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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 1/10
vom
15. Juli 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 765a
Erachtet das Vormundschaftsgericht Maßnahmen zum Schutz des Lebens des
Schuldners nicht für geboten, solange die Zwangsvollstreckung nicht durchgeführt
wird, so setzt die Fortsetzung der Vollstreckung gegen den suizidgefährdeten
Schuldner voraus, dass das Vollstreckungsgericht flankierende Maßnahmen ergreift,
die ein rechtzeitiges Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts zur Abwendung der
Suizidgefahr ermöglichen.
BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10 - LG Aachen
AG Aachen
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 11. Dezember
2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts
Aachen vom 21. Oktober 2009 (Az. 18 K 421/02) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin gegen
den Zuschlagsbeschluss einstweilen eingestellt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
107.200 €.
Gründe:
I.
1
Seit Januar 2003 ist die Zwangsversteigerung des Hof- und Gebäudegrundstücks der Schuldnerin angeordnet. Das Gebäude wird von der suizidgefährdeten Mutter der Schuldnerin bewohnt. Wegen der Gefahr der Selbsttötung
-3-
hat zunächst das Vollstreckungsgericht das Verfahren einstweilen eingestellt,
so dass der erste - auf den 10. Dezember 2003 anberaumte - Versteigerungstermin nicht zum Zuschlag führte. Auf weitere Versteigerungstermine in den
Jahren 2004 und 2007 wurde zwar jeweils dem Meistbietenden der Zuschlag
erteilt. Das hatte jedoch im Beschwerdeverfahren wegen akuter Suizidgefahr
der Mutter keinen Bestand; das Verfahren wurde wiederum einstweilen eingestellt. Der Einstellungsbeschluss vom 2. Juni 2006 lautet auszugsweise:
"Bei etwaigen künftigen Entscheidungen über die Frage einer
nochmaligen Einstellung des Verfahrens wird das Verhalten der
Schuldnerin und ihrer Mutter, die nunmehr einen zeitlichen Aufschub und damit die Gelegenheit einer entsprechenden therapeutischen Behandlung erhält, insoweit kritisch zu beleuchten sein,
vor allem im Hinblick auf ein ernsthaftes Bemühen um eine Verringerung des Suizidrisikos."
2
In dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 25. Januar 2008 heißt es u.a., es sei eine insbesondere an das Zwangsversteigerungsverfahren gekoppelte sehr ernst zu nehmende "suizidale Reaktionsbereitschaft" der Mutter der Schuldnerin zu bejahen. Diese sei mehrfach nachdrücklich auf das Erfordernis einer weiterführenden ambulanten Therapie hingewiesen worden.
3
Der Aufforderung zu einer ambulanten Behandlung wegen der psychischen Situation kam die Mutter nach den Ausführungen des Sachverständigen
nicht nach. Nach ihren Angaben hat sie sich lediglich weiterhin von ihrer Hausärztin psychopharmakologisch behandeln lassen. Daher stellte das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 21. Juli 2008 das Verfahren nur noch für die Dauer von drei Monaten unter der Auflage ein, die Schuldnerin möge binnen eines
Monats die Stellung eines Antrages bei dem Vormundschaftsgericht mit dem
Ziel der Bestellung eines Betreuers für ihre Mutter nachweisen. Da die Schuld-
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nerin dem nicht nachkam, ordnete das Vollstreckungsgericht im September
2008 die Fortsetzung des Verfahrens an. Auf den darauf von der Schuldnerin
gestellten Antrag bestellte das Vormundschaftsgericht Ende März 2009 einen
Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht und Vermögenssorge.
4
Darauf hat das Vollstreckungsgericht einen neuen Versteigerungstermin
auf den 2. Oktober 2009 anberaumt, die Terminsbestimmung auch dem Betreuer zugestellt und unter Schilderung der Problematik auch das Vormundschaftsgericht eingeschaltet. Dabei hat es darauf hingewiesen, dass ein Zuschlag nur erteilt werden könne, wenn die Mutter untergebracht oder dies von
dem Vormundschaftsgericht abgelehnt werde.
5
Nachdem der Beteiligte zu 4 in dem Versteigerungstermin Meistbietender
geblieben war, hat das Vollstreckungsgericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 21. Oktober 2009 bestimmt. Noch vor diesem Termin lehnte
das Vormundschaftsgericht die Unterbringung der Mutter mit der Begründung
ab, die Voraussetzungen für eine Unterbringung lägen - derzeit - nicht vor. Auch
der Betreuer sehe nach Rücksprache mit dem behandelnden Psychologen keine akute Gefährdung. Am 20. Oktober 2009 hat die Schuldnerin erneut beantragt, den Zuschlag zu versagen und das Verfahren einstweilen einzustellen.
Ihre Mutter habe abermals erklärt, sie werde das Haus "nur mit den Füßen voraus" verlassen.
6
In dem Verkündungstermin hat das Vollstreckungsgericht unter Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages dem Meistbietenden den Zuschlag
erteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihre Anträge weiter.
-5-
II.
7
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die bestehende Suizidgefahr
für die Mutter der Schuldnerin schließe die Zuschlagserteilung nach dem Ergebnis der Abwägung der widerstreitenden grundrechtsrelevanten Positionen
der Beteiligten nicht aus. Wie der Verfahrensverlauf zeige, habe die Gläubigerin
bisher in erheblichem Maße zurückstecken müssen. Zwar bestehe für den Fall
der endgültigen Erteilung des Zuschlags auch weiterhin die konkrete und hohe
Gefahr, dass sich die Mutter töten werde. Die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens sei jedoch auch in solchen Fällen möglich, wenn die Lebensgefahr anders als durch die Einstellung des Verfahrens - insbesondere
durch eine Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten - abgewendet werden
könne. So liege es hier. Das Vollstreckungsgericht habe mit der Erteilung von
Auflagen, der Anrufung des Vormundschaftsgerichts und der Einschaltung des
Betreuers alles in seiner Macht stehende getan. Halte aber das zuständige Vormundschaftsgericht eine Unterbringung nicht für erforderlich und werde eine
solche Entscheidung bestandskräftig, dürfe die Zwangsvollstreckung im Regelfall fortgesetzt werden. Die verbleibende Gefahr der Selbsttötung müsse nach
einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts als der für die Frage der Unterbringung primär zuständigen Stelle entweder hingenommen werden oder
aber der Betreuer sei gehalten, bei Eintritt einer akuten Gefahr die Unterbringung zu veranlassen.
III.
8
1. Die gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO
statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
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9
a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kommt zwar eine Zurückweisung des von der Schuldnerin nach § 765a ZPO beantragten Vollstreckungsschutzes in Betracht. Für eine abschließende Entscheidung bedarf es
jedoch noch Feststellungen unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit.
10
aa) (1) Das Beschwerdegericht legt zutreffend zugrunde, dass nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senat, BGHZ 163, 66, 73;
Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.; Beschl. v.
14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember
2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586, 587; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005,
I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860 m.w.N.) selbst dann, wenn mit der Zwangsvollstreckung - wie hier - eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, eine Zwangsversteigerung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen ist. Geht die Lebensgefahr nicht von dem mit der Zuschlagserteilung einhergehenden Eigentumsverlust aus, sondern nur von der nach dem Zuschlag drohenden Zwangsräumung,
darf der Zuschlag nicht versagt werden. Ist indessen - wie hier - davon auszugehen, dass die Lebensgefahr schon deshalb besteht, weil der Schuldner oder
ein naher Angehöriger den Eigentumsverlust befürchtet, ist stets eine Abwägung der in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des
Gläubigers geboten. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch
der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Unterbleibt die Fortsetzung des
Zwangsversteigerungsverfahrens wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die
auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf
Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen. Die Aufgabe des
Staates, das Recht zu wahren, umfasst die Pflicht, titulierte Ansprüche notfalls
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mit Zwang durchzusetzen und dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen
(BVerfGE 49, 220, 231). Der Gläubiger hat gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz (vgl.
BVerfGE 49, 220, 225). Ihm dürfen nicht die Aufgaben überbürdet werden, die
aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860 m.w.N.).
Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (vgl. auch Senat,
Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721).
11
(2) Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht,
sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch
Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Hierzu
gehören zum einen zumutbare Anstrengungen des Suizidgefährdeten selbst
(vgl. etwa BVerfG NJW 1992, 1155; 1993, 463, 464; 2004, 49 f.), etwa die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, ggf. auch unter Einbeziehung eines stationären
Klinikaufenthaltes. Darüber hinaus kommen als mögliche Maßnahmen auch die
Ingewahrsamnahme des Gefährdeten insbesondere nach polizeirechtlichen
Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den landesrechtlichen Vorschriften in Betracht (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006,
505, 506; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859,
1860). Da die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners nicht
durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann, sind
die Vollstreckungsorgane ggf. gehalten, bei den zuständigen Behörden eine
Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht eine
Betreuung anzuregen und dabei darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckung
fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des
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Schuldners nicht für notwendig erachten. Wird danach eine Unterbringung zum
Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich gehalten und wird
diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die
Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär
zuständigen Stelle, die es im Regelfall gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts liegt ein solcher Regelfall
hier nicht vor.
12
Der Verweis auf die Primärzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts
ist nur tragfähig, wenn dieses Gericht lebensschützende Maßnahmen ergriffen
oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende
Moment - hier den endgültigen Eigentumsverlust der Schuldnerin - verneint hat.
So verhält es sich hier jedoch nicht. Zwar hat das Vormundschaftsgericht eine
Unterbringung der Mutter der Schuldnerin abgelehnt. Nicht aber hat es die akute Gefahr eines Suizides für den Fall des endgültigen Eigentumsverlustes verneint, sondern (nur) darauf abgestellt, dass "gegenwärtig" eine solche Gefahr
nicht vorliege. Bliebe man hierbei stehen, wäre die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens - wie das Beschwerdegericht richtig sieht - blockiert. Solange kein endgültiger Eigentumsverlust eintritt, besteht nach der Auffassung
des Vormundschaftsgerichts keine akute Suizidgefahr. Ohne eine solche Gefahr trifft dieses Gericht keine sichernden Maßnahmen. Das wiederum hätte zur
Folge, dass der Zuschlag nicht aufrecht erhalten werden dürfte.
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Den Ausweg aus dieser - insbesondere mit den verfassungsrechtlichen
Vorgaben eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) unvereinbaren Blockadesituation sieht der Senat in Folgendem: Trägt die Entscheidung des
Vormundschaftsgerichts zur Behebung des Dilemmas nicht bei, weil die Ablehnung lebenssichernder Maßnahmen nicht auf eine Bewertung der Bedrohungs-
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lage bezogen auf den Zeitpunkt des endgültigen Eigentumsverlustes gestützt
wird, hindert dieser Umstand nicht, den Zuschlag (bzw. die Zurückweisung des
Antrages auf weitere Verfahrenseinstellung) zu bestätigen, sofern der drohenden Suizidgefahr effektiv durch flankierende Maßnahmen Rechnung getragen
wird. Das kann dadurch geschehen, dass das Vollstreckungsgericht die bestätigende Entscheidung zunächst nur dem Vormundschaftsgericht (sowie ggf. auch
einem bestellten Betreuer) - unter deutlicher Hervorhebung der mit dem Bekanntwerden der abschlägigen Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden akuten Lebensgefahr - zustellt, die Herausgabe des Beschlusses an
die Verfahrensbeteiligten nach Ablauf einer bestimmten Frist ankündigt, sich
des Eingangs dieser Ankündigung vergewissert, die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten erst nach Fristablauf veranlasst und das Vormundschaftsgericht
hiervon nochmals in geeigneter Weise unter erneuter Hervorhebung der Dringlichkeit und der Bedeutung der Sache informiert. Dann muss das - mit der Sache ohnehin schon vorbefasste - Vormundschaftsgericht im Rahmen der primär
ihm zugewiesenen Verantwortung für den Lebensschutz darüber befinden, ob
nunmehr eine akute Selbstgefährdung vorliegt oder nicht. Bejaht es eine solche
Gefahr, obliegt es ihm, die erforderlichen (Eil-)Maßnahmen zu treffen.
14
bb) Nicht hinreichend beachtet hat das Beschwerdegericht indessen den
auch im Zwangsversteigerungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. nur Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW
2007, 3719, 3720 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., vor § 704 Rdn. 29 m.w.N.).
Zwar hat es der Sache nach zu Recht angenommen, dass der Gefahr der
Selbsttötung vorliegend nicht effektiv mit dem milderen Mittel ambulanter therapeutischer Maßnahmen begegnet werden kann. Nicht geprüft hat es jedoch, ob
die Dauer einer Unterbringung außer Verhältnis steht zu dem damit verfolgten
Zweck der Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Steht fest oder ist
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aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das
Verfahren (ggf. erneut) auf bestimmte Zeit einzustellen (Senat, Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586). Gleiches gilt, wenn der Gefahr der
Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann. Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen
während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann. Tatrichterliche Feststellungen hierzu hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
b) Kann die Beschwerdeentscheidung danach keinen Bestand haben, ist
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die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 577 Abs. 4 Satz 1 u. Abs. 5 Satz 1
ZPO).
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2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt,
ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts nach §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbe-
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schwerdegericht auszusprechen (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07,
NJW 2007, 3719, 3721; vgl. auch BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004,
49, 50; NZM 2005, 657, 659).
Krüger
Lemke
Zugleich für RiBGH Dr. Klein,
der wegen Urlaubs verhindert
ist zu unterschreiben.
Stresemann
Czub
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.10.2009 - 18 K 421/02 LG Aachen, Entscheidung vom 11.12.2009 - 3 T 433/09 -