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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
KVR 25/08
vom
7. April 2009
in der Kartellverwaltungssache
-2-
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2009 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Dr. Kirchhoff und
Dr. Grüneberg
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt bis zur übereinstimmenden Erklärung der Erledigung in der Hauptsache 1 Mio. Euro.
Gründe:
1
I.
Die Betroffene zu 2 (im Folgenden Lotto GmbH), deren Gesellschafter
die Betroffenen zu 3 bis 5 sind, betreibt auf dem Gebiet des Landes RheinlandPfalz (Betroffener zu 1) verschiedene Glücksspiellotterien. Das Land RheinlandPfalz beabsichtigt, insgesamt 51% der Anteile an der Lotto GmbH zu erwerben.
2
Das Bundeskartellamt hat den Zusammenschluss untersagt. Gegen diesen
Beschluss haben das Land Rheinland-Pfalz und die Lotto GmbH Beschwerde eingelegt. Sie haben beim Beschwerdegericht beantragt, im Wege einer einstweiligen
Anordnung, hilfsweise durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung, ihnen und
den Betroffenen zu 3 bis 5 zu gestatten, den mit dem angefochtenen Beschluss
untersagten Zusammenschluss zu vollziehen.
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Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verworfen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 2304). Mit der – vom Beschwerdegericht zugelassenen – Rechtsbeschwerde haben das Land Rheinland-Pfalz
und die Lotto GmbH ihren auf einstweilige Gestattung des Vollzugs des Zusammenschlusses gerichteten Antrag zunächst weiterverfolgt. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Beschwerdegericht die Untersagungsverfügung
des Bundeskartellamts im Hauptsacheverfahren aufgehoben. Nach Eintritt der
Rechtskraft dieser Entscheidung haben Rechtsbeschwerdeführer und Rechtsbeschwerdegegner das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.
4
II. Nach § 78 GWB i.V. mit § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91a Abs. 1 Satz 1
ZPO ist über die Kosten des in der Hauptsache für erledigt erklärten gerichtlichen
Kartellverwaltungsverfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei genügt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (BGH,
Beschl. v. 29.10.1985 – KVR 4/83, WuW/E 2207, 2208 – Lufthansa/f.i.r.s.t. Reisebüro; Beschl. v. 31.5.2006 – KVR 1/05, WRP 2006, 1030 Tz. 9 – Call-Option). Ist
der Verfahrensausgang danach offen, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben
(BGH, Beschl. v. 16.11.1999 – KVR 10/98, WuW/E DE-R 420 – Erledigte Beschwerde). So liegt der Fall hier.
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Auf die Rechtsbeschwerde wäre der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen worden. Mit der vom Beschwerdegericht in erster Linie gegebenen Begründung, der Antrag auf vorläufige Gestattung des Vollzugs sei unzulässig, weil
die Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot ausschließlich vom Bundeskartellamt im Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB gewährt werden könne, hätte die Ent-
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scheidung keinen Bestand haben können. Wie der Senat inzwischen in anderer
Sache (BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – KVR 30/08, WuW/E DE-R 2507 Tz. 20 ff. –
Faber/Basalt, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, ist das
Beschwerdegericht im Falle der Anfechtung einer nach § 40 Abs. 2 GWB ergangenen Untersagungsverfügung befugt, im Wege der einstweiligen Anordnung
(§ 64 Abs. 3 Satz 1, § 60 Nr. 1 GWB) die Befreiung vom Vollzugsverbot unter den
in § 41 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen zu erteilen.
6
Ob die Rechtsbeschwerdeführerin im weiteren Verlauf des Verfahrens ohne
das erledigende Ereignis mit ihrem Antragsziel Erfolg gehabt hätte, bedarf bei der
gebotenen summarischen Prüfung auf der Grundlage des bisher erreichten Sachund Streitstands keiner abschließenden Beurteilung. Der Senat hätte mangels
ausreichender Feststellungen zu den für die Abwägung nach § 41 Abs. 2 Satz 1
GWB relevanten Umständen nicht selbst entscheiden können und die Sache an
das Beschwerdegericht zurückverweisen müssen. Eine hinreichend sichere Prognose über die Erfolgsaussichten der begehrten einstweiligen Anordnung ist nicht
möglich. Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil die Untersagungsverfügung in der Hauptsache inzwischen rechtskräftig aufgehoben worden ist. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung allein reichen –
anders als bei § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB – für eine Befreiung vom Vollzugsverbot
nicht. § 41 Abs. 2 Satz 1 GWB verlangt vielmehr, dass die Zusammenschlussbeteiligten hierfür wichtige Gründe geltend machen und insbesondere dartun, dass
die Befreiung – auch im Hinblick auf die zu erwartende Dauer des Beschwerdesowie eines möglichen Rechtsbeschwerdeverfahrens – geboten ist, um schweren
Schaden von ihnen oder von Dritten abzuwenden. Die Erfolgsaussichten der Beschwerde stellen dabei lediglich einen Faktor der Abwägung dar (BGH, Beschl. v.
14.10.2008 – KVR 30/08, WuW/E DE-R 2507 Tz. 24 – Faber/Basalt). Diese Ab-
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wägung nachzuholen, ist dem Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht
möglich und im Übrigen bei summarischer Prüfung auch nicht veranlasst.
7
Unter diesen Umständen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens gegeneinander aufzuheben.
Tolksdorf
Bornkamm
Kirchhoff
Meier-Beck
Grüneberg
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.03.2008 - VI-Kart 19/07 (V) -