Zulässigkeit derartiger die Bauleitplanung ergänzender städtebaulicher Verträge zur Deckung des Wohnbedarfs der
ortsansässigen Bevölkerung (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB) war bereits
unter der Geltung des Bundesbaugesetzes anerkannt (Senat, Urt. v. 2. Oktober
1998, V ZR 45/98, NJW 1999, 208, 209; BVerwGE 92, 56, 59 ff). Von ihr ging
auch der Gesetzgeber bei Einführung des § 124 Abs. 2 BauGB 1987 aus
(Grziwotz, NJW 1993, 2665, 2667). Diese Vorschrift wurde später zunächst
durch § 6 BauGB-MaßnG ersetzt, an dessen Stelle inzwischen § 11 BauGB
getreten ist.
b) Obwohl Gemeinden mit der Bereitstellung von Bauland für ortsansässige Bürger eine öffentliche Aufgabe auf dem Gebiet des Städtebaurechts
erfüllen (VGH München, NVwZ 1990, 979; Brohm, JZ 2000, 321, 327), ist auch
das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis privatrechtlicher Natur (vgl. Senat, Urt. v. 2. Oktober 1998, V ZR 45/98, aaO; BVerwGE aaO, 58 f.;
VGH München, NVwZ-RR 2000, 121; Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 8. Aufl., § 11 Rdn. 1; Jachmann, MittBayNot 1994, 93, 100; Oerder,
BauR 1998, 22, 24). Dies ergibt sich daraus, daß selbst dann ein privatrechtlicher Vertrag vorliegen würde, wenn die Klägerin keine Zwischenerwerberin
hinzugezogen hätte, sondern selbst als Verkäuferin auftreten wäre. Für die
Einordnung als öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vertrag ist der Vertragsgegenstand maßgebend (GemS-OGB, BGHZ 97, 312, 314). Dieser bestimmt sich wiederum danach, ob die Vertragsabmachungen mit ihrem Schwer-
-7-
punkt öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind (BGHZ 76, 16,
20; 116, 339, 342; BVerwGE 92, 56, 59; Bonk, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG,
6. Aufl., § 54 Rdn. 77). Der hier am 8. Februar 1988 geschlossene notarielle
Vertrag hat im wesentlichen einen Grundstückskauf nebst Auflassung zum
Gegenstand und findet damit seinen Schwerpunkt im Privatrecht. Hingegen
geben die Regelungen unter § 6 der notariellen Urkunde, die der Absicherung
der städtebaulichen Ziele der Klägerin dienen, dem Vertrag kein derartiges
Gepräge, daß er unbeschadet seiner sonstigen Regelungen als öffentlichrechtlich anzusehen wäre. Diese Abreden stehen nämlich in engem Zusammenhang mit der Grundstücksveräußerung als dem Hauptgegenstand des
Vertrages und nehmen an dessen Rechtsnatur teil.
2. Die Zuordnung zum Privatrecht ändert nichts an der Maßgeblichkeit
des Gebots angemessener Vertragsgestaltung auch für den vorliegenden Fall.
Da im Gesetz eine Differenzierung unterblieben ist, gilt § 11 Abs. 2 Satz 1
BauGB für alle städtebaulichen Verträge unabhängig davon, ob sie als privatrechtlich oder als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind (Quaas, in Schrödter,
BauGB, 6. Aufl., § 11 Rdn. 8; Grziwotz, DVBl. 1994, 1048, 1050 Brohm, JZ
2000, 321, 331; vgl. auch Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB
[Stand: Januar 2002], § 11 Rdn. 170; Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, aaO,
§ 11 Rdn. 21 i.V.m. Rdn. 1). Auf den bereits am 8. Februar 1988 abgeschlossenen notariellen Vertrag ist § 11 BauGB allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil die Vorschrift erst durch das Bau- und Raumordnungsgesetz vom
18. August 1997 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 in das Baugesetzbuch eingefügt worden ist. Nichts anderes gilt für die vorhergehende Regelung in § 6
Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnG, die erst am 1. Mai 1993 in Kraft trat. Einer Prüfung der zwischen den Parteien streitigen Mehrerlösabführungsklausel am
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Maßstab der Angemessenheit steht dies jedoch nicht entgegen. Es handelt
sich bei § 11 BauGB nicht um originär neues Recht, sondern lediglich um eine
Klarstellung und Absicherung der bisher schon geltenden Rechtslage (vgl.
Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO, § 11 Rdn. 4; Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, aaO, § 11 Rdn. 1; Kahl/Röder, JuS 2001, 24, 25). Die
Vorschrift verleiht - ebenso wie § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG für öffentlichrechtliche Verträge - lediglich für einen speziellen Regelungsbereich dem allgemeinen, verfassungsrechtlich verankerten (BVerfGE 23, 127, 133) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausdruck. Dieser bestimmt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung das gesamte Handeln der Verwaltung (BVerwG,
NJW 1985, 989, 990; Bonk, aaO, § 56 Rdn. 54; Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 56
Rdn. 13; Henneke, in Knack, VwVfG, 7. Aufl., § 56 Rdn. 14; Jachmann, MittBayNot 1994, 93, 103 f.; Hien, Festschrift für Schlichter, 1995, S. 129, 132 f;
Hofstetter, BWNotZ 2000, 5, 6), und zwar auch dann, wenn sie sich zur Aufgabenerfüllung privatrechtlicher Handlungsformen bedient (BGHZ 93, 372, 381;
Senat, Urt. v. 15. Oktober 1993, V ZR 19/92, NJW 1994, 586, 589; Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO, § 11 Rdn. 170; Kahl, DÖV 2000, 793,
796, 798). In diesem Fall führt eine Vertragsgestaltung, die das Angemessenheitsgebot mißachtet, nach § 134 BGB zur Nichtigkeit (vgl. Jachmann, MittBayNot 1994, 93, 104).
3. Ob privatrechtliche städtebauliche Verträge, soweit sie Allgemeine
Geschäftsbedingungen (§ 1 AGBG, jetzt § 305 Abs. 1 BGB) enthalten,
daneben auch der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG (nunmehr nach
§§ 307 bis 309 BGB) unterliegen, war in der Rechtsprechung bislang noch
nicht geklärt.
-9-
a) Mit dem Berufungsgericht bejahen die Instanzgerichte diese Frage in
veröffentlichten Entscheidungen ganz überwiegend (OLG Karlsruhe, NJW-RR
1992, 18; OLG München, MittBayNot 1994, 541; OLG Koblenz, MDR 1995,
1110; DNotI-Report 1998, 25; OLG Hamm, NJW 1996, 2104; OLG Celle, DNotI-Report 1999, 70; OLGR 1999, 113; OLG Oldenburg, OLGR 2001, 34; LG
Ravensburg, BWNotZ 1998, 44; LG Karlsruhe, DNotZ 1998, 483; LG Traunstein, NotBZ 1998, 198; MittRhNotK 1998, 420; NJW-RR 1999, 891). Dem wird
von Teilen des Schrifttums widersprochen. Hiernach soll § 11 BauGB als spezialgesetzliche Vorschrift anzusehen sein, die das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verdränge (so Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr, aaO, § 11
Rdn. 14; Grziwotz, NJW 1997, 237; Brohm, JZ 2000, 321, 331; Kahl, DÖV
2000, 793, 795; Kahl/Röder, JuS 2001, 24, 27; a.A. Stich, in Schlichter/Stich,
Berliner Schwerpunkte-Kommentar zum BauGB, § 11 Rdn. 21; Albrecht, DNotZ
1996, 546, 547; Gaßner, BayVBl. 1997, 538; Raststätter, DNotZ 2000, 17, 24;
Hofstetter, BWNotZ 2000, 5, 6; offen gelassen von VGH München, NVwZ 1999,
1008, 1010).
b) Der Senat tritt im Ergebnis der letztgenannten Auffassung bei. Nach
Sinn und Zweck der konkurrierenden Normen und den sie tragenden Wertungen des Gesetzgebers enthält das nun in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB kodifizierte Gebot angemessener Vertragsgestaltung für städtebauliche Verträge
eine erschöpfende Regelung, neben der das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung finden kann. Keine maßgebende Bedeutung kommt hierbei allerdings dem zumeist in den Vordergrund gestellten
Gesichtspunkt zu, daß die Gemeinde bei Grundstücksverkäufen im Rahmen
von Einheimischenmodellen ohne Gewinnerzielungsabsicht handele und im
Gegensatz zu typischen AGB-Verträgen gerade im Interesse ihrer Vertrags-
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partner tätig werde, denen der Grunderwerb und die Errichtung eines Eigenheims ermöglicht oder zumindest erleichtert werden solle. Der Schutzzweck
des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt nämlich nicht auf das
Geschäftsziel ab, sondern ist für die Zeit vor Einfügung des - im vorliegenden
Fall noch nicht anwendbaren - § 24a AGBG in erster Linie darauf gerichtet, die
einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch eine Vertragspartei zu verhindern (vgl. BGHZ 126, 326, 332). Bei städtebaulichen Verträgen zur
Verwirklichung von Einheimischenmodellen kann es aber im Unterschied zu
sonst vorformulierten Bestimmungen nicht darum gehen, den vom Gesetz erstrebten Ausgleich für das Fehlen der Richtigkeitsgewähr zu schaffen, die
ansonsten als Ergebnis des Aushandelns der Vertragsbedingungen erwartet
werden kann (vgl. dazu Ulmer, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz,
9. Aufl., Einl. Rdn. 29). Mit der Vorformulierung der vertraglichen Bestimmungen entzieht sich die Gemeinde hier nicht einem Aushandeln der Konditionen
im Einzelfall. Ihr verbleibt im Unterschied zu typischen Teilnehmern am Privatrechtsverkehr regelmäßig kein solcher Freiraum, weil sie auf Grund des verfassungsrechtlich verankerten Gleichbehandlungsgebots gehindert ist, im Zuge
der Verwirklichung von Einheimischenmodellen mit den Erwerbsinteressenten
bei gleicher Sachlage unterschiedliche Vertragsbedingungen auszuhandeln
(Wagner, BayVBl. 1997, 539; Brohm, JZ 2000, 321, 331). Das Gleichheitsprinzip bindet nämlich die öffentliche Verwaltung auch dort, wo sie sich bei der
unmittelbaren Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben gegenüber einer bestimmten Interessengruppe - wie hier gegenüber den von der Beklagten geförderten
Grundstückskäufern - privatrechtlicher Rechtsformen bedient (vgl. Senat,
BGHZ 29, 76, 80; 33, 230, 233).
- 11 -
Da der Abschluß des Kaufvertrages, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet, bereits 1988 erfolgte, braucht nicht darüber entschieden zu
werden, ob an dieser Einschätzung auch für städtebauliche Verträge festzuhalten ist, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist der EG-Richtlinie vom 5. April
1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (31. Dezember
1994), spätestens aber nach Umsetzung der Richtlinie insbesondere durch
Einfügung des § 24a AGBG (jetzt § 310 Abs. 3 BGB) abgeschlossen worden
sind. Infolge der genannten EG-Richtline ist der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen um den Verbraucherschutz erweitert worden ist
(vgl. Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2194). Als Unternehmer im Sinne dieser
Vorschrift und damit als Normadressat sollen auch Einrichtungen der öffentlichen Hand jedenfalls dann anzusehen sein, wenn sie privatrechtliche Verträge
abschließen (vgl. Ulmer, in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 24a Rdn. 18; Wolf
in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., Art. 2 RiLi Rdn. 12). Sollte dem
zu folgen sein, müßte das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch
für - zumindest privatrechtliche - städtebauliche Verträge Geltung beanspruchen können (vgl. Grziwotz, BauR 2001, 1839, 1841; ders. NVwZ 2002, 391,
394).
4. Daß hiernach das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in
Fällen wie dem vorliegenden keine Anwendung findet, macht die Erwerber von
Grundstücken im Rahmen von Einheimischenmodellen nicht schutzlos gegenüber den von der Gemeinde - oder in ihrem Auftrag - gestellten Vertragsbedingungen.
a) Dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung (vgl. § 11 Abs. 2
Satz 1 BauGB) ist nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und
- 12 -
Schrifttum genügt, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs
die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der
von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren
Belastung für den Vertragspartner der Behörde führt (BVerwGE 42, 331, 345;
Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO, § 11 Rdn. 166; Quaas, in
Schrödter, aaO, § 11 Rdn. 42; Bonk, aaO, § 56 Rdn. 54; Kopp, aaO, § 56
Rdn. 13; vgl. auch BGHZ 26, 84, 88 ff). Danach ist nicht nur - insofern weitergehend als nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu
Senat, BGHZ 146, 331, 338; Urt. v. 22. Februar 2002, V ZR 251/00, ZIP 2002,
808, 809) - eine Kontrolle des vertraglichen Austauschverhältnisses eröffnet
(zu eng daher Hofstetter, BWNotZ 2000, 5, 6), vielmehr wird - insoweit in Übereinstimmung mit dem AGB-Gesetz - auch eine Überprüfung der einzelnen
Vertragsklauseln ermöglicht (Grziwotz, NVwZ 2002, 391, 393 f). Bei dieser sind
die den §§ 10 und 11 AGBG (jetzt §§ 308 und 309 BGB) zugrunde liegenden
Wertungen zu berücksichtigen; denn Bestimmungen, die nach diesen Vorschriften unwirksam wären, können eine durch den Vertragszweck nicht mehr
gedeckte, unverhältnismäßige und damit unangemessene Belastung des Vertragspartners der Gemeinde begründen (vgl. Rastätter, DNotZ 2000, 17, 24).
Nichts anderes kann für die Generalklausel aus § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1,
2 BGB) gelten (vgl. VGH München, NVwZ 1999, 1008, 1010; Rastätter, DNotZ
2000, 17, 24), zumal der allgemeine Grundsatz, auf dem sie beruht, selbst für
öffentlich-rechtliche Verträge zu beachten ist (vgl. BVerwGE 74, 78, 83). All
das hat nicht zur Folge, daß die besondere Interessenlage namentlich der
Gemeinde beim Abschluß von Verträgen im Rahmen von Einheimischenmodellen außer Betracht bleiben kann (so aber Brohm, JZ 2000, 321, 331). Sie
wäre vielmehr auch bei einer Angemessenheitsprüfung nach § 9 AGBG zu
- 13 -
berücksichtigen (so auch Wagner, BayVBl. 1997, 539), weil die Inhaltskontrolle
am Maßstab der Generalklausel eine umfassende Abwägung der typischen
Interessen der an Geschäften der betreffenden Art beteiligten Kreise erfordert
(Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 9 Rdn. 78 m.w.N.).
b) Die Inhaltskontrolle einzelner Vertragsbestimmungen nach Maßgabe
des Angemessenheitsgebots führt nicht stets zu denselben Ergebnissen wie
eine Überprüfung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(a.A. wohl VGH München, NVwZ 1999, 1008, 1010; Stich, in Schlichter/Stich,
aaO, § 11 Rdn. 22). Für die nach Kriterien des öffentlichen Rechts bestimmte
Angemessenheit ist entscheidend, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung des
Gesamtvorgangs die gegenseitigen Rechte und Pflichten ausgewogen gestaltet wurden (vgl. BVerwGE 42, 331, 345). Dies ermöglicht insbesondere eine im
Vergleich zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitergehende
Kompensation von Vertragsklauseln, die für sich genommen unangemessen
sind, durch vorteilhafte Bestimmungen im übrigen Vertrag. Zwar ist auch bei
einer Prüfung der Angemessenheit nach § 9 AGBG der gesamte Vertragsinhalt
zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 116, 1, 4), zum Ausschluß einer unangemessenen Benachteiligung wird eine Kompensation aber grundsätzlich nur durch
konnexe, in Wechselbeziehung stehende Klauseln zugelassen (vgl. Staudinger/Coester, BGB [1998], § 9 AGBG Rdn. 91; Brandner, in Ulmer/
Brandner/Hensen, aaO, § 9 Rdn. 85; auch BGHZ 94, 105, 113 ff; 114, 238,
246), während eine umfassende Kompensationswirkung nur kollektiv ausgehandelten, anerkannten Klauselwerken, wie etwa dem Gesamtgefüge der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (BGHZ 101, 357, 364; 138, 176,
177 f) oder der Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (BGHZ 127,
275, 281), beigelegt wird (vgl. Staudinger/Coester, aaO, § 9 AGBG Rdn. 93;
- 14 -
Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO, § 9 Rdn. 86). Ist dagegen wie im
Fall des Angemessenheitsgebots allein die Ausgewogenheit der Vertragsgestaltung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten maßgeblich, so gibt es für eine
vergleichbare Einschränkung der Kompensation keine Grundlage (a.A. wohl
Grziwotz, NVwZ 2002, 391, 394).
5. Die vom Berufungsgericht versäumte Überprüfung nach den Regeln
des Angemessenheitsgebots kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nachholen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dieser Kontrolle hält die
Mehrerlösabführungsklausel in § 6 Abs. 3 Satz 1 des notariellen Vertrags vom
8. Februar 1988 stand.
a) Die von den Beklagten übernommene Verpflichtung, im Falle der vorzeitigen Weiterveräußerung des Grundstücks den Unterschiedsbetrag zwischen Ankaufspreis und Verkaufspreis bzw. - im Fall der Bebauung - zwischen
Ankaufspreis und Bodenwert an die Klägerin abzuführen, stellt einen Teil der
von ihnen für den Grundstückserwerb zu entrichtenden Gegenleistung dar, der
neben ihre Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung trat. Damit sollte dem Umstand
Rechnung getragen werden, daß die Klägerin das Grundstück - durch die von
ihr hinzugezogene Zwischenerwerberin - im Rahmen eines Einheimischenmodells zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis veräußerte. Der Verkehrswert des unbebauten Grundstücks ohne Berücksichtigung der Erschließungskosten belief sich im Jahre 1987 auf 160 bis 200 DM/m², wobei es keinen
Anhaltspunkt dafür gibt, daß sich der Verkehrswert bis zum Abschluß des notariellen Vertrags vom 8. Februar 1988 erheblich geändert haben könnte. Mit den
Beklagten wurde jedoch - wiederum ohne Berücksichtigung der Erschließungskosten - ein Kaufpreis auf der Basis von lediglich 131 DM/m² vereinbart. Eine
- 15 -
solche Veräußerung unter dem objektiven Verkehrswert ist den Gemeinden
aus haushaltsrechtlichen Gründen wegen des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel (hier: § 92 Abs. 2 HGO) nur dann gestattet, wenn dies
der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben - wie etwa der Förderung des
(Einheimischen-)Wohnungsbaus - dient, und darüber hinaus die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt wird (VGH München, NVwZ 1999,
1008, 1011; Jäde, BayVBl. 1995, 283; Albrecht, DNotZ 1996, 546, 550; Grziwotz, NJW 1997, 237; Busse, DNotZ 1998, 486, 489; Raststätter, DNotZ 2000,
17, 25, 38; Otto, DVP 2001, 37). Die Klägerin war daher nicht nur berechtigt,
sondern sogar verpflichtet, für eine vertragliche Absicherung des - den verbilligten Grundstücksverkauf rechtfertigenden - Ziels der Einheimischenförderung
Sorge zu tragen. Hierzu mußte sie sicherstellen, daß die bevorzugten ortsansässigen Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime zumindest für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich selbst nutzten und nicht auf
Kosten der Allgemeinheit Spekulationsgewinne erzielten, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußerten. Dementsprechend
sieht die zwischen den Parteien streitige Mehrerlösabführungsklausel vor, daß
der volle Wert des Grundstücks den Käufern erst nach Ablauf einer zehnjährigen Bindungsfrist zugute kommen soll. Diese Bindung, die der Preis für den
verbilligten Erwerb der Grundstücke ist (vgl. LG Traunstein, NotBZ 1998, 198,
200; Otto, DVP 2001, 37), stellt als solche keine unverhältnismäßige Belastung
der Käufer dar. Mit ihr wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe
preisgünstigen Baulands überhaupt erst geschaffen (vgl. hierzu Kopp, aaO,
§ 56 Rdn. 13; Henneke, aaO, § 56 Rdn. 14); zudem ist wegen der zeitlich begrenzten Bindung eine Realisierung des vollen Grundstückswerts durch die
Käufer nicht etwa ausgeschlossen, sondern lediglich aufgeschoben.
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Kein anderes Ergebnis folgt unter Berücksichtigung der Wertungen, die
§ 9 AGBG zugrunde liegen. Insbesondere ist die Vereinbarung einer Nachforderung auf ein erkennbar "vorläufiges" Entgelt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu beanstanden, wenn eine endgültige Bezifferung des geschuldeten Kaufpreises bei Vertragsschluß nicht möglich war (Senat, Urt. v.
22. Februar 2002, aaO, 810 m.w.N.). So liegen die Dinge hier; denn die Beklagten sollten durch die höhere Gegenleistung die Vorteile des günstigen
Erwerbs aus Gründen der Einheimischenförderung erst im Fall einer vorzeitigen Weiterveräußerung verlieren.
b) Unter Berücksichtigung des von der Klägerin verfolgten städtebaulichen Ziels steht auch die vereinbarte "Bindungsdauer" von zehn Jahren, während derer die Käufer zur Abführung des Mehrerlöses verpflichtet sind, einer
angemessenen Vertragsgestaltung nicht entgegen und führt insbesondere
nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Beklagten (vgl. BVerwGE 92, 56,
66; VGH München, NVwZ 1990, 979, 981). Da die Bindungsfrist der Sicherung
der mit der Bauleitplanung in zulässiger Weise verfolgten Ziele dient, kann sie
jedenfalls für einen der regelmäßigen Geltungsdauer eines Bebauungsplans
entsprechenden Zeitraum von etwa 15 Jahren wirksam vereinbart werden (vgl.
Jachmann, MittBayNot, 1994, 93, 108; Grziwotz, VIZ 1997, 197, 200; ders.,
DNotZ 1999, 646, 650; Raststätter, DNotZ 2000, 17, 39; auch OLG München,
DNotZ 1998, 810, 811; OLG Oldenburg, OLGR 2001, 34, 35; Deutrich, MittBayNot 1996, 201, 202 jeweils zur Zulässigkeit von Bindungsfristen bis zu
20 Jahren).
c) Ebensowenig ist zu beanstanden, daß sich die Verpflichtung der
Käufer zur Abführung des Mehrerlöses nicht auf die Differenz zwischen dem
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Ankaufspreis und dem Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des Ankaufs und damit auf die Herausgabe des unmittelbaren Subventionsvorteils
beschränkt, sondern auch eine nachfolgende Steigerung des Bodenwerts bis
zur Weiterveräußerung des Grundstücks umfaßt (Grziwotz, MittBayNot 1994,
465, 466 f; Jäde, BayVBl. 1995, 282, 283; a.A. OLG München, MittBayNot
1994, 464, 465). Auch diese Bestimmung ist vielmehr mit Blick auf das verfolgte Ziel der Einheimischenförderung angemessen; denn sie verhindert für
den Fall einer vorzeitigen Weiterveräußerung in vollem Umfang eine Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit. Die hier durch eine erhöhte Gegenleistung
auszugleichende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen besteht nämlich nicht
nur in den Verlusten wegen des verbilligten Grundstücksverkaufs, sondern
auch und gerade in der Verfehlung des von der Gemeinde verfolgten Zwecks
einer Förderung ortsansässiger Bürger (Grziwotz, MittBayNot 1994, 465,
466 f). Es kommt hinzu, daß sich als Alternative zur Absicherung der Ziele von
Einheimischenmodellen die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts anbietet
(vgl. dazu OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 18; OLG Koblenz, MDR 1995, 1110,
1111; OLG Hamm, NJW 1996, 2104; LG Traunstein, NJW-RR 1999, 891, 892;
Grziwotz, NJW 1997, 237, 238). Macht die Gemeinde von dieser Möglichkeit
Gebrauch, so kommt ihr ebenfalls eine zwischenzeitliche Steigerung des Bodenwertes zugute; denn nach § 497 Abs. 2 BGB a.F. (jetzt § 456 BGB) entspricht der Wiederkaufspreis im Zweifel dem ursprünglichen Kaufpreis. Wenn
eine Gemeinde, namentlich weil ihr die für den Wiederkauf erforderlichen finanziellen Mittel fehlen, das gleiche wirtschaftliche Ergebnis durch die Vereinbarung einer Mehrerlösabführungsklausel zu erreichen versucht, kann dies
nicht als unangemessene Benachteiligung ihres Vertragspartners angesehen
werden (Grziwotz, MittBayNot 1994, 465; Rastätter, DNotZ 2000, 17, 42).
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d) Die Mehrerlösabführungsklausel führt auch nicht deshalb zu einer unzumutbaren Belastung der Beklagten, weil sie sich nach ihrer Darstellung allein
aus finanziellen Gründen von dem Anwesen trennen und bei der Weiterveräußerung zudem Verluste hinnehmen mußten. Die Finanzierung des Grunderwerbs und des Hausbaus fällt ausschließlich in den Risikobereich des Erwerbers. Erweist sich die vorgesehene Finanzierung aus Gründen wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Tod des Ehegatten als undurchführbar, verwirklicht
sich ein allgemeines Lebensrisiko des Erwerbers, dem die Gemeinde nicht
schon im Rahmen des Grundstückskaufvertrags Rechnung tragen muß (Grziwotz, NJW 1997, 237, 238; Rastätter, DNotZ 2000, 17, 40; a.A. wohl OLG
München, NVwZ 1999, 1025, 1026).
Das besagt jedoch nicht, daß die besonderen Umstände des jeweiligen
Einzelfalls ohne jede Bedeutung wären. Vielmehr können sie im Rahmen der
von der Gemeinde zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen
sein, ob und inwieweit der Anspruch auf Zahlung des Mehrerlöses überhaupt
geltend gemacht werden soll (Grziwotz, NJW 1997, 237, 238; Brohm, JZ 2000,
321, 332). Auch im Bereich des Verwaltungsprivatrechts hat die Gemeinde
nicht nur die Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu beachten,
sondern ist weitergehenden Bindungen unterworfen, zu denen insbesondere
die Einhaltung des Übermaßverbotes zählt (BGHZ 93, 372, 381; Senat, Urt. v.
15. Oktober 1993, V ZR 19/92, NJW 1994, 586, 589). Hierbei können auch die
persönlichen Verhältnisse der betroffenen Bürger Bedeutung erlangen (vgl.
BGHZ 93, 372, 381 f). Vorliegend ist die Klägerin bei der Ausübung ihres Ermessens - auch mit Blick auf die angestrebte Einheimischenförderung - nicht
gezwungen, den Interessen der Beklagten noch weiter entgegenzukommen, als
sie dies bereits mit der Ermäßigung auf die Hälfte des von dem Gutachteraus-
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schuß ermittelten Betrages getan hat. Insbesondere machen die Beklagten
nicht geltend, auf Grund ihrer finanziellen Situation unfähig zu sein, die Klageforderung zu begleichen.
e) Schließlich ist die Mehrerlösabführungsklausel auch nicht deshalb
unangemessen, weil sie für den - hier gegebenen - Fall einer Veräußerung
nach Bebauung des Grundstücks die Ermittlung des für die Höhe des Abführungsbetrags maßgeblichen Bodenwerts durch den Gutachterausschuß gemäß
§§ 192 ff BauGB vorsieht. Anderes läßt sich auch den Grundsätzen nicht entnehmen, die zu § 9 AGBG entwickelt worden sind. Zwar wird, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend annimmt, die Rechtsverfolgung unangemessen erschwert, wenn eine Vertragsklausel die Anrufung eines Schiedsgutachters vorschreibt und hierbei den Eindruck erweckt, dessen Entscheidung sei
endgültig und der Rechtsweg ausgeschlossen (BGHZ 101, 307, 319). Unter § 6
Abs. 3 der notariellen Urkunde haben die Vertragsparteien jedoch kein
Schiedsgutachten mit der Folge vereinbart, daß die Wertermittlung durch den
Gutachterausschuß bis zur Grenze der offenbaren Unrichtigkeit entsprechend
§ 319 Abs. 1 Satz 1 BGB verbindlich wäre (vgl. BGHZ 43, 374, 376; 81, 229,
237). Die Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht ist - ungeachtet
der Frage der Verwendung der Klausel über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus - für den Senat nicht verbindlich, weil die umfassende Verweisung
auf die Verfahrensvorschriften der §§ 192 ff BauGB übersehen und damit nicht
alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt worden sind (vgl. Senat, Urt. v.
14. Oktober 1994, V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46 m.w.N.). Durch diese vom
Berufungsgericht nicht beachtete Bezugnahme wird klargestellt, daß das einzuholende Gutachten mangels anderweitiger Vereinbarung keine bindende
Wirkung hat (§ 193 Abs. 4 BauGB) und in einem gerichtlichen Verfahren auf
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entsprechende Einwände hin in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (vgl.
Dieterich, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO [Stand: Oktober 1991], § 193
Rdn. 132).
III.
Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand (§ 562 Abs. 1
ZPO). Da der Sachverhalt geklärt ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Rechtsstreit auch der Höhe nach abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Wegen der vorzeitigen Grundstücksveräußerung kann die Klägerin als
begünstigte Dritte (§ 328 Abs. 1 BGB) von den Beklagten gemäß § 6 Abs. 3
Satz 1 und Abs. 4 des notariellen Vertrags vom 8. Februar 1988 die Zahlung
der Differenz zwischen Ankaufspreis und Bodenwert verlangen, wobei die
Klägerin aufgrund der von ihr getroffenen Ermessensentscheidung lediglich
einen Betrag in Höhe von 65.912,19 DM (= 33.700,37 +-,
/. 01-%2435768
Beklagten haben keine erheblichen Einwände gegen die Höhe des Bodenwertes erhoben, die von der Klägerin auf der Grundlage der Wertermittlung des
Gutachterausschusses behauptet worden ist. Soweit sie gerügt haben, bei der
Wertermittlung sei von einem unzutreffenden Alter des Gebäudes ausgegangen worden, bleibt das ohne Auswirkungen auf den festgestellten Bodenwert.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz ist der Umstand, daß auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet wurde, nicht vernachlässigt worden. Vielmehr wird im Wertermittlungsgutachten ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß der Bodenwert eines bebauten Grundstücks in der Regel
unter dem Bodenwert eines unbebauten Grundstücks liege, weil die vorhande-
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ne Bebauung hinsichtlich Art und Ausmaß der baulichen Nutzung die Wünsche
eines potentiellen Käufers in den seltensten Fällen vollständig erfülle. Dementsprechend hat der Gutachterausschuß den Bodenwert des Grundstücks in
unbebautem Zustand mit 389.950 DM und in bebautem Zustand mit lediglich
290.690 DM angegeben.
Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus
§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.
- 22 -
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Krüger
Gaier
Klein
Schmidt-Räntsch