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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 189/05
vom
23. März 2006
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 197 Abs. 1 Nr. 3
Die Verjährungsfrist des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer
rechtskräftigen Kostengrundentscheidung beträgt 30 Jahre (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
BGH, Beschl. v. 23. März 2006 - V ZB 189/05 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. März 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. November 2005 wird
hinsichtlich beider Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Ravensburg vom 23. September 2005 auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
11.574,32 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Durch seit dem 18. Mai 2000 rechtskräftiges Urteil vom 17. August 1999
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verurteilte das Oberlandesgericht den Kläger zur Tragung der in diesem
Rechtsstreit entstandenen erst- und zweitinstanzlichen Kosten. Deren Festsetzung hat der Beklagte am 22. August 2005 für die erste und am 12. September
2005 für die zweite Instanz beantragt. Gegen beide Anträge erhebt der Kläger
die Einrede der Verjährung. Der Beklagte hält seinen Anspruch nicht für verjährt
und meint, der Einwand der Verjährung könne nicht im Kostenfestsetzungsverfahren, sondern nur mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden.
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Das Landgericht hat die dem Beklagten zu erstattenden Kosten in gesonderten Beschlüssen für die erste Instanz auf 5.035,41 € und für die zweite
Instanz auf 6.538,91 € festgesetzt. Die dagegen erhobenen sofortigen Beschwerden des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen
richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde,
mit welcher der Kläger eine Zurückweisung beider Kostenfestsetzungsanträge
erreichen möchte. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Einrede der Verjährung ist allerdings ein materiell-rechtlicher Einwand gegen den mit dem Kostenfestsetzungsantrag geltend gemachten prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Materiell-rechtliche Einwände gegen
den Kostenerstattungsanspruch sind im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 64. Aufl., § 104 Rdn. 11 und 13 Stichwort Verjährung; MünchKommZPO/Belz, 2. Aufl., § 104 Rdn. 25; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl.,
§ 104 Rdn. 12; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rdn. 21 Stichwort Materiellrechtliche Einwendungen). Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen
des Kostenrechts zugeschnitten und deshalb auch dem Rechtspfleger
übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und
von komplizierten Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und
mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht
sinnvoll möglich. Solche Einwände sind mit der Vollstreckungsgegenklage gel-
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tend zu machen (RGZ 75, 199, 201; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104
Rdn. 14). Eine solche Klage erfordert allerdings einen gegenüber dem Kostenfestsetzungsverfahren ungleich größeren Aufwand. Den Kostenerstattungsschuldner auf diesen Weg zu verweisen, ist deshalb auch unter dem Gesichtspunkt einer (prozessualen) Gleichbehandlung bei solchen materiell-rechtlichen
Einwänden nicht erforderlich, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich
mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne
weiteres klären lassen. Solche Einwände können deshalb ausnahmsweise auch
im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 104 Rdn. 12; MünchKommZPO/Belz, aaO, § 104 Rdn. 26; Stein/Jonas/Bork, aaO, § 104 Rdn. 15; Wieczorek/Schütze/Steiner, aaO, § 104 Rdn. 12; Zöller/Herget, aaO, § 104 Rdn. 21
Stichwort Materiell-rechtliche Einwendungen). Dazu kann auch die Frage der
Verjährung
gehören
(OLG
Koblenz
MDR
1996,
750;
Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 104 Rdn. 13 Stichwort Verjährung).
So liegt es hier. Die der von dem Kläger erhobenen Einrede der Verjährung
zugrunde liegenden Tatsachen sind unstreitig. Es geht allein um die Frage, ob
der Kostenerstattungsanspruch im Sinne von § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB, der hier
gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB Anwendung findet, rechtskräftig festgestellt
ist. Diese Frage kann auch im Kostenfestsetzungsverfahren geklärt werden.
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2. Sie ist mit dem Beschwerdegericht zu bejahen.
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a) Nach nahezu unbestrittener Ansicht verjährt der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach Rechtskräftigwerden der Kostengrundentscheidung
in 30 Jahren (a. M., soweit ersichtlich, nur OVG Münster NJW 1971, 1767: Verjährung nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a. F., was heute der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB entspräche). Unterschiede bestehen lediglich in
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der - nicht immer (OLG Karlsruhe MDR 1996, 750; OLG Dresden JW 1938,
3161; Gerold/Schmidt/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., § 8 Rdn. 71;
Schmidt, Anm. zu OVG Münster NJW 1971, 1767, ibid.) - gegebenen Begründung dieses Ergebnisses. In der Zeit vor dem 1. Januar 2002 wurde teilweise
auf die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a. F. verwiesen (OLG
Frankfurt am Main AnwBl 1989, 106 und MDR 1977, 665; OLG Koblenz Rpfleger 1986, 319; OLG München NJW 1971, 1755; VGH München Rpfleger 2004,
65; unter Hinweis auch auf § 218 BGB auch: OLG Naumburg OLG-NL 2002,
69; MünchKomm-ZPO/Belz, aaO, Vor § 91 Rdn. 8), was heute indessen zur
Anwendung der kürzeren Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB führte (VGH München aaO). Nach der seinerzeit und auch heute herrschenden Ansicht folgt die
Verjährungsfrist von 30 Jahren aber als sog. Vollstreckungsverjährung aus §
218 BGB a. F. bzw. jetzt § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (KG JW 1938, 2488; DR 1940,
338; 1943, 154; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 104 Rdn. 13
Stichwort Verjährung; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 197 Rdn. 12;
Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 8 RVG Rdn. 24; Hk-ZPO/Gierl, Vor §§
91-107 Rdn. 12; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl., § 197 Rdn. 16; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 197 Rdn. 11; Zöller/Herget, aaO, § 104 Rdn.
21 Stichwort Verjährung; wohl auch: Staudinger/Peters, BGB [2004], § 197
Rdn. 29 unter b; unter Hinweis auf § 195 BGB a. F. OLG Naumburg OLG-NL
2002, 69; MünchKomm-ZPO/Belz, aaO, Vor § 91 Rdn. 8).
b) Dem folgt der Senat, was hier zu einer Verjährungsfrist von 30 Jahren
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führt.
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aa) Für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ist eine besondere
Verjährungsfrist nicht bestimmt. Für ihn gilt deshalb zunächst auch die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Da der Anspruch aber, aufschiebend
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bedingt, erst mit der Erhebung der Klage oder der Einleitung anderer Verfahren
entsteht (BGH, Urt. v. 8. Januar 1976, III ZR 146/73, WM 1976, 460; NJW 1992,
2575; RGZ 145, 13, 15; Musielak/Wolst, aaO, § 91 Rdn. 14), ist seine Verjährung zunächst nach § 204 Abs. 1 und 2 BGB bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der rechtskräftigen Entscheidung, der anderweitigen Beendigung oder
einem auf seinem Nichtbetreiben durch die Parteien beruhenden Stillstand des
Verfahrens gehemmt. Wird das Verfahren, wie hier, mit einer rechtskräftigen
Entscheidung abgeschlossen, wird rechtskräftig nicht nur über die Hauptsache
entschieden. Vielmehr wird mit der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens auch rechtskräftig festgestellt, ob und in welchem Umfang eine Partei verpflichtet ist, der anderen Partei die ihr entstandenen Kosten des Verfahrens zu
erstatten. Damit wird der Kostenerstattungsanspruch im Sinne von § 197 Abs. 1
Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
aaO, § 104 Rdn. 13 Stichwort Verjährung; Erman/Schmidt-Räntsch, aaO, § 197
Rdn. 12; Zöller/Herget, aaO, § 104 Rdn. 21 Stichwort Verjährung). Eine in diesem Sinne rechtskräftige Feststellung liegt nämlich nach allgemeiner Meinung
nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer
bestimmten anderen Leistung verurteilt worden ist; es genügt ein Urteil oder
eine
andere
Entscheidung,
die
seine
Leistungspflicht rechtskräftig feststellt (BGH, Urt. v. 3. November 1988, IX ZR
203/87, NJW-RR 1989, 215; RGZ 84, 370, 373 f.; Bamberger/Roth/Henrich,
BGB, § 197 Rdn. 14; Erman/Schmidt-Räntsch, aaO, § 197 Rdn. 10; MünchKomm-BGB/Grothe, aaO, § 197 Rdn. 14; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl.,
§ 197 Rdn. 25; Staudinger/Peters, aaO, § 197 Rdn. 24). Eine solche Feststellung erfolgt durch die Kostengrundentscheidung.
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bb) Das kann dazu führen, dass sich die Verjährungsfrist für einen Kostenerstattungsanspruch im Einzelfall beträchtlich verlängert, etwa dann, wenn
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kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist von 30 Jahren ein Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt wird, dessen rechtskräftiger Erlass eine neue Verjährungsfrist
von 30 Jahren auslöst. Diese Folge ist aber keine Besonderheit bei der Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen. Sie kann vielmehr bei jedem Anspruch eintreten, der zunächst nicht zum Gegenstand eines Leistungs-, sondern, unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO, eines Feststellungsantrags
gemacht wird. Der Rechtsbeschwerde ist allerdings einzuräumen, dass die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs anders als die
Geltendmachung etwa komplizierter Schadensersatzforderungen in aller Regel
keinen besonderen Aufwand erfordert und innerhalb von drei Jahren nach dem
Eintritt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung möglich ist. Entgegen ihrer Ansicht rechtfertigt das aber keine einschränkende Auslegung des § 197
Abs. 1 Nr. 3 BGB. Diese Konsequenz entspricht vielmehr dem Willen des Gesetzgebers. Dies wird in § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB deutlich, wonach nicht nur jeder Vollstreckungsversuch, sondern schon jeder Vollstreckungsantrag einen
Neubeginn der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 Abs. 1 Nr. 3
BGB auslöst, auch wenn der Vollstreckungsversuch kurz vor deren Ablauf erfolgt. Um sicherzustellen, dass auch für den Anspruch auf Ersatz von Vollstreckungskosten, die nach § 788 ZPO nicht besonders tituliert zu werden brauchen, eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt, hat der Gesetzgeber dies mit
§ 197 Abs. 1 Nr. 6 BGB in der Fassung von Art. 7 des Gesetzes zur Anpassung
von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214) ausdrücklich klargestellt (Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drucks 15/3653 S. 17). Dieser Wertung widerspräche es, den durch eine Kostengrundentscheidung titulierten prozessualen Kostenerstattungsanspruch einer anderen Verjährungsfrist zu unterwerfen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Klein
Schmidt-Räntsch
Lemke
Roth
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 23.09.2005 - 4 O 1368/98 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.11.2005 - 8 W 513/05 u. 8 W 514/05 -