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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 104/15
Verkündet am:
8. April 2016
Rinke
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 7
In einem Beschluss der Wohnungseigentümer kann zur Konkretisierung der
getroffenen Regelung auf ein außerhalb des Protokolls befindliches Dokument Bezug genommen werden, wenn dieses zweifelsfrei bestimmt ist.
BGH, Urteil vom 8. April 2016 - V ZR 104/15 - LG Bremen
AG Bremen
ECLI:DE:BGH:2016:080416UVZR104.15.0
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Die
Revision
gegen
das
Urteil
der
4.
Zivilkammer
des
Landgerichts Bremen vom 10. April 2015 wird auf Kosten der
Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die
Parteien
bilden
eine
Wohnungseigentümergemeinschaft.
Am
13. März 2008 hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, „die für die einzelnen Kostenpositionen in der Abrechnung 2007 verwandten Verteilerschlüssel
auch für zukünftige Abrechnungen zu verwenden“. In der Eigentümerversammlung vom 30. April 2013 beschlossen sie die Hausgeldabrechnung des Jahres
2012, wobei sie den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel
zugrunde legten. Die Kosten sind nach sechs verschiedenen Maßstäben verteilt.
2
Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Hausgeldabrechnung 2012
auf Antrag der Klägerin für unwirksam erklärt. Auf die Berufung der beklagten
übrigen Wohnungseigentümer hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit
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der zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts entspricht der Beschluss über die
Wohngeldabrechnung 2012 ordnungsmäßiger Verwaltung. Der dort zugrunde
gelegte Verteilungsschlüssel basiere auf dem gemäß § 16 Abs. 3, § 21 Abs. 3
WEG gefassten Beschluss aus dem Jahr 2008 über eine von § 16 Abs. 2 WEG
abweichende Kostenverteilung. Dieser Beschluss sei nicht nichtig. Dem stehe
nicht entgegen, dass die Abrechnungsschlüssel in dem Beschlusstext selbst
nicht wiedergegeben würden, sondern insoweit auf ein externes Schriftstück
verwiesen werde. Die Zulässigkeit der Bezugnahme setze nur voraus, dass
dem protokollierten Beschlusstext eindeutig zu entnehmen sei, auf welches
Schriftstück Bezug genommen werde, und dass dieses einen hinreichend bestimmten Regelungsgehalt habe. Das gelte auch für Beschlüsse gemäß § 16
Abs. 3 WEG über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Dem Transparenzgebot trage das Gesetz dadurch Rechnung, dass Beschlüsse gemäß
§ 24 Abs. 7 WEG mit dem protokollierten Beschlusstext und den in Bezug genommenen externen Schriftstücken in die Beschluss-Sammlung aufzunehmen
seien.
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II.
4
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. Soweit das Berufungsgericht - ohne nähere Begründung - in dem
Rubrum des angegriffenen Urteils auch die Wohnungseigentümergemeinschaft
als Beklagte bezeichnet, handelt es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Wie dem amtsgerichtlichen Urteil, auf das das Berufungsgericht
verweist, zu entnehmen ist, ist die Beschlussmängelklage - nach § 46 Abs. 1
Satz 1 WEG in zutreffender Weise - gegen die übrigen Wohnungseigentümer
gerichtet worden. Insoweit wird das Berufungsgericht eine Rubrumsberichtigung
vorzunehmen haben.
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2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung nimmt das Berufungsgericht an, dass der im Jahr 2008 gefasste Beschluss über die Veränderung des
Verteilungsschlüssels wirksam ist und er daher zu Recht der Abrechnung 2012
zugrunde gelegt worden ist.
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a) Nach § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer hinsichtlich
der in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten den
bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern, soweit dies
ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Hier haben die Wohnungseigentümer
in der Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 den Beschluss gefasst, den
- bisher geltenden gesetzlichen - Kostenverteilungsschlüssel zu ändern.
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b) Entgegen der Ansicht der Revision wird die Wirksamkeit des Beschlusses über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht deshalb in
Frage gestellt, weil der künftige Maßstab nicht in dem Beschlusstext selbst wie-
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dergegeben, sondern insoweit auf den in der Jahresabrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel Bezug genommen wird. Das Berufungsgericht führt
rechtfehlerfrei aus, dass dies zulässig ist.
9
aa) Der Inhalt eines Eigentümerbeschlusses muss, insbesondere weil ein
Sonderrechtsnachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist,
inhaltlich bestimmt und klar sein. Es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs,
die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Zutreffend weist die Revision darauf hin,
dass Eigentümerbeschlüsse daher „aus sich heraus“ auszulegen sind und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses nur herangezogen werden
dürfen, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (Senat, Beschluss vom 10. September 1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 292, 295). Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies aber - wie das Berufungsgericht zutreffend
ausführt - nicht, dass sich der Text eines Eigentümerbeschlusses zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls beziehen dürfte. Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke nehmen darf (Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG,
11. Aufl., § 23 Rn. 62, § 24 Rn. 85; Timme/Steinmeyer, WEG, 2. Aufl., § 24
Rn. 263; Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 86, § 24 Rn. 103; Riecke/Schmidt/Riecke,
WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 103; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 23 Rn. 166,
§ 24 Rn. 176; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 56a; BayOblG, WE
1995, 245, 246; LG München I, Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris
Rn. 32; LG Dortmund, ZWE 2015, 40, 41), wie dies beispielsweise bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch bei Sanierungsbeschlüssen nach Kostenvoranschlag oder auf der
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Grundlage eines Gutachtens geschieht. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet
es nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt,
gedeutet werden kann. Dies gilt auch für Beschlüsse über die Änderung des
Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG, da für die Zulässigkeit von Bezugnahmen - worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist - nicht nach dem
Beschlussgegenstand differenziert werden kann.
10
bb) Nimmt ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument
Bezug, das weder Teil des Beschlusstextes noch des Protokolls ist, erfordert
das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist (vgl. BayOblG, ZMR 2005, 639,
640; LG München I, Urteil vom 9. Mai 2011, 1 S 22360/10, juris Rn. 32; KG,
ZMR 2009, 790, 793; Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 56a;
Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 85). Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter,
insbesondere ein Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt er hat. Die Publizität der auch gegen
Sonderrechtsnachfolger wirkenden Beschlüsse wird dadurch gewährleistet,
dass - jedenfalls bei Beschlüssen, die (wie hier) die Gemeinschaftsordnung
aufgrund einer gesetzlichen oder vereinbarten Öffnungsklausel ändern - das in
Bezug genommene Schriftstück auch in die Beschluss-Sammlung oder eine
Anlage zu dieser aufzunehmen ist, wenngleich dies keine konstitutive Wirkung
für das Zustandekommen des Beschlusses hat (vgl. Bärmann/Merle, WEG,
13. Aufl., § 24 Rn. 144, 165; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 176,
vgl. auch Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 24
Rn. 85; Jennißen/Schultzky, aaO § 23 Rn. 166).
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11
Das Berufungsgericht hat rechtfehlerfrei die zweifelsfreie Bestimmtheit
der in Bezug genommenen „Abrechnung 2007“ bejaht. Aus dem Protokoll der
Eigentümerversammlung vom 13. März 2008 ergibt sich, dass die Wohnungseigentümer unter TOP 3 die Gesamt- und Einzelabrechnung für das Jahr 2007
beschlossen und anschließend unter TOP 4 den weiteren Beschluss gefasst
haben, den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel auch
den zukünftigen Abrechnungen zugrunde zu legen. Daraus lässt sich unschwer
erkennen, dass sich die Beschlussfassung unter TOP 4 auf den Abrechnungsschlüssel der unter TOP 3 beschlossenen Jahresabrechnung 2007, die von den
beklagten Wohnungseigentümern im Berufungsverfahren vorgelegt worden ist,
bezieht.
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cc) Schließlich muss der in dem Beschluss getroffene Regelungstatbestand unter Einbeziehung des in Bezug genommenen Dokuments verständlich
und klar sein.
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Dies ist hier zu bejahen. Aus dem Eigentümerbeschluss vom
13. März 2008, den der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senat, Beschluss vom
10. September 1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 288, 291), ergibt sich, dass der
in der Jahresabrechnung 2007 verwendete Verteilungsschlüssel den künftigen
Abrechnungen zugrunde gelegt werden soll. Der in Bezug genommene Verteilungsschlüssel der Abrechnung 2007 ist dort auch in verständlicher Weise erläutert.
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III.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Brückner
Kazele
Weinland
Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 12.03.2014 - 28 C 52/13 LG Bremen, Entscheidung vom 10.04.2015 - 4 S 114/14 -