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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 67/12
vom
18. April 2013
in der Abschiebungshaftsache
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. April 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Roth, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Beschluss des Landgerichts München I - 13. Zivilkammer - vom
13. März 2012 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Rechtsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der
Landeshauptstadt München auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
3.000 €.
Gründe:
I.
1
Die Betroffene, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste mit gültigem
Visum in das Bundesgebiet ein. Nach Ablauf des Visums wurde sie am 17. Mai
2011 angetroffen und wies sich mit einem für eine andere Person ausgestellten
Reisepass aus. Sie äußerte ein Asylbegehren und gab an, den Reisepass entwendet zu haben. Daraufhin wurde sie in Untersuchungshaft genommen, die
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bis zum 15. Juni 2011 andauerte. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete
das Amtsgericht mit Beschluss vom 7. Juni 2011 die Haft zur Sicherung der
Abschiebung der Betroffenen für die Dauer von drei Monaten im Anschluss an
die Untersuchungshaft an. Nach Einlegung der Beschwerde am 24. Juni 2011
hob es die Haftanordnung auf, weil die beteiligte Behörde ihren Antrag aufgrund
des Asylantrags zurückgenommen hatte.
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Das Beschwerdegericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts über die Haftanordnung vom 7. Juni 2011 die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die beteiligte Behörde die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung
vom 7. Juni 2011 und die Haftdurchführung im Zeitraum vom 15. bis 24. Juni
2011 rechtmäßig waren.
II.
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Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat die Anordnung der Abschiebungshaft den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, weil ihr
der Haftantrag zu Beginn der Anhörung lediglich bekannt gegeben, nicht aber
- wie es erforderlich sei - übersetzt und ausgehändigt worden sei. Dieser Verfahrensmangel sei bis zu der Aufhebung der Haft nicht geheilt worden. Ferner
sei die Haft nicht verhältnismäßig gewesen, weil die Betroffene in einem Haftraum mit Untersuchungsgefangenen untergebracht worden sei; dies sei mit
dem richtlinienkonform auszulegenden § 62a Abs. 1 Satz 2 AufenthG unvereinbar.
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III.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung gemäß § 70 Abs. 1
FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zwar wird ein Rechtsmittel der
beteiligten Behörde in Abschiebungshaftsachen, das sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erledigt, unzulässig, weil ein Feststellungsantrag analog
§ 62 FamFG zugunsten der Behörde nicht zulässig ist (Senat, Beschluss vom
31. Januar 2013 – V ZB 22/12, zur Veröffentlichung bestimmt). Eine solche
Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr hat sich die ursprüngliche
Beschwerde der Betroffenen während des Beschwerdeverfahrens erledigt. Daraufhin hat das Beschwerdegericht ihrem Feststellungsantrag – als neuer
Hauptsache – stattgegeben. Gegen diese Entscheidung wendet sich die beteiligte Behörde in zulässiger Weise. Sie kann zwar nicht die Feststellung der
Rechtmäßigkeit der Haftdurchführung verlangen; ihr Antrag ist aber so auszulegen, dass sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung der Beschwerde erreichen will.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
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a) Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung ergibt sich schon allein daraus, dass - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - der Haftantrag der
Betroffenen nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 23 Abs. 2
FamFG). Denn dazu muss dem Betroffenen in jedem Fall vor der Anhörung
eine Ablichtung des Antrags ausgehändigt und erforderlichenfalls übersetzt
werden; dies muss in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle schriftlich dokumentiert werden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom
14. Juni 2012 - V ZB 284/11, InfAuslR 2012, 369 Rn. 9 mwN). Hieran fehlt es.
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Eine - mit Wirkung für die Zukunft mögliche - Heilung der Mängel ist bis zur
Aufhebung der Haft nicht erfolgt.
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b) Ob darüber hinaus die Auffassung des Beschwerdegerichts zutrifft,
wonach die Haftanordnung auch wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der
Trennung von Abschiebungs- und Strafgefangenen rechtswidrig ist, bedarf keiner Entscheidung. Mangels Entscheidungserheblichkeit ist die Einholung einer
Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV
zu der Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame
Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008, S. 98) nicht
zulässig.
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c) Ebenso kann dahinstehen, ob der Haftantrag rechtswidrig war, weil er
weder Ausführungen zu der Abschiebungsandrohung (dazu Senat, Beschluss
vom 30. Juli 2012 - V ZB 245/11, juris Rn. 9 mwN) noch zu der Durchführbarkeit
der Abschiebung nach Nigeria sowie der dazu erforderlichen Haftdauer enthielt
(dazu Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328
Rn. 9 f.).
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IV.
9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83
Abs. 2, § 84, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO, § 30
Abs. 2 KostO.
Stresemann
Roth
Weinland
Brückner
Kazele
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 07.06.2011 - 872 XIV B 185/11 LG München I, Entscheidung vom 13.03.2012 - 13 T 1606/12 -